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OGH vom 21.10.2021, 3Ob158/21p

OGH vom 21.10.2021, 3Ob158/21p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. WeixelbraunMohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Sutterlüty Klagian Brändle Gisinger Lingenhöle Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 77/21x24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 5 Cg 56/20w15, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das klagsstattgebende erstinstanzliche Urteil (unter Einschluss des bereits rechtskräftig zuerkannten Teilbetrags von 1.836 EUR sA) einschließlich der Kostenentscheidung zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.849,92 EUR (darin enthalten 308,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.858,60 EUR (darin enthalten 222,10 EUR USt und 1.526 EUR an Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Streit über Stornokosten für eine (beabsichtigte) Möbellieferung durch den Kläger.

[2] Die Beklagte errichtete im Rahmen eines Hotelprojekts ein Mitarbeiterhaus. Dieses Projekt wurde von einer Bauträger GmbH abgewickelt, deren Geschäftsführer befugt war, für die Beklagte Aufträge an andere Unternehmen zu erteilen. Der Geschäftsführer der Bauträger GmbH beauftragte eine Vermittlerin damit, für die Möblierung (im Auftragsvolumen bis 240.000 EUR netto) einen Lieferanten zu finden.

[3] In der Folge holte die Vermittlerin vom Kläger, einem Raumausstatter, ein Pauschalangebot (vom über 231.800 EUR netto) ein. Die Beklagte verlangte (bei der Besprechung vom ) einen Nachlass von 2 % und die Vornahme einer Bemusterung. Im Anschluss an diese Besprechung teilte die Vermittlerin mit, dass der Nachlass vom Kläger gewährt werde, woraufhin dem Kläger von der Bauträger GmbH die Daten der Beklagten (Rechnungsadresse und Anlieferungsadresse) übermittelt wurden. Die Vermittlerin verstand dies dahin, dass dem Kläger aufgrund der geforderten Nachlassgewährung der Auftrag erteilt werde, und setzte den Kläger davon in Kenntnis, dass es mit dem Auftrag „passe“. Die Vermittlerin war nicht befugt, im Namen der Bauträger GmbH bzw der Beklagten Aufträge zu erteilen. Es war dem Kläger bewusst, dass sie nur als „Botin“ fungierte. Der Kläger beauftragte eine Subunternehmerin mit der Herstellung der Möbel, wobei das Auftragsvolumen 166.632,17 EUR netto betrug und eine 30%ige Stornogebühr vereinbart wurde. Die Produktion wurde sogleich in Gang gesetzt.

[4] Am übermittelte der Kläger der Bauträger GmbH eine Auftragsbestätigung unter Berücksichtigung des Nachlasses sowie eines Skontos von je 2 % sowie eine Anzahlungsrechnung; beides blieb unwidersprochen. Am fand die Bemusterung statt, bei der Lieferdetails besprochen wurden und der Kläger sowie die Subunternehmerin eine pünktliche Lieferung zusagten. Der Geschäftsführer der Beklagten wünschte noch ein Nachtragsangebot für eine andere Matratze und der Geschäftsführer der Bauträger GmbH verlangte zum Pauschalangebot des Klägers eine Einzelpreisaufstellung. Auch dabei wies der Geschäftsführer der Bauträger GmbH nicht darauf hin, dass er auch von einem anderen Unternehmen ein Angebot einholte.

[5] Der Kläger übermittelte am die gewünschte Einzelpreisaufstellung und am das Nachtragsangebot, das sich für die gesamte Möblierung auf 239.580 EUR netto belief.

[6] Am erklärte der Geschäftsführer der Beklagten, dem Kläger nie einen Auftrag erteilt zu haben. Die Subunternehmerin des Klägers übermittelte diesem eine Zahlungsaufforderung über 49.989,65 EUR netto. Aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehung mit dem Kläger ist die Subunternehmerin bereit, mit der Zahlung noch zuzuwarten.

[7] Der Kläger begehrte 20.000 EUR sA (Eigenaufwand von brutto 1.836 EUR sowie Stornokosten von brutto 18.164 EUR). Mit Rechnung vom habe er einerseits den ihm entstandenen Aufwand von netto 1.530 EUR und andererseits die Fremdkosten (Stornogebühr von 49.989,65 EUR) von der Beklagten verlangt. Davon werde aus prozessökonomischen Gründen der eingeklagte Teilbetrag geltend gemacht. Die Beklagte habe den am erteilten Auftrag am ohne Anlass storniert. Die Auftragsbestätigung sei unwidersprochen geblieben; bei der Bemusterung seien nur mehr Details erörtert und der Liefertermin fixiert worden. Der Auftrag sei daher zumindest schlüssig zustande gekommen. Die Beklagte hafte aber auch aus culpa in contrahendo, weil die Beklagte nicht darauf hingewiesen habe, dass sie noch das Angebot einer Drittfirma abwarten wolle.

[8] Die Beklagte entgegnete, dass es nie zu einem Vertragsabschluss mit dem Kläger gekommen sei. Sie habe den Kläger bereits am darauf hingewiesen, dass noch ein Angebot einer Drittfirma eingeholt werde. Die Auftragsbestätigung sei dem Geschäftsführer der Bauträger GmbH erst am zur Kenntnis gelangt; eine Reaktion innerhalb weniger Tage sei ausreichend. Für sie sei auch nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger bzw dessen Subunternehmerin mit den Vorarbeiten bereits begonnen habe.

[9] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die Beklagte hafte aus culpa in contrahendo, weil der Kläger auf den Vertragsabschluss hätte vertrauen dürfen. Bei der Bemusterung seien nur mehr Details festgelegt und die Liefermodalitäten besprochen worden. Dem Geschäftsführer der Bauträger GmbH hätte auch erkennbar sein müssen, dass der Kläger bereits Verbindlichkeiten eingegangen sei. Da der Vertragsabschluss grundlos abgelehnt und das Angebot der Drittfirma verschwiegen worden sei, habe die Beklagte den Vertrauensschaden zu ersetzen.

[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und wies die vom Kläger geltend gemachten Stornokosten ab. Die Vermittlerin sei der Bauträger GmbH nicht zurechenbar, weil sich aus dem Sachverhalt nicht ableiten lasse, dass ihr der Geschäftsführer der Bauträger GmbH zu verstehen gegeben habe, eine bestimmte Erklärung an den Kläger zu übermitteln. Das Zustandekommen eines Vertrags sei daher zu verneinen. Der Kläger hätte den Vertragsabschluss auch nicht als sicher ansehen dürfen, weil von ihm noch ein Nachtragsangebot sowie eine Einzelpreisaufstellung verlangt worden sei. Darüber, dass die Beklagte auch andere Vertragspartner in Betracht gezogen habe, hätte nicht aufgeklärt werden müssen, weil mit Konkurrenz im Geschäftsverkehr immer zu rechnen sei. Die geltend gemachten Stornokosten stünden dem Kläger daher nicht zu. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[11] Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Frage, ob die Erklärung eines Boten dem Erklärenden auch dann zuzurechnen sei, wenn eine Aufforderung zur Übermittlung einer bestimmten Erklärung nicht feststellbar sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

[12] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzielt.

[13] Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Zurechnung der Erklärungen der „Vermittlerin“ einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Dementsprechend ist die Revision auch berechtigt.

[15] 1. Beide Vorinstanzen haben das Zustandekommen des Vertrags zwischen den Streitteilen über die Herstellung und Lieferung der Möbel für das Mitarbeiterhaus der Beklagten verneint. Diese Beurteilung stößt in Anbetracht der Umstände, dass bei der Bemusterung am noch ein Nachtragsangebot über neue Matratzen verlangt wurde, der Kläger dieses Nachtragsangebot am unterbreitete und der Geschäftsführer der Beklagten am dem Vertragsabschluss widersprach, auf keine Bedenken.

[16] 2. Demgegenüber hat das Erstgericht die Haftung der Beklagten nach dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo bejaht, während das Berufungsgericht auch einen solchen Anspruch verneinte. Die Auffassung des Berufungsgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof allerdings nicht stand:

[17] 3.1 Solange ein Vertrag nicht zustande gekommen ist, kann der andere Verhandlungspartner nicht darauf vertrauen, dass der andere den Vertrag abschließen werde, weshalb Aufwendungen im Hinblick auf einen in Aussicht genommenen Vertrag grundsätzlich auf eigenes Risiko vorgenommen werden (7 Ob 41/10w mwN). Nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit kann daher jeder Vertragspartner auch ohne Grund die Vertragsverhandlungen abbrechen und den Vertrag scheitern lassen (RS0013975).

[18] 3.2 Nach der Rechtsprechung kann das grundlose Abstehen vom Vertragsabschluss nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo ausnahmsweise aber dann ersatzpflichtig machen, wenn ein intensiver Vertrauenstatbestand geschaffen und der Vertragsabschluss als sicher hingestellt wurde. Ein solches In-Sicherheit-Wiegen kann dann angenommen werden, wenn sich der Schutzpflichtige selbst schon so verhält, als ob der Vertrag bereits abgeschlossen wäre, oder seinen Vertragspartner auffordert, mit dem Erbringen der im künftigen Vertrag vorgesehenen Leistungen zu beginnen, oder diesen zu Dispositionen veranlasst. Zudem Bestehen nach der Judikatur vorvertragliche Warn- und Aufklärungspflichten, wenn erkennbar ist, dass der Verhandlungspartner im Vertrauen auf den Vertragsabschluss selbst Verbindlichkeiten eingeht (4 Ob 11/21b mwN).

[19] 3.3 Nach den bindenden Feststellungen wurde dem Kläger von der Vermittlerin (nach der Besprechung vom ) mitgeteilt, dass der Auftrag „passt“, und ihm von der Bauträger GmbH die Rechnungsadresse und Anlieferungsadresse der Beklagten bekannt gegeben. Bei der Bemusterung am wurde zwar noch ein Nachtragsangebot für andere Matratzen sowie eine Einzelpreisaufstellung verlangt, sonst wurde aber nur mehr über Lieferdetails gesprochen und vom Kläger und seiner Subunternehmerin die pünktliche Lieferung zugesichert. Die zuvor vom Kläger übermittelte Auftragsbestätigung war nicht Gesprächsthema.

[20] Jedenfalls unter der Voraussetzung, dass die Vermittlerin der Bauträger GmbH und über diese auch der Beklagten zuzurechnen ist, wurde beim Kläger durch das gesamte Erklärungsverhalten der Vermittlerin und der Bauträger GmbH der Eindruck vermittelt, dass nur mit ihm verhandelt wird und der Vertrag zustande kommt, wenn neben dem Angebot auch das Nachtragsangebot „passt“ und das Gesamtangebot innerhalb des ursprünglich vorgegebenen Rahmens von 240.000 EUR netto bleibt. Der Bauträger GmbH war auch erkennbar, dass der Kläger im Vertrauen auf den Vertragsabschluss bereits Verbindlichkeiten eingegangen ist, zumal bei der Bemusterung dessen Subunternehmerin dabei war und auch von ihr bereits die pünktliche Lieferung zugesagt wurde.

[21] 4.1 Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das Verhalten der Vermittlerin der Bauträger GmbH sowie der Beklagten zuzurechnen:

[22] 4.2 Ein Bote unterscheidet sich von einem Machthaber (vgl dazu 7 Ob 609/83; 1 Ob 161/08w) dadurch, dass er keinen eigenständigen rechtsgeschäftlichen Willen bildet, sondern eine Übermittlungsfunktion in Bezug auf fremde Willenserklärungen ausübt. Diese Funktion kann sich entweder auf die bloße Übermittlung konkreter – vom Geschäftsherrn geäußerter – Einzelerklärungen beziehen (vgl 3 Ob 15/98x) oder die Tätigkeit als Verhandlungsgehilfe umfassen, der vom Geschäftsherren mit der Verhandlungsführung beauftragt wurde (vgl 8 Ob 52/19h). Der Verhandlungsgehilfe ist in Bezug auf den Abschluss eines Vertrags Erfüllungsgehilfe des Geschäftsherrn (vgl RS0028435; 4 Ob 242/19w). Sein Verhalten und sein Wissen sind dem Geschäftsherrn zuzurechnen (vgl 9 Ob 186/02x; 6 Ob 25/16v).

[23] 4.3 Die Bauträger GmbH war mit Abschlussvollmacht der Beklagten ausgestattet; ihre rechtsgeschäftlichen Handlungen sind der Beklagten zuzurechnen.

[24] Die Vermittlerin hatte den Auftrag der Bauträger GmbH, einen geeigneten Lieferanten für die Möblierung zu finden. Dementsprechend ist sie mit dem Kläger in Kontakt getreten. Zudem hat sie das Angebot samt Nachtragsangebot für andere Matratzen vom Kläger eingeholt, mit diesem darüber verhandelt sowie mit ihm einen Preisnachlass und die Bemusterung vereinbart; zudem hat sie die wechselseitigen vertragsrelevanten Erklärungen entgegengenommen und an den jeweiligen Verhandlungspartner weitergeleitet. Dies ist mit Wissen und Willen der Bauträger GmbH geschehen, zumal deren Geschäftsführer die Erklärungen der Vermittlerin und das von ihr eingeholte Angebot zur Grundlage seiner Entscheidung machte und unter anderem die Rechnungs- und die Lieferadresse der Beklagten an den Kläger weiterleiten ließ. Die Vermittlerin hatte zwar keine Abschlussvollmacht, sie war aber jedenfalls befugt, rechtsgeschäftliche Erklärungen für die Bauträger GmbH und damit für die Beklagte entgegenzunehmen sowie deren Erklärungen an den Kläger weiterzuleiten. Sie war damit Verhandlungsgehilfin der Beklagten und als solche dieser zuzurechnen.

[25] 5.1 Nach den dargelegten Grundsätzen zur Haftung aus culpa in contrahendo hätte der Geschäftsführer der Bauträger GmbH den Kläger darauf hinweisen müssen, dass er auch noch mit einem anderen Unternehmen in Verhandlung steht. Aufgrund der – der Beklagten zurechenbaren – Verletzung vorvertraglicher Warn- und Aufklärungspflichten hat diese dem Kläger im Zusammenhang mit dem nicht zustande gekommenen Vertrag über die Möbellieferung den Vertrauensschaden zu ersetzen. Der Kläger ist daher so zu stellen, wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre (4 Ob 11/21b mwN). Zu seinen Ansprüchen zählt auch der Aufwand, den er im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Subauftrag hatte (5 Ob 93/16m); die Beklagte hat daher auch die Stornokosten zu ersetzen.

[26] 5.2 Die Höhe der geltend gemachten Stornokosten hat die Beklagte weder in der Berufung noch in der Revisionsbeantwortung in Zweifel gezogen.

[27] 6. Dem Kläger stehen auch die geltend gemachten Stornokosten zu, was in Stattgebung der Revision zur Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils führt.

[28] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00158.21P.1021.000

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Fundstelle(n):
JAAAD-43055