OGH vom 22.10.1999, 1Ob172/99x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Maria K*****, infolge Revisionsrekurses des Sachwalters Dr. Roland Paumgarten, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen Punkt 1.) des Beschlusses des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 51 R 43/99v, 51 R 51/99u-101, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Kufstein vom , GZ 4 P 6/97v-60, ersatzlos aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekursbeantwortung der O***** Aktiengesellschaft, *****wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht bestellte im zweiten Rechtsgang mit Beschluß vom neuerlich Rechtsanwalt Dr. Roland Paumgarten gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter der Betroffenen. Zum Kreis seiner Agenden gehört ua die Verwaltung des Vermögens der Betroffenen und die Vertretung vor Gericht. Der Sachwalter erstattete am den (weiteren) Bericht ON 58 an das Erstgericht über den Stand des Vermögens der Betroffenen. Danach bestünden ua bei der O*****Aktiengesellschaft (im folgenden nur Hypobank) in Zusammenhang mit dort ehemals unterhaltenen Wertpapierdepots drei näher bezeichnete Verrechnungskonten; die dort erliegenden Beträge sollten auf ein Konto bei der Volksbank Kufstein überwiesen werden. Die Hypobank habe aber darauf verwiesen, daß es sich nicht um einfache Verrechnungskonten, sondern um Sparbuchkonten handle, über die nur nach Vorlage der Sparbücher verfügt werden könne; da die Sparbücher nicht auffindbar seien, werde beantragt, die Konten pflegschaftsgerichtlich zu sperren. Der Sachwalter werde in den nächsten Tagen die entsprechende Kraftloserklärung beantragen.
Das Erstgericht nahm keine Sperre vor, sondern wies die Hypobank an, die Guthaben auf den drei näher genannten Sparbuchkonten der Betroffenen auf ein näher bezeichnetes Konto der Betroffenen bei der Volksbank Kufstein zu überweisen und die Sparbuchkonten aufzulösen.
Am langte beim Erstgericht ein mit datiertes und an den Erstrichter adressiertes Schreiben ein, in welchem die Hypobank bezugnehmend auf den erstgerichtlichen Beschluß und ein Telefonat mitteilte, daß die Überweisungen der Guthaben aus den Sparbüchern nicht durchgeführt werden könne. Denn nach § 32 Abs 2 BWG dürften Auszahlungen aus einer Spareinlage nur gegen Vorlage der Sparurkunde getätigt werden; die im Beschluß angeführten Sparurkunden lägen jedoch nicht vor, sondern der Sachwalter habe mitgeteilt, daß diese nicht auffindbar seien. Da es sich bei den angeführten Sparbüchern um Inhaberurkunden handle, gelte derjenige als Berechtigter, der die Urkunde vorlege. Um etwaigen Mißbräuchen entgegenzuwirken, wäre, wenn die Berechtigung der Betroffenen hinreichend dargetan werden könne, die Möglichkeiten eines Kraftloserklärungsverfahrens in Betracht zu ziehen. Eine Auszahlung der Guthaben aus den Sparbüchern sei derzeit nicht möglich.
Diese Eingabe blieb vorerst unerledigt. Mit Schriftsatz vom ON 96 wies die Hypobank darauf hin, daß es sich bei ihrer Eingabe vom um einen unerledigt gebliebenen Rekurs gehandelt habe.
Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Beschluß ersatzlos auf. Die Eingabe der Hypobank erfülle gerade noch die an einen Rekurs im Außerstreitverfahren gestellten Mindesterfordernisse. Nach § 9 Abs 1 AußStrG stehe das Rekursrecht dem zu, dessen rechtlich geschützte Interessen durch den Beschluß beeinträchtigt worden seien, etwa dem Dritten, in dessen Rechte das Verlassenschaftsgericht unzulässig eingegriffen habe. Der Verlassenschaftsrichter dürfe einer dritten am Abhandlungsverfahren nicht beteiligten Person keinen Auftrag erteilen, einen in ihrem Besitz befindlichen Gegenstand gerichtlich zu erlegen, wobei Vergleichbares auch für den im Sachwalterschaftsverfahren ergangenen Auftrag an die Hypobank zutreffe. An Dritte dürften also keine Aufträge erteilt werden, die bei einem Streit nur im Prozeßweg erzwingbar seien. Durch den bekämpften Auftrag sei in die Rechte der Hypobank eingegriffen worden, weil diese ohne Vorlage der Sparbücher nicht verpflichtet und berechtigt sei, die Guthaben auszuzahlen (§ 32 Abs 2 BWG); eine Einschränkung, daß die Überweisung nur gegen Vorlage der Sparbücher zu erfolgen habe, sei dem Beschluß nicht zu entnehmen. Der erstinstanzliche Beschluß sei daher nicht nur inhaltlich unrichtig, sondern die Hypobank auch zur Erhebung eines Rechtsmittels berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der von der zweiten Instanz zugelassene und nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das Erstgericht (ON 104) rechtzeitige Revisionsrekurs des Sachwalters, der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
a) Vorweg ist auszuführen, daß der Sachwalter für die Betroffene aufgrund einer vollsteckbaren Ausfertigung des erstinstanzlichen Beschlusses als betreibende Partei den Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen gemäß § 354 Abs 1 EO stellte; vorerst sei die verpflichtete Partei (Hypobank) nur durch Androhung einer Geldstrafe anzuhalten, die Sparbuchkonten abzurechnen und die errechneten Guthaben auf das Konto der betreibenden Partei zu überweisen. In dritter Instanz (3 Ob 69/99i) wurde der den Exekutionsantrag abweisende Beschluß der ersten Instanz wieder hergestellt, weil der Beschluß des Pflegschaftsgerichts keinen Exekutionstitel nach § 1 EO darstelle. Bei im Verfahren außer Streitsachen ergangenen Entscheidungen dürfe im allgemeinen nur dann angenommen werden, daß damit ein vollstreckbarer Anspruch zuerkannt werde, wenn hierüber in diesem Verfahren zu entscheiden sei. Lägen eindeutige gegenteilige Anhaltspunkte nicht vor, werde in anderen Fällen nicht davon ausgegangen werden dürfen, daß mit der Entscheidung auch dann ein vollstreckbarer Anspruch begründet werden sollte, wenn hierüber nicht in diesem Verfahren zu entscheiden sei. Dies gelte besonders im Verfahren außer Streitsachen, werde doch hiefür im § 2 Abs 2 Z 1 AußStrG ausdrücklich bestimmt, daß das Gericht die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit nicht überschreiten solle. Gehe man von diesen Grundsätzen aus, so sei bei Beschlüssen, mit denen vom Abhandlungs-, Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht die - gemäß § 32 Abs 3 BWG mögliche - Überweisung von einer Spareinlage angeordnet werde, im allgemeinen anzunehmen, daß damit bloß jene Beschränkungen aufgehoben werden, die sich aus materiellrechtlichen Bestimmungen für Verfügungen über solche Spareinlagen ergeben, oder damit festgelegt werde, wer über die Spareinlage zu verfügen berechtigt sei. Es sei in solchen Fällen mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte hingegen nicht davon auszugehen, daß dem aus der Spareinlage Berechtigten gegenüber dem Kreditinstitut ein Anspruch auf Durchführung der Überweisung zuerkannt werden solle. Hiefür wäre nämlich das Verfahren außer Streitsachen, in dem die Beschlüsse ergehen, nicht zulässig, weil es sich bei dem Anspruch auf Auszahlung aus einer Spareinlage um einen im streitigen Rechtsweg geltend zu machenden Anspruch handle. Dabei sei es nicht entscheidend, wenn in dem Beschluß bezüglich des Kreditinstituts Ausdrücke wie "angewiesen" verwendet werden, zumal auch im § 32 Abs 3 BWG von "anordnen" die Rede sei. Die Bestätigung der Vollstreckbarkeit sei dabei ohne Bedeutung.
b) Die Bestimmungen für den Vormund gemäß § 282 ABGB sind - soweit es an Sondernormen fehlt - auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters maßgebend. Auf die Sachwalterschaft sind dann aber mangels spezieller Regelungen auch jene gesetzlichen Bestimmungen anwendbar, die vom Vormundschaftsgericht zu beobachtende Rechtspflichten zum Gegenstand haben. Heranzuziehen sind demnach die Bestimmungen über die Erforschung und Sicherstellung des Vermögens gemäß den §§ 222 bis 224 ABGB (1 Ob 530/95 mwN). Nach dem Vorbringen des Sachwalters war die Betroffene Inhaberin dreier derzeit nicht auffindbarer Inhaber-Sparbücher.
Gemäß § 32 Abs 2 erster Satz des Art I FinanzmarktanpassungsG 1993 BGBl 1993/532 (BWG) idgF - insoweit gemäß § 107 Abs 1 BWG mit in Kraft getreten - dürfen Auszahlungen aus einer Spareinlage nur gegen Vorlage der Sparurkunde geleistet werden. Die Materialien (RV, 1130 BlgNR 18.GP, 110 ff, 138) enthalten zu dieser Bestimmung nichts. Der Ausdruck "minderjährig oder sonst pflegebefohlen" umfaßt aber jedenfalls alle Fälle, in denen die Vermögensverwaltung eines nicht Geschäftsfähigen, also auch einer unter Sachwalterschaft stehenden Person vom Gericht überwacht wird (Chini/Frölichsthal, Praxiskommentar zum Bankwesengesetz, § 32 Anm 4). Daß bei Inhaber-Sparbüchern ohne deren Vorlage nicht gezahlt werden darf, ergibt sich daraus, daß die Zugehörigkeit zu dem von der Sachwalterschaft oder Vormundschaft betroffenen Vermögen nicht festgestellt werden kann, weil die sachenrechtliche Tradition jederzeit die Berechtigtenstellung ändern kann (so zur Vorgängerbestimmung des § 18 Abs 5 KWG 1979 Fremuth/Laurer/Pötzelberger/Ruess, Handkommentar zum Kreditwesengesetz, § 18 Rz 14). Spareinlagen werden, wenn sie in Inhabersparurkunden verbrieft sind, durch Übereignung der Urkunde nach den für die Übereignung beweglicher körperlicher Sachen geltenden Regeln übertragen (SZ 69/119; 1 Ob 158/98m; RIS-Justiz RS0102510). Grundsätzlich bedarf somit jede Auszahlung der Vorlage der Sparurkunde. Ist die Inhaber-Sparurkunde wie hier in Verstoß geraten, so kann dieser Mangel durch deren Kraftloserklärung saniert werden. Denn wer die Kraftloserklärung erlangt hat, kann unter Vorweisung des Beschlusses die ihm zustehenden Rechte aus der Urkunde oder aufgrund der Urkunde dem Verpflichteten gegenüber geltend machen oder die Ausfertigung einer neuen Urkunde gegen Ausfolgung des Beschlusses und Ersatz der Kosten verlangen. Der in einem Kraftloserklärungsverfahren ergangene Beschluß ermächtigt somit den Antragsteller, aus diesem Beschluß die ursprünglich in der Urkunde verbrieften Rechte geltend zu machen (JBl 1970, 476 mwN; 4 Ob 227/97d = EvBl 1998/25 = ÖBA 1998, 402; 1 Ob 216/97i = SZ 71/6 ua; RIS-Justiz RS0065889). Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht kann sich aber auch eine von Sachwalterschaft betroffene Person dem Kraftloserklärungsverfahren nicht entziehen, weil ein pflegschaftsbehördlicher Guthabensüberweisungs- und Kontoauflösungsauftrag an die Bank den gerichtlichen Kraftloserklärungsbeschluß - als Ergebnis eines entsprechenden mehrseitigen Verfahrens (vgl §§ 4, 10 KEG 1951) unter Beachtung der Interessen Dritter mit Kundmachungsvorschriften - nicht zu ersetzen vermag. Erst auf Grund der Ergebnisse des Kraftloserklärungsverfahren kann beurteilt werden, ob in Ansehung der Sparguthaben tatsächlich eine Rechtsbeziehung der Betroffenen mit der Hypobank bestand bzw besteht.
Die Notwendigkeit der Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens in Ansehung der nicht auffindbaren Sparbücher hat der Sachwalter im übrigen auch selbst in seinem Bericht ON 58 erkannt.
c) Auf § 32 Abs 3 erster Satz BWG haben sich weder das Erstgericht noch der Sachwalter berufen. Nach dieser Ausnahmebestimmung darf über Spareinlagen durch Überweisung - ausgenommen in Fällen, in denen der aus der Spareinlage Berechtigte verstorben, minderjährig oder sonst pflegebefohlen ist und das Abhandlungs-, Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht dies anordnet - oder durch Scheck nicht verfügt werden. Die Regelung dient einer vereinfachten Gebarung der Abwicklung von Abhandlungs-, Vormundschafts- und Pflegschaftsangelegenheiten (Chini/Frölichsthal aaO Anm 5); damit wird das dem Wertpapier eigene Prinzip "Rechtsausübung nur gegen Papiervorlage" zwar gelockert, aber nicht aufgehoben (vgl zur Vorgängerbestimmung des § 18 Abs 5 KWG idFd Art I Z 27 des BGBl 1986/325 Avancini in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, Rz 9/20). Der Grund für die Ausnahme vom Vorlageprinzip wurzelt offensichtlich in dem Bestreben, eine vereinfachte Mündelgeldgebarung zu ermöglichen, die durch Zeitersparnis vor allem bei berufsmäßigen Sachwaltern dem Pflegebefohlenen auch Verwaltungskosten sparen hilft. Der Sachwalter braucht sich für Zahlungen, die auch im Überweisungsweg geleistet werden können, nicht mehr jeweils eigens zur Bank bemühen, um dort die notwendigen Mittel vom Spareinlagenkonto erst zu beheben und dann in einem zweiten Schritt weiterzuleiten. Nichts deutet aber darauf hin, daß die KWG-Novelle 1986 den Sparurkunden über Mündelgelder mit der Ermöglichung eines Überweisungsverkehrs einen noch darüber hinausgehenden rechtlichen Sonderstatus verschaffen sollte (Avancini aaO Rz 9/20 zu § 18 Abs 5 KWG). § 32 Abs 3 BWG kann demnach erst dann zur Anwendung kommen, wenn - anders als hier - zuerst die alleinige Verfügungsberechtigung der Betroffenen über das Sparguthaben feststeht. Es stellt sich demnach nicht mehr die Frage, ob diese Bestimmung auch für Inhaber-Sparurkunden gilt.
d) Das Rekursrecht gemäß § 9 Abs 1 AußStrG steht nur dem zu, der durch die bekämpfte Entscheidung über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erscheint. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist demnach ein Eingriff in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers (SZ 50/41; 1 Ob 530/95 uva). Materielle Beschwer bedeutet daher nach herrschender Auffassung, daß derjenige ein Rechtsmittel erheben kann, der behauptet, daß seine rechtlich geschützten Interessen durch den angefochtenen Beschluß unmittelbar beeinträchtigt werden, das heißt in dessen Rechtssphäre nachteilig eingegriffen wird (Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren Rz 57). Diese Voraussetzung trifft auf die Hypobank zu, weil sie unabhängig von der Frage, ob die Betroffene nun tatsächlich über die Sparguthaben verfügungsberechtigt war, vom Erstgericht ohne weiteres Verfahren durch einen gerichtlichen Auftrag belastet wurde, bei dessen Befolgung sie ohne Vorlage der Sparurkunde dem Risiko einer Doppelauszahlung ausgesetzt wäre. Der erstinstanzliche Beschluß führte auch in der Tat zur Einleitung eines Exekutionsverfahrens gegen die Hypobank als Verpflichtete, wobei die fehlende Berechtigung des Exekutionsantrags, anders als noch in zweiter Instanz, erst in dritter Instanz judiziert wurde. Ob der Hypobank auf Grund des erstinstanzlichen Beschlusses auch die Anwendung von Zwangsmitteln nach § 19 AußStrG drohte, ist nicht mehr zu untersuchen.
Zutreffend bejahte die zweite Instanz die Rechtsmittellegitimation der Hypobank. Dem Revisionsrekurs kann daher kein Erfolg beschieden sein. Die Revisionsrekursbeantwortung der Hypobank ist zurückzuweisen, weil eine Ausnahme vom grundsätzlich bloß einseitigen Revisionsrekursverfahren im Außerstreitverfahren hier nicht vorliegt.