TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 24.07.1997, 6Ob2230/96a

OGH vom 24.07.1997, 6Ob2230/96a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Berger und DDr.Josef W.Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Rudolf N*****, vertreten durch Dr.Wolfgang R.Gassner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 1 R 129/96p-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 7 Cg 316/94w-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, in bezug auf die klagende Partei die Aussage "das Heizkraftwerk ***** sei ein Schwarzbau" oder Behauptungen ähnlichen Sinnes unterlassen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, in bezug auf die klagende Partei die Äußerung "die S***** opferten die Gesundheit der Anrainer zugunsten eines billigen, schmutzigen Brennstoffes, das heißt zugunsten eines Gewinnes für die Stadtwerke" oder Behauptungen ähnlichen Sinnes zu unterlassen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 3.120,-- S bestimmten Gerichtsgebühren des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 5.300,-- S bestimmten Gerichtsgebühren des Berufungsverfahrens und die mit 6.625,-- S bestimmten Gerichtsgebühren des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die übrigen Kosten werden gegeneinander aufgehoben."

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin besorgt im Rahmen ihres Betriebes "S*****" die Wärmeversorgung und errichtete zum Zweck des Ausbaus des Fernwärmenetzes das Heizkraftwerk *****. Dieses Projekt war in der Öffentlichkeit wegen befürchteter Emissionen umstritten. Die Klägerin führte Informationsveranstaltungen durch. Anrainer äußerten sich. Beim Betrieb des Heizkraftwerkes kommt die Verbrennung des Brennstoffes Heizöl schwer in Frage. Eine Alternative wäre der von den Anrainern angestrebte Betrieb mit Erdgas. Für die schon bestehende Betriebsanlage bestand eine bescheidmäßige Genehmigung des Bürgermeisters von Salzburg aus dem Jahr 1974. Mit Bescheid vom erteilte der Landeshauptmann von Salzburg auf Ansuchen der Klägerin die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der Betriebsanlagengenehmigung. Der Bescheid genehmigt ua die Verbrennung des Brennstoffs Heizöl schwer und erklärt die für die Errichtung und den Betrieb des Dampferzeugers notwendige Rauchgasanlage als dem Stand der Technik entsprechend. Die Genehmigung umfaßt auch die Errichtung eines Lagerbehälters und eines Schornsteins. Der Bescheid ist noch nicht rechtskräftig. Der Beklagte, eine Anrainergemeinde sowie Anrainer haben Berufung erhoben. Aufgrund des noch nicht rechtskräftigen Bescheides des Landeshauptmanns hat die Klägerin, gestützt auf § 78 Abs 1 Z 2 GewO, das Heizkraftwerk errichtet und in Betrieb genommen. Der Beklagte hat sich im Rahmen einer Bürgerbewegung gegen die Errichtung und den Betrieb des Heizkraftwerkes gewandt. Eine im Zuge eines Wahlkampfs an Haushalte der Gemeinde B***** verschickte achtseitige Werbeschrift einer politischen Partei enthielt einen Leserbrief des Beklagten mit folgendem unter "Leserbrief" übertitelten Text:

"'Heizkraftwerk ***** - Dauerbrenner für die Stadtwerke?'

Als Schwarzbau ohne rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung präsentiert sich bereits jetzt in den ersten Wochen des 'Probebetriebes' das umkämpfte Heizkraftwerk ***** als das, was von den besorgten Anrainern in B***** und I***** bereits von vornherein befürchtet wurde; Grauweiße bis tiefschwarze Rauchwolken mit Schwefelgestank, nachts sichtbare schwefelgelbe Rauchfahnen und bis zu den Abendstunden durchdringend pfeifende Geräusche mit explosionsartigen Dampfwolken übersteigen die Befürchtungen bereits um ein Vielfaches.

Mehr als 600 Mio. Schilling investierten die finanziell angeschlagenen S***** in eine Technologie der Schwerölverbrennung, sohin einer der umweltbelastendsten und schmutzigsten Brennstoffe und mußten zumindest zur teilweisen Reinigung an die 400 Mio. Schilling allein dafür ausgeben, um eine der 'modernsten Rauchgasentschwefelungsanlagen' zu installieren, die bei Einsatz des von den Anrainern geforderten schwefelfreien Erdgases eingespart hätten werden können. Trotz dieser "Umweltinvestition" werden keinesfalls alle Luftschädigungen und Umweltbelastungen vermieden, sondern es bleiben im Dauerbetrieb noch immer erhebliche Mengen an Rauch, Staub, Ruß, Schwefeldioxid u.a., die auf B***** und I***** niedergehen. Die Deponien werden mit Abfallkalk und Asche völlig überflüssigerweise belastet. Die sinnlos herbeigeführten Kosten? Zahlt selbstverständlich der Staatsbürger mit steigenden Strompreisen und Gebühren für Obus und dergleichen.

Die Forderungen der Anrainer sind und waren maßvoll: Umstellung des Brennstoffes auf das schwefelfreie Erdgas, das auch im Haushalt ohne schädigende Umweltbelastungen verwendet wird; und es wäre für die Öffentlichkeit billiger, d.h. wirtschaftlicher gesehen, die überflüssigen 400 Mio. Schilling einzusparen.

Für die Stadtwerke wird sich sicherlich ein ungewollter 'Dauerbrenner' aus der Fehlinvestition entwickeln, da die Anrainer nicht nur zweifelsfrei in ihrer Atemluft, Umweltverhältnissen und Gesundheit bedroht sind, sondern auch die Vorgangsweise, die Gesundheit der Anrainer zugunsten eines billigen, schmutzigen Brennstoffes, d.h. zugunsten eines Gewinnes für die S***** zu opfern, geradezu naiv anmutet. Die Skala der nächsten Anrainermaßnahmen sind - sofern notwendig - Beschwerden wegen Verletzung des in der Verfassung festgeschriebenen umfassenden Umweltschutzes beim Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof, Beschwerde an die Volksanwaltschaft und Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft und allenfalls Rechtsschutzinstanzen für Menschenrechte in Straßburg, faktisch laufende Kontrollen insbesondere bezüglich der Hackschnitzel und deren Herkunftsländern, da bereits jetzt aus den Bereichen der Gemeinden S***** keine ausreichende Aufbringung angenommen wird.

Zweifelsfrei kommt den verantwortlichen Politikern in der Gemeinde B***** eine sehr verantwortungsvolle und entscheidende Rolle zu, die von der energischen Verhinderung von zusätzlichen Belastungen der Atemluft bis zur Aufklärung über sinnlose Kosten für die Stromkalkulation reicht, da hier auch B***** Bürger belastet werden. Das 'Heizkraftwerk *****' ist keinesfalls für die S***** 'gelaufen' da die geforderte Umstellung auf Erdgas noch immer möglich und der Umweltschutz bereits verfassungsrechtlich vorrangig ist.

Bürger- und Umweltschutzgemeinschaft

S*****

Dr.R. N*****".

Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin, gestützt auf § 1330 ABGB, den Beklagten zur Unterlassung der Behauptungen zu verhalten, "das Heizkraftwerk ***** sei ein 'Schwarzbau' sowie 'die S***** opferten die Gesundheit der Anrainer zugunsten eines billigen, schmutzigen Brennstoffes, d.h. zugunsten eines Gewinnes für die Stadtwerke" sowie zur Unterlassung von Behauptungen ähnlichen Sinnes. Die ehrenbeleidigenden und rufschädigenden Behauptungen seien unwahr. Von einem "Schwarzbau" könne nicht gesprochen werden, weil sämtliche behördlichen Genehmigungen erteilt worden seien. Es sei lediglich die gewerbebehördliche Genehmigung noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Eine Gesundheitsgefährdung der Menschen durch das Heizkraftwerk sei ausgeschlossen. Die Errichtung und der Betrieb des Heizkraftwerkes seien gemäß § 78 Abs 1 Z 2 GewO zulässig. Selbst bei einem Vollbetrieb sei eine Immissionsverringerung im Vergleich zur derzeit bestehenden Anlage gegeben. Unzumutbare Belästigungen, Gesundheitsgefährdungen oder gar Gesundheitsschädigungen seien auszuschließen. Die Auflagen seien vom zuständigen Landeshauptmann als Gewerbebehörde erteilt worden. Sie seien eingehalten worden. Die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit eines Verwaltungsbescheides sei von den Gerichten nicht zu überprüfen. Ein allfälliger Instanzenzug führe zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, allenfalls zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Beklagte könne sich nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, weil die Tatsachenbehauptungen unwahr seien. Der Vorwurf gehe dahin, daß die Klägerin aus Gewinnsucht eine Gesundheitsgefährdung bewußt in Kauf nehme.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Es existiere keine rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung für das Heizkraftwerk, sodaß schon nach allgemeinem Sprachgebrauch ein "Schwarzbau" vorliege. Der Bescheid des Landeshauptmanns, auf den sich die Klägerin stütze, sei rechtswidrig und verletze die Rechte der Anrainer. Trotz des laufenden Rechtsmittelverfahrens sei das Heizkraftwerk im Herbst 1994 in Betrieb gegangen. Bereits in den ersten Wochen sei es zu Geruchs-, Rauch- und Staubbelästigungen gekommen. Darauf habe der Beklagte mit seinem Leserbrief reagiert. Der Klägerin mangle es an der Aktivlegitimation, weil nicht sie als "Schwarzbauerin" bezeichnet worden sei. Gesundheitsgefährdungen und Gesundheitsschädigungen seien der Kernpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den Anrainern und der Klägerin im gewerbebehördlichen Verfahren geworden. Es handle sich um für die Anrainer existentielle Fragen. Die Klageführung widerspreche verfassungsrechtlichen Garantien der MRK, weil es im Falle einer Klagestattgebung zur Beeinträchtigung von Äußerungsrechten und anderen Verfassungsrechten kommen würde. Die Klägerin habe sich zur Verwendung von Schweröl als Hauptbrennstoff entschlossen. Dieses Öl sei zwar billig, zähle aber zu den umweltbelastendsten und schmutzigsten technischen Möglichkeiten. Die Einwendungen der Anrainer seien ignoriert worden. Die Gerichte seien verpflichtet, die Verfassungskonformität des Bescheides des Landeshauptmanns als wesentliche Vorfrage im Zivilverfahren zu überprüfen. Der Bescheid sei rechtswidrig und widerspreche europarechtlichen Normen. Im Verwaltungsverfahren seien die Rechte auf ein faires Verfahren, auf freie Meinungsäußerung, auf Privat- und Familienleben sowie auf Verteidigung gegen Umweltverschmutzung verletzt worden. Es sei eine Überprüfung des Bescheides des Landeshauptmanns auf seine Nichtigkeit hin erforderlich. Der Beklagte beantragte die Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 177 EG-V, da die korrekte Anwendung des europäischen Rechts nicht gewährleistet sei, dies insbesondere im Hinblick auf eine mangelnde Umweltverträglichkeitsprüfung, das Fehlen einer internationalen Ausschreibung sowie die EU-Widrigkeit des § 78 Abs 1 Z 2 GewO.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf neben dem schon wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus noch die Negativfeststellungen, es könne nicht festgestellt werden, daß durch den Betrieb der Anlage eine Gesundheitsgefährdung eingetreten sei oder daß die Klägerin die im Bescheid erteilten Auflagen nicht eingehalten habe. Weiters könne nicht festgestellt werden, daß das Heizkraftwerk ohne behördliche Bewilligung errichtet bzw die Inbetriebnahme entgegen behördlicher Anweisungen erfolgt sei oder daß die Klägerin aus Profitdenken bewußt die Gesundheit der Bevölkerung und auch die Umwelt gefährde.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Äußerungen des Beklagten ehrenbeleidigend und kreditschädigend seien. Dem Beklagten sei weder bezüglich der Behauptung des "Schwarzbaus" noch hinsichtlich der Behauptung, die Klägerin opfere die Gesundheit der Anrainer, der Beweis der Wahrheit gelungen. Da dem Heizkraftwerk ein Bescheid des Landeshauptmanns zugrundeliege, sei es dem Beklagten auch gar nicht möglich, die Wahrheit seiner Aussage zu beweisen. § 78 Abs 1 Z 2 GewO gestatte die Inbetriebnahme des Kraftwerks vor der Rechtskraft der gewerbebehördlichen Genehmigung. Dem Wort "Schwarzbau" sei jedoch das Fehlen jeglicher Genehmigung zu entnehmen. An den Bescheid des Landeshauptmanns sei das Gericht gebunden. Es liege kein Anhaltspunkt für die absolute Nichtigkeit des Bescheids vor. Bei unwahren Behauptungen biete Art 10 EMRK keinen Schutz. Der Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 177 EG-V sei unzulässig. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes sei hier betreffend die Anwendung der Normen der EMRK ohne Zweifel offenkundig. § 1330 ABGB falle nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Die vom Erstgericht abgelehnte Herabsetzung des Streitwerts von 500.000 S auf 50.000 S sei unanfechtbar. Wenn der Gerichtshof trotz einer Anregung einer Partei sich nicht veranlaßt sehe, von der Bestimmung des § 60 JN Gebrauch zu machen, sei die Bewertung des Klägers in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes für das Gericht und die Parteien bindend. Ein Rekurs sei unzulässig. Ein Streitwert von 500.000 S verhindere auch kein faires Verfahren im Sinne des Art 6 EMRK. Das Berufungsgericht verneinte ferner die gerügten Verfahrensmängel und die gerügte Aktenwidrigkeit, hielt die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich und führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus:

Die Ehre und der wirtschaftliche Ruf einer Person seien absolute Rechte. Bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr bestehe ein Unterlassungsanspruch. Dieser stehe nicht nur physischen Personen, sondern auch als juristische Personen organisierten Unternehmen zu. Auch ein "Kommunalbetrieb" sei beleidigungsfähig. Wenn eine Rufschädigung gleichzeitig eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB darstelle, habe der Verletzte nur die Verbreitung der Tatsachen zu beweisen, die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen müsse der Täter unter Beweis stellen. Maßstab sei die Sicht eines redlichen Mitteilungsempfängers. Zweifel über die Bedeutung eines öffentlichen Angriffs auf den Ruf eines Unternehmens gingen zu Lasten des Erklärenden. Durch die Bezeichnung "Schwarzbau" werde zum Ausdruck gebracht, daß sich die Klägerin bewußt über gesetzliche Vorschriften hinwegsetze und ihre Projekte ohne Rücksicht auf gesetzte Schranken "durchziehe". Mit der zweiten Aussage werde zum Ausdruck gebracht, daß die Klägerin im Bewußtsein der Schädigung der Bevölkerung Gewinne machen wolle. Da der Leserbrief des Beklagten keine sachlichen Ausführungen über den Stand des Verwaltungsverfahrens enthalten habe, könne nicht zugunsten des Beklagten angenommen werden, daß er mit seiner Äußerung lediglich auf die noch nicht rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung und eine drohende Gesundheitsgefährdung für die Anrainer hingewiesen hätte. Den Wahrheitsbeweis hätte der Beklagte erbringen müssen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch könne das Fehlen der Rechtskraft einer Genehmigung mit einem "Schwarzbau" nicht gleichgesetzt werden. Die Fertigstellung und die Inbetriebnahme des Heizkraftwerkes hätte in § 378 Abs 1 Z 2 GewO eine gesetzliche Grundlage gehabt. Die Bezeichnung "Schwarzbau" sei daher unzutreffend. Darunter werde in der Bevölkerung verstanden, daß überhaupt keine Bewilligung vorliege, der Bau also entgegen gesetzlichen Vorschriften erfolgt sei. Auch die Wahrheit der Behauptung, die Klägerin betreibe die Anlage unter "Opferung der Gesundheit der Anrainer", sei nicht bewiesen worden. Dafür reiche es nicht aus, wenn als allgemein bekannt vorausgesetzt werde, Heizöl schwer verursache die stärksten Emissionen und Erdgas die geringsten. Das Verhalten des Beklagten sei auch als rechtswidrig zu beurteilen. Im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung komme dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ein hoher Stellenwert zu. Es sei auch die Meinung von Außenseitern zu respektieren. Bei bewertenden Äußerungen dürfe die Grenze zulässiger Kritik allerdings nicht überschritten werden. Eine sich an konkreten Fakten orientierende, massiv in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik sei zulässig. Darauf könnte sich der Beklagte aber nur berufen, wenn er nicht unwahre Tatsachenbehauptungen verbreitet hätte. Solche Behauptungen überschritten das Maß der erlaubten Kritik. Der Beklagte könne sich auch nicht auf die Judikatur zu Fragen der politischen Auseinandersetzung berufen. Auch dort sei eine Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen unzulässig. Durch die Zugrundelegung des Bescheides des Landeshauptmanns sei Art 6 EMRK nicht verletzt worden. Das Erstgericht habe nur zu prüfen gehabt, wie die Behauptung des "Schwarzbaus" ohne rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung von einem unbefangenen Leser verstanden werde. In eine inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit des erlassenen Bescheides habe das Erstgericht nicht eintreten müssen. Eine absolute Nichtigkeit des Bescheides könne nicht angenommen werden. Die Frage der Nichtigkeit werde im Laufe des weiteren Verwaltungsverfahrens geprüft werden. Gegen eine vorläufige beschränkte Rechtsausübung aufgrund des § 78 Abs 1 Z 2 GewO bestünden keine verfassungsmäßigen Bedenken. Zu der angeregten Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes habe kein Anlaß bestanden. Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu Ehrenbeleidigungsfragen lägen nicht vor. Fragen der Auslegung nationalen Rechts seien im Vorabentscheidungsverfahren nicht zu beantworten.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben. Hilfsweise wird die Abänderung dahin beantragt, daß die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ferner ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.

In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise auch berechtigt.

Zunächst ist hinsichtlich beider bekämpften Äußerungen auf folgende, in ständiger oberstgerichtlicher Judikatur vertretenen, auch hier anzuwendenden Grundsätze zu verweisen:

In die Ehre eines anderen eingreifende Äußerungen sind nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie fielen und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck zu beurteilen. Der Täter muß seine Äußerung in der ihm ungünstigsten Auslegung gegen sich gelten lassen. Die Unrichtigkeit von Tatsachenbehauptungen hat der Kläger zu beweisen, wenn die Behauptungen auch ehrenbeleidigend sind (§ 1330 Abs 1 ABGB), trifft den Beklagten die Beweislast über die Richtigkeit (Wahrheit) der Äußerung. Bei beleidigenden Werturteilen müssen die Tatsachen (der Tatsachenkern), auf dem sie beruhen, wahr sein, was der Beklagte zu beweisen hat. Auf der Basis falscher Tatsachen kann ein beleidigendes Werturteil nie mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden. Auch juristische Personen genießen den Schutz des § 1330 ABGB (MR 1993, 57 uva).

Hier hat sich der Beklagte auf der Basis konkreter Tatsachenbehauptungen wertend geäußert. Zum ersten bekämpften Vorwurf des "Schwarzbaus" ist folgendes auszuführen:

Mit den ersten Worten des Einleitungssatzes des Leserbriefs des Beklagten wird das Heizkraftwerk als "Schwarzbau ohne rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung" bezeichnet. Nähere Tatsachenbehauptungen, die der Auslegung des Begriffs "Schwarzbau" dienlich sein könnten, wurden nicht aufgestellt. Maßgeblich ist die Auffassung des verständigen "Durchschnittslesers" (vgl § 1297 ABGB) des Leserbriefs. Nach diesem Verständnis enthält der Begriff "Schwarzbau" einen negativen Bedeutungsinhalt (vgl etwa den Fall der Errichtung eines Hauses ohne Baubewilligung im Grünland uä). Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß der Behauptung auch die Bedeutung innewohnt, daß vor der Errichtung des Kraftwerks und vor dem Probebetrieb eine rechtskräftige behördliche Genehmigung oder doch zumindest eine vorläufige behördliche Genehmigung vorliegen müsse, was aber nach dem Erklärungswert der Aussage des Beklagten nicht der Fall sei. Die Äußerung inkludiert nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont den Vorwurf einer rechtswidrigen Vorgangsweise der Klägerin, und zwar einer Rechtswidrigkeit primär aufgrund des österreichischen Rechts, also aufgrund der für Betriebsanlagegenehmigungen geltenden Verwaltungsvorschriften. Dies ist das Ergebnis des in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatzes, daß Zweifel über die Bedeutung einer Äußerung zu Lasten des Erklärenden gehen (SZ 61/193; 6 Ob 20/95 uva). Die Unterstellung der Verletzung österreichischer Rechtsvorschriften ist ehrenbeleidigend (§ 1330 Abs 1 ABGB). Der Beklagte hätte daher diese Verletzung durch die Klägerin zu beweisen gehabt. Bewiesen wurde jedoch, daß die Errichtung und der Betrieb des Heizkraftwerkes auf der Basis des, wenn auch noch nicht rechtskräftigen Bescheides des zuständigen Landeshauptmanns gemäß § 78 Abs 1 Z 2 GewO rechtmäßig erfolgte. Nach dieser Gesetzesstelle dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn die Anlage vom Landeshauptmann genehmigt wurde und die Auflagen des Genehmigungsbescheides bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Zur Frage der Einhaltung der bescheidmäßigen Auflagen hat das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen. Auch dies geht zu Lasten des beweispflichtigen Beklagten (zur Beweislast bei Ehrenbeleidigungen nach § 1330 Abs 1 ABGB: MR 1993, 55 uva). Er hat den ihm obliegenden Wahrheitsbeweis, daß die Klägerin österreichische Rechtsvorschriften verletzt habe, nicht erbracht. Dieser Umstand ist entscheidungswesentlich. Entgegen den Revisionsausführungen kommt es auf die schon zur Zulässigkeit der Revision relevierten Rechtsfragen der Prüfungsbefugnis der Gerichte hinsichtlich von Bescheiden der Verwaltungsbehörden, der Rechtswidrigkeit und Vernichtbarkeit des Bescheides des Landeshauptmanns, der Anwendung des europäischen Gemeinschaftsrechtes und der Notwendigkeit der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH (vgl den vom Beklagten in ON 16 vorgeschlagenen Fragekatalog zur Rechtmäßigkeit des behördlichen Genehmigungsverfahrens) gemäß Art 177 EG-V nicht an, weil der bekämpften Äußerung über den "Schwarzbau" zumindest auch - wie ausgeführt - der Bedeutungsinhalt der Verletzung österreichischen Rechts durch die Klägerin innewohnt. Die relevierte Nichtigkeit liegt nicht vor. Es wäre für den Beklagten damit nichts gewonnen, wenn sich herausstellte, daß mit dem Bescheid des Landeshauptmanns unmittelbar anzuwendendes Gemeinschaftsrecht verletzt worden wäre oder daß die gesetzliche Grundlage (§ 78 GewO) dem Gemeinschaftsrecht oder aber der österreichischen Verfassung widerspräche. Ein solcher Sachverhalt und eine Kritik darüber könnte sich naturgemäß nur gegen den Bescheiderlasser und gegen den Gesetzgeber richten, nicht aber gegen die Klägerin. Daß diese unter Ausnützung der nationalen österreichischen Rechtslage und im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht das Kraftwerk errichtet und in Betrieb genommen hätte, wurde im Leserbrief des Beklagten nicht behauptet. Die weitwendigen Ausführungen, mit denen die Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit geltend gemacht werden, gehen am Prozeßthema vorbei. Die Ansicht, daß die Äußerung des Beklagten nur dahin verstanden werden könnte, daß der Klägerin die Errichtung und der Betrieb des Kraftwerks aufgrund eines nichtigen Verwaltungsaktes vorgeworfen und dies als "Schwarzbau" zutreffend qualifiziert worden wäre, ist mit den Auslegungsregeln nicht vereinbar. Die erst im Prozeß vom Beklagten breit dargelegte Rechtslage über die (angebliche) Nichtigkeit des Bescheides des Landeshauptmanns aus den verschiedensten Gründen (ua wegen unterbliebener Umweltverträglichkeitsprüfung) wurde im Leserbrief des Beklagten nicht dargestellt. Einzige konkrete Behauptung zum Verwaltungsverfahren war der Hinweis auf die fehlende Rechtskraft der gewerbebehördlichen Genehmigung und der bloß allgemeine Hinweis auf künftige "Anrainermaßnahmen", wie Beschwerden beim VfGH, VwGH und Volksanwaltschaft, Strafanzeigen und Anrufung der "Rechtsschutzinstanzen für Menschenrechte in Straßburg".

Beim Vorwurf des "Schwarzbaus" hat der Beklagte die Wahrheit des der Behauptung zugrundeliegenden Tatsachenkerns nicht nachgewiesen. Er kann sich daher auch nicht auf das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK) berufen, weil beleidigende falsche Tatsachenbehauptungen und Werturteile auf der Basis unrichtiger Tatsachenbehauptungen auch im Wege einer Interessenabwägung nicht gerechtfertigt werden können (MR 1993, 14; 6 Ob 2105/96v mwN uva). Die Vorinstanzen haben in diesem Punkt dem Unterlassungsbegehren frei von Rechtsirrtum stattgegeben. Daß an dieser Beurteilung auch die Rechtsausführungen des Beklagten zur Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) wegen der Verweigerung der beantragten Reduktion des Streitwerts nichts zu ändern vermögen, wird bei der Kostenentscheidung zu erläutern sein.

Hingegen ist die Revision hinsichtlich der bekämpften zweiten Behauptung, die Klägerin opfere die Gesundheit der Anrainer zugunsten eines billigen, schmutzigen Brennstoffs zugunsten eines Gewinns der Stadtwerke, berechtigt:

Auch diese Äußerung ist nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck zu beurteilen. Sie stellt eine wertende Zusammenfassung der im Leserbrief erhobenen Vorwürfe (insbesondere des Vorwurfs, die Verbrennung von Schwerölen sei am meisten umweltbelastend) dar. Der erkennende Senat hatte sich bereits mehrfach mit in die Ehre anderer eingreifenden Äußerungen zu Umweltfragen zu befassen. Der Entscheidung 6 Ob 38/95 lag der gegen einen Leiter eines Wasserwerks in einem Leserbrief erhobene Vorwurf zugrunde, er habe jahrelang zugesehen, wie ein anderer eine Quelle vergiftet habe. Nach dem dort maßgeblichen Gesamtzusammenhang war nicht von der rein grammatikalischen Auslegung des Wortes "Vergiftung" in dem Sinne auszugehen, daß der Genuß des Quellwassers tödliche, jedenfalls aber gesundheitsschädliche Wirkungen nach sich ziehe, sondern nur davon, daß der Leiter des Wasserwerkes (als für die Trinkwasserkontrolle zuständiges Organ der Behörde) ungeachtet ihm eingeräumter rechtlicher Möglichkeiten und ungeachtet ihm auferlegter rechtlicher Pflichten in Ansehung der Quelle tatenlos zugesehen habe, wie nach der Gesetzeslage zwar nicht notwendigerweise gesundheitsschädliche, aber doch dem nahekommende Schadstoffe in die Quelle von Dritten eingebracht worden seien. Der erkennende Senat erachtete die Kritik, daß in einem so lebenswichtigen Bereich wie der Versorgung einer Stadt mit dem Lebensmittel Trinkwasser der Kontrolle auf Einbringung von Schadstoffen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden sei, nach dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung für zulässig.

In den Entscheidungen 6 Ob 22/95 (Aufhebungsbeschluß) und 6 Ob 2300/96w (Entscheidung im zweiten Rechtsgang) war der im Rahmen einer sogenannten Podiumsdiskussion gegen einen Spanplattenerzeuger (der die Errichtung eines neuen Werks plante) erhobene Vorwurf zu beurteilen, der Unternehmer habe mit dem Betrieb seines schon bestehenden Werkes "seinen Aufstieg mit der Gesundheit der Anrainer erkauft". Unstrittig waren erhebliche Schadstoffemissionen in den Jahren seit 1959, nicht aber die Überschreitung von gesetzlichen Emissionswerten. Eine schon eingetretene oder auch nur drohende Gesundheitsschädigung von Anrainern war nicht festgestellt worden. Der erkennende Senat führte zur gebotenen Interessenabwägung folgendes aus:

"Die Rechtswidrigkeit kann nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden. Dabei müssen den Interessen am absolut geschützten Gut der Ehre die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden (SZ 64/36). Bei der Interessenabwägung kommt es auf die Art des eingeschränkten Rechts, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit am verfolgten Recht, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (SZ 61/210; Korn/Neumayr aaO 60). Auf diese Kriterien wird bei der Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung einerseits und zulässiger Kritik und Werturteil andererseits Bedacht zu nehmen sein. Dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 MRK; Art. 13 StGG) kommt in einer demokratischer Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu. Es ist jedermann eingeräumt. Es ist daher auch die Meinung von Außenseitern, Querdenkern oder sogar Dilettanten zu respektieren (EvBl 1993/173). Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (vgl. EGMR in MR 1986, 4, 11; MR 1989, 15). Jedenfalls wird bei der vorzunehmenden Interessenabwägung auch zu beachten sein, daß die Äußerung in einer sogenannten "Podiumsdiskussion" fiel, bei welcher schon a priori mit gegensätzlichen Standpunkten nicht nur von Experten, sondern auch der teilnehmenden Laien zu rechnen war. Sinn einer solchen Veranstaltung ist ua auch die Verbreiterung des Kenntnisstandes über das gegebene Thema durch Darstellung kontroversieller Standpunkte, also durch die Ausübung der Meinungsfreiheit in concreto."

Im zweiten Rechtsgang wurde der dem Beklagten obliegende Nachweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns seiner Behauptung als erbracht angesehen (es waren eine im Verlauf der Achtziger-Jahre eingetretene Steigerung der Produktion und mehrfache Störfälle mit wiederholten Geruchsbelästigungen sowie Reizungen von Augen, Ohren und Atemwegen, für die die Luftschadstoffemissionen aus der Betriebsanlage zeitweise (mit-)ursächlich gewesen seien, festgestellt worden. Der Senat kam zu folgendem Schluß:

"Die öffentliche Meinung wurde in den letzten Jahren gerade in Fragen des Gesundheitsbewußtseins und der Umwelt stark sensibilisiert. Der Gegensatz zwischen gewinnorientierter Wachstumspolitik (Ökonomie) und gesunder Umwelt (Ökologie) ist täglicher Bestandteil der Politik geworden. Dem Thema der Gesundheit kommt für den einzelnen und für die Allgemeinheit eine derart zentrale Bedeutung zu, daß Meinungsäußerungen dazu auch dann gerechtfertigt sein können, wenn sie besonders kritisch und massiv in die Ehre eines anderen eingreifen. Die Gewichtigkeit des Themas führt dazu, daß dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung (also dem Recht auf ein wertendes Urteil aufgrund konkreter Tatsachen) der höhere Stellenwert zukommt, solang nicht ein Wertungsexzeß feststellbar wäre. Ein solcher Exzeß liegt hier nicht vor."

Die in den angeführten Vorentscheidungen vertretenen Grundsätze sind wegen der Gleichartigkeit der Fälle auch in der hier zu entscheidenden Rechtssache voll anwendbar. Auch hier geht es - für den Leser nach dem Gesamttext des Leserbriefs des Beklagten völlig klar - um die vom Beklagten initiierte Diskussion über eine umweltschädliche Technologie. Daß die Schwerölverbrennung in hohem Grade umweltbelastend ist und daß umweltfreundlichere Technologien zur Verfügung stehen, wird von der Klägerin auch gar nicht in Zweifel gezogen. Welche Technologie ökonomischer ist, braucht hier nicht entschieden werden. Daß die Anrainer durch eine umweltbelastende Schwerölverbrennung "in ihrer Atemluft, Umweltverhältnissen und Gesundheit bedroht sind", ist als eine im Kern richtige Tatsachenbehauptung zu qualifizieren, genauso wie dies auf einen entsprechenden Vorwurf gegenüber der Autoindustrie oder den Betreibern von Müllverbrennungsanlagen u.ä. zutreffen würde. Wenn nun der Beklagte im unmittelbaren Anschluß an die Feststellung der Bedrohung der Gesundheit seine Kritik in demselben Satz dahin steigerte, daß die Klägerin "die Gesundheit der Anrainer zugunsten eines billigen, schmutzigen Brennstoffs, d.h. zugunsten eines Gewinns" opfere, liegt darin zwar eine besonders kritische und massiv in die Ehre der Klägerin eingreifende Meinungsäußerung, wegen der Gewichtigkeit des Themas für die Allgemeinheit aber noch kein Wertungsexzeß. In Umweltfragen muß in einer pluralistischen Gesellschaft zum Spannungsverhältnis Ökologie-Ökonomie eine härtere Ausdrucksweise für zulässig erachtet werden, ähnlich wie dies auf Auseinandersetzungen im politischen Meinungskampf unter Politikern zutrifft (vgl MR 1995, 177 und 1996, 26). Die Entscheidung der Vorinstanzen steht mit den dargelegten, in der ständigen jüngeren Spruchpraxis des zuständigen Fachsenates vertretenen Grundsätzen nicht im Einklang. Die Revision des Beklagten ist daher teilweise berechtigt.

Der Revisionswerber releviert schließlich noch eine Verletzung des aus Art 6 MRK abzuleitenden Grundrechtes auf einen fairen Prozeß und rügt die vom Erstgericht abgelehnte Streitwertreduzierung. Das Rekursgericht hat zutreffend die Anfechtbarkeit einer die Streitwertreduktion nach § 60 JN ablehnenden erstinstanzlichen Entscheidung verneint (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 60 JN mwN). Gleiches gilt für eine Entscheidung nach § 7 RATG. Ob demnach die Frage des Streitwerts unter Bedachtnahme auf das Grundrecht nach Art 6 MRK an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann, also trotz des Rechtsmittelausschlusses und trotz der Unanfechtbarkeit von Kostenentscheidungen (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO), braucht hier aber nicht abschließend untersucht werden. Die teilweise Stattgebung der Revision des Beklagten führt zu einer Kostenaufhebung hinsichtlich der Vertretungskosten. Die Parteien sind mangels Bewertung der einzelnen zu verbietenden Äußerungen als in gleichem Maße obsiegend anzusehen. Den relevierten Rechtsfragen kommt daher nur mehr theoretische Bedeutung zu. Die abgelehnte Streitwertherabsetzung nach § 60 JN führt zwar bindend zur Maßgeblichkeit der angefochtenen Bewertung der Klägerin für die Gerichtsgebühren (§ 14 GGG). Daß jedoch schon allein durch eine infolge zu hoher Bewertung des Streitgegenstandes eintretende Erhöhung der Gerichtsgebühren der Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt werde, wird vom Revisionswerber nicht vorgetragen. Bei einer meritorischen Behandlung dieser Frage müßte die Verletzung des Grundrechtes aber auch verneint werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Infolge gleichteiligen Prozeßerfolges besteht jeweils Anspruch auf Kostenersatz der Gerichtsgebühren nach dem Ausmaß des Obsiegens, das sind 50 %.