OGH vom 10.01.2006, 5Ob146/05i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Höllwerth und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Janko M*****, vertreten durch Mag. Michaela Schinnagl, Mietervereinigung Österreichs, Reichsratstraße 15, 1010 Wien, gegen den Antragsgegner Dr. Günther S*****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke und Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 211/04i-29, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 3 Msch 12/03g-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist Mieter der Wohnung Top Nr 12 im Haus ***** in *****, das im Eigentum des Antragsgegners steht. Die Wohnung wurde mit Mietvertrag vom per gemietet. Damals wurde ein Hauptmietzins in Höhe von S 4.968 netto pro Monat vereinbart.
Das Haus wurde im Jahre 1904 errichtet und liegt in zentraler, sehr guter Wohn- und Geschäftslage.
Das Haus ist im Jugendstil errichtet und verfügt über einen Lift, der vom Parterre in den 3. Stock führt und über fünf Halte- und Ladestellen verfügt. Die Wohnung des Antragstellers liegt im Halbstock zwischen erstem und zweitem Obergeschoss und ist über Hauseingang, Stiegenaufgang und Lift zugänglich.
Die allgemeinen Teile der Liegenschaft und die Einrichtungen befinden sich in einem guten Erhaltungszustand; er entspricht jenem eines Standardzinshauses in derartiger Lage.
Im Zeitpunkt der Anmietung verfügte die 69 m² große Wohnung über ein Badezimmer mit einer mechanischen Lüftungsklappe, die aus einem fix montierten Gitter im Ausmaß von 15 x 15 cm bestand und manuell zu bedienen war. Es steht nicht fest, ob diese mechanische Lüftungsklappe eine wirksame Be- und Entlüftung darstellte bzw ob sie ins Freie führte.
Nachdem der Antragsteller am den gegenständlichen Antrag bei der Schlichtungsstelle einbrachte und mit diesem erstmals den Zustand der Entlüftung bemängelt hatte, ließ der Antragsgegner eine neue elektrische Entlüftung mit Ventilator in das gegenständliche Badezimmer einbauen, was etwa S 5.000 kostete.
Die Wohnung verfügt nicht über eine ordnungsgemäße Beheizung aller Räume.
Der Antragsteller bezahlte von Oktober 2000 bis inklusive Mai 2001 den vereinbarten Hauptmietzins von S 4.968, von Juni 2001 bis Dezember 2001 S 5.092, von Jänner 2002 bis April 2002 EUR 370,10 und von Mai 2002 bis April 2003 EUR 377,21.
In dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Mietvertrag wurde ein Lagezuschlag vereinbart, wobei die maßgeblichen Umstände im Mietvertrag festgehalten wurden. Der Lagezuschlag beträgt EUR 15,24.
Der Baukostenanteil gemäß § 3 Abs 4 RichtWG beträgt EUR 5,07, jener gemäß § 3 Abs 6 EUR 4,61 (für die Aufzugsanlage).
Der Antragsteller brachte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im erstinstanzlichen Verfahren über den Mietzinsüberprüfungsantrag vor, dass der mit ihm vereinbarte Zuschlag für den Aufzug zum Richtwertmietzins mit 17,3 % überhöht sei (ON 16).
Der Antragsgegner vertritt dazu zusammengefasst den Standpunkt, der Zuschlag zum Richtwertmietzins in Höhe S 9,68 ergebe sich gem. § 3 Abs 4 und 6 RichtWG aus der Summe der dort genannten Baukostenanteile und sei berechtigt.
Das Erstgericht wies das Begehren des Antragstellers, festzustellen, dass durch die Vereinbarung des Hauptmietzinses von S 4.968 netto monatlich das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten worden sei, ab.
Zu der im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen Ausstattungskategorie vertrat das Erstgericht den Standpunkt, den Mieter habe hinsichtlich der nicht funktionierenden, aber vorhandenen Entlüftung des Bades eine Rügepflicht getroffen, die er verletzt habe. Das Erstgericht berücksichtigte verschiedene Zu- und Abschläge zum Richtwert von EUR 4,06 (S 55,80) pro m², wobei für den Personenaufzug ein Zuschlag von S 9,68 für zulässig erachtet wurde. Der Zuschlag ergebe sich aus der Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 2 MRG iVm § 3 Abs 4 und 6 RichtWG. Die dort bezeichneten Baukostenanteile seien mit S 5,07 + 4,61 zu addieren.
Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge. Es stellte fest, dass die Mietzinsvereinbarung vom insoweit unwirksam sei, als dadurch der Betrag von S 4.866,57 (EUR 353,67) überschritten worden sei. Das Rekursgericht stellte die monatlichen Überschreitungen für den Zeitraum 10/2000 bis inklusive 12/2002 der Höhe nach fest und verpflichtete den Antragsgegner, dem Antragsteller insgesamt den Betrag von EUR 427,58 zuzüglich 10 % USt zu zahlen.
Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes hinsichtlich der den Antragsteller treffenden Rügeobligenheit hinsichtlich der Funktionsfähigkeit einer vorhandenen Badezimmerentlüftung.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes erkannte das Rekursgericht, die Höhe des Zuschlags für den Aufzug sei ausschließlich durch § 3 Abs 4 RichtWG definiert. § 16 Abs 2 Z 2 MRG verweise nämlich hinsichtlich der Ausstattung der Wohnung (des Gebäudes) mit den im § 3 Abs 4 RichtWG angeführten Anlagen, Garagen, Flächen und Räumen nur auf § 3 Abs 4 RichtWG, nicht aber auf § 3 Abs 6 RichtWG. Diese Ansicht werde auch von Stabentheiner (in: Antwortschreiben zur Anfrage vom in ON 17) unter Hinweis auf den Ausschussbericht geteilt. Auch Würth/Zingher, Miet- und WohnR20 Rz 22 zu § 16 MRG verträten diese Ansicht. Gegenteiliger Ansicht hingegen seien Dirnbacher/Heindl/Rustler, Der Richtwertmietzins [1994], 84 mit der Begründung, dem Gesetzgeber sei es in § 3 RichtWG offenbar darum gegangen, alle „typischen Neubaubestandteile" kostenmäßig zur Gänze zu erfassen. Wenn daher im Einzelfall ein derartiger „typischer Neubaubestandteil" auch in einem Altbau vorhanden sei, dann müssten wohl alle zuvor erfolgten Abzüge wieder revidiert werden, wobei es irrelevant sei, dass sie unter zwei verschiedenen Titeln vorgenommen worden seien. Das Rekursgericht hielt dieser Ansicht entgegen, dass sie dem Wortlaut des § 16 Abs 2 Z 2 MRG widerspreche und darüber hinaus zu einer unangemessenen Überbewertung des Ausstattungsmerkmals Aufzug führe. (Im vorliegenden Fall zu einem Zuschlag von 17,35 % zum Richtwert).
Der Aufzugszuschlag sei daher nur mit dem sich aus § 3 Abs 4 RichtWG ergebenden Betrag von S 5,07 pro m² angemessen. Das führe unter Hinzurechnung aller Zu- und Abschläge zu einem zulässigen monatlichen Nettohauptmietzins von S 70,53 pro m². Für die 69 m² große Wohnung des Antragstellers errechne sich daher ein zulässiger monatlicher Hauptmietzins von S 4.866,57 (= EUR 353,67).
Aufgrund der unstrittigen Vorschreibungen und Zahlungen könne auch ein Rückforderungstitel gemäß § 37 Abs 4 MRG geschaffen werden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 nicht übersteige, der Revisionsrekurs jedoch zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, wie der Zuschlag nach § 16 Abs 2 Z 2 MRG für einen Aufzug bei Ermittlung des Richtwertmietzinses zu bemessen sei, ob nur nach § 3 Abs 4 oder auch nach § 3 Abs 6 RichtWG.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses.
Der Antragsteller beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung , dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.
Der Revisionswerber vertritt den Standpunkt, § 16 Abs 2 Z 2 MRG beziehe sich ausdrücklich auf die „Anlagen, Garagen, Flächen und Räume", die in § 3 Abs 4 RichtWG genannt seien. Das bedeute, dass das Ausstattungsmerkmal „Aufzug" grundsätzlich zu berücksichtigen sei. Die Anwendung des § 3 Abs 6 RichtWG werde keineswegs ausgeschlossen. Für den „typischen Neubaubestandteil", der in einem Altbau vorhanden sei, müssten also alle zuvor erfolgten Abzüge (bei der Ermittlung des Richtwertmietzinses) wieder berücksichtigt werden. Irrelevant sei, dass die Abzüge unter verschiedenen Titeln vorgenommen worden seien.
Ob durch die vom Erstgericht angewendete, vom Rekursgericht abgelehnte Berechnungsmethode eine unangemessene Überbewertung des Ausstattungsmerkmals Aufzug erfolge, sei hingegen unerheblich, weil die standardisierten Merkmalsbewertungen bei der gesetzlichen Mietzinsbildung nicht auf ihre Angemessenheit zu prüfen seien. Im Übrigen handle es sich um eine aufgrund des Sachverständigengutachtens getroffene Feststellung des Erstgerichts, die vom Rekursgericht zu berücksichtigen gewesen wäre.
Weiters habe das Rekursgericht eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens bewirkt, indem es entgegen § 467 ZPO eine undeutliche Rekurserklärung zum Anlass seiner Entscheidung genommen habe. Der Rekurswerber habe es verabsäumt, auszuführen, welche Abänderungen konkret von ihm angestrebt würden. Überdies habe das Rekursgericht nicht beachtet, dass sich der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren zu den vom Sachverständigen für angemessen erachteten Zuschlag nicht geäußert habe.
All dies hätte zur Bestätigung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses führen müssen.
Der erkennende Senat hat dazu erwogen:
Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens:
Der Revisionsrekurswerber übersieht, dass der Antragsteller schon im erstinstanzlichen Verfahren im Schriftsatz ON 16 ausdrücklich Einwendungen gegen den vom Sachverständigen für zulässig erachteten 17,73 %igen Zuschlag zum Richtwertmietzins für eine vorhandene Aufzugsanlage erhoben hat. Die im Rekurs (ON 26) begehrte Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im Sinne einer Stattgebung seines ursprünglichen Antrags stellt einen ausreichenden Rechtsmittelantrag dar, der das Rekursgericht verpflichtete, sich mit dem in rechtlicher Hinsicht strittig gewordenen Zuschlag für den Aufzug auseinanderzusetzen und die Berechtigung dieses Hauptmietzinsbestandteils zu überprüfen.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt daher nicht vor.
Damit ist im Revisionsrekursverfahren nur mehr die Frage strittig, wie der Zuschlag zum Richtwertmietzins für das Vorhandensein einer Aufzugsanlage, zu ermitteln ist.
§ 16 Abs 2 Z 2 MRG normiert, dass bei der Bewertung einer Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages auch die Ausstattung der Wohnung (des Gebäudes) mit den in § 3 Abs 4 RichtWG angeführten Anlagen, Garagen, Flächen und Räumen zu berücksichtigen ist, wobei die jeweiligen Zuschläge mit den bei der Ermittlung des Richtwerts abgezogenen Baukostenanteilen begrenzt sind. Eine Aufzugsanlage ist in § 3 Abs 4 RichtWG als eine dem typischen Althausbestand nicht entsprechende Einrichtung genannt. § 3 RichtWG setzt für die Ermittlung des Richtwerts bei den Herstellungskosten einer gut ausgestatteten geförderten Neubaumietwohnung an. Dabei ist nach § 3 Abs 2 RichtWG der Grundkostenanteil zu ermitteln, nach Abs 3 der Baukostenanteil je m² Nutzfläche und nach Abs 4 sind von den in Abs 3 ermittelten Baukosten jene Baukostenanteile abzuziehen, die für die Errichtung solcher Gebäudeteile üblicherweise anfallen, die nach den am geltenden Wohnbauförderungsvorschriften des jeweiligen Landes zwar gefördert werden, aber dem typischen Althausbestand nicht entsprechen, wie etwa Aufzugsanlagen.
Nach § 3 Abs 6 (der der Ermittlung des Richtwerts dient) ist wie folgt vorzugehen:
Die betragsmäßige Ermittlung des Richtwerts erfolgt, indem zunächst 4 % des Grundkostenanteils (Abs 2 und 5) und 5,5 % der Baukosten (Abs 3 bis 5) zusammenzuzählen sind und sodann von der errechneten Summe 5 % der Kosten für die Errichtung von Aufzugsanlagen und gemeinsamen Wärmeversorgungsanlagen abgezogen werden. Der Richtwert beträgt ein Zwölftel der sich daraus ergebenden Differenz.
Nun ergibt sich aus § 3 RichtWG, der sich an das BMJ als für die Erlassung der Richtwertverordnungen zuständig richtet, nicht, wie der Zuschlag für Aufzugsanlagen im Altbau zu errechnen ist. Allerdings folgt aus § 16 Abs 2 Z 2 MRG, dass „die jeweiligen Zuschläge mit den bei der Ermittlung des Richtwerts abgezogenen Baukostenanteilen begrenzt sind". Der Abzug der Baukostenanteile ist ausdrücklich in § 3 Abs 4 RichtWG geregelt. § 3 Abs 6 RichtWG handelt hingegen von betragsmäßiger Ermittlung des Richtwerts an sich, eignet sich daher nicht zur Definition der Zuschlagsbegrenzung, wie sie in § 16 Abs 2 Z 2 MRG vorgenommen wurde.
Damit folgt der erkennende Senat dem AB 1268 BlgNR XVIII. GP. Dort heißt es zu Art II Z 15 (§ 16 MRG) wie folgt: „... Für die Ermittlung der relativen oder absoluten Höhe der Zuschläge und Abstriche ist in analoger Form zu § 5 WEG von der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens auszugehen. Für bestimmte Umstände bzw Ausstattungsunterschiede ist ausdrücklich angeordnet, dass von den Werten (Kosten der in § 3 Abs 4 RichtWG genannten Anlagen und Gebäudeteilen) auszugehen ist, die auch bei der Richtwertermittlung gemäß § 3 Abs 4 RichtWG herangezogen worden sind. Diese sind gemäß § 4 RichtWG, ausgedrückt in Prozentsätzen vom Richtwert kundzumachen ..."
Diese Ansicht wird übrigens von nahezu allen Autoren vertreten (vgl Würth/Zingher, Miet- und WohnR20 Rz 22 zu § 16 MRG; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR21 Rz 3 zu § 3 RichtWG; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht Rz 62 zu § 16 MRG; Schuster, Ausgewählte Fragen der Mietzinsbildung, WoBl 1996, 94). Nur Dirnbacher/Heindl/Rustler vertreten in „Richtwertmietzins" [1994], 84 - allerdings mit einer nicht am Gesetz orientierten Begründung - die Auffassung, dass es auch denkbar sei, dass alle gemäß § 3 RichtWG vorgenommenen Abzüge für die dort genannten Anlagen und Räume bei der Begrenzung des Zuschlags gemäß § 16 Abs 2 Z 2 MRG heranzuziehen seien. Allerdings ist dabei nicht ganz verständlich, dass die genannten Autoren an anderer Stelle (aaO 82, 83) eine Festsetzung der Kostenanteile nach § 3 Abs 4 RichtWG durch den Verordnungsgeber ausdrücklich vermissen, wobei die Wichtigkeit dieser Daten damit begründet wird, dass die vorzunehmenden Abzüge und damit die Begrenzung des Zuschlags nach Z 2 für den Normunterworfenen von Bedeutung seien.
Es ist daher zusammenzufassen, dass die vom Rekursgericht vorgenommene Berechnung des zulässigen Zuschlags für die Aufzugsanlage im Althaus in rechtsrichtiger Anwendung der Bestimmungen des § 16 Abs 2 Z 2 MRG iVm § 3 Abs 4 RichtWG erfolgte.
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist daher nicht berechtigt.