OGH vom 12.09.2002, 5Ob147/02g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Dr. Eckart L*****, 2.) Elfriede L*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Gertrude K*****, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter, Dr. Friedrich Trappel, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zustimmung zu einer baulichen Änderung, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 46/02x-8, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 9 Msch 58/01v-3, bestätigt wurde, folgenden
S a c h b e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Parteien dieses Verfahrens sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus *****, und zwar der Erstantragsteller mit 3351753/12305685 Anteilen, die Zweitantragstellerin mit 2234502/12305685 Anteilen und die Antragsgegnerin mit 83/2876 Anteilen. Mit den Anteilen der Antragsgegnerin ist Wohnungseigentum am Objekt 8 verbunden; den Antragstellern kommt - offenbar auf Grund einer Benützungsvereinbarung - das ausschließliche Benützungsrecht an einer Wohnung im ausgebauten Dachgeschoss zu.
Um angebliche Unzukömmlichkeiten im Gangbereich des Dachgeschosses abzustellen, wollen die Antragsteller (und offenbar auch andere Bewohner des Dachgeschosses) am Fuß der Treppe vom 3. Stock ins Dachgeschoss eine Tür errichten. Da die Antragsgegnerin - angeblich als einzige der Miteigentümer - die Unterfertigung der Einreichpläne verweigert, haben die Antragsteller zunächst in einem auf § 13 Abs 2 (Z 4) WEG 1975 gestützten Antrag die Entscheidung des Gerichtes begehrt, die Antragsgegnerin schuldig zu erkennen, der Errichtung der Tür und der Erwirkung der dazu erforderlichen baubehördlichen Bewilligung (laut einem vorgelegten Einreichplan) zuzustimmen. Dieses Begehren wurde im Verfahren 9 Msch 134/00v des Erstgerichtes rechtskräftig abgewiesen, weil den Antragstellern als schlichten Miteigentümern keine Änderungsrechte nach § 13 Abs 2 WEG zukämen. Nunmehr haben die Antragsteller ein im Wesentlichen gleichlautendes Begehren auf § 15 WEG 1975 gestützt (also den Anspruch auf eine gerichtliche Benützungsregelung geltend gemacht) und dazu als Anspruchsgrundlage auch noch § 14 WEG genannt.
Das Erstgericht wies auch diesen Sachantrag ab. Eine Berufung auf § 23 Abs 4 WEG scheitere, weil die Antragsteller weder Wohnungseigentümer seien, noch zu ihren Gunsten eine Anmerkung nach § 24a Abs 2 im Grundbuch eingetragen sei. Überdies stelle die Umwidmung eines gemeinschaftlichen Teils der Liegenschaft samt entsprechender Benützungsregelung nicht eine gemeinschaftliche Verwaltungsmaßnahme dar, sondern eine Verfügung im Sinne des § 828 ABGB, die deshalb von § 23 Abs 4 WEG ausgeklammert sei. Die Umwidmung gemeinschaftlicher Teile der Liegenschaft im Sinne des § 13 Abs 2 Z 4 WEG könne auch nicht im Wege einer Benützungsregelung nach § 15 WEG erreicht werden (vgl. WoBl 2001/108).
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:
Zutreffend habe das Erstgericht auf sein Vorverfahren 9 Msch 134/00v verwiesen. Tatsächlich hätten dort die Antragsteller einen nahezu inhaltsgleichen Antrag gestellt; insbesondere seien die Antragsbegehren mit Ausnahme geringfügiger sprachlicher Abweichungen völlig ident.
Nach herrschender Meinung sei allerdings vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff auszugehen, wonach Klage- (Antrags-)begehren und Klage- (Antrags-)grund, also auch die Tatsachenbehauptungen, auf die sich der Antrag gründet, heranzuziehen sind (vgl Rechberger/Frauenberger in Rechberger2, Rz 15 vor § 226 ZPO). Davon ausgehend sei Gegenstand der materiellen Rechtskraft (nur) die anhand des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes und seiner rechtlichen Qualifikation festgestellte Rechtsfolge (vgl Rechberger in Rechberger2, Rz 6 zu § 411 ZPO). Im gegenständlichen Antrag hätten die Antragsteller ihr Begehren ausdrücklich auf § 14 und § 15 WEG gegründet. Daher liege keine entschiedene Rechtssache vor; zutreffend habe das Erstgericht meritorisch entschieden.
Gänzlich sinnwidrig erscheine die Berufung der Antragsteller auf § 14 WEG, weil die Antragsteller als bloße Minderheitseigentümer zu Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 14 Abs 1 WEG nicht berechtigt seien.
Es versage aber auch der Versuch der Antragsteller, ihr Begehren auf § 15 WEG zu gründen.
Nicht zu teilen sei die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass den Antragstellern als bloß schlichten Miteigentümern gar kein Antragsrecht auf Benützungsregelung zustehe. Ein derartiger Antrag könne sowohl von einem Wohnungseigentümer als auch von einem schlichten Miteigentümer gestellt werden (vgl Illedits, Das Wohnungseigentum, Rz 453; Palten, Wohnungseigentum2, Rz 159; Würth/Zingher, WohnR 94, Anm 2 zu § 15 WEG; MietSlg 49.523). Völlig irrelevant sei im vorliegenden Fall auch § 23 Abs 4 WEG idF WRN 1999. Bis zur WRN 1999 habe die Anwendung des § 15 WEG die Begründung von Wohnungseigentum an wenigstens einem Wohnungseigentumsobjekt vorausgesetzt, nunmehr genüge die Anmerkung einer Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes nach § 24a Abs 2 WEG im Grundbuch (vgl Spruzina in Schwimann2, Rz 3 zu § 15 WEG; Würth/Zingher, WohnR 2000, Anm 2 zu § 23 WEG). Auf der gegenständlichen Liegenschaft sei aber ohnehin seit 1988 Wohnungseigentum begründet, sodass gar nicht zweifelhaft sei, dass für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 13 bis 20, 22 und 26 WEG gelten. Selbstverständlich existiere auch schon eine Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 13c WEG; die Antragsteller seien als bloße Miteigentümer Mitglieder dieser Gemeinschaft (vgl Würth/Zingher20, Rz 1 zu § 13c WEG). Aus allen diesen Klarstellungen sei jedoch für die Antragsteller nichts zu gewinnen:
Eine Benützungsregelung im Sinne des § 15 WEG sei eine gerichtliche Regelung über die Benützung der verfügbaren gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft. Dabei gehe es um eine Zuweisung verfügbarer gemeinsamer Teile zur ausschließlichen (oder gemeinsamen) Benützung an Miteigentümer (vgl MietSlg 47.517 = WoBl 1996/93). Lese man aber das Antragsbegehren im Zusammenhalt mit den vorgebrachten Tatsachen, gelange man zum Ergebnis, dass die Antragsteller gar keine Benützungsregelung begehren, sondern die Antragsgegnerin zu einer Zustimmung im Sinne des § 13 Abs 2 Z 2 und 4 WEG verhalten möchten. Dass diesem Sachbegehren das Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache entgegenstünde, sei bereits dargelegt worden. Zutreffend habe das Erstgericht auf die Entscheidung WoBl 2001/108 [teilweise kritisch: Call] = immolex 2001/92 verwiesen. Dort habe der OGH ausgeführt, die Umwidmung eines Flachdachs in eine vom Antragsteller allein zu benutzende Dachterrasse (gemeint im Sinne § 13 Abs 2 Z 2 WEG) komme auch nicht über den Weg des § 15 WEG in Frage. Die Hauptbegründung des OGH in der zitierten Entscheidung sei zwar der - im gegenständlichen Fall nicht vorliegende - Umstand gewesen, dass der Antragsteller nicht einmal schlichter Miteigentümer der betreffenden Liegenschaft war; unabhängig davon habe aber der OGH betont - und dieser Begründungsteil sei hier relevant -, dass angestrebte Änderungen von gemeinsamen Teilen der Liegenschaft nur nach § 13 Abs 2 Z 2 WEG, nicht aber durch eine beantragten Benützungsregelung nach § 15 WEG durchgesetzt werden können (vgl auch MietSlg 51.525 = immolex 2000/105).
Im Ergebnis hätten die Antragsteller hier gar nicht eine Regelung der Benützung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch die Miteigentümer (vgl MietSlg 52.581), sondern die Zustimmung eines Miteigentümers zur Durchführung einer konkreten baulichen Änderung auf einem gemeinsamen Teil der Liegenschaft iSd § 13 Abs 2 Z 2 WEG begehrt. Die Entscheidung des Erstgerichtes sei daher zu bestätigen gewesen. Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung sei nicht zu lösen gewesen, weil sie durch die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung (insbesondere WoBl 2001/108) gedeckt sei.
Mit dem jetzt vorliegenden ao Revisionsrekurs streben die Antragsteller primär die Stattgebung ihres Sachantrags an; hilfsweise haben sie einen Aufhebungsantrag gestellt. Sie sind der Meinung, dass ihr Änderungsbegehren sehr wohl in § 15 WEG eine geeignete Rechtsgrundlage habe. Die vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen träfen nicht den vorliegenden Sachverhalt. Es gehe im Grund um die Benützung des Gangs (Stiegenaufgangs) zum Dachgeschoss, also um einen gemeinsamen Teil der Liegenschaft, für den durch die Errichtung einer Tür eine Benützungsbeschränkung bzw -regelung erwirkt werden soll. Der Gangbereich über dem 3. Geschoss soll nur mehr von den Dachgeschoss-Bewohnern benützt werden können und dürfen. Der Fall sei vergleichbar mit der Erlassung einer Gebrauchsordnung für Kfz-Abstellplätze. Jeder Miteigentümer habe das Recht, deshalb den Außerstreitrichter anzurufen.
Der Antragsgegnerin wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Sie hat von dieser Äußerungsmöglichkeit Gebrauch gemacht und in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels als unzulässig iSd § 528 Abs 1 ZPO, hilfsweise die Abweisung des Rechtsmittelbegehrens beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die noch auszuführenden Klarstellungen zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt. Da die Rechtsmittelwerber selbst zugestehen, ihr Begehren nicht auf § 13 Abs 2 WEG 1975 stützen zu können und dies auch gar nicht wollen (Seite 3 ihres Revisionsrekurses), ist nur auf ihr Argument einzugehen, § 15 WEG 1975 (jetzt § 17 Abs 2 WEG 2002) - der Individualanspruch auf gerichtliche Benützungsregelung - biete eine geeignete Anspruchsgrundlage.
Der diesbezüglichen Argumentation wäre - ein entsprechendes Begehren vorausgesetzt - insoweit zu folgen, als die Antragsteller mit der Errichtung der Tür letztlich erreichen wollen, dass den Gangbereich von der dritten Geschossebene aufwärts (bei dem es sich unzweifelhaft um einen allgemeinen Teil des Hauses iSd § 1 Abs 4 WEG 1975 bzw § 2 Abs 4 WEG 2002 iVm § 3 Abs 3 WEG 2002 handelt) nur mehr die Bewohner des Dachgeschosses benützen können. Zur Erreichung dieses Ziels wird daher - falls keine diesbezügliche Benützungsvereinbarung aller Mit- und Wohnungseigentümer erreicht werden kann - eine gerichtliche Benützungsregelung zu beantragen sein. Der gegenständliche Sachantrag hat jedoch etwas anderes zum Gegenstand. Er greift einerseits für eine gerichtliche Benützungsregelung zu kurz, weil er die rechtsgestaltende Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte am fraglichen Gangbereich an einzelne Miteigentümer der Liegenschaft gar nicht erwähnt (und im Übrigen gegen alle Miteigentümer der Liegenschaft gerichtet sein müsste: Prader, WEG 2002, E 3 zu § 17; vgl auch E 30 aaO), andererseits geht er über einen Antrag nach § 15 WEG 1975 bzw § 17 Abs 2 WEG 2002 hinaus, weil eine bauliche Veränderung an einem allgemeinen Teil des Hauses angestrebt wird. Für die Durchsetzung einer derartigen Veränderung bietet, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, der Individualanspruch auf gerichtliche Benützungsregelung keine geeignete Anspruchsgrundlage. Da es sich beim fraglichen Gangbereich oberhalb der dritten Geschossebene des Hauses um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft handelt und auch auf Grund der Rechtsposition der Antragsteller sowie der besonderen verfahrensrechtlichen Situation die analoge Anwendung des § 13 Abs 2 WEG 1975 (§ 16 Abs 2 WEG 2002) nicht in Betracht gezogen werden kann (insoweit ist der zu 5 Ob 299/99b = MietSlg 51.525 entschiedene Fall tatsächlich nicht vergleichbar), käme für die Durchsetzung der gewünschten baulichen Veränderung, die ja über den in § 14 Abs 1 Z 1 WEG 1975 bzw § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 für Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung vorausgesetzten Erhaltungszweck hinausgeht, nur ein Vorgehen nach § 14 Abs 3 WEG bzw § 29 Abs 1 WEG 2002 in Frage. Der Einbau der Tür müsste demnach von der Mehrheit der Miteigentümer beschlossen werden und dieser Beschluss unterläge dann einer (auch inhaltlichen) Nachprüfung durch den Außerstreitrichter auf Antrag der Überstimmten. Der änderungswilligen Mehrheit steht insoweit kein Anspruch auf Erwirkung einer richterlichen Genehmigung zu (Würth/Zingher, Wohnrecht 94, Anm 5 zu § 14 WEG; Prader aaO E 13 zu § 29; so auch schon SZ 68/149). Seit der Neuformulierung des § 14 WEG 1975 durch das 3. WÄG besteht in dessen Anwendungsbereich auch gar keine Notwendigkeit mehr, die fehlende Zustimmung einzelner Miteigentümer zu bewilligungspflichtigen Bauvorhaben durch den Außerstreitrichter ersetzen zu lassen, weil sich die Baubehörde mit der Vorlage des Mehrheitsbeschlusses der Mit- und Wohnungseigentümer in Verbindung mit dem Nachweis, dass die überstimmte Minderheit den Außerstreitrichter nicht angerufen hat, zu begnügen hat ( = immolex 1998, 150/86 = BauSlg 1998/69 = bbl 1998/165 = MietSlg 50.898). Ein Individualanspruch, wie ihn die Antragsteller für sich reklamieren, um die fehlende Unterschrift der Antragsgegnerin auf dem Einreichplan ersetzen zu lassen, ist jedenfalls aus § 14 WEG 1975 (jetzt §§ 28, 29 WEG 2002) nicht abzuleiten.
Im Übrigen kann auf die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden (§ 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 510 Abs 3 ZPO).
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.