OGH vom 15.07.1997, 1Ob167/97h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf M*****, vertreten durch Dr.Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Georg S*****, vertreten durch Mag.Eleonore Wawra, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 39 R 955/96x-15, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen nahmen als erwiesen an, daß entgegen dem Vorbringen des klagenden Einzelrechtsnachfolgers des Vermieters und dem Text des schriftlichen Mietvertrags dessen Gegenstand nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsteile die Nutzung des vom Beklagten gemieteten Bestandobjekts zu Wohnzwecken für eine Wohngemeinschaft und nicht zu Geschäftszwecken (Büro) sein sollte und hoben deshalb die auf § 30 Abs 2 Z 7 MRG gestützte Aufkündigung auf.
a) Der objektive Erklärungswert verliert seine Bedeutung, wenn sich die Parteien in der Sache einig sind; es gilt dann ihr übereinstimmender Wille, unabhängig davon, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergeben (WBl 1990, 149; ÖBA 1990, 558 ua; RIS-Justiz RS0014005). Ist die falsa demonstratio beiderseitig und ergibt sich natürlicher Konsens, so gilt das Gewollte ohne Rücksicht auf die Erklärungen als Vertragsinhalt (JBl 1988, 714; RIS-Justiz RS0017839). Vertragsinhalt war somit hier die Miete des Bestandobjekts zu Wohnzwecken und nicht zur Nutzung als Geschäftslokal.
b) Es ist nicht strittig, daß das hier zu beurteilende Mietverhältnis dem MRG unterliegt; daß der klagende Einzelrechtsnachfolger des Vermieters die Vereinbarung über die Nutzung des Bestandobjekts weder kannte noch kennen mußte, wird unterstellt. Banden nach altem Recht (§ 1120 ABGB) den Erwerber alle Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Mieter, sofern sie nur mit dem Inhalt des Mietverhältnisses zusammenhingen und sich nicht auf die Dauer des Mietverhältnisses bzw der Kündigungsfrist bezogen (SZ 58/145 = JBl 1986, 386 [mit kritischer Anm von P.Huber] = MietSlg 37/37 uva), so binden den Einzelrechtsnachfolger im Eigentum der vermieteten Sache nach § 2 Abs 1 MRG „gewöhnliche“ Nebenabreden jedenfalls, „ungewöhnliche“ dagegen nur, wenn er sie kannte oder kennen mußte. Der Begriff der „Nebenabrede“, zu denen die Materialien des MRG nichts enthalten (425 BlgNR 15.GP, 36), ist nicht eng zu sehen (SZ 58/145; MietSlg 38/22; zuletzt 7 Ob 633, 634/94 = MietSlg 46/36 = WoBl 1995/57, 133 [Dirnbacher] = NZ 1996, 116; RIS-Justiz RS0069552; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 2 MRG Rz 6); denn wie Fenyves (in Korinek/Krejci, Handbuch zum MRG, 293 mwN in FN 112) überzeugend darlegt, ist dies erforderlich, um der Vorschrift überhaupt einen Anwendungsbereich zu lassen, könnten doch die meisten der üblichen Abreden als Umschreibung der „Hauptleistung“ eines der Vertragsteile angesehen werden (zustimmend auch Würth in Rummel2 § 2 MRG Rz 7a und Würth/Zingher aaO). Dessen ungeachtet sind jedenfalls Vereinbarungen über die Art der Nutzung keine Nebenabreden , sondern Vereinbarungen, die jedenfalls den Kern des Bestandvertrags betreffen (Fenyves aaO). Beim Mietvertrag muß die Art der Nutzung schon deshalb den Hauptabreden zugerechnet werden, weil die Zinsbildung, aber auch die Anwendung bestimmter Vorschriften des MRG, davon abhängt, ob es sich um eine Wohnung oder ein Geschäftslokal handelt. An „Hauptabreden“ ist der Erwerber aber jedenfalls gebunden (MietSlg 46/36; Fenyves aaO). Die in der außerordentlichen Revision behauptete nachträgliche Duldung der Änderung der Nutzung durch den Vermieter ist feststellungsfremd.
Auf die Frage der Ungewöhnlichkeit des Inhalts einer Nebenabrede kommt es demnach nicht mehr an.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).