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OGH vom 11.12.2003, 2Ob278/03a

OGH vom 11.12.2003, 2Ob278/03a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Anna Maria W*****, vertreten durch Forcher-Mayr & Kantner, Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei Ing. Udo W***** , vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 359/03f-21, womit infolge Rekurses der klagenden und gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom , GZ 4 C 23/03b-12 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile haben am vor dem Standesamt Salzburg die Ehe geschlossen; Ehepakte wurde nicht errichtet; der Ehe entstammen keine Kinder.

Die Streitteile begehren in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren 4 C 23/03b und 4 C 34/03w je des Bezirksgerichtes Innsbruck die Scheidung ihrer Ehe jeweils aus dem Verschulden des anderen Teiles.

Mit einer am beim Erstgericht eingelangten Eingabe macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe während aufrechter Ehe verschiedene Liegenschaften und Liegenschaftsanteile erworben, die der Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG unterlägen. Der Beklagte habe ihr mitgeteilt, er werde die Liegenschaftsanteile veräußern; er habe auch schon eine Wohnung verkauft. Sie habe den Verkauf von Wohnung bzw die Absicht des Beklagten, Liegenschaftsanteile veräußern zu wollen, auch aus Inseraten der Tiroler Tageszeitung entnommen. Durch die Handlungen des Beklagten bestehe die Gefahr, dass ihr Anspruch im Aufteilungsverfahren vereitelt, zumindest erheblich erschwert werde. Die Klägerin beantrage daher nach § 382 Abs 1 Z 6 und 8c EO die Erlassung einer Sicherungsverfügung und zwar die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes bis zur rechtskräftigen Beendigung des auf das Scheidungsverfahren folgenden Aufteilungsverfahrens bezüglich der im Eigentum des Beklagten stehenden Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile.

Das Erstgericht hat die Sicherungsverfügung mit Beschluss vom (ON 4) antragsgemäß über die dort näher bezeichneten Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile ohne Anhörung des Beklagten erlassen. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot umfasst 23 im Eigentum des Beklagten stehende Eigentumswohnungen sowie verschiedene weitere Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile.

Der Beklagte beantragte mit Widerspruch vom die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Abweisung des Sicherungsantrages der Klägerin. Er betreibe seit 25 Jahren das Unternehmen "Büro Ing. Udo W*****" als nicht protokollierte Einzelfirma, dessen Gegenstand die Entwicklung und Realisierung von Immobilienprojekten aller Art sowie die Anschaffung, Veräußerung, Vermietung und jegliche sonstige Form der Verwertung von Liegenschaften, Gebäuden oder Wohnungseigentumseinheiten bilde. Zur Finanzierung dieser unternehmerischen Tätigkeit nehme er laufend Fremdmittel in Anspruch; ein Großteil des von der einstweiligen Verfügung betroffenen Liegenschaftsvermögens sei durch Bankkredite finanziert worden. Alle Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile mit Ausnahme jenes in EZ 3***** GB 8***** H***** seien Bestandteil des Unternehmens "Büro Ing. Udo W*****" und fielen damit nicht in die Aufteilungsmasse. Der Beklagte habe die Liegenschaft EZ 3***** GB 8***** H***** gekauft und auf dieser das Wohnhaus Innsbruck, U***** mit selbstständigen Wohneinheiten in der Absicht errichtet, aus den Einnahmen dieses Objektes den Lebensabend der Streitteile abzusichern; bei diesen Wohnungen handle es sich um "Vorsorgewohnungen".

Das Erstgericht hat nach Durchführung des Bescheinigungsverfahrens die einstweilige Verfügung wieder aufgehoben und die Klägerin zum Ersatz der Kosten des Beklagten im Provisorialverfahren verpflichtet.

Es ging dabei von nachstehenden - wesentlichen - Feststellungen aus:

Der Beklagte betreibt seit 25 Jahren in der Rechtsform einer nicht protokollierten Einzelfirma das Unternehmen "Büro Ing. Udo W*****", dessen Gegenstand die Entwicklung und Realisierung von Immobilienprojekten aller Art sowie die Anschaffung, Veräußerung, Vermietung und jedwede sonstige Form der Verwertung von Liegenschaften, Gebäuden oder Wohnungseigentumseinheiten bildet. Die Finanzierung der von der einstweiligen Verfügung betroffenen Liegenschaften erfolgte zum Großteil über Fremdmittel. Der Beklagte wurde bei seiner Hausbank als "Freiberufler" in der Sparte "Architekturbüro, Ziviltechnik, Vermietung, Verpachtung" geführt. Nicht festgestellt werden konnte, wieviel an ehelichen Ersparnissen der Streitteile in die Anschaffung der einzelnen Liegenschaften floss (im Zusammenhang mit den Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung zu lesen: "ob" eheliche Ersparnisse der Streitteile in die Anschaffung der einzelnen Liegenschaften flossen). Der Beklagte bot seit mehreren Jahren immer wieder Wohnungen bzw Liegenschaftsanteile in Zeitungsinseraten zum Verkauf an. Nicht festgestellt werden konnte weiters, ob die von der einstweiligen Verfügung umfassten Liegenschaftsanteile der Privatsphäre oder dem Unternehmen "Büro Ing. Udo W*****" zugehören. Bezüglich der Liegenschaftsanteile des Beklagten an der EZ 3***** GB 8***** H***** nahm das Erstgericht als bescheinigt an, dass diese Anteile der Absicherung des Lebensabends beider Parteien dienen sollten.

Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, der Klägerin sei die Bescheinigung ihres Anspruchsgrundes, nämlich dass die Gegenstand des Provisorialantrages bildenden Liegenschaftsanteile in die nacheheliche Aufteilungsmasse fielen, nicht gelungen. Bezüglich der Liegenschaftsanteile EZ 3***** GB 8***** H***** sei eine Gefährdung des Aufteilungsanspruches nicht bescheinigt worden.

Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht gab ihrem Rechtsmittel nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es verwies zunächst darauf, dass hier eine Überprüfung der Tatsachengrundlage ausgeschlossen sei und Gegenstand und Zweck des Widerspruchsverfahrens die objektive Richtigkeit der erlassenen einstweiligen Verfügung zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Entscheidung sei. Der Widerspruch ersetze die vor der Erlassung der einstweiligen Verfügung unterbliebene Vernehmung des Antragsgegners; die Entscheidung über den Widerspruch sei gegenüber der einstweiligen Verfügung kein völlig neuer oder von ihr unabhängiger Beschluss. Im Widerspruchsverfahren könne geltend gemacht werden, dass der bescheinigte Anspruch nicht bestehe, was der Antragsgegner glaubhaft zu machen habe (E. Kodek in Angst, Komm z EO, Rz 2, 4 und 5 zu § 398 EO, derselbe [richtig G. Kodek] in Burgstaller/Deixler/Hübner, Komm z EO, Rz 4, 8 und 22 zu §§ 397, 398 EO; Feil EO Rz 6 zu § 398 EO: EF 98.744; 98.745 und 98.746). Das Gericht habe nach der kontradiktorischen Widerspruchsverhandlung die gesamten Verfahrensergebnisse seiner Entscheidung zu Grunde zu legen und danach zu entscheiden, welche Parteienbehauptung die wahrscheinlichere sei. Für die Aufhebung der einstweiligen Verfügung genüge es, dass es dem Antragsgegner gelinge, die Glaubwürdigkeit der Bescheinigungsmittel des Antragstellers in Frage zu stellen. Da im Widerspruchsverfahren die objektive Richtigkeit der erlassenen einstweiligen Verfügung zu prüfen sei, habe der erkennende Richter sowohl die Beweisergebnisse, die zur Erlassung der einstweiligen Verfügung geführt hätten, als auch die im Widerspruchsverfahren aufgenommenen Bescheinigungsmittel einer Gesamtwürdigung zu unterziehen und anhand sämtlicher aufgenommen Beweise die Bescheinigung des behaupteten Anspruchs abschließend zu prüfen.

Die Zugehörigkeit von Sachen zu einem Unternehmen im Sinne des § 82 Abs 1 Z 3 EheG sei ausschließlich nach bürgerlichem und Handelsrecht ohne Berücksichtigung steuerrechtlicher Aspekte zu beurteilen (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ Rz 9 zu § 82 EheG).

Für die von der Klägerin angestrebte Sicherungsverfügung nach § 382 Z 8c EO durch Anordnung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes bezüglich der im Alleineigentum des Beklagten stehenden Liegenschaften hätte sie bescheinigen müssen, dass die Liegenschaften und Liegenschaftsanteile in die nacheheliche Aufteilungsmasse fielen. Dieser Nachweis sei ihr infolge der Negativfeststellung nicht gelungen. Bezüglich der Liegenschaftsanteile EZ 3***** GB 8***** H***** sei eine konkrete Veräußerungsabsicht weder behauptet noch bescheinigt worden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den Anforderungen an die Bescheinigungspflicht des Antragsgegners bezüglich des Nichtbestehens des für die Erlassung der einstweiligen Verfügung seinerzeit als bescheinigt angenommenen Anspruches höchstgerichtliche Judikatur nicht vorliege und sich das Rekursgericht nur auf Lehrmeinungen zu stützen vermocht habe.

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, bei verfassungskonformer Auslegung von § 82 Abs 1 Z 3 EheG seien die strittigen Eigentumswohnungen, die während der Ehe angeschafft worden seien, in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen, weil nicht behauptet und bescheinigt worden sei, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nach der bezogenen Gesetzesstelle vorlägen oder dass eine diesbezügliche Widmung stattgefunden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach der bereits vom Rekursgericht zitierten Lehre, auf die verwiesen werden kann, ist Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nur die Überprüfung der objektiven Richtigkeit der erlassenen einstweiligen Verfügung zur Zeit ihrer Erlassung. Nach Zechner (Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, Kommentar, Rz 4 zu §§ 397, 398 EO mwN) hat der Gegner die Tatsachen, die der einstweiligen Verfügung die Grundlage entziehen könnten, zu behaupten und zu bescheinigen. Der Widerspruch zielt demnach auf dem Boden der Behauptungen des Gegners auf die Beseitigung jener Sachverhaltsgrundlagen ab, die der einstweiligen Verfügung als Stütze dienten (Zechner aaO Rz 3). Der Widerspruch ersetzt nur die vor Erlassung der einstweiligen Verfügung unterbliebene Vernehmung des Gegners. Durch das Widerspruchsverfahren wird das Provisorialverfahren zweiseitig geführt, weshalb die Bescheinigungslast gleich verteilt ist wie die Beweislast im Hauptverfahren (Zechner, aaO Rz 1 zu § 378 [S 106]). Auch nach der Rechtsprechung kann im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden, dass der behauptete Anspruch nicht bescheinigt und dennoch die beantragte einstweilige Verfügung erlassen worden sei, oder dass der bescheinigte Anspruch nicht bestehe. In diesem Fall hat der Gegner der gefährdeten Partei den Nichtbestand des Anspruchs glaubhaft zu machen (SZ 61/25; JBl 1974,529 = ÖBl 1973,139; RIS - Justiz RS000588). Schließlich kann das Widerspruchsverfahren zu einer wesentlichen Änderung der Entscheidungsgrundlage führen (4 Ob 1514/96). Gelingt dem Gegner der gefährdeten Partei im Widerspruchsverfahren in Ansehung anspruchsbegründender Tatsachen die Bescheinigung eines non liquet, dann hat er damit der im vorangegangenen einseitigen Verfahren gewonnenen Feststellung über diese Anspruchsgrundlage den Boden entzogen.

Nach § 81 Abs 1 EheG unterliegen das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse der Aufteilung nach Scheidung der Ehe. § 82 Abs 1 EheG nimmt davon vier Gruppen von Sachen, darunter Sachen, die zu einem Unternehmen gehören, aus, ohne dass daraus geschlossen werden könnte, was hier nicht ausgenommen sei, sei deshalb schon Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse, die nach § 81 EheG aufzuteilen wären (Stabentheiner in Rummel ABGB³ Rz 1 zu § 82 EheG mwN); was daher weder unter § 81 noch unter § 82 EheG fällt ist nicht aufzuteilen (Stabentheiner aaO Rz 4 zu § 81 EheG). Da die Klägerin nicht behauptet hat, dass die zu sichernden Liegenschaften und Liegenschaftsanteile während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben, kommt hier nur deren Beurteilung als eheliche Ersparnisse in Betracht.

Tatsachengrundlage der erlassenen einstweiligen Verfügung war der als bescheinigt angenommene Sachverhalt, dass die von der einstweiligen Verfügung betroffenen Liegenschaften vom Beklagten während aufrechter Ehe aus finanziellen Mitteln, die er aus seiner beruflichen Tätigkeit erzielt habe, angeschafft worden seien. Dieser Tatsachengrundlage ist durch die im Widerspruchsverfahren getroffene Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, in welchem Umfang (im Gesamtzusammenhang unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Beweiswürdigung zu lesen: ob) eheliche Ersparnisse der Streitteile in die Anschaffung der Liegenschaften des Beklagten geflossen wären, der Boden entzogen worden. Die Klägerin hätte auch in einem zweiseitigen Provisorialverfahren zu bescheinigen gehabt, dass die im Eigentum des Beklagten stehenden Liegenschaften der Aufteilung nach §§ 81 ff EheG unterliegen. Dieser Bescheinigungspflicht über anspruchsbegründende Umstände ist sie nicht nachgekommen, weshalb die erlassene einstweilige Verfügung vom Erstgericht zu Recht aufgehoben wurde. Es schadet nicht, dass der Beklagte darüber hinaus nicht bescheinigen konnte, dass die Liegenschaften im Rahmen seines "Unternehmens" angeschafft worden seien, weshalb sie in die Ausnahmebestimmung des § 82 EheG fielen. Da aufgrund des über den Widerspruch geführten Verfahrens schon der anspruchsbegründende Sachverhalt nicht bescheinigt werden konnte, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Ausnahmetatbestand verwirklicht ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 50, 41 Abs 1 ZPO.