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OGH vom 16.03.2006, 2Ob303/04d

OGH vom 16.03.2006, 2Ob303/04d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1.) Micha S*****, und 2.) U***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 134.857,24, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 132/04f-21, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ 26 Cg 161/02a-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.239,27 (darin enthalten EUR 206,54 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Angestellte der klagenden Partei Ing. Gerhard M***** wurde am bei einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die beklagten Parteien einzustehen haben, verletzt.

Die klagende Partei begehrt die Zahlung von EUR 134.857,24 sA. Ing. M***** sei bei ihr seit 1974 als Angestellter beschäftigt gewesen. Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles sei er Leiter der Elektronikabteilung gewesen. Er habe im März 2000 seine Tätigkeit wieder aufgenommen. Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom sei die Zugehörigkeit des Ing. M***** (unfallkausal) zum Kreis der behinderten Personen im Sinne des § 2 BEinstG festgestellt und der Grad seiner Behinderung gemäß § 27 Abs 1 leg cit mit 60 % festgestellt worden. Gemäß Bescheid des Bundessozialamtes vom betrage der Grad der Behinderung ab 70 %.

Die Klägerin sei kraft gesetzlicher und/oder vertraglicher Bestimmungen zur vollen Gehaltszahlung trotz des 50 %-igen Leistungsausfalles verpflichtet. Es sei zu einer bloßen Schadensverlagerung von Ing. M***** auf die klagende Partei gekommen. Sie begehre daher 50 % dessen, was sie an Ing. M***** bezahlen habe müssen, obwohl er einen 50 %-igen kausalen Leistungsausfall gehabt habe, sowie 100 % dessen, was sie diesem während der unfallkausalen Krankenstände bezahlen habe müssen. Beim geltend gemachten Betrag handle es sich um 50 % der Bruttolohnkosten samt Lohnnebenkosten abzüglich der für den Dienstnehmer bezahlten Förderbeiträge des AMS, der Kommunalsteuer, des Dienstgeberbeitrags sowie des Dienstnehmerzuschlags sowie um die Gehaltszahlungen samt Lohnnebenkosten wegen bestimmter unfallkausaler Krankenstandstage im Zeitraum März 2000 bis einschließlich März 2003.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Bei Ing. M***** liege ein unfallkausaler 50 %-iger Leistungsausfall nicht vor; ebenso liege kein Fall der Schadensverlagerung im Sinne der Rechtsprechung zur Lohnfortzahlung vor, es handle sich um einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden der klagenden Partei. Nach der Rechtsprechung könne der Dienstgeber etwa auch die ausbezahlte Urlaubsentschädigung nicht vom Schädiger fordern, auch spreche der Normzweck des BEinstG gegen eine Ersatzpflicht. Die diskriminierungsfreie Beschäftigung von Behinderten sei schon begrifflich kein Schaden. Die Klägerin mache in Wahrheit einen potentiellen Eigenschaden, nicht aber einen Verdienstentgang des Ing. M*****, der einen solchen gar nicht erlitten habe, geltend. Es wäre hier vorstellbar, dass der Verletzte eine abstrakte Rente und die klagende Partei gleichzeitig Schadenersatz begehrten, was zu einer unübersehbaren Ausweitung der Schadenersatzpflicht führe. Auch die Frage der Schadensberechnung sei ungeklärt, weil die negativen Auswirkungen der Nichterbringung von Arbeitsleistungen auf das Vermögen des Arbeitgebers kaum feststellbar wären.

Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den (der Höhe nach außer Streit gestellten) Betrag von EUR 21.000,-- sA zu bezahlen.

Es ging unter anderem von folgendem entscheidungsrelevanten bzw unstrittigen Sachverhalt aus:

Ing. M*****, der seit 1974 bei der klagenden Partei als Dienstnehmer beschäftigt war, wurde bei dem Verkehrsunfall schwer verletzt und nahm am seine Arbeitstätigkeit im Betrieb der klagenden Partei wieder auf. Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom wurde festgestellt, dass er ab dem Kreis der begünstigten Behinderten (§ 2 Abs 1 BEinstG) angehört und der Grad der Behinderung (zunächst) 60 vH beträgt und dass dies auf Unfallfolgen zurückzuführen ist. Auf Grund der Dauer bzw Spätfolgen des Unfalles lag bei Ing. M***** ein Leistungsausfall seit Wiederbeschäftigung vor, der dazu führte, dass er zumindest EUR 21.000,-- mehr erhielt als seiner tatsächlichen Leistung entsprach.

Rechtlich verwies das Erstgericht auf die Rechtsprechungswende seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 21/94, nach der der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergehe. Der Dienstgeber habe dabei Anspruch auf Ersatz des Bruttolohnes sowie der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Für Lohnsummensteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und die Kammerumlage gelte nach 2 Ob 8/96 anderes; auch hinsichtlich Urlaubsabfindung und -entschädigung sei zu 2 Ob 187/98h entschieden worden, dass dem Dienstnehmer als unmittelbar Geschädigten für den Zeitraum des nicht verbrauchten Urlaubes kein Verdienstentgang entstanden sei, weshalb ein solcher auch nicht im Wege der Schadensverlagerung vom Arbeitgeber geltend gemacht werden könne.

Die klagende Partei habe hier als Dienstgeber die Verpflichtung, im Sinne des BEinstG pro 25 beschäftigte Arbeitnehmer einen Behinderten einzustellen übererfüllt, weshalb der Hinweis der beklagten Parteien, die klagende Partei leiste bloß das, was ihre gesetzliche Verpflichtung sei, nicht zielführend sei. Da hier die Quote schon erfüllt sei, seien unabhängig von der gesetzlichen Verpflichtung die Leistungen im Interesse des Arbeitnehmers erbracht worden, weshalb sie zu seinem Erwerb gehörten und dem Grunde nach ersatzfähig seien.

Das gegen dieses Teilurteil von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es gab die Rechtsprechung zur bloßen Schadensverlagerung in den „Lohnfortzahlungsfällen" wieder, wonach der Dienstgeber dann ersatzberechtigt sei, wenn er (auf Grund welcher Norm auch immer) zur Lohnfortzahlung verpflichtet sei. Auch hier liege eine bloße Schadensverlagerung vor; die Klägerin sei als Dienstgeberin gesetzlich (§ 7 BEinstG) zur vollen Lohnfortzahlung verpflichtet und habe an ihren Dienstnehmer um zumindest EUR 21.000,-- mehr leisten müssen, als es seiner tatsächlichen Leistung auf Grund des unfallkausalen Leistungsausfalles entsprochen habe. Der Schaden, der ohne diese Lohnfortzahlungsbestimmung beim Verletzten eingetreten wäre, sei tatsächlich beim Dienstgeber eingetreten. Da der Verletzte nach den Feststellungen um zumindest EUR 21.000,-- mehr erhalten habe, als es seiner tatsächlichen Leistung entsprochen habe, könne es auch nicht zweifelhaft sein, dass es sich diesbezüglich um Lohnbestandteile handle, die zum bloß verlagerten Schaden, und nicht um solche, die zum mittelbaren Schaden zählten (wie Lohnsummensteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und Kammerumlage). Von einer unfallkausalen Anspruchswandlung (wie bei Urlaubsentschädigung und/oder Urlaubsabfindung) könne nach den Feststellungen keine Rede sein, da es sich um eine von der Klägerin erbrachte Mehrleistung auf Grund des unfallkausalen Leistungsausfalles und keineswegs um eine Wandlung anderer Ansprüche in einen Geldanspruch handle. Auch wenn das Entgeltminderungsverbot des § 7 BEinstG für sich keinen Lohnanspruch begründe, so begründe es zweifellos einen Anspruch auf Nichtminderung des Entgeltes und somit auf Fortbezahlung des unverminderten Lohnes trotz Minderleistung. Dieses Entgeltminderungsverbot solle genauso wenig wie die einschlägigen Entgeltfortzahlungsbestimmungen den Schädiger entlasten. Diese Auffassung führe auch nicht zu einer uferlosen Ausweitung von Schadenersatzansprüchen, seien diese doch ohnehin mit der unfallbedingten Minderleistung des Dienstnehmers begrenzt. Der Schaden bestehe nicht in der diskriminierungsfreien Beschäftigung des Dienstnehmers, sondern in dessen unfallkausaler Minderleistung, die nur deswegen bei ihm zu keiner entsprechenden Lohnkürzung führe, weil das Entgeltminderungsverbot des § 7 BEinstG greife. Da das Gehalt die Gegenleistung für die Dienstleistung darstelle, sei auf der Hand liegend, dass bei entsprechender Minderleistung des Dienstnehmers auch an sich der Lohnanspruch sinke, was aber durch das Entgeltminderungsverbot vermieden werde und gerade die Schadensverlagerung bewirke. Auf die Frage, ob auch dann ein Ersatzanspruch des Dienstgebers bestehe, wenn er die Pflichtzahl nach dem BEinstG nicht erfüllt habe, müsse nicht eingegangen werden, da die klagende Partei sie ohnehin übererfüllt habe. Die Quantifizierungsproblematik sei hier nicht Berufungsgegenstand und spreche nicht gegen die hier vertretene Lösung.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Judikatur zum entscheidungswesentlichen Problemkreis (Schadenersatzanspruch des Dienstgebers für unfallkausale Minderleistung des Dienstnehmers, zu dessen Gunsten das Entgeltminderungsverbot des § 7 BEinstG wirke) fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, sie dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht dargelegten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Im Rechtsmittel der beklagten Parteien wird - zusammengefasst - ausgeführt, das BEinstG verpflichte gemäß § 1 alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer beschäftigen, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten einzustellen. Dabei bilde die Beschaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen für behinderte Menschen einen zentralen Punkt der staatlichen Sozial- und Wirtschaftspolitik. Die klagende Partei erfülle durch Beschäftigung ihres Dienstnehmers Ing. M***** als begünstigten Behinderten wie jeder andere Arbeitgeber nur ihre staatliche Pflicht aus dem Behinderteneinstellungsgesetz. Die Erfüllung der Verpflichtungen und wirtschaftlichen Belastungen aus dem Behinderteneinstellungsgesetz stellten aber damit keinen ersatzfähigen Schaden des Arbeitgebers dar, sondern bildeten nur eine wirtschaftliche Auswirkung auf Grund einer allgemeinen öffentlichen Verpflichtung. Das Verbot der Entgeltminderung nach § 7 BEinstG begründe keinen Lohnanspruch des Begünstigten, sondern untersage nur dem Dienstgeber als Normadressat die Minderung des Entgeltes.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Zunächst ist auf die ausführliche Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen, der beigetreten wird (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Entscheidung 2 Ob 21/94 (SZ 67/52) wurde ausgesprochen, dass der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergeht und dieser immer dann ersatzberechtigt ist, wenn er zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist. Ist der Verletzte Dienstnehmer und ist sein Dienstgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der Schaden auf diesen überwälzt. An dieser Rechtsprechung wurde in der Folge festgehalten und dem Arbeitgeber ein Ersatzanspruch nicht nur in den Fällen der Lohnfortzahlungspflicht nach § 8 AngG zugesprochen, sondern ganz allgemein ausgeführt, dass er dann ersatzberechtigt sei, wenn er (auf Grund welcher Norm auch immer) zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0043287 [T5]).

§ 7 BEinstG sieht vor, dass das Entgelt, das den im Sinne dieses Bundesgesetzes beschäftigten begünstigten Behinderten gebührt, aus dem Grunde der Behinderung nicht gemindert werden darf. Aus dieser Bestimmung folgt, dass einem Behinderten, der auf Grund seiner Behinderung nicht die gleiche Arbeitsleistung erbringen kann wie ein gesunder Dienstnehmer, deshalb nicht weniger Entgelt gezahlt werden darf. Dies gilt auch dann, wenn während des Beschäftigungsverhältnisses im Gesundheitszustand des Behinderten eine Verschlechterung eintritt (Diskriminierungsverbot). Die Bestimmung gilt nicht nur für die kollektivvertraglich oder gesetzlich festgestellten Mindestgrundlöhne und -gehälter, sondern auch für die tatsächlich gezahlten Löhne und Gehälter (vgl Ernst/Haller, BEinstG 257, § 7 Anm 1, 3).

Nach dieser Bestimmung ist daher der Dienstgeber auch bei Herabsinken der Leistungsfähigkeit verpflichtet, den ursprünglichen Lohn weiter zu bezahlen, falls ein im Sinne des BEinstG begünstigter Behinderter beschäftigt wird. Der Dienstgeber ist also verpflichtet, den bisher bezogenen Lohn in gleicher Höhe weiter zu zahlen, obwohl die entsprechenden Arbeitsleistungen nicht erbracht werden können.

Die Bestimmung verfolgt daher einen ähnlichen Zweck wie § 8 AngG. Dass ein Dienstgeber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, einen begünstigten Behinderten zu beschäftigen, ändert nichts am Umstand, dass der Beschäftigte unfallkausal weniger leisten kann als bisher und daher weniger verdienen würde. Dieser Schaden wird aber durch das Entgeltminderungsverbot des § 7 BEinstG auf den Dienstgeber verlagert, auf welchen der Ersatzanspruch übergeht.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.