OGH vom 28.09.2006, 4Ob141/06y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Schaumüller und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Alfred H*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, wegen 450.000 EUR sA, Feststellung (Streitwert 10.000 EUR) sowie Rechnungslegung (Streitwert 10.000 EUR), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 176/05z-64, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 33 Cg 151/04g-59, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 20.885,12 EUR (darin 1.107,68 EUR USt und 14.239 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die C***** S.A (in der Folge: Zedentin), die dem Kläger allfällige ihr aus der nachfolgend wiedergegebenen Vereinbarung mit der Beklagten zustehenden Ansprüche abgetreten hat, schloss am mit der Beklagten folgenden - auszugsweise wiedergegebenen - Vertrag:
„I.
Die (...) [Beklagte], im Folgenden kurz Rechtsgeberin genannt, entwickelt, erzeugt und vertreibt unter anderem Edelstahlcontainer mit aseptischer Befüllung bzw Abfüllung für Lebensmittel, pharmazeutische Produkte etc. Die (...) [Zedentin] beabsichtigt in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sowie in Kanada ein flächendeckendes Verkaufs- und Vertriebssystem für diese Container aufzubauen.
II.
Im Hinblick auf diesen Sachverhalt erteilt die Rechtsgeberin der Rechtsnehmerin das ausschließliche und alleinige Recht, die von ihr erzeugten Edelstahlcontainer in ihrem jeweiligen neuesten Entwicklungsstand gemäß der in der Anlage beigeschlossenen, einen wesentlichen Bestandteil dieses Vertrages bildenden Produktionsliste, im Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sowie in Kanada ausschließlich und alleine zu verkaufen.
III.
In Drittländern kann der Rechtsnehmerin nur nach schriftlicher Zustimmung der Rechtsgeberin Verkäufe von Edelstahlcontainern tätigen, wobei die Konditionen in jedem Einzelfall gesondert zu vereinbaren sind.
IV.
(...) Der Vertrag (...) endet nach Ablauf von 5 Jahren, ohne dass es einer eigenen Kündigung bedarf. Sollte die Rechtsnehmerin eine Verlängerung (...) über die vereinbarte Vertragsdauer hinaus wünschen, erklärt die Rechtsgeberin bereits heute, mit einer Verlängerung um 3 weitere Jahre (...) einverstanden zu sein. Die Rechtsnehmerin hat ihren diesbezüglichen Wunsch der Rechtsgeberin mittels rekomandierten Schreibens spätestens 6 Monate vor Ablauf des fünfjährigen Vertragsverhältnisses bekanntzugeben. (...) Eine vorzeitige Kündigung des Vertragsverhältnisses aus schwerwiegenden Gründen bleibt beiderseits vorbehalten. Schwerwiegende Gründe sind wesentliche Vertragsverstöße, welche trotz schriftlicher Abmahnung durch den jeweiligen Vertragspartner mittels rekommandierten Schreibens nicht innerhalb von 2 Monaten beseitigt werden, wie insbesondere zum Beispiel die Nichteinhaltung der vereinbarten Zahlungskonditionen, Konkurs eines der Vertragspartner, die Nichteinhaltung des Vertragsgebietes.
V.
Die Rechtsgeberin verpflichtet sich, die von der Rechtsnehmerin jeweils angeforderten Edelstahlcontainer an diese zu den jeweils bestmöglichen Preisen im Sinne einer Bestpreisgarantie zum Zwecke des Weiterverkaufes im Vertragsgebiet zu verkaufen. (...)
VI.
(...) Die Rechtsnehmerin ist verpflichtet, die Interessen der Rechtsgeberin mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen und sich nach besten Kräften für eine positive Absatzentwicklung im Vertragsgebiet einzusetzen. Dazu zählt insbesondere eine intensive Marktbearbeitung, wobei sämtliche hiefür auflaufenden Kosten von der Rechtsnehmerin zu tragen sind. Die Rechtsnehmerin hat der [sic] Rechtsgeberin zumindest halbjährlich über die Marktentwicklung, Marktchancen, Trends, Projekte, laufende Aktivitäten, etc zu informieren. (...)
IX.
Im Hinblick darauf, dass das gegenständliche Produkt im Vertragsgebiet erst eingeführt werden muß, wird keine Mindestabnahmeverpflichtung vereinbart.
XI.
Die Vertragsparteien werden die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag nach den Grundsätzen von Treu und Glauben wahrnehmen (...) unterliegen allfällige Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung (...) ausschließlich dem österreichischen Recht (...)."
Im Zuge der Vertragsgespräche wurde nicht darüber gesprochen, dass die Beklagte verpflichtet sein soll, bei der Lieferung von Containern an Dritte mit diesen vertraglich zu vereinbaren, dass sie die Container nicht in den nordamerikanischen Markt ausführen oder dorthin weiterverkaufen dürfen. Auch wurde nicht darüber gesprochen, dass die Beklagte nicht wissentlich über Drittfirmen in den nordamerikanischen Markt liefern darf. Eine schriftliche Berichtspflicht der Zedentin an die Beklagte wurde nicht festgestellt. Mit Schreiben vom erklärte die Beklagte gegenüber der Zedentin die vorzeitige Auflösung des Vertrags, ohne dass dem eine schriftliche Abmahnung vorausgegangen wäre. Es steht nicht fest, dass die Zedentin von der Beklagten schriftlich aufgefordert worden wäre, schriftliche Berichte vorzulegen. Die Zedentin nahm die Auflösungserklärung nicht zur Kenntnis und teilte der Beklagten mit, sich weiterhin an den Vertrag gebunden zu erachten und in diesem Sinn weiterhin tätig zu sein. Eine von der hier Beklagten gegen die Zedentin eingebrachte Klage auf Feststellung, dass der Vertrag vom rechtswirksam aufgehoben worden sei, zog die Beklagte als dortige Klägerin unter Anspruchsverzicht zurück. Die Beklagte stand mit der deutschen B***** KG (in der Folge: Kundin) in langjährigem geschäftlichen Kontakt. 2001 lieferte die Beklagte der Kundin auf Grund einer Bestellung vom 800 Edelstahlcontainer. Die Kundin war nicht als Endabnehmerin der Waren anzusehen, weil sie selbst Container anderer Art herstellt und auch die von der Beklagten zugekauften Container weiterverkaufte, was der Beklagten bekannt war. Es steht nicht fest, dass die Beklagte auf Grund der technischen Spezifikationen dieser Container hätte erkennen müssen, dass die Waren für den US-amerikanischen oder nordamerikanischen Markt bestimmt waren. Die Beklagte hat in diesem Geschäftsfall ihre Kundin nicht verpflichtet, die Container nicht in die USA oder nach Kanada weiterzuverkaufen. Die Kundin lieferte am die 800 von der Beklagten hergestellten Euro-Container an das in den USA ansässige Unternehmen G***** Management (in der Folge: Zwischenhändlerin), das über ein flächendeckendes Vertriebsnetz in den USA verfügt und unter anderem Lebensmittelcontainer vermietet und/oder verleast. Diese über die Kundin von der Zwischenhändlerin gekauften Container der Beklagten wurden sodann an die US-amerikanische S***** Systems (in der Folge: Endabnehmerin) verleast oder verkauft. Die Zedentin hatte schon im Herbst 2000 sowohl zur Zwischenhändlerin als auch zur Endabnehmerin Kontakte geknüpft gehabt und ihnen Container der Beklagten angeboten. 2001 teilte die Endabnehmerin der Zedentin mit, dass die Container nicht bei ihr, sondern bei einem anderen Anbieter gekauft werden. Auf einer Messe 2001 in New Orleans, USA, stellte die Zwischenhändlerin Container der Beklagten aus, die sie zu diesem Zweck von der Kundin angefordert hatte.
Der Kläger begehrt 450.000 EUR sA Schadenersatz. Die Beklagte habe sich gegenüber der Zedentin verpflichtet, den ihr eingeräumten Gebietsschutz in den vorbehaltenen Ländern zu wahren. Die Beklagte habe insbesondere darauf zu achten gehabt, dass ihre Container weder unmittelbar noch mittelbar durch Dritte in diese Länder verkauft würden. Dessen ungeachtet seien über die Kundin mindestens 1.800 Stück Container in das Vertragsgebiet geliefert worden. Die Zedentin hätte pro verkauftem Container einen Reingewinn von 250 EUR erwirtschaftet. Daraus errechne sich ein von der Beklagten infolge Vertragsverletzung zu verantwortender Nichterfüllungsschaden in der geltend gemachten Höhe. Begehrt werde weiters die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden, die der Zedentin auf Grund der Auflösungserklärung der Beklagten entstehen werden. Der Vertriebsvertrag sei durch Erklärung der Zedentin auf acht Jahre verlängert worden und - wegen Rechtswidrigkeit der von der Beklagten erklärten Auflösung - nach wie vor aufrecht. Die Beklagte verweigere vertragswidrig die Zusammenarbeit mit der Zedentin, wodurch dieser bis zur tatsächlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses ein weiterer, noch nicht bezifferbarer Schaden erwachsen werde. Die Beklagte verweigere auch jede Auskunft über die in das Vertragsgebiet getätigten Containergeschäfte, weshalb es der Zedentin unmöglich sei, den ihr hieraus entstandenen Schaden zu berechnen. Die Beklagte sei daher infolge Verletzung der Gebietsschutzvereinbarung und der sie treffenden Informationspflichten sowie in analoger Anwendung des § 16 HVertrG zur Rechnungslegung verpflichtet. Mit diesem Begehren verband der Kläger das noch unbestimmte Begehren auf Leistung des sich aus der Rechnungslegung ergebenden Schadensbetrags.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe trotz Aufforderung keine Geschäftstätigkeit der Zedentin feststellen können; diese habe nie Container bei ihr bestellt. Sie habe die Vereinbarung daher wegen Untätigkeit der Zedentin aufgelöst. Die Beklagte habe ihrer Kundin nie Container im Wissen geliefert, dass die Ware für den US-amerikanischen Markt bestimmt sei. Sie habe auch keine Kenntnis davon, dass solche Lieferungen tatsächlich erfolgt seien. Sie sei nicht dazu verhalten gewesen, Nachforschungen darüber anzustellen, wie die Kundin mit den bei ihr gekauften Containern weiter verfahre. Auch hätte ein schlichtes vertragliches Verbot die tatsächliche Lieferung nicht verhindern können. Die Auflösungserklärung könne für sich allein genommen niemals einen Schaden verursachen. Die Zedentin habe bei ihr auf eigene Rechnung Container kaufen können, sie sei daher nicht als Handelsvertreterin für sie tätig geworden und die Beklagte ihr gegenüber nicht zur Rechnungslegung verpflichtet. Eine Analogie zu § 16 HVertrG komme mangels planwidriger Lücken im Gesetz nicht in Betracht. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwischen den Vertragsparteien bestehe kein Handelsvertreterverhältnis; es liege ein Vertrag sui generis vor. Die Beklagte habe seit Abschluss dieses Vertrags keine Waren nach Nordamerika geliefert und daher nicht direkt rechtswidrig gehandelt. Dass die der Kundin gelieferten Container für den amerikanischen Markt bestimmt gewesen seien, habe die Beklagte nicht gewusst; es sei in der Geschäftsbeziehung zur Kundin auch üblich gewesen, die jeweiligen Endkunden nicht zu nennen. Eine ausdrückliche Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Zedentin, ihren Kunden ein Lieferverbot in die USA aufzuerlegen, bestehe nicht. Mangels vertragsbrüchigen Verhaltens der Beklagten bestehe der verfolgte Schadenersatzanspruch nicht. Da weder rechtswidrige Handlungen der Beklagten noch ein Handelsvertretervertrag vorlägen, bestehe keine gesetzliche Grundlage für einen Rechnungslegungsanspruch. Die Zedentin hätte im Rahmen des Vertragsverhältnisses ihren Gewinn aus der Verkaufsspanne gezogen, ohne dass es hiezu der Rechnungslegung durch die Beklagte bedurft hätte. Das Feststellungsbegehren sei unbegründet, weil kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten vorliege.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung fehle, ob und wie die einem Vertragshändler eingeräumte Exklusivität von Verkäufen in einem bestimmten Gebiet gegenüber anderen Geschäftspartnern des Herstellers sicherzustellen sei. Mangels feststellbarer Parteienabsicht sei das Alleinvertriebsrecht gemäß § 914 ABGB zunächst allein nach dem Wortsinn auszulegen, was schon zu einem eindeutigen Ergebnis führe, sodass auf die Übung des redlichen Verkehrs nicht zurückgegriffen werden müsse. Dass eine wissentliche Belieferung des nordamerikanischen Marktes durch die Beklagte über Drittfirmen dem der Zedentin eingeräumten Recht zum ausschließlichen Verkauf von Waren im Vertragsgebiet widerspräche, brauche nicht weiter erörtert zu werden. Der Vertragstext und der Sinn der Vereinbarung ließen aber auch keine Zweifel darüber zu, dass die Beklagte ab Vertragsbeginn durch Vereinbarung entsprechender Vorbehalte bei Lieferungen von vertragsgegenständlichen Containern an Dritte hätte sicherstellen müssen, dass die Waren nicht in das der Zedentin vorbehaltene Gebiet weiterverkauft würden. Anders wäre ein Schutz der Zedentin, die auf ihre Kosten und ihr Risiko im Vertragsgebiet ein flächendeckendes Verkaufs- und Vertriebssystem für die Waren der Beklagten aufzubauen gehabt habe, in keiner Weise gewährleistet gewesen. Mit dem Verkauf von 800 Containern an die Kundin ohne Sicherstellung im aufgezeigten Sinn habe die Beklagte gegen vertragliche Pflichten aus der Vereinbarung mit der Zedentin verstoßen, sodass dem Kläger wegen dieser Vertragsverletzung grundsätzlich Ansprüche zustehen könnten. Der Vertrag sei als Vertriebsvertrag mit der Zedentin als Vertragshändlerin und der Beklagten als Herstellerin zu beurteilen. Gemäß § 920 ABGB könne der andere Teil ua Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern, wenn die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten vereitelt werde. Wer wegen Nichterfüllung einer Leistungsverpflichtung nach bereits begründetem Vertragsverhältnis Ersatz zu leisten habe, müsse den Zustand herstellen, der im Vermögen des Gläubigers bei gehöriger Erfüllung bestünde (Erfüllungsinteresse); dieser Anspruch umfasse auch die Gewinnspanne aus dem konkreten Vertrag. Da die von der Beklagten erklärte Auflösung des Vertrags entgegen der Vereinbarung ohne vorherige Abmahnung erfolgt und auch die zwecks Feststellung der Vertragsauflösung von der Beklagten angestrengte Klage unter Anspruchsverzicht zurückgezogen worden sei, sei das Vertragsverhältnis noch aufrecht. Bejahe man ein Zuwiderhandeln der Beklagten gegen ihre Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung, bestehe ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus ihrer nicht rechtswirksamen Auflösungserklärung und der Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Zedentin. Beurteile man das der Zedentin vertraglich eingeräumte Recht als exklusive Verkaufsmöglichkeit im Vertragsgebiet und verlange man deshalb von der Beklagten eine Sicherstellung dieses Rechts in Verträgen mit ihren anderen Geschäftspartnern, so liege eine Vertragsverletzung der Beklagten infolge Belieferung eines Unternehmens in den USA im Wege der Kundin vor, der keine Verkaufsbeschränkung auferlegt worden sei; dieser Vertragsverstoß verpflichte die Beklagte, über die seit Vertragsbeginn mit der Zedentin erfolgten Lieferungen von der Vereinbarung unterliegenden Edelstahlcontainern an Dritte Rechnung zu legen. Das Erstgericht habe - ausgehend von einer vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsmeinung - Feststellungen unterlassen, die zur abschließenden Erledigung der Rechtssache, insbesondere des Leistungsbegehrens, erforderlich seien; dies führe zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und im Hinblick auf den mit der Verfahrensfortsetzung verbundenen Aufwand zur Rückverweisung an das Erstgericht.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
1. Die Beklagte macht geltend, sie sei mangels Vereinbarung nicht verpflichtet gewesen, zur Wahrung des Alleinvertriebsrechts der Zedentin ihren Kunden Lieferbeschränkungen für das Vertragsgebiet der Zedentin aufzuerlegen und deren Einhaltung zu überwachen; die gegenteilige Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht überspanne ihre Vertragspflichten und bewirke eine Ungleichgewichtslage zwischen den Vertragsparteien.
2. Das Berufungsgericht hat die Vertriebsvereinbarung vom zutreffend als Vertragshändlervertrag beurteilt. Es handelt sich dabei um eine von der Praxis entwickelte Form des mittelbaren Warenabsatzes (Harrer, Neue Vertragstypen im Handelsrecht, 13). Nach einer von Ulmer (Der Vertragshändler, 206) entwickelten und vom BGH in ständiger Rechtsprechung zugrundegelegten Begriffsbestimmung (Nachweise bei Martinek in Staudinger, BGB13 § 675 Rz D 11) ist der Vertragshändler ein Kaufmann, dessen Unternehmen in die Vertriebsorganisation eines Herstellers von Markenwaren in der Weise eingegliedert ist, dass er es durch den Vertrag mit dem Hersteller oder einem von diesem eingesetzten Zwischenhändler ständig übernimmt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragswaren im Vertragsgebiet zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern, die Funktionen und Risken seiner Handelstätigkeit hieran auszurichten und im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen neben der eigenen Firma herauszustellen (4 Ob 79/95 = MR 1996, 35 - VSÖ-Prüfzeichen).
3. Vertragshändlerverträge enthalten häufig besondere Vereinbarungen über die „Absatzbindung" des Herstellers, also über die Beschränkung seines Rechts, im Gebiet des Vertragshändlers weitere Abnehmer zu beliefern. Die Zusage des Alleinvertriebs enthält die Verpflichtung des Herstellers, unmittelbare Lieferungen in das Vertragsgebiet zu unterlassen (Ulmer aaO 428). Der Lieferant verzichtet damit auf sein Recht, die Ware im Vertragsgebiet auf andere Weise zu vertreiben als über den Vertragshändler (3 Ob 608/82 = RIS-Justiz RS0053898; vgl auch 3 Ob 134/75 = SZ 48/91). Umstritten ist, wie weit darüber hinaus die Beschränkungen reichen, denen der Vertragsgegner des Alleinvertriebsberechtigten unterworfen ist. Weitergehende Beschränkungen werden wohl häufig vereinbart, sind aber kein wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil eines Alleinvertriebsvertrags (3 Ob 134/75 = SZ 48/91).
4. Brüggemann (in Großkommentar HGB4 vor § 84 Rz 20) unterscheidet zwischen Alleinvertriebsrecht und Gebietsschutz. Ein Alleinvertriebsrecht liegt vor, wenn der Hersteller in einem bestimmten Vertragsgebiet nur diesen einen Vertragshändler zulässt. Das Alleinvertriebsrecht kann mit einem Gebietsschutz gekoppelt sein. Gebietsschutz wird dem Händler eingeräumt, wenn sich der Hersteller gleichzeitig verpflichtet, Vertragshändlern in anderen Bezirken die Beschränkung ihres Tätigwerdens auf ihre Bezirke aufzuerlegen. In der einen oder anderen Form seien solchen Sicherungen in den Vertragshändlerverträgen immer enthalten. Allerdings müsse sich der Vertrag hierüber schon aussprechen. Ob die Alleinvertriebsabrede auch einen Gebietsschutz oder einen Kundenschutz in dem Sinne, dass kaufwillige Kunden an den zuständigen Vertragshändler zu verweisen seien, mitenthalte, sei Sache der Auslegung des Vertrags. Allgemein werde sich das nicht sagen lassen. Denn anders als beim Vertrieb durch Handelsvertreter, wo sämtliche vermittelte Bestellungen beim Unternehmer zusammenlaufen und von ihm ausgeführt werden, habe im Vertragshändlervertrieb der Hersteller/Lieferant keine unmittelbare Möglichkeit, die Lieferung in das Vertragsgebiet des einen, obwohl von ihm für dieses Gebiet „konzessionierten" Vertragshändlers durch den Vertragshändler eines anderen Gebiets zu unterbinden oder mindestens den „übergangenen" Vertragshändler an diesem Geschäft in der einen oder anderen Form zu beteiligen - unterbinden könnte er das höchstens mittelbar durch Vertragsstrafenklauseln oder einen Kündigungsvorbehalt. Das Risiko, dass sein Alleinvertriebsrecht für einen bestimmten Bezirk von außen und ohne Mitwirkung des Herstellers/Lieferanten unterlaufen wird, trage grundsätzlich der Vertragshändler selbst.
Martinek (in Martinek/Semler, Handbuch des Vertriebsrechts § 2 Rz 69) schreibt, dass bei Alleinvertriebsbindungen meist „zusätzlich vereinbart" wird, „dass der Absatzherr den anderen Absatzmittlern des Systems Beschränkungen auferlegt, durch die auch diese an einer Absatztätigkeit in anderen als den ihnen zugewiesenen Gebieten gehindert werden". Durch diese Gebietsbindungen werde die Gebietsexklusivität eines Absatzmittlers auch im Verhältnis zu anderen Systemangehörigen abgesichert; die „einfache Alleinvertriebsvereinbarung" werde auf diese Weise zu einer „qualifizierten Alleinvertriebsvereinbarung" mit absolutem oder (meist) releativem Gebietsschutz vor einer systemimmanenten Konkurrenz beim Absatz des Systemprodukts.
Beide Autoren gehen somit davon aus, dass die Gebietsschutzabrede - jedenfalls im Regelfall, so sie überhaupt gewollt ist - zusätzlich zur Alleinvertriebsvereinbarung getroffen wird. Der Hersteller/Lieferant übernimmt damit ja eine weitreichende Verpflichtung; er muss mit den anderen Vertragshändlern eine entsprechende Vereinbarung treffen, die nur dann sinnvoll sein wird, wenn sie Sanktionen enthält, wie etwa eine Vertragsstrafe oder einen Kündigungsvorbehalt. Darüber hinaus schränkt er seine Absatzmöglichkeiten ein, weil ja nicht sicher ist, dass der Vertragshändler das Geschäft macht, das dem Hersteller/Lieferanten dadurch entgeht, dass er anderen Abnehmern verbietet, Waren in das Vertragsgebiet zu liefern.
5. Im Anlassfall macht der Kläger keine Verletzung des „absoluten Gebietsschutzes" im Sinne der Verhinderung jeglicher Parallelimporte aus Drittländern geltend, sondern wirft der Beklagten (nur) vor, sie sei ihrer Pflicht nicht gehörig nachgekommen, ihren Kunden die Respektierung des Vertragsgebiets der Zedentin aufzuerlegen. Es ist daher zu prüfen, ob die Alleinvertriebsvereinbarung im Weg der Vertragsauslegung um eine Gebietschutzabrede zu ergänzen ist. Die Beweispflicht für eine solche Vereinbarung trifft den Kläger, der daraus Rechte für sich ableiten möchte.
6. Ob eine Alleinvertriebszusage auch eine Gebietsschutzabrede enthält, lässt sich nach richtiger Auffassung nicht allgemein im einen oder anderen Sinn festlegen, sondern ist durch Auslegung des jeweiligen Vertragstextes nach der Übung des redlichen Verkehrs festzustellen (3 Ob 134/75 = SZ 48/91; Brüggemann aaO). Da im Anlassfall weder eine Verkehrsübung noch ein eindeutiger hypothetischer Parteiwille feststeht, kommt hier als Mittel ergänzender Vertragsauslegung nur eine am Vertragszweck orientierte Ergänzung nach Treu und Glauben (s Rummel in Rummel, ABGB³ § 914 Rz 17 mwN) in Frage.
7. Zweck des Vertrags ist es, den Produkten der Beklagten den nordamerikanischen Markt zu erschließen, indem die Zedentin es übernimmt, den Markt zu bearbeiten. Im Gegenzug erhält sie ein Alleinvertriebsrecht für dieses Gebiet eingeräumt; die Beklagte verpflichtet sich demnach, für Nordamerika keinen anderen Händler einzusetzen und wohl auch selbst nicht direkt dorthin zu liefern. Bereits damit erbringt die Beklagte eine Gegenleistung für die Markterschließung durch die Zedentin. Dass die Zedentin das Investitionsrisiko für die Markterschließung trägt, genügt daher nicht, um die Alleinvertriebsvereinbarung um eine Gebietschutzabrede zu ergänzen.
8. Auch aus der Pflicht der Zedentin, vor Verkäufen außerhalb des Vertragsgebiets die Zustimmung der Beklagten einzuholen, kann nicht geschlossen werden, die Beklagte sei verpflichtet, gleichartige Verbote auch allen anderen Händlern ihres Vertriebsnetzes aufzuerlegen. Bei dieser Verpflichtung handelt es sich nämlich um kein (absolutes) Verbot. Die Zustimmungspflicht ließe sich auch damit erklären, dass der Zedentin im Alleinvertriebsvertrag besondere Konditionen für Nordamerika zugesichert werden (Bestpreisgarantie s Punkt V) und dass diese Konditionen nicht für Lieferungen in andere Länder gelten sollen (da die Zedentin dort keine Verpflichtung zur Markterschließung trifft). Für diese Auslegung spricht, dass Punkt III festhält, dass für Verkäufe in Drittländer „die Konditionen in jedem Einzelfall gesondert zu vereinbaren sind".
9. Gegen die Vertragsauslegung durch den Kläger spricht aber vor allem, dass nicht feststeht, dass die Beklagte die Container weltweit in einem Vertragshändlersystem vertreibt. Der Kläger hat solches auch nicht behauptet. Es ist somit durchaus denkbar, dass allein der Zedentin das Alleinvertriebsrecht für Nordamerika (oder allenfalls auch anderen Händlern für Märkte, auf denen die Beklagte bisher nichts verkauft hat) eingeräumt wurde, um diesen Markt für die Container der Beklagten zu erschließen. Es spricht auch mehr für diese Annahme als dagegen, da die Kundin als Erzeugerin von Containern wohl kaum Vertragshändlerin der Beklagten sein wird; nach der Aussage eines Zeugen [AS 271] hat sie die Container zur Abrundung ihres Erzeugungsprogramms gekauft; zwischen ihr und der Beklagten gab es keinen Kooperationsvertrag mit einer Geheimhaltungsklausel. Gibt es aber kein Vertragshändlersystem, ist dem weiteren Argument der Boden entzogen, das aus der Treupflicht des Herstellers im Rahmen des Vertragshändlervertrags abzuleitende Gleichbehandlungsgebot (vgl dazu Ulmer aaO 431) verlange, dass der Hersteller gleichartige Verbote auch allen anderen - untereinander in Wettbewerb stehenden - Händlern seines Vertriebsnetzes auferlege.
10. Letztlich ist der Senat der Auffassung, dass Alleinvertriebsvereinbarungen im Zweifel eher in einem wettbewerbsfreundlichen und nicht in einem wettbewerbsfeindlichen Sinn auszulegen sind. Wollen Vertragsparteien den Wettbewerb im Rahmen einer Alleinvertriebsabrede durch eine Gebietsschutzabrede noch weiter einschränken und dem Hersteller/Lieferanten noch weitergehende Pflichten auferlegen, muss dies schon aus Gründen der Rechtssicherheit deutlich zum Ausdruck kommen, hängt doch die Wirksamkeit einer solchen Wettbewerbsbeschränkung auch davon ab, ob die jeweils anwendbaren kartellrechtlichen Bestimmungen (hier: des US-amerikanischen Antitrust-Rechts) eingehalten worden sind.
11. Die Vertragsauslegung ergibt demnach, dass die Vertriebsvereinbarung vom keine Gebietsschutzabrede enthält, die die Beklagte verpflichtet hätte, ihren Vertragspartnern die Verpflichtung aufzuerlegen, nicht in das der Zedentin eingeräumte Vertragsgebiet zu verkaufen. Dem Erstgericht ist daher beizupflichten, dass die Beklagte keine Vertragspflichten gegenüber der Zedentin verletzt hat, wenn sie deren Gebietsexklusivität nicht gegenüber ihren anderen Kunden, die nicht als Endabnehmer in Frage kommen, durch entsprechende Vertragsklauseln abgesichert hat. Schon aus diesem Grund ist das Klagebegehren nicht berechtigt, ohne dass es noch auf auf die im Rechtsmittel weiters aufgeworfene Frage ankommt, ob dem Vertragshändler ein Rechnungslegungsanspruch gegenüber seinem Lieferanten zusteht.
12. Es bedarf somit der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzung nicht, weshalb in der Sache selbst dahin zu entscheiden ist, dass das klageabweisende Ersturteil wiederhergestellt wird (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).
13. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.