OGH vom 23.11.2010, 1Ob169/10z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖBB Infrastruktur AG, Wien 12, Vivenotgasse 10, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und 2. Land Vorarlberg, vertreten durch Sutterlütty Klagian Brändle Lercher Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, wegen Rechnungslegung und 1.006.347,73 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 11 R 183/09a 39, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 53 Cg 96/08i 19, teilweise bestätigt wurde, sowie über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 11 R 183/09a, 11 R 184/09y 39, mit dem die Rekurse der klagenden Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 53 Cg 96/08i 19, und vom , GZ 53 Cg 96/08i 20, zurückgewiesen wurden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Beide Rechtsmittel werden mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei, die durch das Hochwasserereignis im August 2005 massive Schäden erlitten hatte, begehrte von den beklagten Parteien Zahlung und Rechnungslegung bzw schriftliche Bekanntgabe des Prozentsatzes, in welchem Ausmaß Schäden aus Mitteln der betrieblichen Hochwasserhilfe ersetzt worden seien.
Das Erstgericht verneinte die Passivlegitimation der erstbeklagten Partei und wies das gegen sie gerichtete Klagebegehren ab. Die Klage gegen die zweitbeklagte Partei wies es mit Beschluss vom zurück, weil eine solidarische Verpflichtung der beklagten Parteien als Voraussetzung für den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft fehle. Mit Beschluss vom ergänzte das Erstgericht diesen Zurückweisungsbeschluss um den irrtümlich unterlassenen Ausspruch, dass die Rechtssache über Antrag der klagenden Partei an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Feldkirch überwiesen werde.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens gegen die erstbeklagte Partei und ergänzte das Urteil des Erstgerichts um die Abweisung eines weiteren Zahlungsbegehrens als Eventualbegehren. Als Rekursgericht wies es den am gegen den Zurückweisungsbeschluss eingebrachten Rekurs der klagenden Partei und ihren am gegen den Ergänzungsbeschluss eingebrachten Rekurs zurück.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision und der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei sind mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
I. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs:
1. Nach Erheben der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit in der Klagebeantwortung der zweitbeklagten Partei hatte die klagende Partei in der Verhandlung vom nach § 261 Abs 6 ZPO den Antrag gestellt, die Rechtssache gegen die zweitbeklagte Partei an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Feldkirch zu überweisen, wenn sich das Gericht für unzuständig erklärt.
2. Gegen den Beschluss, mit dem über einen Überweisungsantrag entschieden wird, ist mit Ausnahme der Entscheidung über die Kosten des Zuständigkeitsstreits ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 261 Abs 6 Satz 5 ZPO). Sinn und Zweck dieses Rechtsmittelsausschlusses ist es, die Zuständigkeitsfrage rasch und mit vertretbarem Aufwand endgültig zu klären, sodass nicht jeder Fehler der Entscheidung ihre Anfechtung ermöglicht (ähnlich schon 8 Ob 607/91). Dieser Rechtsmittelausschluss gilt nur dann nicht, wenn die vom Erstgericht ausgesprochene Überweisung der Bestimmung des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspricht, dass der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird (RIS Justiz RS0039091). Dies ist der Fall, wenn ein Überweisungsantrag fehlt, die Klage an ein vom Kläger gar nicht bezeichnetes Gericht überwiesen wurde, die Überweisung gegen die Bindungswirkung einer Zuständigkeitsentscheidung verstößt oder das Gericht eine längst geheilte Zuständigkeit aufgegriffen hat (1 Ob 37/01z, RIS Justiz RS0039091 [T6]). Keiner dieser Fälle liegt vor.
3. § 261 Abs 6 Satz 3 ZPO schreibt eine einheitliche Entscheidung über die Unzuständigkeit des Gerichts und die Überweisung vor. Die ausgesprochene Entscheidung über die Zurückweisung der Klage unterlag zwar zunächst nicht dem Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO ( Kodek in Fasching/Konecny ² III § 261 ZPO Rz 139). Noch bevor die klagende Partei aber einen (zulässigen) Rekurs gegen diesen Zurückweisungsbeschluss erhoben hatte, wurde insoweit auch die Zurückweisung berichtigend die Überweisung an das von der klagenden Partei namhaft gemachte Gericht ausgesprochen. Die Auffassung, in diesem Fall den bereits mehrfach genannten Rechtsmittelausschluss trotz des Verstoßes gegen das Gebot einer einheitlichen Entscheidung anzunehmen, entspricht der höchstgerichtlichen Judikatur (insbesondere 4 Ob 539/90: Nachtrag des Unzuständigkeitsausspruchs durch einen Berichtigungsbeschluss).
II. Zur außerordentlichen Revision:
1. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die Entscheidung entweder gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS Justiz RS0007484). Eine mangelhafte Begründung, wie sie die Revision behauptet, reicht dafür nicht aus (RIS Justiz RS0042206). Ein den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO darstellender Widerspruch liegt vor, wenn einzelne Aussprüche innerhalb des Spruchs der Entscheidung einander logisch ausschließen (RIS Justiz RS0042171; RS0041306), was hier nicht der Fall ist.
2. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die vom Berufungsgericht verneinten Mängel des Verfahrens erster Instanz können im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0106371).
3. Wer immer kraft Gesetzes, durch Bescheid oder rechtsgeschäftlichen Akt berufen wurde, Geld oder geldwerte Leistung aus Gemeinschaftsmitteln zur Förderung bestimmter Gemeinschaftsanliegen an Einzelrechtsträger zu deren förderungszielgerechten Verwendung zu verteilen, tritt mit Beginn des Verteilungsvorgangs gegenüber allen, die nach dem vorgegebenen Förderungsziel abstrakt als Empfänger in Betracht zu ziehen wären, in ein der Art nach dem vorvertraglichen Schuldverhältnis vergleichbares gesetzliches Schuldverhältnis. Dieses wird nach der Herkunft der Mittel und der im Gemeinschaftsinteresse gelegenen Zielsetzung durch ein Diskriminierungsverbot im Sinn des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestimmt (RIS Justiz RS0102013).
4. Die Revisionswerberin will die Eigenschaft der erstbeklagten Partei als Förderungsgeberin und damit ihre Passivlegitimation aus § 3 Z 3 lit a KatastrophenfondsG (KatFG) 1996 und dem Hochwasseropferentschädigungs und Wiederaufbau Gesetz (HWG) 2005 ableiten. Die gesetzlichen Bestimmungen bieten aber nach ihrem eindeutigen Text keine Grundlage für einen direkten Leistungsanspruch der klagenden Partei als Privatrechtssubjekt gegenüber der erstbeklagten Partei.
5. Nach § 3 Z 3 lit a KatFG 1996 sind in den Jahren ab 2003 4,21 % der Fondsmittel, die nach § 2 leg cit durch Anteile am Aufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer gemäß dem jeweils geltenden Finanzausgleichsgesetz aufgebracht werden, zur Deckung außergewöhnlicher Erfordernisse zu verwenden, die einem Land durch finanzielle Hilfe zur Beseitigung außergewöhnlicher Schäden im Vermögen physischer und juristischer Personen mit Ausnahme der Gebietskörperschaften entstehen (Satz 1). Anträge auf Gewährung der Fondsmittel sind vom Land beim Bundesministerium für Finanzen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren, gerechnet vom Tag, an dem der einzelne Schadensfall eingetreten ist, einzubringen (Satz 3 leg cit).
6. Das HWG 2005 ermächtigt in seinem § 1 den Bundesminister für Finanzen zur Beseitigung von außergewöhnlichen Schäden, die durch das Hochwasser im Sommer 2005 entstanden sind, nach Maßgabe der hiefür im jeweiligen Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Bestimmungen, dem Katastrophenfonds zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Leistung von Zuschüssen des Bundes an die von der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2005 betroffenen Länder gemäß § 3 Z 3 lit a KatFG 1996 zur Beseitigung außergewöhnlicher Schäden durch das Hochwasser im Sommer 2005 erfolgt nach § 3 Abs 1 HWG 2005 unter den in den Abs 2 bis 4 genannten Bedingungen. Abs 2 Satz 1 sieht vor, dass die Länder für Beschwerden von physischen oder juristischen Personen privaten oder öffentlichen Rechts wegen Ungleichbehandlung oder Verletzung der fundamentalen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei der Leistung finanzieller, gemäß § 3 Z 3 lit a KatFG 1996 bezuschusster, Hilfen des Landes zur Beseitigung außergewöhnlicher Schäden durch das Hochwasser im Sommer 2005 jeweils eine Beschwerdekommission zuständig machen. Beschwerden an die Kommission können innerhalb eines Monats nach der Entscheidung des Landes über die finanzielle Hilfe eingebracht werden (Abs 3). Nach Abs 4 hat das betreffende Land einen der Entscheidung entsprechenden Ausgleich zu leisten, wenn die Kommission entscheidet, dass der Beschwerdeführer durch eine Ungleichbehandlung oder eine Verletzung fundamentaler rechtsstaatlicher Grundsätze verkürzt worden ist.
7. Warum diese gesetzlichen Bestimmungen Selbstbindungsgesetze zu Lasten der erstbeklagten Partei, des Bundes sein sollen, die diesen verpflichten würden, (einklagbare) Subventionsleistungen an Privatrechtssubjekte wie die klagende Partei zu erbringen (RIS Justiz RS0117458; RS0110159), kann die Revision nicht aufzeigen: Es ist nur die Rede von Gewährung von Zuschüssen des Bundes an Länder, die ihrerseits durch Katastrophen, speziell das Hochwasser des Jahres 2005, Geschädigten finanzielle Hilfe leisten. Die Ausführungen der Revision zur behaupteten Diskriminierung der klagenden Partei, die im Gegensatz zu anderen Geschädigten von der zweitbeklagten Partei keine Katastrophenbeihilfe erhalten habe, sind damit für die von den Vorinstanzen verneinte Passivlegitimation der erstbeklagten Partei nicht relevant.
8. Die Gewährung einer Subvention kann im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zwar durch Auslobung erfolgen (8 Ob 80/04d mwN). Der einseitige Verpflichtungswille des Auslobenden muss aber schon in seiner Erklärung zum Ausdruck kommen ( Rummel in Rummel ³ § 860 ABGB Rz 1; 7 Ob 556/95). Der Frage nach der Auslegung von Erklärungen kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS Justiz RS0042936). Haben die Vorinstanzen die öffentliche Bekanntgabe der Vergabe einer Förderung im Rahmen der Katastrophenhilfe und die Veröffentlichung eines Antragsformulars für die betriebliche Hochwasserhilfe auf der Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit nicht als zweifelsfrei erklärten einseitigen Verpflichtungswillen des Bundes (der erstbeklagten Partei) gesehen, so stellt das keinesfalls eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Diese Veröffentlichungen können vielmehr als Hilfestellung bei der Stellung eines Antrags auf Gewährung von Förderungsmitteln gewertet werden.
8. Der Auffassung des Berufungsgerichts, dem Bund komme gegenüber dem beklagten Land als Förderungsgeber kein Aufsichtsrecht zu, weshalb er für ein allenfalls unsachliches, gleichheitswidriges und wettbewerbsschädigendes Verhalten des Landes bei der Beihilfenvergabe nicht mit diesem solidarisch hafte, hat die Revision keine überzeugenden Argumente entgegenzusetzen. Nicht nachvollziehbar ist auch die in der Revision herangezogene Konstruktion der Grundsatzeinigung der Landeshauptleutekonferenz im Jahr 2002 in Verbindung mit der Erlassung des KatFG als privatrechlicher Vertrag zu Gunsten Dritter, welcher der klagenden Partei direkte Ansprüche (gegen den Bund!) verschaffen soll.
9. Die klagende Partei stützt ihren Anspruch noch auf eine Art 87 EGV (jetzt Art 107 AUEV) und der Verordnung (EG) Nr 2012/2002 des Rates vom zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union widersprechende, weil diskriminierende und wettbewerbsverzerrende Vergabe von Beihilfen zu Lasten des Schienensektors im Vergleich zum Straßensektor. Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des , Konle , Rn 63, dargelegt hat, greift das Gemeinschaftsrecht aber nicht in das innerstaatliche Kompetenz und Haftungsgefüge der Mitgliedstaaten ein. Auch im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung von Gemeinschaftsrecht kommt daher das Argument der fehlenden Eigenschaft des Bundes als Förderungsgeber zum Tragen.
10. Die klagende Partei vermag somit das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen nicht aufzuzeigen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).