OGH vom 18.02.2010, 6Ob10/10d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen S***** GmbH mit dem Sitz in F*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Franz Leopold, öffentlicher Notar in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom , GZ 4 R 154/09p 12, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit der Revisionsrekurs auf den Inhalt des Rekurses verweist, ist dies nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre unzulässig (9 ObA 184/98v; 1 Ob 117/00p; 1 Ob 170/00g; 1 Ob 236/01i; G. Kodek in Fasching/Konecny ² §§ 84, 85 ZPO Rz 185; E. Kodek in Rechberger ZPO³ § 50 Rz 1; RIS Justiz RS0043579, RS0043616, RS0007029 uva). Dieser Mangel ist nach ständiger Rechtsprechung nicht verbesserungsfähig (RIS Justiz RS0036173, RS0043579).
2.1. Der im Revisionsrekurs enthaltene „Wiedereinsetzungsantrag" lässt weder mit ausreichender Deutlichkeit erkennen, welche Prozesshandlung der Revisionsrekurswerber versäumt hat, noch enthält er deren Nachholung (vgl § 149 Abs 1 ZPO iVm § 21 AußStrG). Schon aus diesem Grund geht der im Revisionsrekurs erstmals gestellte Antrag auf „Wiedereinsetzung" ins Leere.
2.2. Im Übrigen verkennt das weitere Vorbringen im Revisionsrekurs, der Beschluss der ersten Instanz enthalte keine Rechtsmittelbelehrung, dass nach den auch im Außerstreitverfahren anzuwendenden ( Fucik/Kloiber, AußStrG § 14 Rz 1) Bestimmungen der ZPO über die Anleitungs- und Belehrungspflicht die Verpflichtung zur Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung ebenso wie die allgemeine Belehrungs- und Anleitungspflicht nach § 432 Abs 1 ZPO nur gegenüber Parteien vorgesehen ist, die weder rechtskundig noch durch einen Rechtsanwalt vertreten sind ( G. Kodek in Fasching/Konecny ² § 432 Rz 37). Die Vertretung durch einen Notar ist aber der Vertretung durch einen Rechtsanwalt gleichzuhalten ( G. Kodek aaO Rz 8). Außerdem ist nicht zu ersehen, inwieweit das angebliche Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung in der vom Revisionsrekurswerber ohnedies fristgerecht bekämpften Entscheidung sich auf deren sachliche Richtigkeit auswirken konnte.
3.1. Nach § 5 Abs 2 GmbHG kann als Sitz einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur ein Ort bestimmt werden, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder an dem die Verwaltung geführt wird ( Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 5 Rz 4). Damit soll verhindert werden, dass die Gesellschaft ohne Bezug zu ihrer Tätigkeit missbräuchlich einen willkürlichen Sitz wählt, zumal an die Sitzbestimmung zahlreiche Rechtsfolgen (etwa Zuständigkeit des Firmenbuchgerichts, allgemeiner Gerichtsstand, Tagungsort der Generalversammlung) geknüpft sind. Daher soll ein für das Publikum erkennbarer Zusammenhang mit der tatsächlichen Organisation der Gesellschaft bestehen.
3.2. Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof auch für den Sitz einer Personengesellschaft ausgesprochen, dass dieser nur so weit frei gewählt werden kann, als ein für das Publikum erkennbarer Zusammenhang mit der tatsächlichen Organisation des Unternehmens besteht (6 Ob 267/97a SZ 71/23). Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen allenfalls aufgrund besonderer Umstände von diesem Erfordernis abgewichen werden kann (vgl Ratka in Straube , GmbHG § 5 Rz 76 mwN), ist im vorliegenden Fall nicht einzugehen, weil derartige besondere Umstände nicht behauptet werden.
3.3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Sitz der Gesellschaft gemäß § 4 Abs 1 Z 1 GmbHG in der Satzung zu bestimmen und in das Firmenbuch einzutragen ist (§ 3 Z 4 FBG), sodass eine Sitzverlegung in eine andere politische Gemeinde eine Satzungsänderung erfordert, entspricht dem klaren Gesetzeswortlaut und der einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl Ratka aaO § 5 Rz 81; Umfahrer GmbHG6 Rz 92). Der postalische Zustellbezirk ist demgegenüber nicht ausschlaggebend. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wird aber am bisherigen Standort keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet. Dem Auftrag des Erstgerichts, nachzuweisen, dass die Gesellschaft dort weiterhin einen Betrieb hat oder sich dort die Geschäftsleitung oder Verwaltung des Unternehmens befinden, hat die Gesellschaft nicht befolgt.
4. Damit bringt der Revisionsrekurs aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.