OGH vom 07.09.2020, 2Nc28/20w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj H***** P*****, geboren ***** 2008, aufgrund der Befangenheitsanzeige der ***** vom im Revisionsrekursverfahren zu AZ ***** den
Beschluss
gefasst:
Spruch
***** ist als Mitglied des ***** Senats im Verfahren über die Revisionsrekurse der Eltern zu AZ ***** befangen.
Text
Begründung:
[1] Für die Behandlung der im Spruch genannten Rechtsmittel in einem Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren ist nach der Geschäftsverteilung der ***** Senat des Obersten Gerichtshofs zuständig. ***** ist Mitglied dieses Senats.
[2] ***** zeigt nach § 22 GOG an, dass ihr Ehemann die Mutter der Minderjährigen seit 15 Jahren in verschiedenen Verfahren anwaltlich beraten habe. Sie selbst habe die Mutter vor Jahren bei einer privaten Feier persönlich kennengelernt. Da die Mutter als Rechtsmittelwerberin Partei des Verfahrens sei, fühle sie sich in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeengt; zudem könne auch der Anschein der Befangenheit bestehen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Befangenheitsanzeige ist begründet.
[4] ***** zeigt an, dass sie sich „in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeengt“ fühle. Damit äußert sie Zweifel, eine von unsachlichen Motiven unbeeinflusste Entscheidung treffen zu können. In einem solchen Fall ist grundsätzlich Befangenheit anzunehmen (RS0046053); anderes gilt nur dann, wenn die Anzeige offenkundig missbräuchlich oder die angegebenen Umstände ihrer Natur nach nicht geeignet wären, Befangenheit zu begründen (2 Ob 193/15v; 2 Nc 27/19x).
[5] Letzteres trifft hier nicht zu. Denn es ist nach der Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen, dass ein langjähriges Mandatsverhältnis zwischen dem Ehegatten einer Richterin und einer Partei des Verfahrens zu subjektiver Befangenheit führt, dies insbesondere dann, wenn die Richterin die Partei auch persönlich kennt. Daher ist die Befangenheit von ***** festzustellen. Auf die Frage, ob die angezeigten Tatsachen auch den objektiven Anschein der Befangenheit begründen könnten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0020NC00028.20W.0907.000 |
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Fundstelle(n):
IAAAD-41765