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OGH vom 26.02.1998, 2Ob290/97d

OGH vom 26.02.1998, 2Ob290/97d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Gerstenecker und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede K*****, vertreten durch Dr.Wilhelm Frysak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl T*****, vertreten durch Dr.Christine Wolf, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ungültigkeit eines Erbrechtstitels, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 74/97a-17, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 12 Cg 58/96d-8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß der erste Absatz des geänderten Spruches auf Feststellung der Unwirksamkeit des vom Beklagten in Anspruch genommenen gesetzlichen Erbrechtstitels zu lauten hat.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 16.020 (darin S 2.670 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Karl T***** ist am verstorben. Im Verlassenschaftsverfahren liegen zwei widerstreitende Erbserklärungen zum gesamten Nachlaß vor und zwar:

1) die von der Klägerin auf Grund des eigenhändigen schriftlichen Testamentes vom , wie auch auf Grund des Testamentes vom abgegebene bedingte Erbserklärung und

2) die vom Beklagten als Sohn des Erblassers auf Grund des Gesetzes abgegebene unbedingte Erbserklärung.

Die Klägerin brachte vor, ihr sei vom Verlassenschaftsgericht mit Beschluß vom die Klägerrolle zugewiesen worden. Sie begehrte mit der vorliegenden Klage die Feststellung der Gültigkeit des Testamentes vom , eventualiter des Testamentes vom , und die Feststellung, daß ihr das Erbrecht zum gesamten Nachlaß zustehe. Zu den Testamenten brachte sie vor: Das eigenhändige schriftliche Testament vom sei im Original vorhanden, das schriftliche fremdhändige notarielle Testament vom nur in Abschrift. Das Original sei in der Wohnung des Verstorbenen nicht aufgefunden worden. Sie behauptete jedoch, dieses sei nicht vernichtet, sondern vom Erblasser in Eigenverwahrung genommen worden. Beide Testamente seien in gültiger Form errichtet worden. In beiden Testamenten sei sie als Erbin eingesetzt worden. Der Grund für die Errichtung des notariellen Testamentes sei nur gewesen, eine Anordnung hinsichtlich einer Ersatzerbin und eine Beschränkung des Pflichtteiles des Beklagten zu treffen. Der im Testament vom enthaltene ausdrückliche Widerruf etwaiger letztwillger Anordnungen stelle nur eine Wiedergabe des Gesetzestextes dar, der ausdrückliche Widerruf wäre infolge der gleichen Erbseinsetzung nicht notwendig gewesen. Der Erblasser habe ihr auch nach Errichtung des jüngeren Testamentes mitgeteilt, daß sie Erbin sein solle. Durch die Unauffindbarkeit des jüngeren Testamentes sei aber auch der darin enthaltene Widerruf nicht als in der gesetzlichen Form vorliegend anzusehen. Ein gültiger Widerruf des älteren Testamentes liege somit nicht vor. Diese Auslegung entspreche auch der Bestimmung des § 723

ABGB.

Der Beklagte bestritt nicht das tatsächliche Vorbringen der Klägerin über den Gang des Verlassenschaftsverfahrens und den Inhalt der von ihr behaupteten Testamente, wendete aber ein, es liege kein gültiges Testament vor. Das schriftliche Testament vom könne die Klägerin nicht vorlegen, weswegen die gesetzliche Vermutung des § 722 ABGB gelte, daß das Testament vernichtet worden sei. Dies habe auch dem Willen des Erblassers entsprochen, der sich Anfang Juli 1992 ihm gegenüber bei einem Gespräch über den Zaun über "gierige Erbschleicher" und "Leute mit seltsamen Methoden" beschwert habe. Die Klägerin stelle keine Behauptung auf, daß der Verlust und die Vernichtung des Testamentes vom auf einem Zufall beruhe. Durch den ausdrücklichen Widerruf sämtlicher Vorverfügungen im Testament vom lebe auch das Testament vom nicht wieder auf.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und gab dem Eventualbegehren betreffend die Gültigkeit des Testamentes vom statt, wobei es bloß die Richtigkeit des beiderseitigen Vorbringens über den Inhalt des Verlassenschaftsaktes feststellte.

In rechtlicher Hinsicht erwog es, den Beweis, daß der Verlust oder die Vernichtung des Testamentes des Erblasser vom auf einem Zufall und nicht auf dem Willen des Erblassers beruhe, habe die Klägerin weder angetreten noch erbracht, das Hauptbegehren sei daher abzuweisen. Der Erblasser habe das Testament kurze Zeit nach dessen Hinterlegung abgeholt und vernichtet, weshalb dieses als Ganzes (einheitlicher Skripturakt) jedenfalls nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre. Damit gelange jedoch die Bestimmung des § 723 ABGB zur Anwendung, wonach die Klägerin aufgrund des Testamentes vom zur Alleinerbin berufen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß festgestellt wurde, die vom Beklagten aufgrund des Gesetzes abgegebene Erbserklärung sei schwächer als die von der Klägerin aufgrund des Testamentes vom abgegebene Erbserklärung. Das Mehrbegehren der Klägerin auf Feststellung ihres Erbrechts zum Nachlaß des Erblassers wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision - mangels Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - nicht zulässig sei; mit Beschluß vom ergänzte es seine Entscheidung dahin, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt. Zur Rechtsrüge führte es folgendes aus:

Beide Parteien stimmten in rechtlicher Hinsicht mit dem Erstgericht überein, daß das Testament vom gültig zustande gekommen sei. Das Erstgericht sei zur Auffassung gelangt, daß durch die Vernichtung des Testamentes vom durch den Erblasser auch der darin enthalten gewesene Widerruf etwaiger früherer Testamente nicht mehr Rechtsgültigkeit habe. Demgegenüber vertrete der Beklagte die Rechtsansicht, die im gültig zustande gekommenen Testament vom enthaltene Aufhebung früherer Anordnungen habe das Testament vom beseitigt, dies könne durch die Vernichtung des Testaments vom nicht im Nachhinein wieder ungeschehen gemacht werden.

Zur Lösung dieser Frage habe der Gesetzgeber mit § 723 ABGB eine Auslegungsregel geschaffen. Danach trete eine frühere schriftliche Anordnung wieder in Kraft, wenn der Erblasser eine spätere Anordnung vernichte. Der Widerruf der späteren Verfügung habe jedoch stillschweigend zu erfolgen. Unter der Voraussetzung, daß die frühere schriftliche Anordnung unversehrt geblieben sei, lebe diese wieder auf, wenn sie ausdrücklich widerrufen worden sei und dieser Widerruf nun seinerseits stillschweigend nach § 721 ABGB widerrufen werde. Der Sinn der Vermutung des § 723 ABGB liege darin, daß der Erblasser ohne Förmlichkeiten nicht nur das spätere Testament aufheben, sondern auch das frühere Testament wieder in Kraft setzen könne. Durch die Vernichtung des Testaments vom sei stillschweigend der in diesem Testament enthaltene ausdrückliche Widerruf früherer Verfügungen widerrufen worden (vgl auch § 713 ABGB). Diese stillschweigende Vernichtung des Testamentes vom habe daher das Wiederaufleben des Testaments vom zur Folge, weil diese Urkunde vom Erblasser unversehrt geblieben sei.

Die Zuweisung der Klägerrolle bewirke keine Bindung an die Rechtsansicht des Verlassenschaftsgerichtes. Der Beschluß über die Verweisung auf den Rechtsweg vermöge die Urteilswirkungen im Erbrechtsstreit nicht zu beeinflussen. Zutreffend seien aber die Ausführungen in der Berufung, daß die Erbrechtsklage im Sinne einer negativen Feststellungsklage zu formulieren sei. Es sei daher im Erbrechtsstreit nur festzustellen, ob der Erbrechtstitel, auf den der Beklagte seine Erbserklärung gestützt habe, schwächer sei als der in der Erbserklärung des Klägers genannte Titel, nicht aber, ob der Kläger erbberechtigt sei. Dies führe aber nicht dazu, daß eine positiv auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers gerichtete Erbrechtsklage zur Gänze abgewiesen werden müßte. Denn der Kläger, der die Feststellung seines Erbrechtes begehre, mache ja damit auch notwendigerweise geltend, daß der Erbrechtstitel, auf den sich der Beklagte beruft, schwächer sei. Das Begehren auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers umfasse daher auch dieses Begehren; das zweitgenannte Begehren sei gegenüber dem erstgenannten kein aliud, sondern ein minus. Ohne Überschreitung der Vorschrift des § 405 ZPO sei diese Feststellung auch bei Feststellungsklagen unter Abweisung des Mehrbegehrens auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers möglich.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung bedarf, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, im notariellen Testament vom sei ein ausdrücklicher Widerruf sämtlicher früherer Testamente verfügt, somit auch das schriftliche Testament vom aufgehoben worden. Diese Aufhebung sei durch die spätere Vernichtung des notariellen Testaments nicht ungeschehen gemacht worden. Die Klägerin hätte begehren müssen, daß ihr Erbrechtstitel der stärkere sei. Demgegenüber stelle ihre Eventualbegehren ein aliud dar. Mit der vorgenommenen Umformulierung habe das Berufungsgericht gegen § 405 ZPO verstoßen.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Auszugehen ist davon, daß das noch im Original vorhandene schriftliche Testament vom gemäß § 713 ABGB durch die Errichtung des notariellen Testaments vom , das überdies einen ausdrücklichen Widerruf früherer Verfügungen enthielt, aufgehoben wurde und daß dieses, vom Erblasser zunächst hinterlegte, sodann wieder abgeholte und nunmehr unauffindbare Testament mangels Nachweis der Zufälligkeit des Verlusts (vgl EvBl 1983/62) gemäß den §§ 721 f ABGB als stillschweigend widerrufen anzusehen ist.

Gemäß § 723 ABGB lebt eine frühere schriftliche Anordnung wieder auf, wenn der Erblasser eine spätere vernichtet, die frühere aber unversehrt gelassen hat. Hiezu wurde in SZ 62/11 ausgesprochen, daß diese Bestimmung nur bei einem stillschweigenden, nicht aber (auch nicht analog) bei einem ausdrücklichen Widerruf der zweiten Verfügung gilt. Um einen stillschweigenden Widerruf des zweiten Testaments handelt es sich aber im vorliegenden Fall. Auch der stillschweigende Widerruf eines ausdrücklichen Widerrufs fällt unter § 723 ABGB und die widerrufene Verfügung lebt daher wieder auf, wenn sie unversehrt geblieben ist (Kralik, Erbrecht 154; Welser in Rummel**2 § 723 ABGB Rz 2; Eccher in Schwimann**2 § 723 ABGB Rz 2). Da das erste Testament unversehrt gelassen wurde, ist es somit wieder in Kraft getreten.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Klage des auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprechers eine negative Feststellungsklage; ihr Begehren ist auf die Feststellung der Unwirksamkeit des vom Beklagten in Anspruch genommenen Erbrechtstitels zu richten. Eine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers hat nicht zu ergehen (NZ 1997, 61 mwN; RIS-Justiz RS0007971). Dem entspricht das noch unerledigte Eventualbegehren der Klägerin nicht. Es ist ua auf Feststellung gerichtet, daß ihr das Erbrecht zum Nachlaß des Erblassers zusteht. Das in einer Erbrechtsklage gestellte Begehren auf Feststellung des Erbrechts des Klägers umfaßt aber auch das Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbrechtstitels, auf den sich der Beklagte beruft. Es ist daher aufgrund eines solchen Begehrens - unter Abweisung des auf Feststellung des Erbrechts des Klägers gerichteten Mehrbegehrens (wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat) - die Feststellung der Unwirksamkeit des Erbrechtstitels, auf den sich der Beklagte beruft, möglich (SZ 58/187; JBl 1992, 587; Welser aaO §§ 799, 800 ABGB Rz 24). Hiebei handelt es sich nicht um ein aliud, sondern nur um ein minus, weshalb der vom Rechtsmittelwerber behauptete Verstoß gegen § 405 ZPO nicht vorliegt (SZ 58/187; RIS-Justiz RS0007970).

Allerdings hat sich das Berufungsgericht bei der Formulierung seiner Entscheidung offenbar an der Diktion bei Verteilung der Parteirollen gemäß § 126 AußStrG orientiert (vgl Welser aaO §§ 799, 800 ABGB Rz 25). Sein Urteil war daher im Sinne der oben angeführten ständigen Rechtsprechung mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.