OGH vom 25.04.2016, 2Nc3/16p

OGH vom 25.04.2016, 2Nc3/16p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei a***** GmbH, *****, vertreten durch Ortner Rechtsanwalts KG in Gmunden, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Benn Ibler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 18.927,16 EUR sA, über den Delegierungsantrag beider Parteien in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache wird anstelle des Bezirksgerichts Vöcklabruck das Bezirksgericht für Handelssachen Wien bestimmt.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt mit ihrer beim Bezirksgericht Vöcklabruck eingebrachten Klage von der in Wien ansässigen beklagten Partei aus einem beiderseitig unternehmensbezogenen Geschäft die Kaufpreise für gelieferte Aluelemente, die in Höhe von 14.968,97 EUR und 3.958,19 EUR getrennt in Rechnung gestellt worden seien. Vöcklabruck sei als Gerichtsstand vereinbart worden.

Die beklagte Partei erhob nur Einwendungen in der Sache, nicht aber gegen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Es bestünden Qualitätsmängel mit Gegenforderungsansprüchen, der Kaufpreis sei nicht fällig.

In der auf die vorbereitende Tagsatzung folgenden Tagsatzung beantragten die Parteien nach gescheiterten Vergleichsgesprächen übereinstimmend die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien.

Das Bezirksgericht Vöcklabruck hält die Delegierung für zweckmäßig.

Rechtliche Beurteilung

Die Delegierung ist gerechtfertigt:

1. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Nach ständiger Rechtsprechung soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS-Justiz RS0046441).

2. Haben die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen, ist eine Delegierung wegen bloßer Zweckmäßigkeitsgründe unstatthaft, soferne nicht nachträglich Umstände eintreten, auf die bei Abschluss der Vereinbarung nicht Bedacht genommen werden konnte (RIS Justiz RS0046198). Eine weitere Ausnahme ist in der Rechtsprechung bei Vorliegen eines beiderseitigen („allseitigen“) begründeten Antrags anerkannt (vgl 8 Nd 501/94 mwN; 9 Nc 20/06z; 8 Nc 22/07p; 10 Nc 17/08v; Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 31 JN Rz 4; Schneider in Fasching/Konecny ³ I § 31 JN Rz 17). Im gegenständlichen Fall haben die Parteien übereinstimmend die Delegierung beantragt.

3. Das von ihnen bezeichnete Bezirksgericht für Handelssachen Wien ist ein „Gericht gleicher Gattung“, weil es im konkreten Fall sachlich zuständig sein könnte. Unter sachlicher Zuständigkeit ist nicht nur die Zugehörigkeit einer Rechtssache zu einem bestimmten Gerichtstyp (Bezirksgericht oder Gerichtshof erster Instanz), sondern auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kausalgerichtsbarkeit zu verstehen (RIS Justiz RS0046151 [T1]; Schneider in Fasching/Konecny ³ I § 31 JN Rz 40).

3.1 Die klagende Partei begehrt die jeweils unter der Wertgrenze von 15.000 EUR (§ 52 Abs 1 JN) liegenden Kaufpreise für Aluelemente. Dem Vorbringen in der Klage (und auch im weiteren Verfahrensverlauf; vgl ON 7) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Ansprüche aus den beiden Rechnungen wegen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zusammenzurechnen wären (§ 55 Abs 1 Z 1 JN). Selbst wenn dies aber zu bejahen wäre, hätten die Parteien mit ihrer unstrittigen Gerichtsstandsvereinbarung (auch) die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts wirksam vereinbart ( Simotta in Fasching/Konecny ³ I § 104 JN Rz 80). Außerdem wäre eine allfällige (prorogable) sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 104 Abs 3 JN bereits geheilt.

3.2 Dem Rechtsstreit liegt ferner ein beiderseitig unternehmensbezogenes Geschäft zugrunde, sodass auch die Zugehörigkeit zur Kausalgerichtsbarkeit des im Delegierungsantrag bezeichneten Gerichts zu bejahen wäre.

4. Schließlich ist die Delegierung auch zweckmäßig. An das Erfordernis der Zweckmäßigkeit ist bei gemeinsamen Delegierungsanträgen generell kein allzu strenger Maßstab anzulegen (RIS Justiz RS0046233). Bisher wurden noch keine Beweise aufgenommen, Zeugen wurden noch nicht namhaft gemacht. Der Geschäftsführer der beklagten Partei ist an einer Anschrift in Wien zu laden, jener der klagenden Partei in Vöcklamarkt. Die gelieferten, angeblich mangelhaften Aluelemente wurden für ein Bauvorhaben in Wien benötigt, eine Befundaufnahme durch einen Sachverständigen wäre in Wien durchzuführen. Unter diesen Umständen liegt die Delegierung im wohlverstandenen Interesse der Parteien.

5. Dem Delegierungsantrag ist daher stattzugeben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0020NC00003.16P.0425.000