Suchen Hilfe
OGH vom 21.01.2020, 1Ob175/19w

OGH vom 21.01.2020, 1Ob175/19w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****, geboren am ***** 2016, und des mj M*****, geboren am ***** 2017, beide *****, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 277/19i-11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 8 Pu 24/19f-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Beide Kinder werden im Haushalt der Mutter betreut. Der geldunterhaltspflichtige Vater wurde bisher zu keiner Unterhaltsleistung verpflichtet. Er hat keine Sorgepflichten für weitere Kinder und geht seit über einem Jahr keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nach. Unter Anspannung seiner Kräfte könnte er ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen in Höhe von 1.630 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen erlangen.

Die Kinder begehren, den Vater ab zu monatlichen Unterhaltsleistungen von jeweils 290 EUR zu verpflichten. Zum erzielbaren monatlichen Arbeitseinkommen des Vaters von 1.630 EUR sei der Familienbonus Plus in Höhe von monatlich 125 EUR pro Kind (insgesamt sohin 250 EUR) sowie der Unterhaltsabsetzbetrag von monatlich 73 EUR (für beide Kinder) hinzuzurechnen, woraus sich eine Bemessungsgrundlage von rund 1.950 EUR ergebe.

Der Vater beteiligte sich weder am erstinstanzlichen Verfahren noch am Rechtsmittelverfahren.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu einer Unterhaltsleistung von monatlich 245 EUR für jedes Kind und wies das Mehrbegehren von monatlich weiteren 45 EUR pro Kind ab. Es ging von einem vom Vater erzielbaren Einkommen von 1.630 EUR aus. Der Unterhalt der Kinder bemesse sich nach der Prozentwertmethode. Mit dem Familienbonus Plus sei eine substanzielle Steuerentlastung geschaffen worden. Diese solle nach Absicht des Gesetzgebers nicht dem unterhaltsberechtigten Kind, sondern den arbeitenden Eltern zukommen. Der Familienbonus Plus könne daher nicht als weiteres Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils, von dem der prozentuelle Unterhalt des Kindes zu bemessen sei, angesehen werden.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Unterhaltspflicht des Vaters mit monatlich 254 EUR pro Kind festsetzte und das Unterhaltsmehrbegehren von monatlich je 36 EUR abwies. Der Familienbonus Plus (auf dessen monatliche Geltendmachung der Unterhaltspflichtige anzuspannen sei) vermindere die Einkommensteuerpflicht und erhöhe (soweit eine Steuerpflicht bestehe) das Nettoeinkommen. Er sei daher – ebenso wie der Unterhaltsabsetzbetrag, der ebenfalls der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen diene – in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Da der Vater aufgrund des von ihm erzielbaren Einkommens nur eine Steuerersparnis von 119,89 EUR monatlich lukrieren könnte, sei „davon die Hälfte von gerundet 60 EUR monatlich pro Kind“ der Bemessungsgrundlage (die daher mit 1.690 EUR anzunehmen sei) hinzuzurechnen, woraus sich unter Anwendung der Prozentwertmethode (je 15 % pro Kind) ein monatlicher Unterhalt pro Kind von 245 EUR ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, „weil zum Familienbonus Plus noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung existiere“.

Der (nur) gegen die Abweisung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 16 EUR pro Kind erhobene der Kinder ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels Aufzeigens einer für das Verfahrensergebnis erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Die Revisionsrekurswerber vertreten den Standpunkt, dass der Vater – da die Mutter aufgrund des Bezugs von Notstandshilfe den Familienbonus Plus nicht in Anspruch nehmen könne – die gesamte sich daraus ergebende Steuerersparnis (120 EUR) lukrieren könnte, sodass sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage um diesen Betrag (sowie um den Unterhaltsabsetzbetrag pro Kind) erhöhe.

Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst mit ausführlicher Begründung zur Unterhaltsbemessung für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs klargestellt (4 Ob 150/19s), dass es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag handelt. Der Gesetzgeber habe den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die steuergesetzlichen Maßnahmen Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag herbeizuführen. Dadurch finde eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt, weshalb es der (teilweisen) Anrechnung von Transferleistungen (zB Familienbeihilfe) auf Geldunterhaltsverpflichtungen nicht mehr bedürfe. Der Familienbonus Plus sei nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, solle er doch nach der Zielrichtung des Steuergesetzgebers in generalisierender Betrachtungsweise dazu dienen, das Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen, aus dem der Unterhalt geleistet werde, nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs steuerfrei zu stellen, welches Ziel nur erreicht werden könne, wenn der entsprechende Betrag dem Unterhaltspflichtigen verbleibe. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag blieben damit unterhaltsrechtlich neutral.

Dieser Rechtsansicht hat sich auch der erste Senat angeschlossen (1 Ob 171/19g; 1 Ob 194/19i).

Der Revisionsrekurs, der ohne weitere Begründung von einer Einbeziehung dieser Vorteile in die Bemessungsgrundlage ausgeht, zeigt keine für die Entscheidung über ihr verbliebenes Begehren erhebliche Rechtsfrage auf. Nach den dargelegten Grundsätzen hat das Rekursgericht den (halben) fiktiven Steuervorteil durch den Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung zwar zu Unrecht berücksichtigt. Da die Rekursentscheidung aber nur von den unterhaltsberechtigten Kindern angefochten wurde, hat es bei der Entscheidung des Rekursgerichts, die hinsichtlich ihres unangefochten gebliebenen Teils in Rechtskraft erwuchs, zu bleiben.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00175.19W.0121.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.

Fundstelle(n):
UAAAD-42733