OGH vom 17.12.1996, 4Ob2357/96p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KG, ***** vertreten durch Dr.Christian Gassauer-Fleissner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Arbeitsmarktservice, Wien 1, Weihburggasse 30, vertreten durch Dr.Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 723.260,52 sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 39 R 889/95-12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 46 C 248/95-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 21.996,-- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.666,-- USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses Wien 1, Hegelgasse 4. Mit Mietvertrag vom mietete die Republik Österreich, vertreten durch das Landesarbeitsamt Wien, die gesamte Liegenschaft; ausgenommen waren nur die von den Brüdern K***** im Erdgeschoß, Tiefgeschoß und Keller gelegenen Räume im Ausmaß von 411,20 m**2. Auf Seite des Vermieters schloß das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Vermögensplanung als der vom Gesetz berufene Verwalter den Mietvertrag ab. Das Mietverhältnis begann am . Der Hauptmietzins wurde mit S 13.583,-- jährlich festgesetzt.
Bis übte das Landesarbeitsamt Wien in den gemieteten Räumen die ihm als Arbeitsamt gesetzlich zugewiesene Tätigkeit aus; seit ist die Beklagte mit der Arbeitsmarktverwaltung betraut. Die Klägerin forderte die Beklagte im ersten Halbjahr 1995 auf, beginnend mit April 1995 den angemessenen Hauptmietzins von monatlich S 650.000,-- zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer zu zahlen. Die Beklagte lehnte ab.
Die Klägerin begehrt S 723.260,52 sA.
Die Beklagte habe als Einzelrechtsnachfolgerin das Landesarbeitsamt Wien übernommen. Dies sei eine Veräußerung im Sinne des § 12a MRG.§ 62 Abs 5 AMSG sei nicht anzuwenden. Mieterin sei die Republik Österreich gewesen, die nicht im Wege der Universalsukzession auf die Beklagte übergegangen sei. § 12a MRG erfasse auch Hoheitsakte. Die Arbeitsmarktverwaltung sei bis vom Bund und dem Fonds der Arbeitsmarktverwaltung betrieben worden; dieses Unternehmen sei durch das Arbeitsmarktservicegesetz auf die Beklagte übergegangen.
Durch die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung aus der Kompetenz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Errichtung der Beklagten als Körperschaft öffentlichen Rechts hätten sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten im Sinne des § 12a Abs 3 MRG entscheidend geändert. Nur eine Minderheit der Mitglieder des Verwaltungsrates werde von Bundesdienst- stellen vorgeschlagen; die Mehrheit werde auf Vorschlag der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung, der Arbeiterkammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bestellt. Nur soweit behördliche Aufgaben erfüllt würden, sei der Bundesminister für Arbeit und Soziales weisungsbefugt.
§ 62 Abs 5 AMSG sei verfassungskonform dahin auszulegen, daß § 12a Abs 3 MRG auf die Ausgliederung der Beklagten anzuwenden sei; andernfalls sei § 62 Abs 5 AMSG verfassungswidrig. Durch sachlich nicht gerechtfertigte Ausnahmebestimmungen werde der Klägerin ein Sonderopfer abverlangt. Die Beklagte habe keinen wie immer gearteten Bedarf, ihre Tätigkeit in bester Lage in der Wiener Innenstadt auszuüben. Das Haus Hegelgasse 4 sei im Dritten Reich arisiert worden und 1945 in den Besitz der Republik Österreich gelangt. Erst nach Abschluß des Mietvertrages sei das Haus den Vorkriegseigentümern zurückgegeben worden. Der Mietzins sei unangemessen niedrig. § 62 Abs 5 AMSG sei auch deshalb verfassungswidrig, weil das der Klägerin durch die nationalsozialistische Arisierung abverlangte Sonderopfer verlängert werde. Die Republik Österreich nehme als Hauseigentümerin die Vorteile des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes für sich in Anspruch; daß dies Hauseigentümern, die Organe der Arbeitsmarktverwaltung beherbergen, verwehrt werde, sei eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.
§ 62 Abs 5 AMSG stelle nur im Sinne der herrschenden Rechtsprechung klar, daß die Ausgliederung des Arbeitsmarktservice nicht unter § 12a MRG falle. Veräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG seien nur privatrechtliche Akte; die Beklagte sei aber durch einen Hoheitsakt mit der Arbeitsmarktverwaltung betraut worden. Der Mietzins könnte nur erhöht werden, wenn sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten geändert hätten.§ 12a Abs 3 MRG sei auch nur dann anzuwenden, wenn die Gefahr bestehe, daß durch die Veräußerung das Mietrecht zu Lasten des Vermieters wirtschaftlich verwertet oder ausgenützt werde. Bei der Beklagten habe kein Gesellschafterwechsel stattgefunden; die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten seien gleich geblieben. Die Beklagte habe alle behördlichen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik übernommen; sie unterliege insoweit dem Weisungsrecht des Bundesministers für Arbeit und Soziales. Soweit die Beklagte Aufgaben im nichtbehördlichen Bereich erfülle, unterliege sie der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit und Soziales. Die dienstrechtliche Stellung der Beamten und Vertragsbe- diensteten sei gleich geblieben. Die finanziellen Mittel für die Erfüllung der Aufgaben erhalte die Beklagte vom Bund ersetzt; sie setze die Tätigkeit der Arbeitsmarktverwaltung und der Arbeitsämter fort.
Die Klägerin sei weder in ihrem Recht auf Gleichbehandlung noch in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Seit 1917 sei in erheblichem Maß in die Gestaltungsfreiheit von Mietverträgen eingegriffen worden; diese Eingriffe seien nicht verfassungswidrig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Die Beklagte sei gemäß § 62 Abs 5 AMSG Gesamtrechtsnachfolgerin der Arbeitsmarktverwaltung. Der Bund habe die Mietrechte für Zwecke der Arbeitsmarktver- waltung erworben; insoweit sei die Beklagte seine Gesamtrechtsnachfolgerin. Der Mietzins könne nach § 12a MRG nur angehoben werden, wenn die Veräußerung des Unternehmens mit einer Einzelrechtsnachfolge verbunden sei. Der Gesetzgeber habe die mit der Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung verbundenen mietrechtlichen Konsequenzen verhindern wollen. Erstgerichte könnten Gesetze nicht wegen Verfassungswidrigkeit anfechten; das Klagebegehren sei daher abzuweisen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Veräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG sei nur der Übergang des Unternehmens durch privatrechtlichen Akt. Die Beklagte sei durch Hoheitsakt ausgegliedert worden. Die Republik Österreich könnte die Beklagte jederzeit wieder in die Kompetenz eines Bundesministeriums eingliedern; bei einer Veräußerung scheide ein Unternehmen hingegen endgültig aus der Verfügungsgewalt des Veräußerers aus.
"Juristische Person" im Sinne des § 12a Abs 3 MRG seien nur jene juristischen Personen, die ein Unternehmen betrieben oder eine unternehmensähnliche Tätigkeit ausübten. Die Beklagte sei nur in der Hoheitsverwaltung tätig. Durch die Ausgliederung hätten sich auch nur die rechtlichen Einflußmöglichkeiten, nicht aber auch die wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten geändert. Die Beklagte bleibe grundsätzlich weiterhin dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstellt.
§ 62 Abs 5 AMSG sei nicht angewendet worden; die Bestimmung könne daher auch nicht als verfassungswidrig angefochten werden. Sie sei im übrigen nur eine Klarstellung ohne normativen Gehalt.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, weil noch keine Entscheidung darüber vorliegt, ob § 12a MRG auch die Ausgliederung hoheitlicher Aufgaben erfaßt; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß Veräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG jede Form der Unternehmensübertragung und damit auch die Übertragung auf einen neu geschaffenen Rechtsträger sei. Daß sie rückgängig gemacht werden könne, schließe die Anwendung des § 12a Abs 1 MRG nicht aus, weil auch befristete Pachtverträge zur Mietzinsanhebung berechtigten. Auch Verträge mit Rückkaufsrecht würden erfaßt. Die Unterscheidung zwischen Übertragungen durch Hoheitsakt und solchen durch rechtsgeschäftliches Handeln sei nicht sachgerecht. Sie stelle Vermieter schlechter, die Mietverträge mit der Hoheitsverwaltung abgeschlossen haben. Es liege daher eine Veräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG vor, die eine Einzelrechtsnachfolge sei. Eine Gesamtrechtsnachfolge scheide aus, weil der Bund nur die der Arbeitsmarktverwaltung zugeordneten Rechte und Verbindlichkeiten auf die Beklagte übertragen habe. Der Gesetzgeber könne nicht durch Gesetz Tatsachen umdeuten. Trotz § 62 Abs 5 AMSG liege daher eine Einzelrechts- nachfolge vor. Es hätten sich auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Einflußmöglichkeiten entscheidend geändert. Die Beklagte sei drittelparitätisch organisiert; Bund, Dienstgebervertreter und Dienstnehmervertreter übten den wirtschaftlichen Einfluß aus. Die Bindung an Weisungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales für bestimmte Aufgaben verliere damit an Bedeutung. Auch insoweit könne der Gesetzgeber Tatsachen nicht umdeuten. § 62 Abs 5 AMSG sei verfassungswidrig. Die darin für den Bund festgesetzte Ausnahme sei sachlich nicht gerechtfertigt; sie verlange von der Beklagten ein Sonderopfer. § 12a MRG wolle die bisher durch Mietzinsbeschränkungen belasteten Vermieter davon nach Möglichkeit befreien. § 62 Abs 5 AMSG sei ein Sondergesetz, das die Klägerin in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf gleiche Behandlung und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletze. Die Beklagte könne ihre Tätigkeit auch in anderen Räumlichkeiten ausüben. Die Berufung auf § 62 Abs 5 AMSG sei umso verwerflicher, als dadurch das von der Klägerin als Folge der nationalsozialistischen Arisierung geforderte Sonderopfer verlängert werde.
Gemäß § 12a Abs 1 MRG idF des 3. WÄG tritt der Erwerber des Unternehmensanstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein, wenn der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen veräußert. Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG, so darf der Vermieter bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen (§ 12a Abs 2 MRG). Ist eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit und ändern sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten entscheidend, wie etwa durch Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, so ist Abs 2 anzuwenden, auch wenn die entscheidende Änderung nicht auf einmal geschieht. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsgeschäft zur Umgehung des dem Vermieter zustehenden Rechtes auf Anhebung des Hauptmietzinses geschlossen wurde, so obliegt es dem Hauptmieter, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen (§ 12a Abs 3 Satz 1 und 3 MRG). § 12a Abs 3 MRG ist bei einem am bestehenden Hauptmietvertrag über eine Geschäftsräumlichkeit mit der Maßgabe anzuwenden, daß solche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem eingetreten sind (§ 46a Abs 1 MRG).
Tragender Gedanke des Rechtes des Vermieters auf Mietzinserhöhung ist der Übergang von der kriegs- und nachkriegsbedingten Wohnungs- und Geschäftsraumbewirtschaftung zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung des Mietwesens. In bestehende Vertragsverhältnisse wird jedoch nur eingegriffen, wenn die Person des bisherigen Mieters mit demjenigen, der das Unternehmen in den gemieteten Räumen nunmehr auf seine Rechnung betreibt, nicht mehr identisch ist, so daß der ursprüngliche Mieter kein existentielles, schützenswertes eigenes Unternehmerinteresse an der Beibehaltung des niedrigen Mietzinses haben kann. In all diesen Fällen würde der günstige Mietzins nur noch zu Lasten des Vermieters verwertet werden, weshalb in diesen Fällen die Anhebung auf einen angemessenen Zins gerechtfertigt ist (Reich-Rohrwig, Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmiete, ecolex spezial, 20 f mwN, 68). Die Anhebung des Mietzinses setzt demnach die Gefahr voraus, daß das Mietrecht zu Lasten des Vermieters wirtschaftlich verwertet und damit ausgenützt wird (JBl 1994, 556 = ecolex 1994, 387; s Nowotny, Geschäftsraummiete und Gesamtrechtsnachfolge, RdW 1994, 166).
Durch § 12a MRG idF des 3. WÄG sollten gesellschaftsrechtliche Gestaltungen, die eine Unternehmens- veräußerung im engeren Sinn ersetzten und damit eine Mietzinserhöhung durch den Vermieter ausschlossen, der Veräußerung eines Unternehmens gleichgestellt werden (Tades/Stabentheiner, Das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz, ÖJZ Sonderheft 1994, 1 [13]). Darunter fallen etwa die Anteilsveräußerung an Gesellschaften und andere gesellschaftsrechtliche Gestaltungsformen des Gesellschafterwechsels, sowie auch bestimmte Fälle der Verschmelzung, Umwandlung und Spaltung (Reich-Rohrwig aaO 19 f mwN).
§ 12a Abs 1 MRG erfaßt die Veräußerung des Unternehmens, das in den gemieteten Räumlichkeiten betrieben wird. Der Begriff der "Veräußerung" ist durch die Novellierung nur klargestellt, nicht aber geändert worden (ecolex 1995, 256 mwN; Würth/Zingher, Wohnrecht'94, Anm 1 zu § 12a MRG). Eine Unternehmensveräußerung liegt vor, wenn die (Einzel- oder Gesamt-)Rechtsnachfolge des Erwerbers auf einem auf endgültige Eigentumsübertragung gerichteten Rechtsgeschäft beruht (Ostheim, Unternehmensveräußerung und Mietzinserhöhung im 3. WÄG, WoBl 1993, 200 [204] mwN; zur Einbringung eines Unternehmens als Sacheinlage in eine Gesellschaft als Veräußerung 5 Ob 2041/96z; 5 Ob 12/96; gegenteilig ecolex 1995, 256; Schauer, Geschäftsraummiete und Unternehmensübertragung, GesRZ 1994, 12[30]).
Das Mietrechtsgesetz definiert den Unternehmensbegriff nicht. Nach § 1 Abs 2 KSchG ist ein Unternehmen "jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein". Unter einem kaufmännischen Unternehmen wird die Organisation einer Vielzahl wirtschaftsbewegender Güter, die zu einem organischen Ganzen vereinigt werden, verstanden (s Hämmerle/Wünsch4 I 144); Kapital und Arbeit werden zu einer "organisierten Erwerbsgelegenheit" zusammengefaßt (JBl 1958, 72; EvBl 1967/84). Für die Unternehmereigenschaft von Einrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften hat der Verwaltungsgerichtshof einen Betrieb gewerblicher Art vorausgesetzt (Straube in Straube, HGB**2 vor § 1 Rz 26 f mwN).
§ 12a Abs 3 MRG stellt die entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten in einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft des Handelsrechts der Veräußerung des Unternehmens gleich. Eine Änderung allein in den rechtlichen oder allein in den wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten genügt nicht. Maßgebend ist, ob es in der Gesellschaft oder juristischen Person zu einem "Machtwechsel" kommt (ecolex 1995, 256). Die Möglichkeit zur Einflußnahme muß gesellschaftsrechtlich begründet sein (Schauer, Zum gegenwärtigen Diskussionsstand über die entscheidende Änderung der "rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten" [§ 12a Abs 3 MRG], RdW 1994, 168 [169]). Mit den mit Gesamtrechtsnachfolge verbundenen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, wie Verschmelzung und Spaltung, werden die rechtlichen Einflußmöglichkeiten geändert; ob damit auch eine entscheidende Änderung der wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten im Sinne des § 12a Abs 3 MRG verbunden ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Die Gesamtrechtsnachfolge führt weder generell zu einer Mietzinsanhebung noch schließt sie diese generell aus (Reich-Rohrwig, Neuregelung der Geschäftsraum-Hauptmiete, 4. Teil, ecolex 1994, 169 [171 f]; s auch Schauer aaO GesRZ 1994, 32; Nowotny aaO RdW 1994, 166; JBl 1994, 556 = ecolex 1994, 387). Der Gesetzgeber stellt darauf ab, ob sich die wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten auf den Mieter (juristische Person oder Personengesellschaft) entscheidend geändert haben, so daß der bisherige unangemessen niedrige Mietzins wenigstens mehrheitlich zugunsten anderer Personen, Dritter, verwertet werden würde (Reich-Rohrwig aaO 56 mwN).
Die Beklagte wurde durch das Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG), BGBl 1994/313, geschaffen. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 AMSG obliegt die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes dem "Arbeitsmarktservice". Das Arbeitsmarktservice ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs 1 Satz 2 AMSG).
Bis zur Errichtung der Beklagten war die Arbeitsmarktverwaltung Teil der Hoheitsverwaltung. Mit der Beklagten sollte ein aus der staatlichen Verwaltung ausgegliedertes öffentliches Dienstleistungsunternehmen errichtet werden, das die von der Bundesregierung formulierten arbeitsmarktpolitischen Ziele und Vorgaben umsetzt (1468 BlgNR 18. GP 29 f). Ihre Organe sind unter Mitwirkung der Sozialpartner paritätisch besetzte Gremien (Verwaltungsrat, Landesdirektorium und Regionalbeirat) und geschäftsführende Organe (Vorstand, Landesgeschäftsführer und Leiter der regionalen Geschäftsstelle; §§ 3 ff AMSG). Soweit das Arbeitsmarktservice behördliche Aufgaben zu erfüllen hat, unterliegt es dem Weisungsrecht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (§ 58 Abs 1 AMSG); soweit es nichthoheitliche Aufgaben erfüllt, untersteht es der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (§ 59 Abs 1 AMSG). Das Arbeitsmarktservice bestreitet die Personal- und Sachausgaben für die Vollziehung übertragener Bundesgesetze in eigenem Namen und auf eigene Rechnung; diese Ausgaben werden ihm, ausgenommen jene nach § 51 AMSG, vom Bund ersetzt (§ 41 Abs 1 und 2 AMSG). § 51 AMSG regelt die Verwendung der Arbeitsmarktrücklage; die Arbeitsmarktrücklage bindet das durch Überweisungen des Bundes gemäß § 1 Abs 2 Z 9 in Verbindung mit § 6 Abs 4 des Arbeitsmarktpolitikfinanzierungsgesetzes entstehende Vermögen (§ 50 AMSG). Im übertragenen Wirkungsbereich erbringt das Arbeitsmarktservice finanzielle Leistungen im Namen und auf Rechnung des Bundes (§ 42 Abs 1 AMSG). Die Dienstleistungen des Arbeitsmarktservice sind grundsätzlich kostenlos; für besondere Dienstleistungen kann der Verwaltungsrat ein angemessenes Entgelt festsetzen, das dem Arbeitsmarktservice zufließt (§ 32 Abs 4 AMSG). Nach § 62 Abs 5 AMSG stellt der Übergang der Bestandverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge keine Veräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG und keine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten im Sinne des § 12a Abs 3 MRG dar.
Die Klägerin macht geltend, daß die zuletzt zitierte Bestimmung verfassungswidrig sei. Dazu ist zu erwägen:
Bis zur Errichtung der Beklagten wurden die gemieteten Räume für die Arbeitsmarktverwaltung und damit für Zwecke der Hoheitsverwaltung verwendet; seit der Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung nutzt die Beklagte, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, diese Räume; sie nimmt sowohl hoheitliche als auch nichthoheitliche Aufgaben wahr. Die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung war ein Akt der Gesetzgebung; die Rechtsnachfolge der Beklagten nach dem Bund gründet sich demnach nicht auf ein Rechtsgeschäft. Eine Unternehmensveräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG liegt daher unabhängig davon nicht vor, ob mit der Arbeitsmarktverwaltung ein Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung auf die Beklagte übergegangen ist. Sie läge auch dann nicht vor, wenn § 62 Abs 5 AMSG nicht festhielte, daß die Ausgliederung keine Veräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG ist.
Das gleiche gilt für die entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten in einer juristischen Person im Sinne des § 12a Abs 3 MRG, deren Vorliegen § 62 Abs 5 AMSG ebenfalls verneint. § 12a Abs 3 MRG enthält keine Einschränkung auf bestimmte juristische Personen; ob alle Arten von juristischen Personen dieser Bestimmung unterworfen sind (Schauer aaO GesRZ 1994, 12 [24]) oder nur solche, die ein "Unternehmen" im weitesten Sinn betreiben (s den Seminarbericht von Garai, Tulbingerkogel 1996, RZ 1996, 162 [164]), ist strittig. Die Beklagte ist ein "Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit" (§ 1 Abs 1 AMSG); sie wird daher auch dann als juristische Person im Sinne des § 12a Abs 3 MRG aufzufassen sein, wenn darunter nur juristische Personen verstanden werden, die ein "Unternehmen" im weitesten Sinn betreiben.
Mit der Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung und ihrer Übertragung auf die Beklagte als eine Körperschaft öffentlichen Rechts haben sich jedoch die rechtlichen und die wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten nicht entscheidend geändert: Die rechtlichen Einflußmöglichkeiten sind, soweit die Beklagte behördliche Aufgaben wahrnimmt, unverändert geblieben, weil auch die Beklagte insoweit dem Weisungsrecht des Bundesministers für Arbeit und Soziales untersteht. Soweit die Beklagte nichthoheitliche Aufgaben erfüllt, untersteht sie der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit und Soziales. Im übertragenen Wirkungsbereich wird die Beklagte im Namen und auf Rechnung des Bundes tätig; im eigenen Wirkungsbereich bestreitet sie zwar die Personal- und Sachausgaben in eigenem Namen und auf eigene Rechnung; sie erhält ihre Ausgaben aber vom Bund ersetzt, soweit sie nicht aus der - vom Bund zu bildenden - Arbeitsmarktrücklage zu bestreiten sind.
Die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung durch Errichtung eines Dienstleistungsunternehmens des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit war daher nicht mit einer entscheidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten verbunden. § 12a Abs 3 MRG wäre auch dann nicht anzuwenden, wenn das Arbeitsmarktservicegesetz keine entsprechende Bestimmung enthielte. § 62 Abs 5 AMSG stellt nur klar, daß die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung keinen Tatbestand verwirklicht, der nach dem Mietrechtsgesetz zur Mietzinsanhebung berechtigt. Diese Bestimmung verletzt die Klägerin weder in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf gleiche Behandlung noch in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums.
Daß die Klägerin weiterhin einen unangemessen niedrigenMietzins erhält, folgt nicht aus § 62 Abs 5 AMSG, sondern aus den Mietzinsbeschränkungen des Mietrechts. Auch gegenüber anderen Mietern, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, kann der Mietzins nicht angehoben werden, wenn der niedrige Mietzins nach wie vor dem ursprünglichen Mieter zugute kommt und nicht zugunsten Dritter verwertet oder ausgenützt wird. Unter welchen Umständen das Mietverhältnis begründet wurde, kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden.
Die Revision mußte erfolglos bleiben.