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OGH vom 20.05.2020, 6Ob226/19g

OGH vom 20.05.2020, 6Ob226/19g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Mag. Dr. Paula Stecher, MMag. Dr. Georg Janovsky, Rechtsanwälte (GbR) in Schwaz, wegen Herausgabe von Nutzerdaten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 100/19v14, mit dem über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 6 Cg 124/18y9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.631,52 EUR (darin 271,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.606,22 EUR (darin 1.431 EUR Barauslagen und 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Buchautorin, Historikerin und freie Journalistin.

Die Beklagte bietet ihren Kunden unter der Bezeichnung „Festnetz-Internet Privat/Glasfaser Speed“ die Herstellung und Nutzung einer Internetverbindung an. Zu den inkludierten Leistungen gehört die Bereitstellung von – je nach Produkt drei bis fünf – E-Mailadressen, Alias-Adressen sowie von E-Mail-Spam- und Virenschutz auf den Servern.

Am erschien in der Tageszeitung „*****“ eine von der Klägerin verfasste Kolumne. Am wurde in Reaktion darauf von der bei der Beklagten registrierten E-Mail-Adresse s*****@*****.net unter dem Betreff „Hochgradig gestört: '*****'-Lebensschützerin [Klägerin]“ eine E-Mail an mehrere in- und ausländische Medien gesendet, deren Text mehrere von der Klägerin als ehrenrührig und kreditschädigend beanstandete Äußerungen enthält. Unter anderem wird sie als „dauergeile Tussi“ bezeichnet. Die EMail ist mit „A*****“ unterzeichnet.

Werden im öffentlich zugänglichen Melderegister betreffend den Ort „*****“ die Namen S***** und A***** abgefragt, so werden Personen dieses Namens mit jeweils aktuellem Hauptwohnsitz an derselben Adresse angeführt.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom auf, Vor- und Zunamen und Postanschrift der bei der Beklagten registrierten Inhaber der oben genannten E-Mail-Adresse bekannt zu geben. Die Beklagte lehnte die Herausgabe der Nutzerdaten ab.

Die begehrt, der Beklagten die Bekanntgabe von Vor- und Zunamen sowie Anschrift des Inhabers der bei der Beklagten registrierten E-Mail-Adresse s*****@*****.net aufzutragen.

Sie bringt vor, die Beklagte stelle ihren Kunden im Rahmen der Mailbox Speicherplatz zur Verfügung, um EMails speichern, empfangen und senden zu können. Sie sei daher Host-Provider im Sinn des § 16 ECG und unterliege der Auskunftspflicht des § 18 Abs 4 ECG. Die beanstandeten Äußerungen verstießen gegen § 1330 ABGB und seien tatbestandsmäßig im Sinn der § 111, 115 StGB. Die begehrte Auskunft sei für die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung erforderlich, weil eine Zuordnung der im Melderegister aufscheinenden Personen zur konkreten EMailAdresse eine reine Mutmaßung sei und der Klägerin nicht zugemutet werden könne, auf gut Glück zwei oder eine von zwei Personen in Anspruch zu nehmen.

Die beantragt die Klageabweisung. Sie betreibe keinen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinn des § 3 Z 1 ECG. Jedenfalls sei sie nicht HostProvider im Sinn des § 16 ECG, sondern Access-Provider im Sinn des § 13 ECG. Das Webmail der Beklagten habe nur einen Umfang von 100 MB und sei daher lediglich dazu konzipiert, E-Mails zu senden und zu empfangen, nicht dazu, sie zu speichern. Der Auskunftsanspruch des § 18 Abs 4 ECG erfasse nur Dienste, die öffentlich oder über Registrierung einem breiteren Personenkreis zugänglich seien, wie Chatrooms, Chatforen oder Gästebücher, nicht aber die Bereitstellung von WebmailDiensten. Aus § 16, 18 ECG ergebe sich, dass der HostProvider zur laufenden Überwachung der bereitgestellten Informationen zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt sei. Die Beklagte habe aber keine legale Möglichkeit, von den Inhalten der über ihren Mailserver versendeten EMails Kenntnis zu erlangen, weil sie als Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes dem Kommunikationsgeheimnis unterliege. Sie könne daher nach dem Gesetzeszweck nicht Host-Provider sein. Sie könne auch und nur im Weg der Durchlaufstelle gemäß § 102a TKG verpflichtet werden, über die Stammdaten eines Teilnehmers Auskunft zu geben.

Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 18 Abs 4 ECG nicht erfüllt, weil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die im Melderegister mit Hauptwohnsitz in ***** angeführten Personen S***** und A***** diejenigen seien, die gemeinsam die E-Mail-Adresse benutzten. Die begehrte Auskunft sei daher keine wesentliche Voraussetzung der Rechtsverfolgung.

Das gab dem Klagebegehren statt. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es folgende Feststellungen:

„Der technische Ablauf bei Verwendung des Webmail-Dienstes der Beklagten ist derart, dass nach Schreiben einer E-Mail und Drücken des Buttons 'Senden' eine verschlüsselte Verbindung zum Mail-Server aufgebaut wird und nach Authentifizierung des Users die E-Mail in eine Warteschlange eingereiht und in Intervallen 30 Sekunden zum End-Mail-Server zugestellt wird. Wird an eine von der Beklagten zur Verfügung gestellte E-Mail-Adresse eine Mail gesendet, wird diese E-Mail auf dem E-Mail-Server der Beklagten gespeichert, bis es vom Kunden der Beklagten abgerufen wird.“

Rechtlich qualifizierte es die Beklagte als HostProvider im Sinn des § 16 ECG, weil sie einen E-Mail-Server bereitstelle und die Daten bis zum Abruf der E-Mail speichere. Daher bestehe der Auskunftsanspruch nach § 18 Abs 4 ECG zu Recht.

Das gab der Berufung der Beklagten Folge und ließ die Revision zu, da in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht beantwortet werde, ob der Betreiber eines Webmail-Dienstes, der ausgehende EMails lediglich zwischenspeichere und eingehende E-Mails nur speichere, bis sie vom Nutzer abgerufen würden, der Auskunftspflicht des § 18 Abs 4 ECG unterliege. Die Beklagte betreibe zwar einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinn des § 3 ECG, sei aber nicht Host-Provider gemäß § 16 ECG, sondern Access-Provider gemäß § 13 ECG, weil sich ihre Dienstleistung darauf beschränke, ihren Kunden die technischen Einrichtungen zur Ermöglichung einer Verbindung mit dem Internet bereitzustellen. Für die Qualifikation als Host-Provider fehle es an der Zurverfügungstellung von Speicherplatz für fremde Inhalte. Die bloße Zwischenspeicherung der eingehenden EMails und die technisch bedingte Zwischenspeicherung der gesendeten Mails für 30 Sekunden führe gemäß § 13 Abs 2 ECG nicht zur Qualifikation als Host-Provider.

Dagegen richtet sich die der Klägerin, mit der sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klagestattgebenden Sinn begehrt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund , sie ist auch berechtigt.

1.1. Gemäß § 3 Z 2 ECG ist Diensteanbieter im Sinn dieses Gesetzes eine natürliche oder juristische Person oder eine sonstige rechtsfähige Einrichtung, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellt. § 3 Z 1 ECG enthält die Legaldefinition des Dienstes der Informationsgesellschaft. Diese erfasst auch die vermittelnden Diensteanbieter (Internet Service Provider), wobei das Gesetz in der Folge zwischen dem sogenannten AccessProvider (§ 13 ECG) und dem HostServiceProvider (§ 16 ECG) unterscheidet (6 Ob 218/03g).

1.2. Daran, dass die Beklagte – die sich zudem selbst als AccessProvider qualifiziert – einen Dienst der Informationsgesellschaft betreibt, kann angesichts der von ihr angebotenen Leistungen kein Zweifel bestehen.

1.3. Entscheidend für die Berechtigung des Klagebegehrens ist aber, ob die in § 18 Abs 4 ECG für „die in § 16 [ECG] genannten Diensteanbieter“ – das sind die sogenannten HostProvider – angeordnete Herausgabepflicht von Nutzerdaten auf die Beklagte zur Anwendung kommt.

2. Vorauszuschicken ist, dass die Struktur des 5. Abschnitts des ECG („Verantwortlichkeit der Diensteanbieter“, § 13 ff ECG) den Ausschluss der Verantwortlichkeit des jeweiligen Diensteanbieters regelt (vgl Zankl, ECG² [2016] § 13 Rz 208): § 13 ECG betrifft den Ausschluss der Verantwortlichkeit für Durchleitung, § 14 ECG den Ausschluss der Verantwortlichkeit bei Suchmaschinen, § 15 ECG bei Zwischenspeicherung (Caching), § 16 ECG bei Speicherung fremder Inhalte (Hosting) und § 17 ECG bei Links. Nur im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Haftungsfreiheit nimmt das ECG auf die Tätigkeit und damit die Abgrenzungskriterien der einzelnen ServiceProvider voneinander Bezug. Dies entspricht der Regelungsstruktur der Art 12 ff der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (ECommerceRichtlinie, EC-RL, RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt).

2.1. Gemäß § 13 Abs 1 ECG ist ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, für die übermittelten Informationen nicht verantwortlich, sofern er (Z 1:) die Übermittlung nicht veranlasst, (Z 2:) den Empfänger der übermittelten Informationen nicht auswählt und (Z 3:) die übermittelten Informationen weder auswählt noch verändert.

2.2. Gemäß § 16 Abs 1 ECG ist ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen speichert, für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, sofern er (Z 1:) von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder (Z 2:) sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.

2.3. Nach § 18 Abs 4 ECG haben die in § 16 genannten Diensteanbieter den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes, mit dem sie Vereinbarungen über die Speicherung von Informationen abgeschlossen haben, auf Verlangen dritten Personen zu übermitteln, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet.

2.4. Während § 13 bis 19 ECG die in Art 12 bis 15 der Richtlinie enthaltenen Regelungen über die Verantwortlichkeit von Online-Anbietern für bestimmte Informationen und Tätigkeiten umsetzen (ErläutRV 817 BlgNR 21. GP 31), beruht die Verpflichtung des HostProviders zur Übermittlung der Nutzerdaten an (private) Dritte nicht auf der Umsetzung von Unionsrecht. Die EC-RL regelt insofern nämlich nur die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Diensteanbieter zur Übermittlung von Informationen an Behörden zu verpflichten (Art 15 Abs 2 ECRL; vgl § 18 Abs 2, 3 ECG).

3.1. HostProvider ist nach dem Wortlaut des § 16 ECG ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen speichert.

3.2. Die Materialien nennen als Beispiele den Anbieter, der einem fremden Nutzer die erforderliche Infrastruktur für eine Website zur Verfügung stellt und diese auf seinem Server speichert, oder den Anbieter, der es Nutzern ermöglicht, ihre Informationen auf seinem Dienst der Informationsgesellschaft einzugeben, wie etwa ein Medienunternehmen, das Kommentar und „Leserbriefe“ von Nutzern online publiziert (ErläutRV 817 BlgNR 21. GP 25).

3.3. In der Literatur werden unterschiedliche Standpunkte dazu verteten, ob allein die Speicherung für die Qualifikation als HostProvider im Sinn des § 16 ECG ausreicht, oder ob es darüber hinaus auch der Eröffnung des Zugangs zu den gespeicherten Informationen an Dritte bedarf.

3.3.1. Diese Ansicht vertreten Blume/Hammerl: Die Qualifikation als HostProvider im Sinn des § 16 ECG setze als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal neben der Speicherung der vom Nutzer eingegebenen Daten voraus, dass der Diensteanbieter diese anderen Personen auf deren individuellen Abruf zur Verfügung stelle. Dies sei aus § 16 Abs 1 Z 2 ECG abzuleiten, wonach der Diensteanbieter bei Kenntnis oder Bewusstsein einer rechtswidrigen Tätigkeit oder eines rechtswidrigen Inhalts unverzüglich tätig werden müsse, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Die Verpflichtung zum Tätigwerden setze nämlich voraus, dass anderen Personen ein Zugang zu den Informationen gewährt worden sei. Diensteanbieter, die Nutzern Speicherplatz zur Verfügung stellten, jedoch anderen Personen keinen Zugang zu diesen Informationen vermittelten, seien daher nicht als HostProvider anzusehen (Blume/Hammerl, E-Commerce Gesetz [2001] § 16 Rz 7).

Auf den Dienst der „elektronischen Post“ sei § 13 ECG (direkt oder analog) anzuwenden, und zwar auch in jenen Fällen, in denen die Informationen auf einem vom Diensteanbieter angemieteten Speicherplatz am Mail-Server abgespeichert würden. Ausschlaggebend dafür sei der Umstand, dass die durch das Fernmeldegeheimnis geschützte Information sich rechtlich ausschließlich in der Verfügungsgewalt des Nutzers befindet und nicht für andere Nutzer zum Abruf bereitgehalten wird (Blume/Hammerl, ECG § 13 Rz 21, 32).

3.3.2. Hingegen differenziert Zankl bei der Bereitstellung eines E-Mail-Diensts im Hinblick auf die Anwendung der Haftungsbefreiung des § 13 oder des § 16 ECG danach, ob der Diensteanbieter – wie im Regelfall – dem Nutzer auch Speicherplatz für empfangene oder versendete Nachrichten zur Verfügung stellt. Werde Speicherplatz zur Verfügung gestellt, so richte sich die Haftungsfreiheit des Diensteanbieters nach § 16 ECG, bei der reinen Übertragungsmöglichkeit nach § 13 ECG (Zankl, ECG² § 13 Rz 222, § 16 Rz 259, 264).

Dieses Kriterium übernimmt – ohne eigene Auseinandersetzung – Kasper (Die privatrechtliche Haftung des Host-Providers in der Judikatur des OGH, jusIT 2009/1, 1).

3.4. Nach der deutschen Parallelbestimmung zu § 16 ECG,§ 10 TMG (Telemediengesetz), sind Diensteanbieter „für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich“, wenn die angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind. In der Kommentarliteratur dazu wird diskutiert, dass es im Zusammenhang mit der Haftung um die Verantwortung des „Hosters“ dafür gehe, dass über seine Dienstleistung Dritten der Zugriff auf rechtswidrige Inhalte oder Informationen ermöglicht werde; hingegen gehe es nicht um die Vorhaltung von Daten des Kunden für diesen selbst (Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien4 [2019] § 10 TMG Rz 1; vgl Müller-Broich, TMG [2012] § 10 Rz 1). Daraus wird aber nicht notwendig der Schluss gezogen, dass es für die Haftungsvoraussetzungen auf die Zweckrichtung der Speicherung ankommen soll (Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, § 10 TMG Rz 14).

3.5. In der Rechtsprechung wurden der Betreiber eines Online-Diskussionsforums (6 Ob 188/16i; 6 Ob 244/16z; 6 Ob 133/13x; 6 Ob 104/11d; vgl 6 Ob 119/11k) oder eines Online-Gästebuchs (6 Ob 178/04a) als Host-Provider anerkannt, ebenso der Betreiber einer Facebook-Seite, der seinen Followern (Nutzern) die Kommentierung von Beiträgen auf der Seite ermöglicht (6 Ob 204/17v; 6 Ob 244/16z). Es wurden daher durchwegs solche Diensteanbieter dem Haftungsregime des HostProviders nach § 16 ECG unterstellt, durch deren Dienstleistung die vom Nutzer eingegebenen Inhalte – wie die Einträge in Diskussionsforen oder die gesetzten Kommentare – dritten Personen zugänglich gemacht wurden.

4. Im vorliegenden Fall ist aber nicht die Haftung des Diensteanbieters zu beurteilen, sondern das Bestehen eines Auskunftsanspruchs gegen diesen.

4.1. Dazu bedarf es keiner abschließenden Beurteilung, ob die Beklagte im Hinblick auf die Voraussetzungen der Haftungsbefreiung den – jeweils unionsrechtlich determinierten – Voraussetzungen des § 13 oder des § 16 ECG unterworfen ist. Selbst unter der Annahme, dass sie im Hinblick auf das Haftungsregime § 13 ECG unterworfen wäre, ist nämlich im vorliegenden Fall die analoge Anwendung des § 18 Abs 4 ECG geboten.

4.2. Der Oberste Gerichtshof bejahte die analoge Anwendung des Auskunftsanspruchs Privater bereits zu 4 Ob 7/04i (RS0118691). Er bejahte die Verpflichtung des beklagten Telekommunikationsunternehmens, der Klägerin zum Zweck der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Namen und Adresse jener Vertragspartner der Beklagten bekannt zu geben, denen bestimmte Mehrwertnummern von der Beklagten überlassen waren. Er leitete die Wertungen, aus denen sich das Fehlen eines direkt anwendbaren Auskunftsanspruchs nach dem TKG ergab, daraus ab, dass Betreiber von Telekommunikationsdiensten den Diensteanbietern nach § 16 ECG insoweit vergleichbar sind, als beide nur die technischen Vorrichtungen bereit stellen, die es einem Teilnehmer ermöglichen, auf diesem Weg rechtswidrig zu handeln. Da das Telekommunikationsunternehmen – gleich dem HostProvider im Sinn des § 16 ECG – grundsätzlich keine Haftung für den über sein Netz verbreiteten Inhalt treffe, bliebe derjenige, dessen Interessen durch rechtswidrige Inhalte verletzt würden, schutzlos, wenn er nicht wisse, wer diese Inhalte verbreitet habe und gegenüber dem Kommunikationsunternehmen keinen Auskunftsanspruch habe (kritisch Wiebe, Auskunftsverpflichtung der AccessProvider, MR Beilage zu Heft 4/2005, 1 [18]; Zankl, Auskunftspflicht für Mehrwertdienste?, ecolex 2004, 853; Hasberger/Schönhart, Die Haftung von TelekomUnternehmen für fremdes Fehlverhalten, MR 2004, 297 [300]; zustimmend Plasser, Lauterkeitsrechtlicher Auskunftsanspruch auch für Mitbewerber nach der UWGNov 2007?, ÖBl 2008/40, 183 [185]).

5.1. Eine Lücke im Rechtssinn ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig ist (RS0098756 [T4]; RS0008866).

5.2. Der Auskunftsanspruch des § 18 Abs 4 ECG soll Personen, die durch rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen eines ihnen nicht bekannten Nutzers in ihren Rechten verletzt werden, und Verbänden oder Gesellschaften, die sich der Wahrung der Rechte bestimmter anderer Personen widmen, etwa Verbraucherverbänden oder Verwertungsgesellschaften, die Rechtsverfolgung erleichtern (ErläutRV 817 BlgNR 21. GP 39).

5.3. Der Auskunftsanspruch gegenüber Dritten gemäß § 18 Abs 4 ECG gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur gegenüber den in § 16 ECG genannten Diensteanbietern, sohin gegenüber HostProvidern. So ist etwa der Betreiber eines Online-Diskussionsforums – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 18 Abs 4 ECG – zur Herausgabe von Namen und Adresse jener Personen verpflichtet, die im Rahmen dieses Forums Beiträge „posten“.

5.4. Es liegt auf der Hand, dass hinsichtlich des Diensteanbieters, der dem Nutzer bloß im Sinn des § 13 ECG den Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk eröffnet, keine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Soweit aber der Anbieter eines Webmail-Dienstes hinsichtlich der auf ihn anwendbaren Haftungsbeschränkungen § 13 ECG unterliegt
– sei es, weil er keine über die Zwischenspeicherung gemäß § 13 Abs 2 ECG hinausgehende Speichermöglichkeit anbietet, sei es, weil dem Tatbestand des § 16 ECG das ungeschriebene Erfordernis entnommen wird, die vom Nutzer eingegebenen Informationen Dritten zugänglich zu machen – erweist sich das ECG gemessen an seiner eigenen Zielsetzung als lückenhaft.

Denn auch die Bereitstellung eines WebmailDienstes zielt darauf ab, Dritten (den Empfängern) die vom Nutzer eingegebenen Inhalte zugänglich zu machen, wodurch es zu Rechtsverletzungen kommen kann. Auch in einem solchen Fall bestünde, da der Web-Mail-Anbieter selbst aufgrund des Kommunikationsgeheimnisses (§ 93 TKG) keine Kenntnis der versendeten Informationen hat und für deren Inhalt daher nicht haftet, ohne einen Auskunftsanspruch ein Rechtsschutzdefizit des Verletzten.

5.5. Der von der Beklagten erhobene Einwand, wonach die Beklagte auch als Telekommunikationsunternehmen zu qualifizieren sei und nur im Wege der zentralen Durchlaufstelle gemäß § 102a TKG 2003 zur Übermittlung verpflichtet werden könnte, lässt außer Acht, dass diese Bestimmung nicht die Übermittlung von Stammdaten (dazu gehören gemäß § 92 Abs 1 Z 3 lit a und c TKG 2003 Name und Anschrift einer Person), sondern die Datensicherheit bei der Übermittlung von Verkehrs- und Standortdaten regelt.

6.1. Die Herausgabepflicht nach § 18 Abs 4 ECG setzt voraus, dass die Rechtsverfolgung aufgrund einer groben Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Verletzungen eine gewisse Aussicht auf Erfolg hat (RS0129335 [T2]). Dass die Verfolgung der beanstandeten Äußerungen nach § 1330 ABGB11, 115 StGB nach der gebotenen Grobprüfung die erforderliche Erfolgsaussicht aufweist, zieht die Beklagte nicht in Zweifel.

6.2. Die Klägerin hat darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass die begehrte Auskunft eine wesentliche Voraussetzung für die in Aussicht genommene Rechtsverfolgung bildet, weil die Existenz von Personen eines bestimmten Namens keinen verlässlichen Schluss darauf zulässt, ob diese hinsichtlich des konkreten Webmail-Zugangs verfügungsberechtigt waren.

7. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Verfahren zweiter und dritter Instanz gründet sich auf § 41, 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00226.19G.0520.000

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