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OGH vom 23.01.2020, 6Ob1/20w

OGH vom 23.01.2020, 6Ob1/20w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen L*****, geboren am ***** 2009, *****, vertreten durch das Land Oberösterreich (Bezirkshauptmannschaft Perg, 4320 Perg, Dirnbergerstraße 11) als Kinder- und Jugendhilfeträger, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 261/19m-35, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom , GZ 2 Pu 90/18d-30, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Revisionsrekurs wird hinsichtlich eines monatlichen Unterhaltsbegehrens von 13 EUR ab zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass C***** als Vater der minderjährigen L***** schuldig ist, dieser ab einen um 85 EUR erhöhten monatlichen Unterhaltsbeitrag, somit insgesamt 420 EUR, zu bezahlen, und zwar die bereits fällig gewordenen Beiträge binnen 14 Tagen und die künftig fällig werdenden Beiträge jeweils zum Monatsersten im Vorhinein. Das Mehrbegehren von monatlich 7 EUR wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Minderjährige ist die Tocher des C***** und der N*****. Der Vater verpflichtete sich mit Vereinbarung gemäß § 210 Abs 2 ABGB vom zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 335 EUR ab .

Nach den Behauptungen der Minderjährigen, denen der Vater nicht entgegen getreten ist (§ 17 AußStrG), könnte dieser ein monatliches Nettoeinkommen von 2.186,39 EUR zwölfmal jährlich beziehen; er ist für ein weiteres, 2016 geborenes Kind sorgepflichtig.

Am beantragte die Minderjährige unter Berücksichtigung des Einkommens sowie der weiteren Sorgepflicht des Vaters und des halben, von diesem zu beziehenden Familienbonus Plus die Erhöhung seiner monatlichen Geldunterhaltsverpflichtung auf 427 EUR ab .

Das Erstgericht erhöhte die Verpflichtung des Vaters auf monatlich 400 EUR. Der Minderjährigen stünden 19 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu, die nicht um den (halben) Familienbonus Plus zu erhöhen sei; dieser Prozentunterhalt sei im Sinn der bisherigen Rechtsprechung zur (teilweisen) Anrechnung der Transferleistungen zu reduzieren.

Das Rekursgericht erhöhte die Verpflichtung des Vaters auf monatlich 410 EUR und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Behandlung des Familienbonus Plus bei Ermittlung der konkreten Geldunterhaltsverpflichtung vor.

In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, der halbe Familienbonus Plus in Höhe von 62,50 EUR sei der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters hinzuzurechnen. Sodann sei der 19%ige Prozentunterhalt aus 2.248,89 EUR im Sinn der bisherigen Rechtsprechung zur (teilweisen) Anrechnung der Transferleistungen zu reduzieren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist teilweise unzulässig, teilweise zulässig und teilweise auch berechtigt.

1. Soweit der Revisionsrekurs eine Erhöhung der monatlichen Geldunterhaltsverpflichtung des Vaters auf 440 EUR anstrebt, überschreitet er das ursprüngliche Antragsbegehren um 13 EUR und ist insoweit unzulässig.

2. Es entspricht zwischenzeitig gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 150/19s; 6 Ob 208/19k; 1 Ob 171/19g; 3 Ob 154/19x; 10 Ob 65/19k uva), dass es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag handelt. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die steuergesetzlichen Maßnahmen Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt, weshalb es der (teilweisen) Anrechnung der Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) auf Geldunterhaltsverpflichtungen minderjähriger Kinder nicht mehr bedarf. Der Familienbonus Plus ist dann aber nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, soll er doch nach der Zielrichtung des Steuergesetzgebers in generalisierender Betrachtungsweise dazu dienen, das Unterhaltseinkommen nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs steuerfrei zu stellen, welches Ziel nur erreicht werden kann, wenn der entsprechende Betrag dem Unterhaltspflichtigen verbleibt. Der Familienbonus Plus bleibt also – ebenso wie der Unterhaltsabsetzbetrag – unterhaltsrechtlich neutral.

Damit bedarf es aber auch hier (so schon 6 Ob 208/19k) keiner weiteren Erörterungen mehr, ob – wie das Rekursgericht meinte – ein unselbstständig erwerbstätiger Geldunterhaltspflichtiger auf den (halben) Familienbonus anzuspannen ist, wenn er nur fiktiv ein Erwerbseinkommen (Anspannungseinkommen) bezieht (bejahend, jedoch ohne weitere Begründung 5 Ob 92/19v; verneinend Gitschthaler, EF-Z 2019/151 [Entscheidungsanmerkung]). Der Geldunterhaltspflichtige ist – entgegen bisheriger Rechtsprechung (5 Ob 236/18v; 5 Ob 92/19v; 4 Ob 139/19y) infolge dessen unterhaltsrechtlicher Neutralität auf den Bezug des Familienbonus Plus überhaupt nicht anzuspannen.

3. Im vorliegenden Fall ist von einem (Anspannungs-)einkommen des Vaters von monatlich netto 2.186,39 EUR zwölfmal jährlich auszugehen. Angesichts dessen weiterer Sorgepflicht für ein Kind im Alter unter zehn Jahren stehen der Minderjährigen 19 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu, sohin 415,41 EUR monatlich. Dieser Betrag ist auf 420 EUR monatlich zu runden (Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 [2019] Rz 536a/2; vgl auch 4 Ob 228/99d).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00001.20W.0123.000

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