OGH vom 03.10.2000, 4Ob235/00p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa L*****, vertreten durch Dr. Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald, gegen die beklagte Partei Josef L*****, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Unterhalt (Streitwert 48.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 177/00g-13, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom , GZ 6 C 2/00h-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.655,68 S (darin 609,28 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Eibiswald vom geschieden; mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom wurde in Abänderung des Ersturteils ausgesprochen, dass die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten geschieden wird; dieses Urteil wurde infolge Zurückweisung einer außerordentlichen Revision durch den Obersten Gerichtshof rechtskräftig.
Der Beklagte zahlte der Klägerin auf Grund eines Urteils des Bezirksgerichtes Eibiswald vom bis einschließlich Februar 1999 einen monatlichen Unterhalt von 4.000 S. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom wurde ein von der Klägerin auf § 68 EheG gestütztes Unterhaltsbegehren rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, es bestehe eine primäre Unterhaltsverpflichtung der ehelichen Kinder Christian und Barbara L*****, weshalb der Beklagte nicht verpflichtet sei, subsidiär einen Unterhaltsbeitrag zu leisten.
Mit Klage vom begehrt die Klägerin vom Beklagten eine monatliche Unterhaltszahlung in Höhe von 4.000 S, beginnend mit Zustellung der Klage am . Unter Bedachtnahme auf die ab eingetretene Änderung des § 68 EheG sei nunmehr das Subsidiaritätsprinzip weggefallen und der Beklagte zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Die Klägerin beziehe Sozialhilfe in Höhe von monatlich 4.990 S und habe umfangreiche Verbindlichkeiten zu bedienen. Sie sei auf Grund ihres Gesundheitszustands weder in der Lage, einer Arbeit nachzugehen, noch würde sie im Hinblick auf ihr Alter Arbeit finden.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendet unter anderem ein, § 68 EheG idF des Eherechts-Änderungsgesetzes 1999 (EheRÄG 1999), BGBl I 1999/125, sei erst auf Unterhaltsansprüche auf Grund solcher Scheidungen anzuwenden, bei denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz am noch nicht geschlossen gewesen sei.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags ab von 1.500 S und wies das Mehrbegehren ab. Es hielt § 68 EheG idF des EheRÄG 1999 auf den vorliegenden Rechtsstreit für anwendbar, weil sich die Übergangsbestimmung des Artikel VII Z 4 EheRÄG 1999 ausdrücklich nur auf die (neu geschaffenen) Bestimmungen der §§ 68a und 69b EheG beziehe. Eine Anspannung der Klägerin auf ein fiktiv erzielbares Einkommen komme nicht in Betracht, weshalb der Beklagte nunmehr nach Wegfall der Subsidiarität grundsätzlich unterhaltspflichtig iSd § 68 EheG nF sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Frage des Umfangs der Übergangsbestimmung des Artikel VII Z 4 EheRÄG 1999 erhebliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme. Es sei nicht von Belang, dass die Ehe der Streitteile schon 1999 geschieden worden sei, weil für den Inhalt und die Auflösung bestehender Dauerrechtsverhältnisse mit Inkrafttreten eines neuen Gesetzes die von diesem angeordneten Rechtsfolgen gälten. Die vom Beklagten für anwendbar erachtete Übergangsbestimmung beziehe sich schon ihrem Wortlaut nach nicht auch auf § 68 EheG.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Geltungsbeginns von § 68 EheG idF des EheRÄG 1999 nicht besteht; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Nach Auffassung des Beklagten habe der Gesetzgeber nur im Lichte des neuen Unterhaltstatbestands des § 68a EheG die Subsidiarität der Unterhaltspflicht in § 68 EheG als nicht mehr adäquat und zeitgemäß beseitigt; die Übergangsbestimmung des Artikel VII Z 4 EheRÄG 1999 müsse daher - entgegen seinem Wortlaut - auch auf § 68 EheG Anwendung finden.
Durch Art II Z 3 des Eherechts-Änderungs- gesetzes 1999 (EheRÄG 1999) BGBl I 1999/125 wurde § 68 EheG dahin geändert, dass die in dieser Bestimmung angeordnete Unterhaltspflicht des Ehegatten nach Scheidung aus gleichteiligem Verschulden künftig unabhängig davon besteht, ob eine solche mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der nach § 71 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen der Billigkeit entspricht. Diese Änderung, die den Entfall der Subsidiarität der Unterhaltspflicht des einen geschiedenen Ehegatten gegenüber den Verwandten des anderen unterhaltsbedürftigen Ehegatten bei gleichteiligem Verschulden bewirkt, war noch nicht Gegenstand der Regierungsvorlage, sondern erfolgte erst im Zuge der Beratungen des Justizausschusses (Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821 ff, 861 ff (FN 12).
Art II Z 4 und 6 EheRÄG 1999 fügen mit den neu geschaffenen §§ 68a und 69b EheG für bestimmte Fälle einen vom Verschulden an der Scheidung grundsätzlich unabhängigen Unterhaltstatbestand neu in den Abschnitt des EheG über die Unterhaltspflicht bei Scheidung wegen Verschuldens ein.
Artikel VII EheRÄG 1999 bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes mit (Z 1); §§ 68a und 69b EheG sind auf Unterhaltsansprüche auf Grund von Scheidungen anzuwenden, bei denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht geschlossen war (Z 4).
Wie die Erläuterungen der Regierungsvorlage zu den Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen dieses Gesetzes (siehe 1653 BlgNR 20.GP 35 f) dazu ausführen, wurde grundsätzlich die herrschende Rechtsprechung berücksichtigt, wonach auf eine Änderung der Rechtslage in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen ist, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das streitige Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Für die in §§ 68a und 69b EheG neu geschaffenen Unterhaltsansprüche ist zu berücksichtigen, dass Fragen des Unterhalts häufig schon antizipativ in das Scheidungsverfahren hereinwirken, dies etwa im Zusammenhang mit der Überlegung, anstelle einer streitigen Scheidung eine solche im Einvernehmen nach § 55a EheG anzustreben. Bei diesen Neuerungen wird daher für den Beginn ihres zeitlichen Geltungsbereichs auf den Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz im Scheidungsverfahren abgestellt, um den diesbezüglichen Dispositionen der Parteien nicht durch eine nachträgliche Rechtsänderung partiell den rechtlichen Boden zu entziehen (siehe dazu auch Hopf/Stabentheiner aaO 870).
§ 5 ABGB legt den zeitlichen Geltungsbereich eines kundgemachten Gesetzes fest. Es sind demnach nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, vorher geschehene Handlungen und analog sonstige Sachverhalte aber wie vorher entstandene Rechte weiterhin dem alten Gesetz zu unterwerfen (F. Bydlynski in Rummel, ABGB2 § 5 Rz 1 mwN). Der Gesetzgeber kann bei Erlassung eines neuen Gesetzes die Rückwirkung zwar ausdrücklich anordnen, das muss jedoch aus dem Gesetz selbst zu entnehmen und mit dem Gleichheitsgebot vereinbar sein (Posch in Schwimann, ABGB**2 § 5 Rz 1 f mwN; SZ 69/186).
Der zeitliche Geltungsbereich des § 5 ABGB ist allerdings nur für einmalige oder jene mehrgliedrigen oder dauernden Sachverhalte abgrenzbar, die zur Gänze in die Geltungszeit des neuen Gesetzes fallen. Bei mehraktigen Schuldverhältnissen und Dauerrechtsverhältnissen, an die eine Dauerrechtsfolge geknüpft ist, wie an die Ehe die wechselseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten, sind in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers die Rechtsfolgen, die an den zeitlichen Abschnitt der Tatbestandsverwirklichung vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes geknüpft waren, nach altem Recht, die Rechtsfolgen bezüglich des sich danach weiter verwirklichenden Tatbestands aber nach dem neuen Gesetz zu beurteilen (Posch aaO Rz 4; Bydlinski aaO Rz 1 je mwN; SZ 69/186; SZ 69/241).
Die hier strittigen Bestimmungen des Übergangsrechts ordnen den Zeitpunkt des Inkrafttretens des EheRÄG 1999 grundsätzlich mit an (Artikel VII Z 1 EheRÄG 1999); eine Ausnahme gilt kraft ausdrücklicher Aufzählung (nur) für §§ 68a und 69b EheG (Artikel VII Z 4 EheRÄG 1999). Den Vorinstanzen ist somit darin zuzustimmen, dass bereits nach der wörtlichen Auslegung der Übergangsbestimmungen § 68 EheG nF jedenfalls auf solche Unterhaltsstreitigkeiten anzuwenden ist, bei denen - wie hier - die Klage nach dem eingebracht worden ist und Unterhaltsleistungen nur für die Zukunft begehrt werden.
An diesem Ergebnis ändert auch nichts, wenn man die aus den Materialien hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung der Übergangsbestimmungen berücksichtigt. Die dort angestellten Überlegungen lassen erkennen, dass man vermeiden wollte, die Parteien eines Scheidungsverfahrens durch Einführung eines neuen Unterhaltstatbestands nach Scheidung in ihrer prozessualen Disposition zu beeinträchtigen. Gerade dies trifft aber auf die Rechtsänderung im Zusammenhang des § 68 EheG nicht zu: Dort wurde nämlich durch die Neufassung nicht ein Unterhaltstatbestand neu eingeführt, sondern bloß ein - bereits dem Rechtsbestand angehörender - Unterhaltsanspruch nicht mehr von Umständen (nämlich der Fähigkeit der Verwandten des Bedürftigen zur Unterhaltsleistung) abhängig gemacht, die schon bisher der Disposition des unterhaltspflichtigen Ehegatten entzogen waren. Diese unterschiedliche Interessenlage verbietet demnach eine Einbeziehung des § 68 EheG in den Ausnahmekatalog des Artikel VII Z 4 EheRÄG 1999.
Die Vorinstanzen haben frei von Rechtsirrtum § 68 EheG nF auf das nach dem eingeleitete Unterhaltsverfahren angewendet. Der Revision kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.