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OGH vom 26.07.2000, 7Ob171/00y

OGH vom 26.07.2000, 7Ob171/00y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut L*****, vertreten durch Dr. Ludwig Riemer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Alfred D*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 41 R 383/99y-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 5 C 1085/95s-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Zum Verständnis der Prozesslage ist dabei folgende Verfahrenschronologie kurz voranzustellen:

Der Kläger ist Eigentümer eines Einfamilienhauses in Wien, der Beklagte Mieter desselben.

Der Kläger kündigte dieses Bestandverhältnis per auf und machte als Kündigungsgrund ua das Auflaufen eines Mietzinsrückstandes in Höhe von S 326.900,-- (§ 30 Abs 2 Z 1 MRG) geltend. In der Streitverhandlung vom wurde dieser Mietzinsrückstand dahingehend präzisiert, dass der Beklagte jedenfalls während der letzten zwei Jahre den monatlich vereinbarten Hauptmietzins von S 1.000,-- zuzüglich 10 % USt, zusammen also S 1.100,--, insgesamt damit S 26.400,--, nicht bezahlt habe, auf welchen Rückstand somit die Aufkündigung gestützt werde (AS 37). In der Streitverhandlung vom wurde dieses Vorbringen abermals dahin präzisiert, dass dieser Rückstand zum Zeitpunkt der Aufkündigung - rückgerechnet auf die letzten zwei Jahre vor deren Einbringungszeitpunkt - gegeben gewesen sei (AS 71); per sei dieser Rückstand auf S 117.636,-- angewachsen, wobei der monatliche Gesamtmietzins S 1.650,-- (S 1.100,-- Hauptmiete plus S 550,-- Betriebskosten) betragen habe (AS 73).

Der Beklagte bestritt sämtliche Kündigungsgründe. In seinen Einwendungen zum einzig noch revisionsgegenständlich relevanten Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG bestritt er das Vorliegen des behaupteten Mietzinsrückstandes, weiters dass eine Mahnung hierüber erfolgt sei, ihn für den Fall des Bestehens eines solchen Rückstandes ein schweres Verschulden treffe und beantragte er demgemäß ausdrücklich Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG, welcher Antrag später im Verfahren nochmals wiederholt wurde (AS 37).

Bereits in der ersten mündlichen Streitverhandlung vom brachte der Beklagte überdies vor, dass ihm "eine Gegenforderung zustehe", habe er doch am Haus des Klägers Erhaltungsarbeiten vorgenommen, welche eine wesentliche Verbesserung darstellten, und zwar insgesamt - Arbeitszeit und Material zusammen - in Höhe von S 189.415,87 (AS 23 und 121).

Der Kläger erwiderte, dass selbst unter Anerkennung der Erbringung von Leistungen mindestens S 47.636,-- an unberichtigten Zinsrückständen aushafteten (AS 73).

Mit Beschluss vom , der von beiden Parteien unbekämpft in Rechtskraft erwuchs, stellte das Erstgericht gemäß § 33 Abs 2 MRG fest, dass sich der Beklagte als Mieter mit der Zahlung des Zinses für die Zeit vom bis in der Gesamthöhe von S 61.600,-- in Rückstand befinde (ON 17). Hierin wurde den beklagtenseits behaupteten Gegenforderungen entgegengehalten, dass dieser nicht - unter Anerkennung der behaupteten Bestandzinsschuld - vorgebracht habe, eine außergerichtliche Aufrechnungserklärung abgegeben zu haben, welche die offene Bestandzinsforderung zum Erlöschen gebracht habe.

Erst in der ersten, dieser Beschlussfassung nachfolgenden Streitverhandlung vom erklärte der Beklagte, die bereits angeführte Gegenforderung von S 189.415,87 gegen den Mietzinsrückstand aufzurechnen und beantragte weiters "den Zwischenantrag auf Feststellung, dass kein Mietzinsrückstand bestehe" (ON 25).

Das Erstgericht erklärte mit seinem Urteil vom - gleich wie im ersten Rechtsgang (ON 26) nach Ergehen eines Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes (ON 33) - in Bejahung des Kündigungstatbestandes des § 30 Abs 2 Z 1 MRG die gerichtliche Aufkündigung für wirksam und verpflichtete die beklagte Partei zur Räumung des Bestandgegenstandes samt Fahrnissen binnen 14 Tagen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. In rechtlicher Hinsicht führte es - zusammengefasst - aus: Um erfolgreich zu sein und das vom Gesetz angestrebte Ziel der Vermeidung von Verschleppungsabsicht nicht zu unterlaufen, hätte der Beklagte seine Aufrechnung jedenfalls vor Ergehen des Beschlusses gemäß § 33 Abs 2 MRG erklären müssen, zumal sich seine Gegenforderungen ausschließlich auf Arbeiten und Investitionen lange vor diesem Datum bezogen hätten. Diese Wertung, derartige Tatsachen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in den Prozess (bei späterer Präklusion) einzubringen, liege auch den vergleichbaren Fällen einer Oppositionsklage nach § 35 EO bzw einer Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, wenn diese mit Aufrechnungstatbeständen begründet würden, zugrunde. Die gegenteilige Rechtsansicht würde dazu führen, dass einem wegen Mietzinsrückständen gekündigten bzw auf Räumung geklagten Mieter die Möglichkeit eingeräumt werde, einen Teil seiner rechtsvernichtenden Einwände zwar vor Fassung des Beschlusses nach § 33 Abs 2 MRG einzuwenden, um - wenn sich die Erfolglosigkeit dieses Einwandes heraustelle - nach Rechtskraft dieses Beschlusses dann in Form von materiellen Aufrechnungserklärungen weitere Einwände zu erheben. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes könne der Norm des § 33 Abs 2 MRG jedoch nicht unterstellt werden, sie begünstige eine derartige Verschleppungstaktik.

Das Berufungsgericht sprach schließlich auch aus, dass die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil - soweit überschaubar - keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob ein Mieter den geschuldeten Betrag gemäß § 33 Abs 2 MRG auch dann "entrichtet", wenn er nach Rechtskraft des Beschlusses gemäß § 33 Abs 2 MRG eine materiell-rechtliche Aufrechnung erklärt, obwohl die Gegenforderung - seinem eigenen Vorbringen nach - schon zu einem vor der Beschlussfassung liegenden Zeitpunkt bestanden hat. Insbesondere könnte der Entscheidung MietSlg 40.485 (arg "Tatbestand der Aufrechnung abgeschlossen") Gegenteiliges zur hier vertretenen Rechtsansicht entnommen werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass die Aufkündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren kostenpflichtig abgewiesen werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der (lediglich) beantragt wird, der Revision des Prozessgegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

Der - von beiden Vorinstanzen bejahte - Kündigungsgrund des § 33 Abs 2 Z 1 ZPO setzt ua einen im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung noch bestehenden (qualifizierten) Rückstand an Mietzinsen voraus (Würth/Zingher, Wohnrecht20 Rz 14 zu § 30). Ein solcher wurde vom Erstgericht bereits durch den Beschluss vom gemäß § 33 Abs 2 MRG - vom Beklagten unbekämpft, damit formell rechtskräftig und demgemäß für das weitere Verfahren bindend (präjudiziell: RIS-Justiz RS0042364; 10 Ob 325/99p) - ausdrücklich festgestellt. Bestreben und Zweck dieser (seit der Stammfassung des MRG BGBl 1981/520 unveränderten) Bestimmung ist und war es stets, Verzögerungen des Verfahrens möglichst zu vermeiden (10 Ob 325/99p). Sie schrieb damit nur den - insoweit wortgleichen - früheren § 21 Abs 2 MG (Stammfassung BGBl 1929/210 idF der insoweit inhaltlich keine Änderungen herbeiführenden Novellierungen durch die BGBl 1955/241 und 1967/281) fort (Bericht des Justizausschusses 880 BlgNR 15. GP, 6).

Bereits in seiner Entscheidung 6 Ob 672, 673/87 (teilweise - als Rechtssatz - veröffentlicht in MietSlg 40.485) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass nach der innerprozessualen Bindung einer formell in Rechtskraft erwachsenen Zwischenentscheidung nach § 33 Abs 2 MRG diese dem weiteren Verfahren derart zugrundezulegen ist, dass der im Zeitpunkt der Tagsatzung, die der erstinstanzlichen Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG unmittelbar voranging, als Grundlage der Aufhebungserklärung (Kündigungstatbestand) herangezogene Rückstand die festgestellte Höhe aufweist. Schuldtilgungsgründe, die auf einen Tatbestand gestützt würden, der im angegebenen Zeitpunkt "bereits abgeschlossen" gewesen wäre, sind nicht mehr zu beachten (Zahlung, Vorauszahlung, Aufrechnung uä). Lediglich die Behauptung einer erst nach dem erwähnten Stichtag bewirkten Schuldtilgung wäre unter Umständen erheblich.

Im vorliegenden Fall zeigt die bereits einleitend wiedergegebene Verfahrenschronologie, dass der Beklagte seine Aufrechnung ausschließlich auf einen Tatbestand stützte, der im Sinne der zitierten Entscheidung des 6. Senates des Obersten Gerichtshofes im maßgeblichen Zeitpunkt der der Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG vorangehenden Tagsatzung "bereits abgeschlossen" gewesen ist. Seine Aufrechnungserklärung erfolgte zwar nach diesem Stichtag, betraf jedoch - in Verbindung mit dem insoweit aufrecht erhaltenen Vorbringen von früher - ausschließlich (angebliche) Erhaltungsarbeiten und Investitionen der Jahre 1988 bis 1993, von denen er jedoch vor der Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG bloß behauptet hatte, dass ihm eine solche Gegenforderung "zustehe" - womit also lediglich das Bestehen einer Aufrechnungslage zwischen den Mietzinsforderungen des Klägers und Kompensandoforderungen des Beklagten behauptet wurde, nicht aber eine unbedingte Aufrechnungserklärung, wie sie zur Schuldtilgung erforderlich gewesen wäre (6 Ob 705/84); erst nach dieser Beschlussfassung erstattete er das darüber hinausgehende entsprechende Vorbringen, hiemit auch aufrechnen zu wollen. Dieser (materiell-rechtliche) Schuldtilgungseinwand ist damit aber - verfahrensrechtlich - unbeachtlich, wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben. Gegenteiliges kann - entgegen der Formulierung des Berufungsgerichtes in seinem Zulassungsausspruch - aus der Entscheidung MietSlg 40.485 gerade nicht abgeleitet werden. Die - im Übrigen diese Entscheidung nicht einmal erwähnenden - (gegenteiligen) Ausführungen Oberhammers zum Abschluss seines Aufsatzes "Aufrechnung mit Forderungen auf Rückzahlung von verbotenen Leistungen und Entgelten im streitigen Verfahren" in WoBl 1994, 203 (208 f), wonach dann, wenn eine Kompensation erst nach Fällung des Beschlusses nach § 33 Abs 2 MRG erklärt werde, das Gericht sehr wohl zu prüfen habe, ob durch die Kompensation der festgestellte Mietzinsrückstand erloschen sei, wofür unter Umständen auch eine nicht unwesentliche Verfahrensverzögerung (insbesondere wegen Unterbrechung des Verfahrens nach § 41 MRG) in Kauf zu nehmen sei, vermögen am vorliegenden Entscheidungsergebnis nicht zu rütteln, weil sie einerseits von ganz anderen Sachverhaltskonstellationen ausgehen und andererseits - jedenfalls für den hier relevanten Fall - die bereits mit in den Vordergrund gerückten Zielsetzungen des Gesetzgebers zur Raschheit und Verzögerungsfreiheit völlig außer Acht lassen. Im Sinne der Entscheidungen SZ 50/35 (= JBl 1978, 262 = MietSlg 29.214/15), die der Oberste Gerichtshof auch in weiteren Folgeentscheidungen fortgeschrieben hat (1 Ob 537/80; 1 Ob 578/82; RIS-Justiz RS0020464), hätte der Beklagte somit zwar gegen die Mietzinsforderungen durchaus außergerichtlich aufrechnen und den Räumungsanspruch mit der Behauptung wirksam bestreiten können, der behauptete Zinsrückstand bestehe damit nicht, dies jedoch eben zeitlich nur vor und nicht erst nach der Fassung des Feststellungsbeschlusses nach § 33 Abs 2 MRG tun müssen, was hier jedoch nach der Aktenlage unterblieben ist.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt demnach nicht vor. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten nicht hingewiesen hat, stehen ihr auch keine Kosten für die erstattete Revisionsbeantwortung zu (RIS-Justiz RS0035979, RS0035962; zuletzt 7 Ob 159/99t).