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OGH vom 13.09.2019, 6Nc19/19z

OGH vom 13.09.2019, 6Nc19/19z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler sowie Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Heinke.Skribe+Partner Rechtsanwaelte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei U*****, wegen 600 EUR sA, über den Ordinationsantrag nach § 28 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Als örtlich zuständiges Gericht wird das bestimmt.

Text

Begründung:

Die Klägerin strebt die Verpflichtung des beklagten Flugunternehmens mit Sitz in der Ukraine zur Zahlung von 600 EUR aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen an. Die Klägerin habe am mit bei dem Flugunternehmen gebuchten Flügen von Wien nach Kiew-Boryspil und von Kiew-Boryspil nach New York ihr Endziel erst mit mehr als vier Stunden Verspätung erreicht.

Das Bezirksgericht Schwechat wies – bestätigt durch das Landesgericht Korneuburg – die Klage mit rechtskräftigem Beschluss vom mangels internationaler Zuständigkeit zurück.

Am beantragte die Klägerin beim Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN die Ordination des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien als örtlich zuständiges Gericht in Österreich. Die Rechtsverfolgung im Ausland sei unzumutbar, weil die Klagsführung im Ausland ein übermäßiges Erschwernis begründe und die Durchsetzung der Ansprüche in der Ukraine aussichtslos erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben.

1. So wie bereits zuvor der erkennende Senat (6 Nc 1/19b ZVR 2019/114 [zust Mayr] – Flugunternehmen in Serbien), der 4. Senat (4 Nc 11/19h – Flugunternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten) und der 2. Senat (2 Nc 12/19s – Flugunternehmen in Ägypten) ordinierte auch der 7. Senat (7 Nc 21/19a) bei praktisch identem Sachverhalt das Bezirksgericht Schwechat als örtlich zuständiges Gericht für ein Verfahren, in dem der Kläger, vertreten durch dieselbe Rechtsanwaltskanzlei wie im vorliegenden Verfahren, Ansprüche aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 gegen dasselbe Flugunternehmen wie im vorliegenden Verfahren geltend machen wollte. Tragendes Argument waren – wie in den Entscheidungen 6 Nc 1/19b und 4 Nc 11/19h – unionsrechtliche Überlegungen:

Der Kläger leitet seine Ansprüche aus der FluggastrechteVO, also aus einem unionsrechtlichen Sekundärrechtsakt ab. Für solche Ansprüche haben die Mitgliedstaaten nach Art 47 GRC einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen (vgl RS0132702). Diesem Unions-Verfahrensgrundrecht kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn der Kläger sonst gehalten wäre, seine Ansprüche außerhalb der Europäischen Union geltend zu machen (vgl 4 Nc 11/19h mwN). Aus diesem Grund sind alle interpretativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um – bei einem ausreichenden Inlandsbezug – Fluggästen, die von einem in der Europäischen Union gelegenen Flughafen abfliegen, die Durchsetzung von in der FluggastrechteVO normierten Ansprüchen grundsätzlich auch gegen ein Flugunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat zu ermöglichen (6 Nc 1/19b = ZVR 2019/114 [zust Mayr]; siehe allgemein EuGH C-274/16, flightright), zumal eine Verweigerung der Ordination geradezu einer Rechtsschutzverweigerung gleichkäme (Mayr, ZVR 2019, 261 [263]).

Da der 7. Senat damit offensichtlich seine frühere (abweichende) Rechtsprechung (7 Nc 18/19k – Flugunternehmen in den Vereinigten Staaten von Amerika) aufgegeben haben dürfte und die Entscheidung 6 Nc 1/19b von Mayr (ZVR 2019/114 [Entscheidungsanmerkung]) zustimmend besprochen wurde, sieht der erkennende Senat keine Veranlassung, von der nunmehr als herrschend zu bezeichnenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wieder abzugehen, wonach – bei einem ausreichenden Inlandsbezug – Fluggästen, die von einem in Österreich gelegenen Flughafen abfliegen, die Durchsetzung von in der FluggastrechteVO normierten Ansprüchen grundsätzlich auch gegen ein Flugunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat in Österreich zu ermöglichen ist, konkret durch Ordination nach § 28 JN.

2. Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts enthält § 28 JN keine ausdrücklichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung ist dabei auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung der vorliegenden Rechtssache an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen, weil der Abflugort im Sprengel dieses Gerichts gelegen war; zudem wurde die vorliegende Klage bei diesem Gericht bereits behandelt (7 Nc 21/19a; vgl auch 6 Nc 1/19b; 4 Nc 11/19h).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060NC00019.19Z.0913.000

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Fundstelle(n):
BAAAD-41977