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OGH vom 25.08.2011, 5Ob147/11w

OGH vom 25.08.2011, 5Ob147/11w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Rita M*****, vertreten durch Mag. Brigitte Wagner, diese vertreten durch Mag. Michaela Schinnagl, beide Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegnerin S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen §§ 21 ff, 37 Abs 1 Z 12 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 12/11w 21, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 34 Msch 10/09b 16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben und der Sachbeschluss des Erstgerichts, der im Übrigen als rechtskräftig bestätigt (Punkt I) und als unangefochten (Punkt III.) unberührt bleibt, hinsichtlich seiner Punkte II. (Feststellung der Betriebskostenüberschreitung von 351,12 EUR für „ARGE Baumkataster“) und Punkt IV. (Kostenentscheidung) wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin jeweils binnen 14 Tagen die mit 183,10 EUR (darin 3,10 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung und die mit 393,50 EUR (darin 213,50 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten ihres Revisionsrekurses zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Hauptmieterin der Wohnung Top 5, Stiege 4, im Haus *****, welches Objekt im hier maßgeblichen Zeitraum im Eigentum der Antragstellerin stand.

Die Antragsgegnerin hat soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich in die Betriebskostenabrechnung 2006 die Rechnung „ARGE Baumkataster“ vom in der Höhe von 351,12 EUR aufgenommen. Diese Rechnung beinhaltet eine Grunddatenfeststellung und Transpondermontage (43 Stück) zum Einzelpreis von 2,92 EUR, zusammen 125,56 EUR, die Erfassung von 43 Stück Transpondern zum Einzelpreis von 2,92 EUR, zusammen (wiederum) 125,56 EUR, und eine Stunde Beratung und Regie für die Stiegen 3, 10 und 12 zwecks Beratung und Information von Mietern über die Verkehrssicherheit von Bäumen im Zuge der Baumkatastererstellung zum Preis von 100 EUR (netto), insgesamt somit 351,12 EUR.

Die Antragstellerin brachte zur Rechnung „ARGE Baumkataster“ vom vor, dass es sich bei den Kosten für eine Grunddatenfeststellung samt Transpondermontage um keine laufenden Ausgaben für wiederkehrende Kontrolltätigkeiten, sondern um die Herstellung eines Basiszustands handle. Die verrechneten Tätigkeiten gehörten daher zur „Errichtung“, nicht zur „Erhaltung“ und die dafür verrechneten Kosten nicht zu den Betriebskosten.

Die Antragsgegnerin wandte ein, dass die unter „ARGE Baumkataster“ verrechneten Aufwendungen Betriebskosten im Sinn des § 24 Abs 2 MRG seien. Es handle sich um Maßnahmen, die bei vernünftiger Wirtschaftsführung üblich und zweckmäßig seien, dienten sie doch der Erfassung und Kontrolle des Baumbestandes sowie der Abwendung von Schäden durch das Umstürzen von Bäumen. Die Erfassung und regelmäßige Kontrolle des Baumbestandes sei auch nach Abschnitt 5 Punkt 1.2. der Ö Norm L1112 (Baumpflege und Baumkontrolle) vorgesehen. Überdies sei es wirtschaftlicher, die Erfassung der Bäume in elektronischer Form vorzunehmen, anstatt laufend fachkundige Mitarbeiter zu persönlichen Kontrollen auszuschicken.

Das Erstgericht stellte (in Punkt II. seines Sachbeschlusses) fest, dass die Antragsgegnerin durch die Verrechnung von 351,12 EUR für „ARGE Baumkataster“ in der Betriebskostenabrechnung 2006 gegenüber der Antragstellerin das gesetzliche Zinsausmaß um den aus 351,12 EUR auf diese entfallenden Betriebskostenanteil von 2,91 EUR überschritten habe. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass die erfolgte Anbringung von Transpondern keine Erfüllung einer Betreuungspflicht, sondern erst eine vorbereitende Tätigkeit sei, die dann später eine einfachere und effizientere Baumkontrolle ermögliche. Die Aufwendungen würden keine regelmäßig wiederkehrenden Kosten sein. Auch die Information der Mieter über die Verkehrssicherheit von Bäumen stehe nicht mit Betreuungs oder Betriebspflichten der Antragsgegnerin in Zusammenhang.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin teilweise Folge und änderte soweit für das Revisionsrekursverfahren wesentlich die Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Betriebskostenüberschreitung durch Verrechnung der 351,12 EUR für „ARGE Baumkataster“ im Sinn der Antragsabweisung ab. Nach der Rechtsansicht des Rekursgerichts sei als „Betreuung“ von Grünanlagen deren laufende Pflege zu verstehen. Maßnahmen, die über die regelmäßige Gartenbetreuung hinausgingen, wie die Entfernung eines abgestorbenen Baumes, eine deshalb erforderliche Ersatzpflanzung oder eine erstmalige Pflanzung bisher nicht vorhandener Gartenpflanzen, gehe über die regelmäßige Gartenbetreuung hinaus und sei daher nach höchstgerichtlicher Judikatur nicht zu den Betriebskosten zu zählen (5 Ob 143/09d). Zur laufenden Betreuung einer Gartenanlage zähle aber auch die regelmäßige Baumkontrolle, die erforderlich sei, um Schäden an Bäumen rechtzeitig feststellen zu können und dadurch Schäden durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Die Ö Norm L1122 enthalte konkrete Maßnahmen zur Verkehrssicherung von Bäumen und stelle insofern eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen dar (1 Ob 278/98h). Nach den Regeln dieser Ö Norm müssten Bäume in regelmäßigen Abständen auf Vitalität, Kronen und Stammentwicklung sowie Schäden überprüft werden. Bei Bäumen im Verkehrsbereich sei eine jährliche Kontrolle anzustreben. Jede Befundung sei zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang sei ein Baumkataster zu erstellen. Die dafür von der Antragsgegnerin in Rechnung gestellten Maßnahmen seien daher als Betriebsaufwand auf die Mieter überwälzbar.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil soweit überblickbar höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Kosten der Baumkontrolle zu den Betriebskosten zählten, nicht vorliege.

Gegen den den Antrag auf Feststellung der Betriebskostenüberschreitung durch Verrechnung der 351,12 EUR für „ARGE Baumkataster“ abweisenden Teil des zweitinstanzlichen Sachbeschlusses richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise stellt die Antragstellerin auch einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil die Rechtsansicht des Rekursgerichts zur fraglichen Qualität der Aufwendungen von 351,12 EUR für „ARGE Baumkataster“ als Betriebskosten nicht zu teilen ist:

1. § 24 MRG regelt die anteilige Überwälzung von besonderen Aufwendungen für Gemeinschaftsanlagen auf die Mieter eines Hauses nach den Grundsätzen des § 17 MRG. Nach § 24 Abs 2 MRG zählen zu den besonderen Aufwendungen auch die „Kosten für die Betreuung von Grünanlagen“.

2. Ganz allgemein gilt zunächst, dass nur solche Ausgaben als Betriebskosten verrechenbar sind, die in regelmäßigen Zeitabständen wiederkehren (vgl 5 Ob 1/84 EvBl 1984/140 = ImmZ 1985, 194 = RIS Justiz RS0069716), also um „laufende“ Kosten des „Betriebs“ (vgl 5 Ob 131/09iimmolex 2010/14, 46 [ Limberg ] = wobl 2010/31, 71 = MietSlg 61.332; 5 Ob 259/08m = wobl 2010/30).

3. Nach höchstgerichtlicher Judikatur (5 Ob 2091/96b = wobl 1998/219, 338 [ Würth ]; 5 Ob 65/95 = wobl 1997/44, 149 [ Würth ]; 5 Ob 143/09d = ecolex 2009/409, 1059 = immolex 2010, 113, 32 [ Edelhauser ]; RIS Justiz RS0105720) ist bei Grünanlagen der Begriff „Betrieb“ als Betreuung im Sinn ihrer laufenden Pflege zu verstehen. Auf diese Art ist die Abgrenzung zwischen Betriebs und Erhaltungsaufwand vorzunehmen. Maßnahmen, die darüber hinausgehen, sind unabhängig von der Höhe der Aufwendungen nicht zu den Betriebskosten zu zählen. So wurden etwa wie bereits vom Rekursgericht zutreffend ausgeführt die Entfernung eines abgestorbenen Baumes samt deshalb erforderlicher Ersatzpflanzung und die erstmalige Neupflanzung nicht mehr als Maßnahme der laufenden Pflege gewertet (5 Ob 143/09d = immolex 2010, 113/32 [ Edelhauser ]).

4. Bei den hier mit 351,12 EUR für „ARGE Baumkataster“ verrechneten Ausgaben handelt es sich schon nach den zuvor zu den Punkten 2. und 3. genannten Abgrenzungskriterien um keine auf die Mieter überwälzbaren Betriebskosten. Die erstmalige Transpondermontage samt Ersterfassung ist schon der Art nach keine Maßnahme laufend wiederkehrender Betreuung, sondern stehen Erst und einmalige Maßnahme und Beratung sowie Information von Mietern über die Verkehrssicherheit von Bäumen mit deren eigentlicher Betreuung überhaupt in keinem relevanten Zusammenhang.

5. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in seiner Entscheidung 5 Ob 111/11a auch schon zur Betriebskostenqualität ähnlicher Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt der Bestimmung des § 2 Wiener Baumschutzgesetz 1974 idF LGBl Nr 53/2001 iVm der Ö Norm L1122 (Baumpflege und Baumkontrolle) Stellung genommen und ist dabei zusammengefasst zu folgendem Ergebnis gekommen:

5.1. Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes zum Schutze des Baumbestands in Wien (Wiener Baumschutzgesetz 1974) ist zufolge dessen § 1 Abs 1 die Erhaltung einer gesunden Umwelt für die Wiener Bevölkerung, wofür der Baumbestand im Gebiet der Stadt Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes geschützt ist. § 2 dieses Gesetzes verpflichtet jeden Grundeigentümer oder Bauberechtigten, „den auf seinem Grundstück stockenden Baumbestand zu erhalten“. Die seit Mai 2003 geltende Ö Norm L1122 (Baumpflege und Baumkontrolle) definiert die Baumpflege und die hiefür erforderlichen Baumkontrollmaßnahmen, wonach Bäume in regelmäßigen Abständen durch Fachkundige je nach Entwicklungsstufe, Gefährdungspotential und Zustand einer Sichtkontrolle zu unterziehen sind. Die Sichtkontrolle hat ua auch eindeutige Aussagen über die Verkehrssicherheit und den Zeitpunkt der nächsten Kontrolle des Baumes zu enthalten. Bei Auftreten von Ereignissen besonderer Art, wie abnorme Witterungsverhältnisse oder Bautätigkeit im Standraumbereich des Baumes, ist innerhalb eines angemessenen Zeitraums ein Kontrollgang vorzusehen. Zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen sind jährliche Kontrollen anzustreben. Jede Befundung und die ausgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren. Die Dokumentation in „Baumkatastern“ ist in der Ö Norm L1125 geregelt.

5.2. Die Erfüllung der bezeichneten öffentlich rechtlichen Verpflichtung zum Schutz des Baumbestands in Wien nach den Regeln der zitierten Ö Norm sind nicht ohne weiteres nach § 24 Abs 2 MRG auf die Mieter überwälzbar. Bei sämtlichen Aufwendungen zur Erstellung und Erhaltung eines Baumkatasters versteht sich von selbst, dass es sich dabei nicht um Betreuungsarbeiten handelt. Hinsichtlich sonstiger Kosten genügt die bloße Berufung auf dem Mieter obliegende öffentlich-rechtliche Pflichten nicht, um zumindest Teilbeträge für einzelne Aufwendungen dem § 24 Abs 2 MRG zuordnen zu können.

6. Aus den dargestellten Gründen folgt somit die Unzulässigkeit der Überwälzung der strittigen Kosten (351,12 EUR für ARGE Baumkataster) auf die Mieter; die dies feststellende Entscheidung des Erstgerichts war somit wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.