OGH vom 11.11.1998, 7Ob173/98m

OGH vom 11.11.1998, 7Ob173/98m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich N*****, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Robert Sch*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ehrnberger, Rechtsanwalt in Purkersdorf, wegen US-Dollar 476.668,32 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 17 R 13/98a-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom , GZ 1 Cg 14/96v-25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache dahin zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 97.790,50 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 16.297,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am schlossen Dieter A***** und der Beklagte einen Gesellschaftsvertrag, demzufolge A***** zu 95 % und der Beklagte zu 5 % Gesellschafter sein sollten. Die Gesellschaft erhielt den Namen "AC-DC Ges.n.b.R." und hatte ihren Sitz ursprünglich in Hollabrunn. Im Vertrag wurde vereinbart, daß die "Geschäftsführung" Dieter A***** obliegen sollte, der sämtliche Entscheidungen ohne Einschränkung allein fällen sollte. Der Beklagte sollte stiller Gesellschafter sein, kein Mitspracherecht haben und infolgedessen auch in keiner Weise für eventuelle Außenstände oder Zahlungsverzüge haften. Einziger Grund für den Abschluß des Gesellschaftsvertrages war, dem Kläger den Gewerbeschein des Beklagten zur Verfügung zu stellen.

Die Gesellschaft trat mit einem von Dieter A***** entworfenen Geschäftspapier, welches im Kopf die Bezeichnung "AC-DC Ges.n.b.R."

enthielt, am unteren Ende aber auch die Bezeichnung AC-DC A***** & Sch***** Ges.n.b.R. trug, als "A***** & Sch***** Ges.n.b.R." im Geschäftsverkehr in Erscheinung. Der Beklagte hat davon Kenntnis haben können, weil er selber bei der Gesellschaft eingekauft und dabei dieses Briefpapier erhalten hat. Eine aktive Tätigkeit hat der Beklagte in der Gesellschaft nie entfaltet. Dieter A***** hat im Namen der Gesellschaft beim Kläger Waren eingekauft, diese aber nicht bezahlt. Der eingeklagte Betrag haftet unberichtigt aus.

Der Kläger begehrt vom Beklagten (letztlich) die Zahlung von US-Dollar 476.668,32 sA. Er habe Dieter A***** und Robert Sch***** elektronische Geräte um US-Dollar 479.000 geliefert. Die Beklagten hätten für die Bezahlung der Rechnungssumme die persönliche Haftung zur ungeteilten Hand übernommen. Sowohl auf Seite des Klägers als auch jener der Gesellschaft sei das Geschäft ein Handelsgeschäft gewesen. Gemäß § 1203 ABGB iVm Art 8 Nr 1 EVHGB hafte der Beklagte mit Dieter A***** solidarisch für Gesellschaftsschulden, wobei es unerheblich sei, ob er vom Geschäftsabschluß durch Dieter A***** als Geschäftsführer und Vertreter der Gesellschaft verständigt worden sei oder nicht. Der Beklagte hafte auch für den Rechtsschein, der beim Auftreten des Dieter A***** für die A***** & Sch***** Ges.n.b.R. erzeugt worden sei.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei mit dem Kläger niemals in Geschäftsverbindung gestanden. Die Rechnung des Klägers laute auf die AC-DC Ges.n.b.R. Eine bürgerliche Erwerbsgesellschaft habe keine eigene Rechtspersönlichkeit, so daß Dritten gegenüber jeder Gesellschafter nur für seine eigenen Handlungen und seine Geschäftsbeziehungen zu haften habe. Die in der Klage bezeichneten Waren seien dem Beklagten niemals geliefert und in Rechnung gestellt worden. Zwischen dem Beklagten und Dieter A***** sei zwar ein Vertrag abgeschlossen worden, der seiner Überschrift nach als Gesellschaftsvertrag bezeichnet worden und in seinem Logo am Kopf des Vertrages mit "AC-DC Ges.n.b.R." versehen gewesen sei. Dabei handle es sich aber nur um eine Etablissementbezeichnung. Nach dem Inhalt des Vertrages sei der Beklagte nur stiller Gesellschafter ohne Mitspracherecht geworden. Maßgebend für die Gesellschaftsgründung sei gewesen, daß Dieter A***** keinen Gewerbeschein für den Handel mit Elektronikbauteilen gehabt habe, weshalb ihm der Beklagte seinen Gewerbeschein zur Verfügung gestellt habe. Der Beklagte selbst sei unselbständig erwerbstätig.

Gegen Dieter A***** erging im vorliegenden Verfahren ein Versäumungsurteil.

Das Erstgericht wies im übrigen das Klagebegehren ab. Die Bezeichnung der Gesellschaft als solche nach bürgerlichem Recht habe sich nur aufgrund der mangelnden Rechtskenntnisse der Parteien ergeben. Diese "falsa demonstratio"schade nach herrschender Meinung nicht. In Wahrheit liege eine stille Gesellschaft vor, wobei der Beklagte eine Einlage geleistet habe, nach außen hin jedoch nur Dieter A***** als Unternehmer in Erscheinung getreten sei. Aus den von ihm abgeschlossenen Geschäften sei daher nur Dieter A***** berechtigt und verpflichtet.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Wenngleich sich der Beklagte am Unternehmen des Dieter A***** nur als stiller Gesellschafter beteiligen habe wollen, sei Dieter A***** im geschäftlichen Verkehr mit dem von ihm gestalteten Briefpapier aufgetreten, in dem die Gesellschaft als solche nach bürgerlichem Recht bezeichnet worden sei. Auch im Falle, daß die Gesellschafter einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft nicht gemeinsam aufträten, sondern diese von einem Gesellschafter oder einem Dritten vertreten würden, würden alle Gesellschafter solidarisch verpflichtet, wenn nicht bei Vertragsabschluß dem Dritten eine Beschränkung der Vollmacht im Hinblick auf die Begründung eines Teilschuldverhältnisses erkennbar gewesen sei. Eine Haftung des Beklagten für die von Dieter A***** geschlossenen Geschäfte könne allenfalls dann in Frage kommen, wenn das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand durch den Kläger gerechtfertigt gewesen sei. Davon könne nur dann gesprochen werden, wenn äußere Umstände, insbesondere eine ausdrückliche oder schlüssige Willenserklärung oder sonstiges Verhalten des Vollmachtsgebers vorlägen, die geeignet seien, in dem Dritten, also dem Kläger, den begründeten Glauben daran zu erwecken, daß der Vertreter zur Abgabe der rechtsgeschäftlichen Erklärung befugt gewesen sei. Das Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand sei allerdings nur dann geschützt, wenn dem Vertrauenden trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt der wahre Sachverhalt verborgen geblieben und der äußere Tatbestand von dem gesetzt worden sei, gegen den er sich auswirken solle. Um verläßlich beurteilen zu können, ob der Beklagte ein solches schlüssiges Verhalten gesetzt habe, werde das Erstgericht Feststellungen darüber zu treffen haben, unter welchen Umständen und wann das Briefpapier der Gesellschaft erstmals verwendet bzw hergestellt worden sei, in welcher Form die Bestellung, die der Klage zugrundeliege, getätigt worden sei, wann und ob der Beklagte gegenüber dem Kläger in Erscheinung getreten sei und ab wann der Beklagte von dem von Dieter A***** verwendeten Briefpapier Kenntnis erlangt habe. Darüber hinaus werde - nach Erörterung mit den Parteien - zu prüfen sein, ob dem Kläger trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt der wahre Sachverhalt verborgen geblieben sei.

Der Rekurs des Beklagten gegen diesen Aufhebungsbeschluß ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte verweist in seinem Rekurs auf die Feststellungen, wonach er nicht mit dem Kläger in geschäftlichen Kontakt getreten und an dem Zustandekommen des gegenständlichen Geschäfts nicht mitgewirkt habe. Aus dem Geschäftspapier, das u.a. die Bezeichnung A***** & Sch***** Ges.n.b.R. getragen habe, lasse sich die vom Berufungsgericht angenommene Rechtsscheinhaftung nicht ableiten. Dem ist im Ergebnis beizupflichten:

Wer durch eine zurechenbare Wissenserklärung einen unrichtigen Rechtsschein gesetzt hat, kann sich einem Gutgläubigen gegenüber, der im Vertrauen auf den Rechtsschein disponiert hat, nicht auf die wahre Rechtslage berufen; der gesamte Anschein wird im Verhältnis zu bestimmten Dritten für wahr gehalten, obwohl der Dritte nicht auf das Vorliegen einer Willenserklärung, sondern auf das einer Wissenserklärung vertrauen konnte (Rebhahn in Jabornegg, KommzHGB Rz 38 vor § 1). Der tragende Grund für das Einstehenmüssen ist stets, daß Vertrauen in Anspruch genommen wurde, dessen Schutz berechtigt ist, insbesondere weil der Vertrauende auf die Informationen des anderen angewiesen ist (Rebhahn aaO Rz 39 vor § 1 HGB). Die wichtigsten Anwendungsfälle dieser Haftungsgrundsätze sind die Lehren vom Scheinkaufmann und die vewandten Lehren von Scheingesellschafter und von der Scheingesellschaft. Die Rechtsscheinhaftung setzt einen ausreichenden Anschein, die Zurechenbarkeit dieses Anscheins zum Betroffenen, ein Verhalten des anderen in Anbetracht des Anscheins sowie die Schutzwürdigkeit des anderen voraus. Ein tauglicher Anschein liegt - neben einer ausdrücklichen, aber unrichtigen Wissenserklärung - in Umständen, aus denen ein objektiv-redlicher Erklärungsempfänger auf das Vorliegen einer Wissenserklärung oder auf das Bestehen einer bestimmten Rechtslage schließen darf (Rebhahn aaO Rz 43 vor § 1 HGB). Diese Rechtsscheingrundlage muß demjenigen zurechenbar sein, gegen den sich der Rechtsschein richten soll (Rebhahn aaO Rz 44 vor § 1 HGB). Die Rechtsscheinhaftung begünstigt nur den, der rechtsgeschäftlich handelt und schutzwürdig ist; daran fehlt es bei Kenntnis der wahren Rechtslage oder bei schuldhafter Unkenntnis, wobei der Grad des Verschuldens in den nicht im Gesetz besonders geregelten Fällen strittig ist; im Handelsrecht wird dazu vertreten, daß den anderen in der Regel keine positive Nachforschungspflicht trifft, außer es handelt sich um ein relativ bedeutendes Geschäft (Rebhahn aaO Rz 46 vor § 1 HGB).

Ob der (unrichtige) Anschein des Bestehens einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft erweckt wurde, ist ebenfalls nach diesen Regeln über die Rechtsscheinhaftung zu beurteilen; der Dritte, der solcherart auf das Vorliegen einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft vertrauen durfte, muß - neben dem Umstand, der auf das Vorliegen der Gesellschaft ließen läßt - auch noch einen Tatbestand beweisen, wonach er berechtigterweise auf die Vertretungsmacht der handelnden Person vertrauen durfte (Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 2b zu § 1175), um die Haftung des nichthandelnden (Schein-)Gesellschafters in Anspruch nehmen zu können. Gemäß § 1201 ABGB ist ein Geschäft für die Gesellschaft nur dann gültig, wenn sie durch die Geschäftsführungsbefugnis und die gleichlaufende Vertretungsmacht des Handelnden gedeckt ist (Strasser aaO Rz 1 ff zu § 1201 ABGB). Die Vertretungsmacht kann aber auch schlüssig erteilt werden, wobei der allgemeine Verkehrsschutz des Vollmachtsrechts auch hier gilt (Strasser aaO Rz 4 zu § 1201 ABGB; Bachofner/Kastner, Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft, JBl 1972, 1 ff [17]; JBl 1951, 553; RZ 1956, 93; SZ 53/152). Es genügt auch für die Wirksamkeit der Vertretungshandlung eines bloß kollektivvertretungsbefugten Organs, daß der weitere Kollektivvertreter einen äußeren Tatbestand gesetzt hat, der die Annahme einer Einzelvertretungsmacht rechtfertigt (ÖBA 1988, 839 [Koziol]; SZ 62/121; ÖBA 1990, 53; WBl 1996, 247). Die Verwendung von Geschäftspapier und Firmenstampiglie durch einen Kollektivvertreter allein rechtfertigt aber kein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand für die Einzelvertretungsbefugnis der handelnden Person (HS 6093; HS 7106/2; HS 10.194; WBl 1996, 247; Reich/Rohrwig, GmbH-Recht I2 Rz 2/214). Diese Auffassung wird damit begründet, daß es allgemein üblich ist, daß auch nicht zeichnungsberechtigten Personen eines Betriebs das Briefpapier und die Stampiglie der Firma zur Verfügung stehen. Auch im Fall des Handelns bloß eines Gesellschafters einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft darf daher aus dem Geschäftspapier der Gesellschaft allein nicht geschlossen werden, daß der handelnde Gesellschafter von den übrigen Gesellschaftern bevollmächtigt wurde, auch für sie Geschäftsführungshandlungen vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte - soweit beim Abschluß des gegenständlichen Kaufvertrags das Geschäftspapier mit der Bezeichnung "A***** & Sch***** Ges.n.b.R." Verwendung gefunden hat - dem Kläger gegenüber zwar den dadurch erwirkten Anschein zu vertreten, daß er mit Dieter A***** in einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft verbunden ist. Einen Anschein in der Richtung, daß Dieter A***** befugt ist, auch den nichthandelnden Beklagten als weiteren Gesellschafter zu vertreten und zu verpflichten, enthielt das Geschäftspapier aber nicht. Schon deshalb ist das allein von Dieter A***** mit dem Kläger geschlossene Geschäft für den Beklagten nicht wirksam.

Der Kläger wäre aber auch für den Fall, daß das Geschäftspapier einen Anschein für die Geschäftsführungsbefugnis des handelnden Gesellschafters ergeben hätte, in seinem Vertrauen auf dessen Vertretungsmacht nicht schutzwürdig. Der Umfang des einzigen Geschäfts betrug hier US-Dollar 574.800. Dieser hätte Anlaß geboten, Erkundigungen über die Zustimmung des weiteren Gesellschafters zum Eingehen einer derartigen Verpflichtung einzuholen.

Daher war dem Rekurs des Beklagten Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und in der Sache dahin zu erkennen, daß das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Entgegen den Ausführungen des Klägers in der Berufung im Kostenpunkt war auch der Schriftsatz vom zu honorieren. Der Beklagte erhob darin ua einen (erfolgreichen) Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit und einen auf neuerliche Zustellung des Versäumungsurteiles. Daß darin auch ein - nicht behandelter - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthalten ist, führt nicht, wie der Berufungswerber meint, zur Kostenentscheidung gemäß § 154 ZPO. Die Verhandlungstagsatzung vom hat nicht der Verhandlung über den Widerspruch gedient. Außerdem hat der Kläger darin nicht sofort Kosten verzeichnet (vgl dazu Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 8 zu § 397a). Gegen die Entscheidung über die Kosten der Verhandlungstagsatzung vom , in der über den Widerspruch verhandelt wurde, richtet sich die Berufung im Kostenpunkt nicht. Daher bleibt auch kein Raum für eine Kostenentscheidung im Sinne des § 397a Abs 4 ZPO. Der nach Beginn der mündlichen Verhandlung überreichte vorbereitende Schriftsatz vom wurde vom Erstgericht nicht zurückgewiesen. Da damit auch relevantes Prozeßvorbringen erstattet wurde und der Schriftsatz auch Gegenstand des Vortrages des Beklagten war, konnte er als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet auch honoriert werden. Insgesamt erweist sich somit die Berufung im Kostenpunkt nicht im Recht, so daß auch die Kostenentscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.