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OGH vom 17.10.2012, 3Ob158/12z

OGH vom 17.10.2012, 3Ob158/12z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Arnold Mayrhofer, Rechtsanwalt in Linz, und der auf Seite der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientin G***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in Linz, wegen 42.584 EUR sA und Feststellung (10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 92/12w 68, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 2 Cg 11/09d 64, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger stürzte am bei in großer Höhe durchzuführenden Kabelverlegungsarbeiten auf dem Betriebsgelände der beklagten Partei durch eine ca 0,55 x 0,65 m große rechteckige Öffnung in der oberen Abdeckplatte in eine innen hohle Kranbahnstütze. Dabei erlitt er schwere Verletzungen.

Mit den Kabelverlegungsarbeiten hatte die beklagte Partei die Nebenintervenientin beauftragt. Der Kläger war als Arbeitnehmer eines Personalbereitstellungsunternehmens der Nebenintervenientin überlassen worden.

Das Erstgericht wies die auf Schadenersatz gerichtete Klage ab. Die beklagte Partei habe zwar damit rechnen müssen, dass der Kläger den Montagesteg benützen würde. Allerdings habe der Kläger den Bereich des Montagestegs verlassen und sei auf die Kranbahnstütze geklettert, obwohl kein Aufstieg vorhanden gewesen sei und sich auch kein anderer Hinweis auf die Begehbarkeit der Stütze ergeben hätte. Die beklagte Partei habe nicht damit rechnen müssen, dass jemand ohne weiteres auf die Stütze klettern werde. Vom Werkbesteller zu fordern, die Arbeitsschritte des Werkunternehmers vorab selbst nachzuspielen, um die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu erkunden, würde die Sorgfaltspflicht des Werkbestellers massiv überspannen und in aller Regel den Werkbesteller, der im Fachgebiet des Werkunternehmers kaum über ausreichendes Wissen zur Beurteilung der nötigen Arbeitsschritte verfüge, überfordern. Insgesamt sei daher eine Haftung der Beklagten zu verneinen.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts, bestätigte dessen Entscheidung und Rechtsansicht und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil die Frage der Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Werkbesteller von den Umständen des Einzelfalls abhänge.

In seiner außerordentlichen Revision beruft sich der Kläger darauf, dass die beklagte Partei, die dem Kläger den Kabelweg vorgegeben habe, damit habe rechnen müssen, dass dieser die Verlegearbeiten im Bereich der oben unverschlossenen hohlen Kranstütze ausführen werde. Die beklagte Partei wäre aufgrund näher benannter gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet gewesen, für den Schutz des Klägers zu sorgen.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Kläger mit diesem Vorbringen nicht auf:

Grundsätzlich hat ein Werkbesteller, der seine eigene Sphäre dem Werkunternehmer öffnet und diesen daher (zumindest potenziell) gewissen Gefahren aussetzt, ihn im Rahmen des Zumutbaren vor Schäden zu bewahren. Dabei ist auf mögliche Gefahren hinzuweisen, sofern diese nicht beseitigt werden können. Die Reichweite dieser Fürsorge- bzw Schutzpflicht bestimmt sich danach, wie weit sich der Unternehmer (mit seinen Gehilfen: RIS Justiz RS0021827 [T16]) in einen der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Bereich zu begeben hat, in dem er gefährdet wird (3 Ob 88/09a; M. Bydlinski in KBB 3 § 1169 Rz 1). Das Ausmaß solcher Pflichten kann nur aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls festgelegt werden (4 Ob 139/07f ua).

Die Ansicht der Vorinstanzen, dass der beklagten Partei als Werkbestellerin keine Verletzung der in § 1169 iVm § 1157 ABGB normierten Fürsorgepflicht anzulasten ist, ist in Anbetracht der konkreten Umstände jedenfalls vertretbar. Zwar verlief die für die Umsetzung des konkret auszuführenden Auftrags in Frage kommende Kabeltrasse entlang der Kranbahn in einer Höhe von 1,65 m über dem Abschlusspodest der (oben offenen und innen hohlen) Kranbahnstütze, sodass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass das Podest als „Standplatz“ für die Arbeiter Verwendung findet. Allerdings würden die Verpflichtungen eines Werkbestellers überspannt, müsste er alle Gefahren, die mit Arbeiten in großer Höhe in einer Industriehalle im Zusammenhang stehen, vor Arbeitsaufnahme im Einzelnen analysieren und den Leuten des Werkunternehmers bekanntgeben; schließlich obliegt die Werkerstellung unter den gegebenen, durchaus als nicht ungefährlich erkennbaren Umständen dem Werkunternehmer (vgl RIS Justiz RS0021808).

Wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben, vermögen die von der klagenden Partei im Rechtsmittel angeführten gesetzlichen Bestimmungen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Vor allem ist zu beachten, dass sich der Unfall nach den in § 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (BGBl 1994/450 in der anzuwendenden Fassung ASchG) enthaltenen Definitionen nicht an einer (dauerhaften) „Arbeitsstätte“ ereignete, sondern auf einer „Baustelle“. Eine Verletzung der in § 8 Abs 2 ASchG angeführten Sicherheitsunterweisungen ist in Anbetracht der Feststellungen ebenso wenig erkennbar wie eine Verletzung von Maschinensicherheitsvorschriften (vgl die zum Unfallszeitpunkt in Geltung stehende Maschinen-Sicherheitsverordnung BGBl 1994/306 MSV). Der Unfall ereignete sich auch nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb, dem Rüsten oder der Wartung des Krans.