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OGH vom 19.11.2015, 7Ob169/15a

OGH vom 19.11.2015, 7Ob169/15a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Unterbringungssache des Kranken J***** B*****, geboren am *****, vertreten durch den Verein VertretungsNetz Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung, ***** (Patientenanwalt Dr. M***** S*****), dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Abteilungsleiters Prim. Dr. E***** W*****, vertreten durch Prof. Haslinger Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 243/15g 9, mit dem der Rekurs des Abteilungsleiters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 14 Ub 202/15i 4, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Kranke befand sich ab in (zwischenzeitig wieder beendeter) Behandlung auf der Interdisziplinären Demenzstation (IDS) im Klinikum W***** G*****. Dieses meldete der Bewohnervertretung mit Fax vom den Beginn der erfolgten Freiheitsbeschränkungen mittels „Gurten“, „Tisch“ und „Bremsen“ zum Hindern am Aufstehen aus dem Rollstuhl, mittels „Gurten“ und „Tisch“ zum Hindern am Aufstehen von einer Sitzgelegenheit sowie mittels „Seitenteilen“ und „Gurten“ zum Hindern am Verlassen des Bettes mit , 15:00 Uhr. Als Grund waren „psychische Krankheit“, „Selbstgefährdung“ und „Fremdgefährdung“ sowie „Pat. ist delirant Absprachen nicht möglich = Sturzgefahr“ angeführt. Ein ärztliches Zeugnis zur Beurteilung der Unterbringungsvoraussetzungen hatte der Leiter der Abteilung für Psychiatrie nicht veranlasst. Gericht und Patientenanwaltschaft wurden von der Unterbringung nicht verständigt.

Der Kranke leidet an einem vaskulären Parkinsonsyndrom und einer Demenz. Als Komplikation aufgrund eines Medikaments zur Parkinsonbehandlung hat er eine Psychose entwickelt. Wegen des Parkinsonsyndroms ist er sturzgefährdet und aufgrund der Demenz sowie der Parkinsonerkrankung nicht paktfähig. Er war fremdaggressiv und hatte das Pflegepersonal geschlagen. Eine Behandlungsalternative bestand nicht.

Zur Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin des Klinikums (folgend: Abteilung für Psychiatrie) gehören drei Stationen im Bautrakt B5. Dabei handelt es sich einerseits um die Akutstation mit dem geschlossenen Bereich im Erdgeschoß, eine allgemeine Station im Obergeschoß sowie eine psychiatrische Tagesklinik. Daneben gibt es als weitere Station die IDS, die aus acht Betten der Abteilung für Psychiatrie und acht Betten der Abteilung für Neurologie gebildet wurde. Geleitet wird die Station von zwei Oberärztinnen, nämlich einer aus der Abteilung für Psychiatrie und einer aus der Abteilung für Neurologie. Diese Oberärztinnen unterstehen dem jeweiligen Leiter der Abteilung für Neurologie bzw Psychiatrie. Das Ärzteteam ist mit ungefähr gleich viel Personal aus den Fachbereichen Psychiatrie und Neurologie ausgestattet. Regelmäßig ist auch ein Internist an dieser Station tätig. Die Pflegeleitung der IDS ist der Pflegedirektion unterstellt. Die Pflegeleiterin hat jedenfalls das psychiatrische Pflegediplom. Beim Pflegepersonal handelt es sich um allgemeine Diplomkrankenschwestern teilweise mit einem Gerontologiediplom. Die Zimmer und Betten auf der IDS sind nicht starr einer Abteilung (Neurologie oder Psychiatrie) zugeordnet, sondern werden nach Bedarf zugewiesen. Es kann daher beispielsweise der Fall sein, dass zehn Betten von der Abteilung für Psychiatrie belegt werden und nur sechs von der Abteilung für Neurologie. Die Anzahl der behandelten Personen und die Belagstage sind für die beteiligten Abteilungen ungefähr gleich.

Die IDS wurde geschaffen, um das Zustandsbild der „delirant dementen“ Personen möglichst gut behandeln zu können. Kommt ein Patient in das Klinikum kann dieser zunächst entweder der Abteilung für Psychiatrie oder der Abteilung für Neurologie zugewiesen werden. Der diensthabende Facharzt kann dann entscheiden, ob der Patient die besonderen Einrichtungen der IDS nutzen kann. Dazu wird der Patient an der IDS vorgestellt. Die für die jeweilige Fachrichtung zuständige Oberärztin entscheidet dann, ob der Patient geeignet ist und in die IDS aufgenommen wird. Wird ein Patient von der Abteilung für Neurologie vorgestellt, entscheidet die Oberärztin für Neurologie, wird ein Patient von der Abteilung für Psychiatrie vorgestellt, entscheidet die Oberärztin für Psychiatrie. Dementsprechend wird der Patient dann auf ein „neurologisches“ oder „psychiatrisches“ Bett gelegt. Ist die angerufene Oberärztin der Ansicht, dass beim Patienten die Diagnose aus dem anderen Fachbereich überwiegt, kann sie ihn an der anderen Abteilung vorstellen. Auf diesem Weg kann der Patient dann von der anderen Abteilung wieder an der IDS vorgestellt werden. Eine Oberärztin kann aber den Patienten nicht auf ein Bett des anderen Fachbereichs legen. Kommt ein Patient mit Demenz und ohne Komorbidität in das Klinikum, kann dieser entweder an der Abteilung für Neurologie oder an jener für Psychiatrie behandelt werden und auf diesem Weg in die IDS kommen. Über welche Abteilung der Patient in die IDS kommt, hängt in diesem Sinn vom Zufall ab. Wird ein Patient von der Abteilung für Psychiatrie vorgestellt und auf der IDS aufgenommen, wird eine Meldung nach dem Unterbringungsgesetz erstattet. Wird ein Patient von der Abteilung für Neurologie vorgestellt und auf der IDS aufgenommen, wird eine Meldung nach dem Heimaufenthaltsgesetz erstattet. Soweit möglich wird dem Patienten mitgeteilt, dass er (zB) von der Abteilung für Neurologie behandelt wird. Den Patienten wird in jedem Fall erklärt, dass es zwei unterschiedliche Ärzteteams gibt, nicht jedoch, dass sie auf einem „neurologischen“ oder „psychiatrischen“ Bett liegen.

Unter Demenz versteht man eine degenerative oder vaskuläre gemischtformige Hirnerkrankung, die zu einem Verlust der höheren psychischen Funktionen und im Längsverlauf zum Tod führt.

Die Trennung zwischen einer „neurologischen“ und einer „psychiatrischen“ Demenz ist rein fiktiv und medizinisch nicht nachvollziehbar. Die Erkrankung betrifft mit dem Gehirn ein psychiatrisch-neurologisches Erfolgsorgan und sie scheint in der WHO Klassifikation nach ICD sowohl im F Klassifikationsschema (psychiatrische Erkrankungen) als auch im G Klassifikationsschema (neurologische Erkrankungen) auf.

Im neurologischen Klassifikationsschema wird eher auf die degenerative Natur der Erkrankung abgestellt, im psychiatrischen Klassifikationsschema auf die daraus resultierenden Verhaltensstörungen. Eine degenerative Hirnveränderung wirkt sich aber dort aus, wo sie stattfindet, nämlich in den Funktionen, welche das Hirn steuern. Aus diesem Grund führt die Demenz auch zu einer Beeinträchtigung der psychischen Funktionen und wird sich immer zwingend auch als psychiatrische Erkrankung manifestieren. Eine rein neurologische Demenz, also eine Demenz, die degenerative Veränderungen herbeiführt, aber keinerlei psychiatrische Auffälligkeiten generiert, ist nicht denkbar. Genauso wenig wäre es denkbar, dass jemand demenzspezifische psychiatrische Auffälligkeiten aufweist ohne neurologisch-apparativ fassbare Hirnveränderungen. Wenn es im Zusammenhang mit der Demenzerkrankung zu parkinsoniden Symptomen kommt, sich also ein Parkinson ausbildet, wäre das eher in der Domäne der Neurologen gelegen und die Beiziehung eines Neurologen sinnvoll.

Die Trennung der Patienten durch das Klinikum ist aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Die interdisziplinäre Behandlung der Demenzpatienten ist aber sinnvoll. Sowohl Fachärzte für Neurologie als auch Fachärzte für Psychiatrie dürfen Demenzpatienten eigenverantwortlich behandeln. Es kann nur im Einzelfall beurteilt werden, ob die medizinische Behandlung oder die Pflege und Betreuung eines Demenzpatienten im Vordergrund steht. Es kann bei einem Patienten im Rahmen eines Aufenthalts auch beides möglich sein.

Der Kranke begehrte mit seinem verfahrenseinleitenden Antrag soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant , seine Unterbringung seit schon mangels Meldung an die Patientenanwaltschaft für unzulässig zu erklären. Bei der IDS handle es sich um eine einheitliche psychiatrische Abteilung.

Das Erstgericht erklärte die Unterbringung des Kranken für unzulässig. Es war rechtlich zusammengefasst -der Ansicht, dass die IDS des Klinikums als Ganzes eine psychiatrische Abteilung iSd § 2 UbG sei. Die Unterbringung des Kranken sei nach dem UbG schon aufgrund der fehlenden Meldungen an das Gericht und an die Patientenanwaltschaft sowie aufgrund des fehlenden ärztlichen Zeugnisses unzulässig gewesen.

Gegen den vom Erstgericht mündlich verkündeten Beschluss meldete der in der Verhandlung „für den Abteilungsleiter der Abteilung für Psychiatrie (anwesende): Mag. Günther H***** (Jurist des Klinikums ...)“ Rekurs an, den der Abteilungsleiter fristgerecht ausführte.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Abteilungsleiters zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass gemäß § 20 Abs 2 UbG nur der Abteilungsleiter die Möglichkeit habe, gegen den Beschluss, mit dem die Unterbringung für unzulässig erklärt worden sei, Rekurs zu erheben. Andere Ärzte als der mit der Leitung der Abteilung betraute Facharzt bzw sein Vertreter (vgl § 4 Abs 2 UbG) könnten selbst bei Vorliegen einer Ermächtigung durch den Abteilungsleiter einen Rekurs weder wirksam anmelden noch erheben. Es sei dann umso mehr eine Vertretungsbefugnis des hier eingeschrittenen Juristen des Klinikums zu verneinen. Damit könne unerörtert bleiben, dass sich der Jurist des Klinikums nach dem Verhandlungsprotokoll über die Erstanhörung auch nicht auf eine Bevollmächtigung durch den Abteilungsleiter berufen oder eine Vollmacht vorgelegt habe. Da somit eine rechtswirksame Rekursanmeldung fehle, sei das Rechtsmittel schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

Der Rekurs wäre aber auch nicht berechtigt. Es könne nämlich auch eine als „Station“ bezeichnete Organisationseinheit als „Abteilung“ iSd § 2 UbG gelten. Die Frage, ob eine Krankenanstalt oder eine Abteilung „psychiatrischen Charakter“ habe, sei anhand einer Durchschnittsbetrachtung der versorgten Patientengruppen (Art der Krankheitsbilder), der erbrachten Leistungen (Art und Fachzugehörigkeit der medizinischen Tätigkeiten) und der internen Organisationsstrukturen (insbesondere fachliche Qualifikation des Personals) zu beurteilen; es komme somit auf die materielle Beurteilung an, ob der Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit bzw der behandelten Krankheiten bei objektiver Betrachtung ins Fachgebiet der Psychiatrie falle und daher die medizinisch-psychiatrische Versorgung im Vordergrund stehe. Das sei hier der Fall, weil sich nach den Feststellungen eine Demenz immer auch als psychiatrische Erkrankung manifestiere. Das Erstgericht habe demnach die Unterbringung des Kranken auf der Grundlage des UbG wegen der fehlenden Meldung an das Gericht und an die Patientenanwaltschaft sowie des fehlenden ärztlichen Zeugnisses zu Recht für unzulässig erklärt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Abteilungsleiters mit dem Antrag, den Beschluss des Rekursgerichts ersatzlos aufzuheben und diesem die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen. Hilfsweise beantragt der Abteilungsleiter die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin, dass der verfahrenseinleitende Antrag des Kranken mangels Geltung des UbG für die IDS zurück bzw abgewiesen werde. In eventu wird die Feststellung begehrt, dass die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zulässig gewesen seien.

Der Patientenanwalt erstattete eine ihm freigestellte Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur erheblichen Rechtsfrage, ob es sich bei der IDS des Klinikums, einer Betriebsform gemäß § 10 Abs 9 Z 1 OÖ KAG 1997 idF OÖ KAG Nov 2012, LGBl 2012/70, um eine psychiatrische Abteilung im Sinn der UbG handelt, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt. Der Revisionsrekurs ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Der Abteilungsleiter macht in seinem Revisionsrekurs zunächst geltend, das Rekursgericht habe gestützt auf ein aus § 4 Abs 2 UbG abgeleitetes Verständnis des Begriffs „Abteilungsleiter“ die Vertretungsbefugnis des Juristen des Klinikums (zur Rekursanmeldung) rechtsirrig verneint, obwohl im außerstreitigen Verfahren erster Instanz eine Vertretung durch jede eigenberechtigte Person zulässig gewesen sei. Dazu ist Folgendes zu erwägen:

1.1. Die §§ 4 ff UbG regeln die Unterbringung auf Verlangen. Nach § 4 Abs 2 UbG muss dieses Verlangen vor der Aufnahme eigenhändig schriftlich gestellt werden und dies hat in Gegenwart des mit der Führung der Abteilung betrauten Arztes oder seines Vertreters, die folgend als Abteilungsleiter bezeichnet werden, zu geschehen. § 4 Abs 2 UbG normiert demnach bestimmte formelle Anforderungen für die Zulässigkeit der Unterbringung auf Verlangen ( Kopetzki , Grundriss des Unterbringungsrechts 3 Rz 240; Halmich , UbG [2014] § 4 Rz 1). Aus der in § 4 Abs 2 UbG enthaltenen Abgrenzung des Begriffs „Abteilungsleiter“ werden zwar in der Lehre auch Rückschlüsse auf die Grenzen der Parteistellung, namentlich auf die Befugnis zur Rekursanmeldung und -erhebung, gezogen (vgl Kopetzki , Grundriss des Unterbringungsrechts 3 Rz 346), doch stellt sich ein solche Abgrenzungsfrage vorliegend nicht. Rekursanmeldung und -erhebung sind nämlich ohnehin durch den Abteilungsleiter erfolgt, nur war dieser in der Verhandlung vor dem Erstgericht und bei der dort vorgenommenen Rekursanmeldung durch den Juristen des Klinikums vertreten. Fraglich ist also nicht die Rekurslegitimation (vermeintlich Dritter), sondern (nur) die Möglichkeit, hier konkret des Abteilungsleiters, sich im Verfahren erster Instanz vertreten zu lassen.

1.2. Nach § 4 Abs 1 AußStrG können die Parteien in erster und zweiter Instanz selbst vor Gericht handeln und sich in erster Instanz durch jede eigenberechtigte Person vertreten lassen. Diese Regelung gilt auch für das Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz (§ 12 Abs 2 UbG), enthält dieses doch selbst keine davon abweichende Sonderregelung. Die vor dem Erstgericht erfolgte Vertretung des Abteilungsleiters durch den Juristen des Klinikums und die dabei vorgenommene Rekursanmeldung waren daher im Lichte des § 4 Abs 1 AußStrG (iVm § 12 Abs 2 UbG) grundsätzlich zulässig und vorbehaltlich des gleich anzusprechenden Vollmachtsnachweises auch wirksam.

1.3. Zufolge § 6 Abs 4 AußStrG (iVm § 12 Abs 2 UbG,§ 30 Abs 1 ZPO) ist die Einschreitervollmacht auch im Außerstreitverfahren urkundlich nachzuweisen ( Zib in Fasching/Konecny 3 II/1 § 30 ZPO Rz 34). Ein solcher urkundlicher Nachweis der Einschreitervollmacht des Juristen des Klinikums ist nach der Aktenlage vor dem Erstgericht nicht erfolgt.

1.4. Einen Mangel der Vollmacht hat das Gericht in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen wahrzunehmen (§ 37 Abs 1 ZPO iVm § 6 Abs 4 AußStrG,§ 12 Abs 2 UbG; vgl RIS Justiz RS0035627), aber auch die Gelegenheit zu dessen Sanierung zu eröffnen (vgl § 38 Abs 2 ZPO iVm § 6 Abs 4 AußStrG,§ 12 Abs 2 UbG;, 5 Ob 237/09b; Zib in Fasching/Konecny 3 II/1 § 38 ZPO Rz 38). Diese kann durch nachträgliche Genehmigung der ohne nachgewiesene Vollmacht gesetzten Handlungen etwa in Form des rügelosen Ergreifens von Rechtsmitteln oder des Einlassens in das Rechtsmittelverfahren durch die Partei erfolgen ( Zib in Fasching/Konecny 3 II/1 § 37 ZPO Rz 9; § 58 Abs 2 AußStrG; vgl auch , 5 Ob 237/09b). Dies ist hier mit dem vom Abteilungsleiter selbst verfassten Rekurs geschehen. Ein in erster Instanz vorgelegener Vollmachtsmangel ist daher jedenfalls saniert und für die Zurückweisung des Rekurses des Abteilungsleiters bestand somit kein Anlass.

1.5. Nach vorliegender Rechtsprechung ist allerdings ein Beschluss, in dem das Gericht zweiter Instanz den Rekurs zwar formal zurückweist, aber dazu die angefochtene Entscheidung nicht nur formell, sondern wie hier auch in sachlicher Hinsicht überprüft, als Sachentscheidung anzusehen; ihr formaler Teil ist dann unbeachtlich (RIS Justiz RS0044232; vgl auch 6 Ob 207/05t) und die Partei, hier der Abteilungsleiter, kann sich dann allein durch die formelle Zurückweisung des Rechtsmittels nicht (mehr) als beschwert erachten (vgl 3 Ob 62/03v).

2. Der Abteilungsleiter ist in der Sache der Ansicht, dass die IDS des Klinikums nicht auf Basis einer Durchschnittsbetrachtung insgesamt dem Unterbringungs-gesetz unterstellt werden dürfe. Dieses gelte vielmehr wegen der eindeutig möglichen Zuordnung nur für Patienten der psychiatrischen Einheit, nicht aber für den neurologischen Kranken. Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen:

2.1. Nach § 2 UbG gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie (psychiatrische Abteilung), in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden (Unterbringung).

2.2. Ob eine Krankenanstalt oder eine Abteilung „psychiatrischen Charakter“ hat, ist nach bisheriger Rechtsprechung anhand einer Durchschnittsbetrachtung der versorgten Patientengruppen (Art der Krankheitsbilder), der erbrachten Leistungen (Art und Fachzugehörigkeit der medizinischen Tätigkeiten) und der internen Organisationsstrukturen (insbesondere fachliche Qualifikation des Personals) zu beurteilen; es kommt auf die materielle Beurteilung an, ob der Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit bzw der behandelten Krankheiten in der fraglichen Krankenanstalt oder Abteilung bei objektiver Betrachtung ins Fachgebiet der Psychiatrie fällt und daher die medizinisch-psychiatrische Versorgung im Vordergrund steht (6 Ob 46/07v EF Z 2007/112 = iFamZ 2007/127; 10 Ob 78/07d EF Z 2008/18 [ Höllwerth ] = iFamZ 2008/18). Von diesen Grundsätzen ist auch im vorliegenden Fall auszugehen.

2.3. Der Kranke war auf der IDS untergebracht, die nach der Eigenankündigung des Klinikums „ideale Voraussetzungen für die Behandlung von psychischen Störungen und psychiatrischen Erkrankungen“ bietet. Diese Betriebsform beruht auf § 10 Abs 9 Z 1 OÖ KAG 1997, welcher lautet:

„(9) Folgende Arten der Betriebsformen sind in Krankenanstalten neben der herkömmlichen Art der fachrichtungsspezifischen bzw. zeitlich durchgängigen Betriebsform möglich:

1. Interdisziplinär geführte Bereiche zur Behandlung von Patienten aus verschiedenen Sonderfächern, die in der Krankenanstalt in einer der fachrichtungsbezogenen Organisationsformen gemäß § 3a vorgehalten werden. Es ist sicherzustellen, dass die Patienten jederzeit zweifelsfrei einem bestimmten Sonderfach zugeordnet werden können;“

Dieser Abs 9 wurde mit der OÖ KAG Nov 2012, LGBl 2012/70, angefügt. Die maßgebliche, im Wesentlichen gleichlautende Grundsatzregelung enthält § 6 Abs 7 KAKuG, die ihrerseits mit BGBl I 2011/147 erfolgt ist.

2.4. Die vom Abteilungsleiter hervorgehobene Regelung, wonach bei dieser Betriebsform sicherzustellen sei, dass die Patienten jederzeit zweifelsfrei einem bestimmten Sonderfach zugeordnet werden können, dient der Rechtssicherheit und der notwendigen Transparenz (vgl dazu auch ErläutRV [zu BGBl I 2011/147] 1519 BlgNR 24. GP 3). Diese formale Zuordnung kann aber in einer interdisziplinären Betriebsform, deren Eigenart ja gerade in der Behandlung von Patienten aus verschiedenen Sonderfächern besteht, kein abschließendes Kriterium für die hier maßgebliche Frage des „psychiatrischen Charakters“ der erbrachten Leistungen sein. Überdies ist der Umstand, ob der Patient auf einem „neurologischen“ oder „psychiatrischen“ Bett liegt, nach den Feststellungen des Erstgerichts von dem mehr oder weniger zufälligen Umstand abhängig, welches Beschwerdebild beim Patienten zum Zeitpunkt seiner Vorstellung im Vordergrund steht.

2.5. Demgegenüber soll schon nach der Bezeichnung der Station und dem eigenen Anspruch des Klinikums die IDS „ideale Voraussetzungen für die Behandlung von psychischen Störungen und psychiatrischen Erkrankungen“ bieten. Der Fokus liegt demnach auf der umfassenden, neurologische und psychiatrische Aspekte insgesamt berücksichtigenden Behandlung von Demenzkranken. Dies entspricht der durch das Sachverständigengutachten und den darauf aufbauenden Feststellungen des Erstgerichts dokumentierten ärztlichen Erkenntnis, dass eine Trennung zwischen einer „neurologischen“ und einer „psychiatrischen“ Demenz rein fiktiv und medizinisch nicht nachvollziehbar wäre. Vielmehr betrifft die Demenz mit dem Gehirn gerade ein psychiatrisch-neurologisches Organ und daher dürfen sowohl Fachärzte für Neurologie als auch solche für Psychiatrie Demenzpatienten eigenverantwortlich behandeln.

2.6. Im Ergebnis ist daher ausgehend von der versorgten Patientengruppe ([delirante] Demenzkranke), der Eigenart dieser Krankheit als (auch und maßgeblich) psychiatrische Erkrankung sowie der dementsprechenden fachlichen medizinischen Tätigkeit und Qualifikation des Personals (mitbeteiligte psychiatrische Abteilung, Pflegeleiterin mit psychiatrischem Diplom) die IDS im Einklang mit dem dokumentierten eigenen Behandlungskonzept des Klinikums insgesamt als psychiatrische Abteilung iSd § 2 UbG zu qualifizieren. Der zufällige Umstand des zum Zeitpunkt der Vorstellung des Patienten im Vordergrund stehenden Beschwerdebildes und die daraus resultierende Zuteilung auf ein „neurologisches“ oder „psychiatrisches“ Bett dienen der Rechtssicherheit und Transparenz, bieten aber keine Grundlage für die Annahme, es lägen zwei selbstständige Organisationseinheiten vor, von denen nur eine in den Anwendungsbereich des UbG fiele. Eine konkurrierende Anwendung des HeimAufG ist zufolge dessen § 2 Abs 2 ausgeschlossen. Die Vorinstanzen sind daher im Ergebnis zu Recht von der Anwendbarkeit des UbG ausgegangen.

3. Gemäß § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine psychiatrische Abteilung gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im Einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet. Nach § 10 Abs 1 UbG hat der Abteilungsleiter die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen werden, wenn nach seinem ärztlichen Zeugnis die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. Gemäß § 10 Abs 2 UbG hat der Abteilungsleiter den aufgenommenen Kranken ehestens über die Gründe der Unterbringung zu unterrichten. Er hat ferner unverzüglich einen Patientenanwalt und, wenn der Kranke nicht widerspricht, einen Angehörigen sowie auf Verlangen des Kranken auch dessen Rechtsbeistand von der Unterbringung zu verständigen. Der Verständigung des Patientenanwalts ist eine maschinschriftliche Ausfertigung des ärztlichen Zeugnisses anzuschließen. Wird eine Person ohne Verlangen in eine psychiatrische Abteilung aufgenommen (§§ 10 und 11 UbG), so hat gemäß § 17 UbG der Abteilungsleiter hievon unverzüglich das Gericht zu verständigen. Alle zuvor genannten formellen Unterbringungsvoraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weshalb die Unterbringung des Kranken unzulässig war. Der Revisionsrekurs ist daher im Ergebnis nicht berechtigt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00169.15A.1119.000