OGH vom 07.04.2011, 2Nc6/11x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen M***** K*****, V***** K*****, A***** K*****, und T***** K*****, wegen § 111 Abs 2 JN, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschlüssen des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 1 PU 85/09y (nunmehr: 1 PU 343/10s) 18 bis 21, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Döbling wird genehmigt.
Text
Begründung:
Die Ehe der damals in Klagenfurt wohnhaften Eltern wurde am gemäß § 55a EheG einvernehmlich geschieden. In Punkt 1. des Scheidungsfolgenvergleichs verwiesen sie auf einen vom Pflegschaftsgericht bereits rechtskräftig genehmigten Vergleich vom , in welchem die Mutter mit der alleinigen Obsorge über die vier gemeinsamen Kinder betraut worden war.
Am beantragte der Vater beim Bezirksgericht Klagenfurt, ihm die alleinige Obsorge über die Kinder zu übertragen. Am stellte er den Antrag auf Herabsetzung der Unterhaltsleistungen an die Kinder, zu denen er mit Beschluss vom verpflichtet worden war. Er erstattete zu diesem Antrag Vorbringen und legte Urkunden vor. Der um eine Stellungnahme zum Unterhaltsherabsetzungsantrag ersuchte, gemäß § 212 Abs 2 ABGB mit der Vertretung der Kinder bisher betraute Jugendwohlfahrtsträger teilte wie zuvor schon der Vater - dem Pflegschaftsgericht mit, dass die Mutter samt Kindern mittlerweile an einer Adresse in Wien 19 wohnhaft und die gesetzliche Vertretung an den nunmehr zuständigen Jugendwohlfahrtsträger mit dessen Zustimmung übertragen worden sei.
Mit Beschlüssen vom übertrug das Bezirksgericht Klagenfurt daraufhin die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN an das Bezirksgericht Döbling. Dieses lehnte die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens mit der Begründung ab, dass der Obsorgeantrag des Vaters unerledigt sei und sich das Bezirksgericht Klagenfurt bereits in das Unterhaltsherabsetzungsverfahren eingelassen habe.
Das Bezirksgericht Klagenfurt, dessen Übertragungsbeschlüsse unbekämpft in Rechtskraft erwachsen sind, legte die Akten gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist zu genehmigen.
Wenn es im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Ausschlaggebendes Kriterium für die Zuständigkeitsübertragung nach dieser Gesetzesstelle ist das Kindeswohl (RIS Justiz RS0047074). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen das Gericht am Besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RIS Justiz RS0047300). Offene Anträge sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, sofern nicht dem übertragenden Gericht für die ausstehende Entscheidung besondere Sachkenntnis zukommt (RIS Justiz RS0047032).
Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht Klagenfurt zwar den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters protokolliert und die von ihm vorgelegten Urkunden zum Akt genommen, darüber hinausgehende Erhebungen wurden aber noch nicht durchgeführt. Eine Äußerung der durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Kinder liegt noch nicht vor.
Mit Beschluss vom hatte das Bezirksgericht Klagenfurt die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache auch hinsichtlich der Personensorge an das Bezirksgericht Döbling übertragen. Mit Beschluss vom heutigen Tag wurde diese Zuständigkeitsübertragung durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt. Der unerledigte Antrag des Vaters, ihm die Obsorge über die Kinder zu übertragen, wurde nicht als Hindernis erachtet, weil die geänderten Lebensumstände der Mutter und der Kinder bisher nicht aktenkundig sind und das Wohnsitzgericht auch besser in der Lage ist, die Berechtigung der vom Vater erhobenen Vorwürfe zu überprüfen (2 Nc 2/11h).
Mag es wegen der Eigenständigkeit der in einem gemeinschaftlichen Pflegschaftsakt zusammengefassten Verfahren (vgl § 142 AußStrG) grundsätzlich zulässig sein, nur einzelne der gemeinschaftlichen Akten an ein anderes Gericht zu übertragen, wird es im Allgemeinen doch im Interesse des Kindeswohls liegen und zweckmäßig sein, wenn für die Entscheidung über mehrere offene Anträge in diesen Verfahren ein und dasselbe Pflegschaftsgericht zuständig ist. Im Übrigen liegen keine Beweisergebnisse vor, die nicht in gleicher Weise vom Pflegschaftsgericht des Aufenthaltsorts der Minderjährigen für die Entscheidung herangezogen werden könnten.
Die Übertragung ist daher zu genehmigen.