OGH vom 21.12.2011, 6Ob221/11k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** S*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei C***** Gesellschaft mb.H., *****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses (Streitwert 35.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 107/11v 17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 59 Cg 186/10v 13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen .
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (vgl § 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit sich Willensmängel bei einem Abtretungsvertrag über Geschäftsanteile an einer Kapitalgesellschaft (auch) auf die Rechtsbeziehung zwischen dem (beitretenden) Gesellschafter oder der Gesellschaft auswirken können.
1. Bereits aufgrund der Ergebnisse des zwischen den Parteien zu 12 Cg 129/10s des Landesgerichts Innsbruck geführten Verfahrens steht fest, dass im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags der Beklagten die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten nur aus wichtigem Grund möglich ist (6 Ob 121/11d). In dieser Entscheidung hat der erkennende Senat außerdem die Auffassung des Berufungsgerichts (4 R 90/11h des Oberlandesgerichts Innsbruck) gebilligt, dass die materiellen Satzungsbestandteile des Gesellschaftsvertrags der Beklagten objektiv auszulegen sind. Dazu gehört nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die Bestimmung über die Änderung der Geschäftsführerbefugnis; es komme daher nicht maßgeblich darauf an, ob die Beschlussfassung der damaligen Gesellschafter der Beklagten betreffend die teilweise Änderung der genannten Satzungsbestandteile (wie vom Kläger behauptet) entgegen konkreter Vereinbarungen zwischen dem Kläger und einem anderen Gesellschafter anlässlich der teilweisen Abtretung von Geschäftsanteilen durch diesen stattfand oder nicht.
Der Grundsatz der objektiven Auslegung des Gesellschaftsvertrags der Beklagten muss im Übrigen im vorliegenden Verfahren schon allein deshalb berücksichtigt werden, weil seit der maßgeblichen Änderung des Gesellschaftsvertrags die Gesellschafterstruktur insofern verändert wurde, als nunmehr auch M***** H***** Gesellschafter der Beklagten ist (vgl dazu ausführlich 6 Ob 99/11v RWZ 2011/66 [ Wenger ] = ZUS 2011/24 [ Schumacher ] = GesRZ 2011, 366 [ Enzinger ]).
2. Dass die Abberufungsmodalitäten des Gesellschaftsvertrags zu den materiellen Satzungsbestandteilen gehören, kann nach der Entscheidung 6 Ob 121/11d nicht zweifelhaft sein. Auch die Abberufungsmodalitäten sind somit objektiv auszulegen. Ob die einschlägigen Regelungen von den Vorinstanzen richtig ausgelegt wurden, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls (RIS Justiz RS0042936 [21], zuletzt 6 Ob 121/11d). Die Auslegung der Vorinstanzen dahin, dass im vorliegenden Fall die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer zwar nur aus wichtigem Grund, jedoch mit einfacher Mehrheit möglich ist, ist jedenfalls vertretbar.
3. Die Frage, inwieweit die (angebliche) arglistige Täuschung des Klägers bei Abschluss des Abtretungsvertrags mit dem weiteren Gesellschafter durch diesen und dessen Ehegattin bei Auslegung der Abberufungsbestimmungen beziehungsweise bei Beurteilung der Geltung derselben zu berücksichtigen ist, wurde bereits im Vorverfahren behandelt und zu Lasten des Klägers entschieden. Dass es zum Zeitpunkt der Abtretung der Geschäftsanteiles neben dem abtretenden Gesellschafter und dessen Ehegattin keine weiteren Gesellschafter gab, gesteht der Kläger ausdrücklich zu; dies ist auch den erstinstanzlichen Feststellungen zu entnehmen; bei der nunmehr angefochtenen Beschlussfassung über die Abberufung des Klägers war jedoch M***** H***** bereits weiterer Gesellschafter. Schon aus diesem Grund kann sich der Kläger gegenüber der beklagten Gesellschaft nicht auf eine arglistige Täuschung bei Abtretung der Geschäftsanteile berufen.
4. Das Rekursvorbringen, wonach die Stimmabgabe des abtretenden Gesellschafters und seiner Ehegattin bei Abberufung des Klägers im Hinblick auf deren (angebliche) arglistige Täuschung treuwidrig gewesen sei, stellt eine unzulässige Neuerung dar. Im Verfahren erster Instanz hat sich der Kläger nämlich zwar auf die (angebliche) Arglist der Genannten bei Abschluss des Abtretungsvertrags berufen, nicht jedoch geltend gemacht, dass damit ihr Stimmverhalten bei Abberufung des Klägers treuwidrig gewesen sei.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.