OGH vom 22.10.2013, 4Ob140/13m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Prochaska Heine Havranek Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G***** K*****, 2. S***** U*****, 3. I***** W*****, alle vertreten durch Ferner Hornung Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, 4. P*****, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 300.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 2 R 97/13v 18, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 138/12t 11, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der erst- und der drittbeklagten Partei die mit jeweils 1.470,34 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin jeweils 245,06 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin nimmt den Erst- und den Drittbeklagten in Anspruch, weil sie auf internationalen Messen in Deutschland und der Türkei für Erzeugnisse der Viertbeklagten geworben hatten, deren später über Vermittlung der Zweitbeklagten erfolgter Import nach Österreich ein österreichisches Patent der Klägerin verletzte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist nicht bescheinigt, dass der Erst- und der Drittbeklagte ihre Werbung auf den Messen auf den österreichischen Markt ausgerichtet hatten. Aus diesem Grund wiesen die Vorinstanzen den Sicherungsantrag insofern ab. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil der höchstgerichtlichen Judikatur keine Leitlinien entnommen werden könnten, unter welchen Umständen das Bewerben von Erzeugnissen auf internationalen Messen im Ausland ein Feilhalten iSv § 22 Abs 1 PatG sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs nicht zulässig .
1. Aus dem im Immaterialgüterrecht geltenden Territorialitätsgrundsatz (17 Ob 26/09m = MR 2010, 99 [ Heidinger ] - Oscar II; 17 Ob 8/10s = ÖBl 2012, 231 - Wintersteiger I; 17 Ob 24/09t = SZ 2009/154 - Nebivolol) folgt, dass ein in einem bestimmten Staat begründendes Schutzrecht in der Regel nur in diesem Staat verletzt werden kann. Das gilt auch für den Eingriff in ein österreichisches Patent. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch ein im Ausland gesetztes Verhalten wegen seiner Auswirkung auf das Inland in ein Schutzrecht eingreifen kann. Das wird im Markenrecht etwa für den Fall angenommen, dass sich eine Werbung im Internet in wirtschaftlich relevantem Umfang (auch) an Kunden im Inland richtet (4 Ob 82/12f = MR 2012, 343 Wintersteiger III mwN; vgl auch BGH I ZR 163/02 = GRUR 2005, 431 Hotel Maritime).
2. Die letztgenannten Entscheidungen können allerdings nicht unbesehen auf andere Fälle eines im Ausland gesetzten Verhaltens übertragen werden. Denn charakteristisch für Rechtsverletzungen im Internet ist der Umstand, dass der angeblich schutzrechtsverletzende Inhalt in der Regel (auch) im Inland abrufbar ist. Schon aufgrund dieser (wenngleich nur potentiellen) Wirkung im Inland hat der Senat in einer älteren Entscheidung angenommen, dass die Werbung Rechte aus einer österreichischen Marke verletzt (4 Ob 81/01t = ÖBl 2001, 269 Ciclon). In 4 Ob 82/12f (Wintersteiger III) hat er jedoch mit ausführlicher Begründung klargestellt, dass mit dem Ausrichten auf das Inland ein zusätzlicher Inlandsbezug des beanstandeten Verhaltens erforderlich ist.
3. Beim Feilhalten auf einer Messe im Ausland fehlt ein der Abrufbarkeit im Internet vergleichbarer objektiver Anknüpfungspunkt zum Inland. Es ist daher fraglich, ob das Ausrichten eines solchen Verhaltens (auch) auf den inländischen Markt, etwa durch gezieltes Ansprechen von Kunden im Hinblick auf eine Lieferung in das Inland,
- den Tatbestand des Feilhaltens nach § 22 Abs 1 PatG erfüllt (so für das deutsche Recht Pagenstecher , Ausstellen und Anbieten auf internationalen Messen eine Verletzung inländischer gewerblicher Schutzrechte? GRUR Int 1983, 560 [563]: maßgeblich sei die „versprochene Lieferung“ ins Inland),
- nur Erstbegehungsgefahr für spätere Rechtseingriffe, etwa durch Inverkehrbringen im Inland, begründet (vgl OLG Karlsruhe 6 U 221/79 = GRUR 1980, 784 - Laminiermaschine), oder
- allenfalls aus Sicht des österreichischen Patentrechts überhaupt unerheblich ist.
4. Diese abstrakt durchaus erhebliche Rechtsfrage stellt sich hier aber nicht. Denn die Vorinstanzen haben es gerade nicht als bescheinigt angenommen, dass der Erst- und der Drittbeklagte auf den Messen in Deutschland und der Türkei irgendein auf Österreich ausgerichtetes Verhalten - insbesondere in Bezug auf die von der Zweitbeklagten vermittelte Lieferung - gesetzt haben. Dass sich am Stand einer internationalen Messe der Natur der Sache nach auch Abnehmer aus Staaten informieren können, in denen Patentschutz besteht, begründet einen weit geringeren (potentiellen) Inlandsbezug als die Abrufbarkeit eines Angebots im Internet. Dieser Umstand kann daher für sich allein jedenfalls nicht als Eingriff in das österreichische Patent angesehen werden. Ob die Verfahrensergebnisse auch andere Feststellungen gerechtfertigt hätten, ist eine der Kognition des Obersten Gerichtshofs entzogene Tatsachenfrage. Eine auf den österreichischen Markt ausgerichtete Tätigkeit liegt daher nicht vor. Damit ist es im konkreten Fall unerheblich, ob eine solche Tätigkeit auf einer Messe im Ausland den Tatbestand des Feilhaltens iSv § 22 Abs 1 PatG erfüllt hätte.
4. Aus diesem Grund ist der Revisionsrekurs mangels einer im konkreten Fall erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Da der Erst- und der Drittbeklagte auf die Unzulässigkeit hingewiesen haben, hat ihnen die Klägerin die im Zweifel je zur Hälfte getragenen Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.