OGH vom 29.08.2019, 3Ob153/19z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der den verbundenen Familienrechtssachen der Antragstellerin A*****, vertreten durch Mag. Isabelle Pellech, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, wider die Antragsgegnerin A*****, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts (AZ 1 FAM 35/18z, führendes Verfahren) und Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 EO (AZ 1 FAM 114/18t, verbundenes Verfahren), über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 62/19d, 73/19x, 223/19f-54, mit dem unter anderem die Beschlüsse des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 1 FAM 35/18z-35, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 1 FAM 35/18z-39, und vom , GZ 1 FAM 35/18z-46, mit einer Maßgabe bestätigt wurden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 501,91 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 83,65 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Im Verfahren ist strittig, ob die titulierte Verpflichtung der Antragstellerin als Mutter der volljährigen Antragsgegnerin (für die ein Erwachsenenvertreter bestellt wurde), erloschen ist, weil dieser nunmehr von der Mutter im Rahmen eines gemeinsamen Haushalts Naturalunterhalt iSd § 231 Abs 2 ABGB gewährt wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfragen iSd§ 62 Abs 1 AußStrG auf, weshalb er – ungeachtet des nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts – als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG):
1. Nach § 231 Abs 2 ABGB leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Beitrag zum Kindesunterhalt. Zwar erlischt mit der Volljährigkeit des Kindes die Obsorge des Elternteils (§ 183 Abs 1 ABGB), daraus ist aber nicht zwingend abzuleiten, mit der Volljährigkeit werde auch die Unterhaltsregelung für den haushaltsführenden, betreuenden Elternteil obsolet (3 Ob 44/08d). Nach ständiger Rechtsprechung haben vielmehr auch bereits erwachsene, aber noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder Anspruch auf Betreuung (RIS-Justiz RS0048380 [T1]); was umso mehr im vorliegenden Fall eines volljährigen, psychisch kranken Kindes gilt.
2. Der Wirkungskreis des Erwachsenenvertreters umfasst nicht die Bestimmung des Wohnorts der Betroffenen. Das die nach der Aktenlage insofern entscheidungsfähige Antragsgegnerin beschlossen hat, ihre betreute Wohnstätte aufzugeben, in den Haushalt ihrer Mutter zu ziehen und sich von dieser in deren Haushalt betreuen zu lassen, ist eine freie, ihr überlassene Entscheidung der Antragsgegnerin. Davon, dass die Erfüllung der Naturalunterhaltspflicht durch die unterhaltspflichtige Antragstellerin erzwungen worden sei, kann daher keine Rede sein.
3. Sollte der Erwachsenenvertreter der Ansicht sein, dass das Zusammenleben und die Betreuung der Antragsgegnerin durch ihre Mutter das Wohl der Antragsgegnerin gefährde, hat er sich iSd § 259 Abs 4 ABGB nF im Erwachsenenschutzverfahren an das Gericht zu wenden. Eine Kompetenz des die Unterhaltsfrage entscheidenden Gerichts für diese Beurteilung hat das Rekursgericht – jedenfalls vertretbar – verneint. Andere, die Erbringung des Naturalunterhalts iSd § 231 Abs 2 ABGB in Frage stellende Umstände macht der Revisionsrekurs nicht geltend. Die vom Erwachsenenvertreter (unrichtig) zitierte Judikatur zur (Un-)Angemessenheit des gewährten Naturalunterhalts ist nicht einschlägig; betrifft sie doch die Angemessenheit nach den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen (vgl die in 3 Ob 153/03d zitierte Entscheidung 3 Ob 2075/96k = SZ 70/134).
4. Die klare Regelung des § 231 Abs 2 ABGB stellt nur auf das Faktum der Betreuung des Kindes im Haushalt, den der unterhaltspflichtige Elternteil führt, ab und macht die damit verbundene Erfüllung seiner Unterhaltspflicht nicht (auch noch) davon abhängig, dass das (volljährige, nicht zur Gänze selbsterhaltungsfähige und deshalb noch unterhaltsberechtigte) Kind zur Leistung eines Entgelts für die Betreuung nicht bereit wäre. Da die Weigerung der Antragstellerin, das vom Erwachsenenvertreter angebotene Entgelt anzunehmen, für das Erlöschen des Anspruchs der Antragsgegnerin auf Geldunterhalt somit nicht relevant ist, bedurfte es dazu keiner Feststellungen.
5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 iVm § 101 Abs 2 AußStrG, wonach nur in Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht stattfindet. Die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00153.19Z.0829.000 |
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