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OGH vom 19.01.2011, 3Ob152/10i

OGH vom 19.01.2011, 3Ob152/10i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei B***** N*****, vertreten durch Dr. Philipp Jessich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufschiebung einer Räumungsexekution, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 44/10z 22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 10 E 171/09d 6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die mit 299,57 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 49,93 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom bewilligte das Erstgericht der Betreibenden aufgrund seines Urteils vom , GZ 10 C 1246/08k 8, die zwangsweise Räumung der von der Verpflichteten bewohnten Wohnung. Die Verpflichtete beantragte den Aufschub der Zwangsräumung unter Hinweis auf das zu AZ 10 C 1178/09t des Erstgerichts anhängige Verfahren, in dem sie begehre, die Betreibende als Vermieterin zum Abschluss eines Mietvertrags über die nunmehr zu räumende Wohnung zu verpflichten.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Gewährung von Räumungsaufschub mit der Begründung ab, keiner der in § 42 EO taxativ aufgezählten Aufschiebungsgründe liege vor, § 35 MRG sei nach zulässiger Befristung des Mietvertrags nicht anwendbar. Selbst wenn man von dessen Anwendbarkeit ausginge, habe die Verpflichtete weder die für den Aufschiebungsantrag notwendige Bescheinigung einer nach Ablauf der beantragten Aufschubfrist zur Verfügung stehenden Ersatzunterkunft beigebracht, noch die Bezahlung des Mietrückstands sowie des laufenden Benützungsentgelts bescheinigt. Es lägen auch keine besonders berücksichtigungswürdigenden Gründe iSd § 35 Abs 1 MRG vor, die einen länger als drei Monate dauernden Aufschub rechtfertigen könnten.

Das Rekursgericht gewährte über Rekurs der Verpflichteten Räumungsaufschub bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu AZ 10 C 1176/09t anhängigen Verfahrens des Erstgerichts. Die Aufzählung der Aufschiebungsgründe in § 42 EO sei zwar erschöpfend, aufgrund der Ähnlichkeit zu einem Oppositionsgrund und im Hinblick auf das bereits vorliegende klagestattgebende Urteil erster Instanz sei eine Analogie zu § 42 Abs 1 Z 5 EO geboten. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs im Hinblick auf die über den Einzellfall hinausgehende Bedeutung des Falls zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Betreibenden, mit der sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Antragsabweisung anstrebt, ist zulässig und berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof sprach wiederholt in Übereinstimmung mit der Lehre ( Jakusch in Angst 2 , § 42 EO Rz 33; Deixler Hübner in Burgstaller/Deixler Hübner , EO, Rz 3 zu § 42) aus, dass § 42 EO die Aufschiebungsgründe erschöpfend aufzählt, eine analoge Anwendung auf ähnliche Sachverhalte jedoch zulässig ist, wenn diese ihrer Art und ihrem Gewicht nach so beschaffen sind, dass alles für eine Gleichbehandlung spricht (3 Ob 141/84 = MietSlg 37.818 ua; RIS Justiz RS0001466 [T8, T 10]). Eine bloß gewisse Ähnlichkeit mit einem im Gesetz angeführten Beispielfall reicht nicht aus, weil dies nur bei einer demonstrativen Aufzählung genügen würde (3 Ob 141/84; Deixler Hübner aaO).

§ 42 Abs 1 Z 5 EO ermöglicht die Aufschiebung der Exekution unter anderem im Fall der Klageführung nach § 35 EO. Eine Aufschiebung aus diesem Grund setzt voraus, dass ein Erfolg der Verfahrenshandlung, auf die der Aufschiebungsantrag gestützt wird, zur Einstellung der Exekution führt (3 Ob 22/90; Jakusch aaO Rz 34). Für den Erfolg der Oppositionsklage muss der Umstand, auf den der Kläger seine Einwendungen gegen den Anspruch stützt, wie bei jeder Klage bis spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetreten sein. Das ist nicht der Fall, wenn erst im Oppositionsprozess ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird, dessen Wirkung erst mit Rechtskraft des Urteils eintritt, sodass die Rechtsgestaltung für den Erfolg der Oppositionsklage zu spät käme. Solche Gestaltungsrechte bilden, weil sie gerichtlich geltend gemacht werden müssen, in keinem Fall taugliche Oppositionsklagegründe (RIS Justiz RS0108542). Da § 42 Abs 1 Z 5 EO den in der Praxis am häufigsten geltend gemachten Aufschiebungsgrund bildet und von den Verpflichteten oft zur Prozessverschleppung missbraucht wird, sind die Voraussetzungen hier besonders streng zu prüfen ( Deixler Hübner aaO Rz 11 mwN).

Auch in diesem Fall will die Verpflichtete ihren Aufschiebungsantrag auf eine Klageführung stützen, welche erst im Falle ihrer rechtskräftigen Stattgebung jenen Einwand begründet, der dem betriebenen Räumungsanspruch entgegenstehen soll, auch hier entstünde der Oppositionsgrund erst mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung. Die von der Rechtsprechung geforderte Voraussetzung einer analogen Anwendung eines Aufschiebungsgrundes, dass dieser seiner Art und seinem Gewicht nach so beschaffen sein muss, dass alles für eine Gleichbehandlung spricht, ist daher nicht erfüllt.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Klage auf Abschluss eines Mietvertrags über jenes Bestandobjekt, zu dessen Räumung der Verpflichtete nach dem Exekutionstitel verhalten ist, die Aufschiebung der Räumungsexekution nicht ermöglicht.

Die erstgerichtliche Abweisung des Antrags auf Gewährung von Räumungsaufschub ist daher mangels tauglichen Aufschiebungsgrundes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO iVm § 78 EO; im Hinblick auf die grundsätzliche Einseitigkeit des Rekursverfahrens in Exekutionssachen (RIS Justiz RS0118686, RS0116198) hat die Verpflichtete der Betreibenden nur die Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen.