OGH 19.11.2015, 7Ob167/15g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen O***** K*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch Pallas Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 191/15z-91, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Betroffene zeigt in seinem Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf:
1.1. Auch im Außerstreitverfahren kann ein im Rekurs behaupteter, vom Rekursgericht aber verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz vor dem Obersten Gerichtshof grundsätzlich (vgl RIS-Justiz RS0030748 [T14, T15]) nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0050037). Der Oberste Gerichtshof ist auch in Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz, weshalb Fragen der Beweiswürdigung nicht an ihn herangetragen werden können (RIS-Justiz RS0007236)
1.2. Die Beurteilung der Frage, ob genügend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vorliegen, ist grundsätzlich eine solche des Einzelfalls; sie ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen nach den konkreten Umständen jeweils individuell zu lösen (RIS-Justiz RS0106166, RS0087091 [T2], RS0079855 [T7, T8]). Gleiches gilt für die Frage, in welchem Umfang aufgrund einer psychischen Krankheit oder Behinderung ein Sachwalter zu bestellen ist (RIS-Justiz RS0106744).
1.3. Der Revisionsrekurs geht über weite Strecken nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und versucht unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen. Ihre Rechtsansicht, dass im Hinblick auf das Vermögen des Betroffenen und die bestehenden massiven Interessenkonflikte zwischen ihm, seinen Kindern und seiner Lebensgefährtin, die seine gesamten Lebensumstände betreffen, ein Überwachungsbedarf besteht, der nur von einem (externen) Sachwalter zum Wohl des Betroffenen wahrgenommen werden kann, hält sich im Rahmen der Judikatur und ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.
2.1. Zur gültigen Errichtung einer Vorsorgevollmacht muss der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung jene Entscheidungsfähigkeit haben, welche erforderlich ist, um über die Angelegenheiten bestimmen zu können, die Inhalt der Vollmacht sind. Beim Vollmachtgeber muss daher bei Errichtung der Vorsorgevollmacht noch eine hinreichende Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorhanden gewesen sein (RIS-Justiz RS0123333). Kann der Betroffene hingegen keine rechtsgültige Vollmacht erteilen, ist das Subsidiaritätsprinzip des § 268 Abs 2 ABGB nicht anwendbar (7 Ob 118/09t; RIS-Justiz RS0123333 [T1]). Gemäß § 284g ABGB ist trotz einer gültig erteilten Vorsorgevollmacht ein Sachwalter zu bestellen, wenn der Bevollmächtigte nicht oder nicht im Sinn des Bevollmächtigungsvertrags tätig wird oder durch seine Tätigkeit sonst das Wohl der behinderten Person gefährdet (vgl RIS-Justiz RS0123430). Diese Frage ist einzelfallabhängig zu lösen und hat daher in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (7 Ob 118/09t; 10 Ob 80/10b).
Es steht fest, dass der Betroffene nicht in der Lage war, wirksam die Vorsorgevollmacht zu erteilen. Auch bei einer gegenteiligen Feststellung hätte zum Wohl des Betroffenen (RIS-Justiz RS0048982) auf den Überwachungsbedarf und die Interessenkollision Bedacht genommen werden müssen.
3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00167.15G.1119.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAD-41816