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OGH vom 23.03.2011, 4Ob231/10i

OGH vom 23.03.2011, 4Ob231/10i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, diese vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** J*****, vertreten durch Mag. Sylvia Hafner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 64/10h 33, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Im Hinblick auf § 572 ZPO ist maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der behaupteten Kündigungsgründe im Allgemeinen der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner (RIS Justiz RS0070282; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht 22 § 33 MRG Rz 27; Iby in Fasching / Konecny ² IV/1 § 562 ZPO Rz 31). Nur ausnahmsweise beim Kündigungsgrund des Eigenbedarfs und bei Kündigungsgründen, die eine Zukunftsprognose erfordern ist auf die bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetretenen Umstände Bedacht zu nehmen, wenn dies im Interesse des Mieters erforderlich ist, um eine offenbar unbillige Entscheidung zu verhindern (vgl RIS Justiz RS0044892; 10 Ob 22/00h).

2. Unstrittig steht fest, dass das aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG aufgekündigte Bestandobjekt im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an die Beklagte uneingeschränkt in deren alleinigem Gebrauch und uneingeschränkter Verfügungsbefugnis befand und nicht (mehr) von Dritten benützt wurde. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG nicht verwirklicht sah, ist es von der aufgezeigten Rechtsprechung nicht abgewichen. Anders als bei den im Rechtsmittel ins Treffen geführten Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter und dritter Fall MRG kommt es bei einer Kündigung wegen Weitergabe des Bestandobjekts weder auf das Vorliegen einer strafbaren Handlung, noch auf eine Zukunftsprognose an.

3.1. Ob der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG vorliegt, war vom Berufungsgericht nicht zu prüfen, weil die Berufung dazu keine Ausführungen enthält. Wurde die Entscheidung erster Instanz von der unterlegenen Partei nur in bestimmten, demnach nicht in allen Streitpunkten, denen selbständige rechtserzeugende, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsachen zugrunde liegen, mit Rechtsrüge bekämpft, dann beschränkt sich die rechtliche Nachprüfung schon im Verfahren zweiter Instanz nur auf jene Streitpunkte, die dort Gegenstand des Rechtsmittels sind; andere im Rechtsmittel zweiter Instanz nicht behandelte und daher fallen gelassene Rechtsgründe, die sich durch die erwähnte Selbständigkeit auszeichnen, können im Rechtsmittelverfahren dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (stRsp; siehe Kodek in Rechberger , ZPO² § 503 Rz 5; Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 503 Rz 56 iVm 190 f, je mwN; RIS-Justiz RS0043573 [T29, T 36, T 43]).

3.2. Nur ergänzend ist auf die einhellige Rechtsprechung zu verweisen, wonach jegliche Weitergabe einer Wohnung nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG als lex specialis im Verhältnis zur generellen Norm des § 30 Abs 2 Z 6 MRG zu beurteilen ist (1 Ob 218/97h = MietSlg 50.412; 6 Ob 239/00s = MietSlg 52.404; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht 22 § 30 Rz 27).