OGH vom 21.11.2017, 4Ob139/17w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** H*****, vertreten durch Mag. Karin Sonntag, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. C***** B*****, 2. R***** K*****, beide vertreten durch Dr. Michael-Paul Parusel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 2 C 352/16g (vormals AZ 1 C 841/13g) des Bezirksgerichts Hallein, infolge ordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 114/17v-27, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 13 C 377/16y-21, teilweise bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Revision wird das Teilurteil des Berufungsgerichts, womit das Urteil des Erstgerichts 1. hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 2 C 352/16g (vormals AZ 1 C 841/13g) des Bezirksgerichts Hallein und der Aufhebung des dort ergangenen Zwischenurteils vom und des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom , AZ 22 R 26/15z, sowie 2. hinsichtlich der Abweisung des im wiederaufgenommenen Rechtsstreit AZ 2 C 352/16g (vormals AZ 1 C 841/13g) des Bezirksgerichts Hallein erhobenen Zwischenantrags auf Feststellung der Beklagten bestätigt wurde, als nichtig aufgehoben; im gleichen Umfang werden auch das Urteil des Erstgerichts und das Verfahren beider Instanzen als nichtig aufgehoben und die Wiederaufnahmsklage insofern zurückgewiesen. In diesem Umfang werden die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten der Rechtsmittelverfahren gegenseitig aufgehoben.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung, die ab an die Beklagten vermietet war; diese zogen mit Ende Juli 2013 aus.
Die Tochter der Klägerin vertrat ihre Mutter in einem gegen die Beklagten wegen ausständiger Mietzinse geführten Vorverfahren und nahm dort am eine Tagsatzung heimlich mit einem Tonaufnahmegerät auf.
In den miteinander verbundenen wiederaufzunehmenden Verfahren begehrte die Klägerin ebenfalls ausständige Mietzinse (führendes Verfahren). Die Beklagten (verbundenes Verfahren) begehrten mit Widerklage Sanierungskosten und Mietzinsminderung sowie die Herausgabe eines Sparbuches; sie stellten weiters den Zwischenantrag auf Feststellung, dass das Bestandverhältnis von Seiten der Klägerin wirksam mit gekündigt worden sei, in eventu, dass dieses Bestandverhältnis per aufgelöst worden sei, in eventu, dass dieses Bestandverhältnis per aufgelöst worden sei; sie beriefen sich auf eine im Zuge des Vorverfahrens getroffene einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses.
In einer Tagsatzung in den wiederaufzunehmenden Verfahren am sagte die Erstbeklagte aus, in der Tagsatzung am im Vorverfahren habe ihr Anwalt erwähnt, die Beklagten würden bis aus der Wohnung ausziehen, was die Tochter der Klägerin mit „umso früher, umso besser“ beantwortet habe. Der Zweitbeklagte und der Beklagtenvertreter bestätigten diese Darstellung im Wesentlichen. Die Tochter der Klägerin bezeichnete dies in einer beeideten Zeugenaussage als „infame Lüge“: Am sei über einen Auszug mit nicht gesprochen worden. Der (hier wie im Vorverfahren zuständige) Richter hielt fest, ein Wortlaut „je bzw desto früher, umso besser“ sei ihm zwar nicht in Erinnerung, sehr wohl jedoch, dass die Beklagten am in den Raum gestellt hätten, die Wohnung alsbald zu räumen; dass die Tochter der Klägerin und Klagevertreterin dagegen Einwände erhoben hätte, könne er weitgehend ausschließen. In dieser Tagsatzung wurde die Verhandlung betreffend den Zwischenfeststellungsantrag geschlossen.
Mit Zwischenurteil vom wurde das Begehren auf Feststellung abgewiesen, das Bestandverhältnis sei per gekündigt worden, dem Eventualbegehren, dass es per aufgelöst wurde, wurde jedoch stattgegeben. Dieses Zwischenurteil wurde vom Landesgericht Salzburg als Berufungsgericht bestätigt und erwuchs in Rechtskraft.
In der Folge wurden staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Beklagten, ihren Anwalt, den Richter und – unter anderem wegen falscher Beweisaussage unter Eid – gegen die Tochter der Klägerin geführt. Diese legte im Jänner 2015 die digitale Kopie einer von ihr hergestellten Tonaufzeichnung der Verhandlung vom im Vorverfahren zum Beweis dafür vor, dass dort über eine Beendigung des Mietverhältnisses nicht gesprochen worden sei. Die Staatsanwaltschaft holte dazu ein Sachverständigengutachten ein, das am einlangte und sie am zur Einstellung der Strafverfahren gegen die Beklagten und deren Anwalt sowie gegen den Richter veranlasste (Begründung nach § 194 Abs 2 StPO am ). Eine Kopie des Gutachtens wurde am an die privatbeteiligte Klägerin abgefertigt.
Die beantragte am die Wiederaufnahme der Verfahren AZ 2 C 351/16k (zuvor AZ 1 C 766/13b), verbunden mit AZ 2 C 352/16g (zuvor AZ 1 C 841/13g), je des Bezirksgerichts Hallein, die Aufhebung des dort ergangenen Zwischenurteils vom und des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom , AZ 22 R 26/15z, sowie im wiederaufgenommenen Rechtsstreit die Abweisung des Zwischenfeststellungsbegehrens der Beklagten. Sie stütze ihre Klage – nach Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – nur noch auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Sie habe durch Zustellung des Sachverständigengutachtens am erstmals Kenntnis von der Existenz und vom Inhalt des Gutachtens sowie vom genauen Inhalt der Tonbandaufnahme erhalten. Eine Vorlage der Aufzeichnung früher als im gegen ihre Tochter als Beschuldigte geführten Strafverfahren sei wegen § 120 Abs 2 StGB nicht möglich gewesen.
Das Erstgericht wies die Klage im Vorprüfungsverfahren nach § 538 Abs 1 ZPO zurück. Dem Rekurs der Klägerin gegen diese Entscheidung gab das Landesgericht Salzburg Folge und behob den Zurückweisungsbeschluss.
Die Beklagten bestritten in der Folge das Vorliegen der Voraussetzungen des § 530 ZPO; die Wiederaufnahmsklage sei rechtsmissbräuchlich.
Das Erstgericht verkündete am das Urteil, mit dem es die Wiederaufnahme bewilligte und das Zwischenurteil sowie das dieses bestätigende Berufungsurteil aufhob. In derselben Tagsatzung fasste es nach § 542 ZPO den Beschluss, vor Ausfertigung dieses Urteils in der Hauptsache zu verhandeln und die Ausfertigung der Entscheidung über die Wiederaufnahme in die Entscheidung über die Hauptsache aufzunehmen; gleichzeitig verband es die wiederaufgenommenen Verfahren mit seinem Verfahren. Mit Urteil vom wies das Erstgericht schließlich den Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten ab.
Das fasste nur im (verbundenen) Verfahren AZ 2 C 352/16g (zuvor AZ 1 C 841/13g) ein die erstgerichtliche Entscheidung bestätigendes Teilurteil und behielt sich die Berufungsentscheidung zum (führenden, wegen weniger als 5.000 EUR geführten) Verfahren AZ 2 C 351/16k (zuvor AZ 1 C 766/13b) vor. Es wiederholte seine schon in der die Klagszurückweisung behebenden Rekursentscheidung vertretene Auffassung, die Klägerin habe innerhalb der Klagsfrist nach Zugang des von ihr behaupteten neuen Beweismittels (des Sachverständigengutachtens) Klage erhoben, die Verwendung der eigentlichen Tonaufzeichnung wäre illegal gewesen, und der Klägerin sei nicht vorwerfbar, dass sie die Tonaufnahme nicht selbst habe auswerten lassen, weil sie sich dadurch strafgerichtlicher Verfolgung ausgesetzt hätte.
In der Hauptsache sei die Berufung der Beklagten nicht berechtigt. Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgenstand als 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob ein im Strafverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten über eine Tonaufnahme einer nichtöffentlichen Äußerung, die ohne Einverständnis des Sprechenden angefertigt worden sei und daher von der Partei selbst nicht ohne die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung (§ 120 Abs 2 StGB) verwendet werden könne, als Wiedereinsetzungsgrund iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO in Frage komme.
Die Beklagte beantragte in ihrer ordentlichen die Abänderung erkennbar dahin, dass ihrem Zwischenfeststellungsantrag stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Aus Anlass der Revision sind die Entscheidungen der Vorinstanzen samt deren Verfahren aufzuheben; die Klage ist – im Umfang des vorliegenden Berufungs-Teilurteils – zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat erwogen:
1. Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Nach § 530 Abs 2 ZPO ist die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen.
2. Eine Wiederaufnahme wegen neu aufgefundener Beweismittel kommt grundsätzlich nur dort in Frage, wo im Vorprozess eine bestimmte Tatsache zwar behauptet wurde, aber nicht bewiesen werden konnte, und die neu aufgefundenen Beweismittel eben den Beweis dieser Tatsache erbringen sollen (RIS-Justiz RS0040999 [T2]). Schon benützbare Beweismittel dürfen nicht einem Wiederaufnahmsverfahren vorbehalten werden, auch wenn eine Verdichtung der Beweislage erhofft bzw erwartet wird (RIS-Justiz RS0117483); auch mit einer nachträglich erkannten Fehleinschätzung des Beweiswerts der unterbliebenen Beweisaufnahme lässt sich die Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht erfolgreich begründen (vgl RIS-Justiz RS0117483 [T2]). Ein Verschulden liegt daher vor, wenn die Partei im Hauptprozess bereitstehende Beweismittel nicht anbietet (RIS-Justiz
RS0044619 [T3]).
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein nachträglich beigebrachtes Gutachten kein Wiederaufnahmsgrund, wenn das Thema des Gutachtens bereits im Hauptprozess bekannt war (RIS-Justiz RS0044834); ein neues Gutachten ohne Hinzutreten weiterer Umstände gibt kein neues Beweismittel ab (RIS-Justiz RS0044834 [T11]; RS0044555 [T5]). Ein später eingeholtes Sachverständigengutachten ist (nur) dann ein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, wenn es auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode bzw einer Untersuchungsmethode basiert, deren Anwendung im Hauptverfahren zu anderen Erkenntnissen hätte führen können (RIS-Justiz RS0044733 [T1]; 4 Ob 179/17b mwN).
3. Die Klage ist binnen der Notfrist von vier Wochen ab dem Tage, an welchem die Partei imstande war, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen, zu erheben (§ 534 ZPO) und muss nach § 536 Z 3 ZPO insbesondere die Angabe der Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist für die Klage ergibt, und die Bezeichnung der hierfür vorhandenen Beweismittel enthalten. Das Gericht hat vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschluss zurückzuweisen (§ 538 Abs 1 ZPO). Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Kläger auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 538 Abs 2 ZPO). Ergibt sich erst bei der mündlichen Verhandlung, dass die Wiederaufnahmsklage auf einen gesetzlich unzulässigen Anfechtungsgrund gestützt wird oder verspätet überreicht ist, so ist die Klage ebenfalls durch Beschluss zurückzuweisen (§ 543 ZPO).
4. Die Kenntnis des mit Prozessvollmacht ausgestatteten Parteienvertreters von neuen Tatsachen und Beweismitteln ist der Partei zuzurechnen; die Frist des § 534 Abs 1 ZPO wird dadurch in Lauf gesetzt (RISJustiz RS0044635 [T2]). Auch in Ansehung des § 530 Abs 2 ZPO und in Bezug auf einen Vorprozess ist die Kenntnis von Tatsachen und Beweismitteln des Prozessbevollmächtigten der Prozesspartei zuzurechnen (Jelinek in Fasching/Konecny² [2005] § 530 ZPO Rz 182, 185).
5. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die im Vorverfahren durch ihre Tochter vertretene Klägerin um Inhalt und Verlauf der Verhandlung am und vom Umstand wusste, dass davon eine Tonaufzeichnung existiert. Die Klägerin war daher nicht außerstande (§ 530 Abs 2 ZPO), vor Schluss der Verhandlung im wiederaufzunehmenden Verfahren die Vorlage der Tonaufzeichnung oder eines Transkripts hiervon zum Beweis ihrer Behauptungen bzw zur Widerlegung der dort bereits ein halbes Jahr zuvor aufgestellten Behauptungen der Beklagten anzubieten.
Das im Strafverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ist kein „neues“ Beweismittel, weil es sich bloß um ein von einem zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorliegenden und der Klägerin bekannten Beweismittel (der Tonaufzeichnung) abgeleitetes Beweismittel handelt. Es brachte für die Klägerin keine ihren Kenntnisstand über den Inhalt und den Verlauf der Verhandlung im Vorverfahren vom erweiternden Informationen. Das Gutachten basiert auch nicht auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode bzw einer Untersuchungsmethode, deren Anwendung im Hauptverfahren zu anderen Erkenntnissen über den Inhalt der Tonaufzeichnung hätte führen können. Die im Gutachten erörterte Frage der Durchgängigkeit der Aufnahme betrifft nur deren Beweiswert. Dass das Gutachten aus technischen Gründen erforderlich gewesen wäre, um vom Inhalt der Tonaufzeichnung Kenntnis zu erlangen, brachte die Klägerin gar nicht vor.
6. Dass der Klägerin die Vorlage der Tonaufnahme, wie das Berufungsgericht vermeint, in Ansehung des § 120 StGB unzumutbar gewesen wäre, trifft nicht zu.
6.1. § 120 Abs 1 StGB pönalisiert die Aufnahme einer nicht öffentlichen Äußerung, Abs 2 die Wieder- und Weitergabe einer solchen (einschließlich der Weitergabe an einen Dritten, damit dieser ein Transkript anfertigt); von § 120 StGB geschützt sind nicht öffentliche Äußerungen, eine Gerichtsverhandlung ist dagegen öffentlich. Auch Anfertigung und Weitergabe eines Transkripts sind nicht tatbildlich (Lewisch/Reindl-Krauskopf in WK² § 120 StGB Rz 3 und 8 f).
6.2. Soweit es sich beim Tonband um eine Aufnahme der öffentlichen Verhandlung vom im Vorverfahren handelte, kommt § 120 StGB nicht zum Tragen.
6.3. Soweit die Aufnahme über die Aufzeichnung der öffentlichen Gerichtsverhandlung hinausreicht, ist im Strafprozess die Verwendung eines insofern strafgesetzwidrig gewonnenen Tonbandmitschnittes insbesondere zur Entlastung des Beschuldigten vom Vorwurf einer Straftat unter dem Aspekt des rechtfertigenden Notstands zulässig (RIS-Justiz RS0093532 [insb T 3]).
Auch im Zivilprozess ist anerkannt, dass es in besonderen Ausnahmefällen (Notwehr, Notstand, Verfolgung überragender berechtigter Interessen – RIS-Justiz RS0112710 [insb T 1]) zulässig ist, auch rechtswidrig erlangte Tonbandaufnahmen jedenfalls dann zu verwerten, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein Prozessbetrugsversuch des Prozessgegners vorliegt. In diesem Fall befände sich die Partei in einer Notwehrsituation, in der ihr durch Verwehrung der Einbringung eines Tonbands in den Prozess das mangels (glaubwürdiger) Zeugenaussagen möglicherweise einzige wirksame Verteidigungsmittel genommen würde; dies hätte ihren Beweisnotstand zur Folge (RIS-Justiz RS0112710). Dem Beweisführer obliegt dabei der Beweis, dass er die Tonaufzeichnung bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötigt, und dass sein verfolgter Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertiger sind als die bei der Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners (RIS-Justiz RS0112710 [T2]). Bei Transkripten solcher Tonaufnahmen ist für deren prozessuale Verwertbarkeit – im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Qualifikation als Urkunden und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Rechtswidrigkeit im Sinne eines Verstoßes gegen § 120 StGB nicht vorliegt – keine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0123178, RS0112710 [T3]).
7. Zusammengefasst war die Klägerin bereits vor Schluss der Verhandlung im wiederaufzunehmenden Verfahren imstande, die Tonaufzeichnung oder ein Transkript hiervon vorzulegen (§ 530 Abs 2 ZPO). Das im Strafverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ist deshalb kein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Die Wiederaufnahmsklage ist daher unzulässig.
8. Die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage (auch des Aufhebungsverfahrens) ist eine vom Gesetzgeber an eng umgrenzte Voraussetzungen geknüpfte Ausnahme von der aus der Rechtskraft der Vorentscheidung abgeleiteten Einmaligkeitswirkung. Liegen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vor, ist ein dessen ungeachtet durchgeführtes Verfahren (und zwar auch schon das Aufhebungsverfahren) wegen des darin liegenden Verstoßes gegen die Einmaligkeitswirkung des Vorprozesses nichtig (RIS-Justiz RS0111401).
Das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Wiederaufnahmeverfahren – wenn dieses (wie hier) nicht von strittigen Tatsachen abhängt, sondern sich bereits aus den als richtig angenommenen Tatsachenbehauptungen der Klage ergibt (RISJustiz RS0044558) und daher schon im Vorprüfungsverfahren nach § 538 ZPO wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0044527) – führt zur Nichtigkeit des Verfahrens und der Entscheidung, sodass nicht nur die Urteile der Vorinstanzen, sondern auch das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben sind (RIS-Justiz RS0111400, RS0044681 [T3]). Das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Wiederaufnahmsklage – darunter ein die Wiederaufnahmsklage ausschließendes Verschulden (RISJustiz RS0044558 [T15]) – ist in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0044527, RS0044620); § 543 ZPO gilt auch im Revisionsverfahren (7 Ob 766/82 = RIS-Justiz RS0044527 [T5]).
Aus Anlass der Revision war daher wie im Spruch zu entscheiden.
9. Die Verfahrenskosten sind in analoger Anwendung des § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufzuheben (vgl 8 Ob 547/87).
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