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OGH vom 15.06.2000, 5Ob145/00k

OGH vom 15.06.2000, 5Ob145/00k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Stadt *****, vertreten durch Dr. Peter Rudek, Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1. Hans Wolf S***** KG, ***** ***** vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer, Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, 2. Mieter des Hauses ***** laut beiliegender Mieterliste, wegen § 37 Abs 1 Z 10 iVm § 18 MRG, infolge Revisionsrekurses der Erstantragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 1/00d-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 4 Msch 27/99t-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin wird, soweit er sich auf die Zurückweisung des Antrags auf Entscheidung durch das Gericht gemäß § 40 Abs 1 MRG richtet, nicht Folge gegeben.

2. Der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richtet, zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Hauses ***** in*****, das 100 Stiegen aufweist. Bei der Stiege 99 handelt es sich um ein langgestrecktes, einstöckiges Gebäude in einem Innenhof, der durch zwei große Tore von der Halterauergasse aus, erreichbar ist. Weiters besteht die Möglichkeit, den Innenhof über den Eingang B*****straße sowie über den Eingang H***** Straße zu betreten. In diesem Gebäude, teils im Erdgeschoss, teils im Keller, wird von der Erstantragsgegnerin ein Squash-Center betrieben. Dieses Gebäude weist kein Stiegenhaus auf.

Im Oktober 1995 begehrte die Antragstellerin bei der Zentralen Schlichtungsstelle eine Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß § 18 f MRG gegen sämtliche Mieter des Hauses.

Am forderte die Zentrale Schlichtungsstelle alle Mieter des Hauses auf, binnen vier Wochen einen gemeinschaftlichen Zustellbevollmächtigten gemäß § 37 Abs 3 Z 6 MRG iVm § 97 ZPO namhaft zu machen. Werde dieser Auftrag nicht erfüllt, so werde von der Behörde auf Antrag oder von Amts wegen ein gemeinschaftlicher Zustellbevollmächtigter bestellt.

Diese Aufforderung wurde in allen Stiegenhäusern der Wohnhausanlage jeweils auf den schwarzen Brettern angeschlagen. Kein Anschlag wurde auf Stiege 99, wo es auch kein schwarzes Brett gibt, gemacht. Auf Stiege 99 befindet sich überdies die zentrale Waschküche. Der bisherige Hausvertrauensmann, Kurt Treml und spätere Zustellbevollmächtigte, schlug auf sämtlichen schwarzen Brettern aller Stiegenhäuser auch auf jenen in den Durchgängen des *****Hofes den verfahrenseinleitenden Antrag und diverse Unterlagen über die durchzuführenden Erhaltungsarbeiten an. So auch im Vorraum der zentralen Waschküche, die sich auf Stiege 99 befindet. Ein Zugang zum Objekt der Erstantragsgegnerin findet sich dort aber nicht.

Die Zentrale Schlichtungsstelle wies in einer Ladung für die Verhandlung vom darauf hin, dass Kurt Treml als gemeinschaftlicher Zustellbevollmächtigter bestellt werde. Weiters findet sich in diesem Schreiben ein Hinweis auf die Rechtswirkungen der Bestellung eines Zustellbevollmächtigten, nämlich, dass sämtliche Schriftstücke nunmehr nur an diesen Zustellbevollmächtigten mit der Wirkung zugestellt würden, dass dadurch die Zustellung an alle Mieter bewirkt werde. Dieses Schriftstück wurde wiederum an allen Stiegenhäusern des *****Hofes mit Ausnahme der Stiege 99 angeschlagen.

Am erging die Entscheidung über die Erhöhung der Hauptmietzinse für den Zeitraum vom bis . Sie wurde nur an Kurt Treml als Zustellbevollmächtigten zugestellt, der sie wie alle anderen Schriftstücke kopierte und Anschlägen an allen Stiegenhäusern sowie in der Waschküche der Stiege 99 vornahm.

Die Erstantragsgegnerin bezahlte in der Folge die erhöhten Mietzinse mittels Bankeinzugs und stellte erst 1999 im Zuge einer Verhandlung in einem Mietzinsüberprüfungsverfahren vor der Schlichtungsstelle fest, dass eine Entscheidung nach § 18 MRG ergangen war.

Am rief die Erstantragsgegnerin gegen die Entscheidung der Zentralen Schlichtungsstelle MA 50-Schli 2/95/3817 das Erstgericht an und brachte vor, vom Verfahren nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein und keine Zustellung einer Entscheidung im Schlichtungsstellenverfahren erhalten zu haben. Sie bestritt die Wirksamkeit der Zustellungen an den im Schlichtungsstellenverfahren bestellten Zustellungsbevollmächtigten.

Am beantragte die Erstantragsgegnerin, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anrufung des Gerichtes nach § 40 Abs 1 MRG zu bewilligen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Entscheidung des Gerichtes gegen die Entscheidung der Zentralen Schlichtungsstelle sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Es vertrat dabei die Rechtsansicht, dass die Zustellung der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom Schli 2/95/3817 auf Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß §§ 18 f MRG an den Zustellbevollmächtigten Kurt Treml wirksam erfolgt sei, weshalb die Anrufung des Gerichts durch die Erstantragsgegnerin im März 1999 verspätet sei. Die Tatsache, dass sich das Objekt der Erstantragsgegnerin in einem Gebäude befinde, das über kein eigenes Stiegenhaus verfüge, ändere an der Wirksamkeit der Zustellung nichts.

Der Wiedereinsetzungsantrag sei verspätet.

Einem dagegen von der Erstantragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. § 37 Abs 3 Z 6 MRG ermögliche für namentlich bestimmte Personen, deren Interessen nicht offenbar widerstreiten, die Bestellung eines gemeinsamen Zustellbevollmächtigten gemäß § 97 ZPO. Durch die Schlichtungsstelle sei zunächst die Aufforderung zur Namhaftmachung eines gemeinsamen Vertreters erfolgt, welcher Beschluss in sämtlichen vorhandenen Stiegenhäusern des *****Hofes angeschlagen worden sei. Weil im Objekt, in dem das Unternehmen der Erstantragsgegnerin situiert sei, kein Stiegenhaus vorhanden sei, habe dort auch kein Anschlag erfolgen müssen. Die Erstantragsgegnerin müsse diese Zustellung gegen sich gelten lassen. Ihre Situation sei mit der eines Garagenmieters vergleichbar, dessen Abstellplatz sich in Gebäudeteilen befinde, die über kein Stiegenhaus verfügten. Solange nicht nachgewiesen werde, dass einem Mieter der Zugang zu Stiegenhäusern unmöglich sei, treffe ihn in einem solchen Fall die Verpflichtung, selbst für eine geeignete Information Sorge zu tragen.

Die Wirksamkeit der Bestellung eines Zustellbevollmächtigten bewirke daher, dass auch die Zustellung der Entscheidung an diesen für alle Mieter, so auch die Erstantragsgegnerin, Wirksamkeit erlangt habe.

Die inhaltliche Richtigkeit des Bestellungsbeschlusses, ob nämlich die Interessen aller Mieter einander nicht widerstreitend gewesen seien, sei infolge Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses nicht mehr zu überprüfen.

Ein Verstoß gegen Art 6 MRK sei durch die gewählte Zustellungsart nicht bewirkt worden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Wirkung eines Hausanschlags fehle, wenn einer der Mieter sein Objekt direkt vom öffentlichen Bereich, nicht aber über Stiegenhäuser betrete.

Im Übrigen bestätigte das Rekursgericht die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsbegehrens. Diesbezüglich sprach es aus, dass ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin, der, soweit er die Zurückweisung des Antrags nach § 40 MRG betrifft, zulässig ist, weil er sich gegen eine den gerichtlichen Rechtsschutz verweigernde und daher unter die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 sowie Abs 2 Z 1 ZPO anfechtbare Konformatsentscheidung im Sinne des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) richtet (EWR III/528 Z 29; EWR I/37/90 f). Der Revisionsrekurs ist allerdings nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages richtet, jedenfalls unzulässig (1 Ob 2228/96w; RS0105605; RS0044456).

Die Antragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben bzw ihn zurückzuweisen.

Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass in einem Verfahren nach §§ 18 ff MRG die Bestellung eines gemeinschaftlichen Zustellbevollmächtigten nach § 37 Abs 3 Z 6 zweiter Satz MRG iVm § 97 ZPO unter den dort bezeichneten Voraussetzungen zulässig ist. Die Antragsgegner in einem Verfahren nach § 18 MRG, die namentlich in der Mieterliste aufgeführten Personen, sind Parteien, deren Interessen in dem gegen sie vom Vermieter geführten Verfahren einander nicht offenbar widerstreiten. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bestellung eines solchen Zustellbevollmächtigten ist, dass die Parteien namentlich zur Bestellung eines Zustellbevollmächtigten ergebnislos aufgefordert wurden (5 Ob 2144/96x; 5 Ob 108/90; Würth/Zingher Miet- und WohnR20 Rz 65 zu § 37 MRG).

Für die Wirksamkeit der Bestellung ist aber zunächst eine Zustellung auf andere Weise, nämlich gemäß § 37 Abs 3 Z 5 MRG, also die Zustellung durch Hausanschlag gemäß § 37 Abs 3 Z 4 MRG und die individuelle Zustellung an einen dieser Hauptmieter gemäß § 37 Abs 3 Z 5 MRG erforderlich.

Ob diese Voraussetzungen hier bei Bestellung des Kurt Treml zum Zustellbevollmächtigten eingehalten wurden, ist damit entscheidend für die von der Erstantragsgegnerin angestrebte Möglichkeit, die Entscheidung der Schlichtungsstelle vor Gericht zu bekämpfen. Andernfalls steht der Möglichkeit der Abziehung die Rechtskraft der Entscheidung der Schlichtungsstelle entgegen.

Dazu hat der erkennende Senat Folgendes erwogen:

In Verfahren, die vom Vermieter gegen die Hauptmieter einer Liegenschaft eingeleitet werden, kommt allen Hauptmietern der Liegenschaft, deren Interessen durch die Stattgebung des Antrags unmittelbar berührt werden könnte, Parteistellung zu. Sind dies mehr als sechs Hauptmieter, kann die Zustellung an diese Hauptmieter durch einen Hausanschlag verbunden mit einer individuellen Zustellung an einen der Hauptmieter vorgenommen werden. Der Hausanschlag ist "an einer allen Hausbewohnern deutlich sichtbaren Stelle des Hauses, falls das Haus mehrere Stiegenhäuser hat, in jedem Stiegenhaus anzubringen". Der Fall, dass der Zugang zu einem Mietobjekt nicht durch das Haus bzw Stiegenhaus, sondern direkt von der Straße her erfolgt, ist im Gesetz nicht geregelt. Da dies insbesondere bei Geschäftslokalen, die in der Regel von einem straßenseitigen Portal her vom Mieter betreten werden, keine Seltenheit darstellt, ist davon auszugehen, dass die Kenntnismöglichkeit aller Mieter infolge eines Hausanschlags eine vom Gesetz fingierte ist. Dafür spricht auch der Umstand, dass Ortsabwesenheit oder eine Beschädigung oder ein Abreißen des Hausanschlags auf die Gültigkeit der Zustellung keine Auswirkung zeitigt. Gerade mit letzterem Umstand hat sich der VwGH in seiner Entscheidung G 246/94 (= WoBl 1996/36) befasst und für die Verfahrensgarantie des Art 6 EMRK für ausreichend erachtet, dass diesfalls das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Abhilfe zu schaffen vermag. Der VwGH hat (allerdings zu § 22 Abs 4 Z 4 WGG, allerdings gleichlautend mit der entsprechenden Bestimmung des § 37 Abs 3 MRG) ausgesprochen, dass diese gesetzlich geregelte Form der Zustellung ausreicht, um Betroffenen eine effektive Möglichkeit zu bieten, vom Verfahren Kenntnis zu erlangen und ihre Rechtsansicht im Verfahren zu vertreten.

Ausgehend davon, dass sich keiner mit der Unkenntnis der Gesetze entschuldigen kann, ist zugrundezulegen, dass Mieter eines Hauses davon Kenntnis haben, dass behördliche und gerichtliche Zustellungen, die Rechtswirksamkeit gegen sie erlangen können, zulässigerweise durch Hausanschlag erfolgen können. Damit besteht aber für solche Mieter, die ihr Objekt von der Straße oder dem Hof eines Hauses aus betreten, die Notwendigkeit, entweder selbst regelmäßig die Stiegenhäuser aufzusuchen, um sich über solche Zustellungen zu informieren oder eine geeignete Person damit zu betrauen, ihnen regelmäßig Information über solche Vorgänge zukommen zu lassen. Diesfalls besteht auch für einen Hauptmieter, wie hier die Erstantragsgegnerin, die Gelegenheit, Kenntnis von Zustellungen und gegen sie geführten Verfahren zu erlangen. Dass dazu eine aktive Mitwirkung wie oben beschrieben erforderlich ist, ändert nichts daran, dass ihr durch die gesetzliche Zustellmöglichkeit nicht das rechtliche Gehör entzogen wird.

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses bejaht und sind von einer Verfristung der Möglichkeit, das Gericht gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle gemäß § 40 Abs 1 MRG anzurufen, ausgegangen.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.