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OGH 27.09.2005, 1Ob167/05y

OGH 27.09.2005, 1Ob167/05y

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Roland L*****, vertreten durch Achammer & Partner, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die Antragsgegnerin Simone L*****, vertreten durch Längle Fussenegger Fetz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Bregenz, wegen Unterhaltsherabsetzung, infolge „außerordentlichen Revisionsrekurses" des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 1 R 130/05h-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 1 Fam 3/05g-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit gerichtlichem Vergleich vom verpflichtete sich der Antragsteller, der Antragsgegnerin Unterhalt in der Höhe von EUR 1.000 monatlich ab Mai 2004 zu leisten und eine Unterhaltsnachzahlung für die Vergangenheit von insgesamt EUR 24.000 zu erbringen. Am begehrte der Antragsteller die Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich EUR 676 sowie des „rückständigen Unterhalts" (für den Zeitraum bis ) auf insgesamt EUR

12.336. Bei Abschluss des Unterhaltsvergleichs sei - infolge einer unrichtigen Rechtsbelehrung - irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen worden.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Antragstellers den Beschluss mit der Maßgabe, dass es den Antrag abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Den gegen diesen Beschluss erhobenen „außerordentlichen Revisionsrekurs" des Antragstellers legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 dieses Gesetzes - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt EUR 20.000 nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung beim Erstgericht einzubringenden - Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung); ein solcher Antrag, mit dem der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird. Im vorliegenden Fall übersteigt der Entscheidungsgegenstand nicht EUR 20.000. Unterhaltsansprüche sind gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten. Wird eine Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so bildet den Streitwert nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung (5 Ob 67/99k; 7 Ob 19/99s; 1 Ob 133/99m; 6 Ob 92/00y ua). Eines Bewertungsausspruchs durch das Gericht zweiter Instanz bedarf es bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt nicht (6 Ob 236/98v; 6 Ob 92/00y). Gesondert begehrte, bereits fällig gewordene Ansprüche sind nicht zusätzlich neben diesem dreifachen Jahresbetrag zu bewerten (5 Ob 67/99k; 1 Ob 133/99m).

Gegenstand des Rekursverfahrens war die Herabsetzung des Unterhalts um monatlich EUR 324. Der dreifache Jahresbetrag errechnet sich sohin mit EUR 11.664. Dieser Betrag war Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und es als „außerordentlichen Revisionsrekurs" bezeichnet. Dem Revisionsrekurs fehlt allerdings die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht gestellt werde.

Im Hinblick auf die darstellte Rechtslage war der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Vielmehr erweist sich dessen Vorlage an das Gericht zweiter Instanz als geboten. Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Rekursgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch ändern, wird es einen - mit Fristsetzung verbundenen - Verbesserungsauftrag zu erteilen haben.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Roland L*****, vertreten durch Achammer und Partner, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die Antragsgegnerin Simone L*****, vertreten durch Längle Fussenegger Fetz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Bregenz, wegen Unterhaltsherabsetzung (Streitwert: EUR 11.664), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 1 R 130/05h-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 1 FAM 3/05g-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 749,70 (darin EUR 124,95 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller schloss mit der Antragsgegnerin vor dem Bezirksgericht Bezau am einen Vergleich folgenden Inhalts:

„1. Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ab Mai 2004 jeweils bis zum 15. eines jeden Monats einen Unterhalt in der Höhe von EUR 1.000 monatlich zu leisten.

2. Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin für den Zeitraum bis aus dem Titel des rückständigen Unterhalts einen Gesamtbetrag von EUR 24.000 zu leisten, und zwar in monatlichen Raten à EUR 1.000, beginnend ab Mai 2004, die monatlichen Raten zahlbar bis jeweils längstens 15. eines jeden Monats; die letzte Rate ist somit am zu leisten."

Am beantragte der Antragsteller, er möge in Abänderung dieses Vergleichs verpflichtet werden, der Antragsgegnerin ab Mai 2004 Unterhalt von nur 676 EUR monatlich zu leisten und ihr für den Zeitraum bis aus dem Titel des rückständigen Unterhalts einen Gesamtbetrag von lediglich 12.336 EUR in monatlichen Raten à 500 EUR, beginnend ab Mai 2004, zu zahlen. Er habe am anlässlich der mündlichen Verhandlung über die von der Antragsgegnerin eingebrachte Unterhaltsklage beim Bezirksgericht Bezau unter anderem die Jahresabschlüsse 2000 bis 2002 der GmbH, deren geschäftsführender Alleingesellschafter er sei, vorgelegt. Der Vergleich sei abgeschlossen worden, da der Richter in der Verhandlung ausgeführt habe, dass die Abschreibungen der GmbH einkommenserhöhend und somit bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien. Trotz bindend abgeschlossenen Vergleichs komme eine Neubemessung des Unterhalts in Betracht, da von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen worden sei. Auf Grund der Belehrungen des Richters seien alle am Vergleich Beteiligten davon ausgegangen, dass die Abschreibungen der GmbH für die Bemessungsgrundlage des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin maßgeblich seien. Diese Prämissen seien aber falsch gewesen, sodass alle Beteiligten einem wesentlichen Irrtum unterlegen seien. Die Jahresabschlüsse der GmbH und allenfalls enthaltene Abschreibungen seien für die Unterhaltsbemessung nicht wesentlich, da Unterhaltsschuldner der Antragsteller und nicht die GmbH sei. Gewinnentnahmen seien wegen der finanziellen Situation des Unternehmens nicht möglich gewesen und auch nicht getätigt worden. Auszugehen sei daher ausschließlich vom „Geschäftsführergehalt" von 4.039,88 EUR monatlich (12 mal jährlich); hieraus errechne sich unter Berücksichtigung der weiteren Unterhaltspflichten und unter Anrechnung der sogenannten „Transferleistungen" ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin von 676 EUR monatlich.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Die Änderung des rechtskräftigen Unterhaltstitels sei nur unter der Voraussetzung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse möglich, wobei dies auch gelte, wenn im Unterhaltsvergleich irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen worden sei. Im vorliegenden Fall seien keine Umstände hervorgekommen, die einen Irrtum der Parteien über die tatsächlichen Grundlagen der Unterhaltsbemessung nahe legten. Es seien den Parteien und dem Gericht alle für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Faktoren bei Vergleichsabschluss bekannt gewesen. Ein Irrtum über die Tatsachengrundlagen liege nicht vor. Am ehestens könne von einem gemeinsamen Rechtsirrtum ausgegangen werden, der jedoch nichts an der materiellen Rechtswirkung des Vergleichs ändere. Im Übrigen sei bei selbstständig Erwerbstätigen der tatsächlich verbleibende Reingewinn der Unterhaltsbemessung zu Grunde zu legen. Auch betriebliche Abschreibungen seien grundsätzlich zu berücksichtigen. Es könne also davon ausgegangen werden, dass bei Vergleichsabschluss auch kein Rechtsirrtum vorgelegen sei. Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag abgewiesen wurde, und ließ letztlich den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Ein Unterhaltsvergleich stehe bis zu einer nicht bloß unbedeutenden Änderung der beiderseitigen Verhältnisse einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung im Sinne eines materiell-rechtlichen Hindernisses entgegen. Eine Neufestsetzung des Unterhalts sei dann zulässig, wenn neue Umstände hervorkommen, die eine andere Sachlage ergeben als jene, die dem Vergleich zugrunde lagen. Hievon abgesehen komme eine Neubemessung auch dann Betracht, wenn bei Abschluss des Unterhaltsvergleichs für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs wesentliche Umstände unbekannt gewesen seien oder irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen worden sei. Hiebei bedürfe es keiner Anfechtung des Unterhaltsvergleichs im streitigen Verfahren. Der Rekurswerber stütze seinen Antrag auf Neubemessung des Unterhalts allein darauf, dass sich die Beteiligten beim Abschluss des Vergleichs in einem gemeinsam Irrtum darüber befunden hätten, dass die im Jahresabschluss der GmbH enthaltenen Abschreibungen für die Ermittlung des Nettoeinkommens des Antragstellers heranzuziehen seien. Insoweit werde nicht ein Irrtum über die tatsächlichen Grundlagen der Unterhaltsbemessung aufgezeigt. Selbst nach dem Vorbringen des Rekurswerbers sei sein gesamtes Einkommen im Zug des Abschlusses des Vergleichs offen gelegt worden. Sofern die Beteiligten einem gemeinsamen Rechtsirrtum unterlegen wären, würde ein solcher an der materiellen Rechtswirkung des Vergleichs nichts ändern und eine Neubemessung des Unterhalts nicht zulassen.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ansicht des Rekursgerichts unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber wirft dem Rekursgericht vor, „von der aktenwidrigen Annahme" ausgegangen zu sein, er habe in erster Instanz „keinen Irrtum über die Tatsachengrundlagen des Vergleichs" geltend gemacht. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mit seinen Ausführungen bekämpft der Rechtsmittelwerber die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, ohne allerdings eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen. Eine Neufestsetzung des Unterhalts ist dann zulässig, wenn neue Umstände hervorgekommen sind, die eine andere Sachlage ergeben als jene, die dem Vergleich zugrunde lagen, wobei dies auch für einen Unterhaltsherabsetzungs- oder -erhöhungsantrag gilt oder wenn im Unterhaltsvergleich irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen wurde (9 Ob 302/97w; 4 Ob 319/98k; 6 Ob 81/00f ua). Eine Anfechtung des Vergleichs wegen Irrtums im streitigen Verfahren ist einem solchen Fall nicht erforderlich. Die materielle Rechtskraft der Entscheidung setzt auch voraus, dass dem Gericht alle für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände bekannt waren (6 Ob 18/97h; 6 Ob 120/03w).

In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Antragsgegner bei Abschluss des Unterhaltsvergleichs mit der Antragsgegnerin nicht über die tatsächlichen Grundlagen der Unterhaltsbemessung geirrt, vielmehr dem Gericht und der Antragsgegnerin gegenüber sein Einkommen offen gelegt hat und allenfalls in einem Irrtum darüber befangen war, dass Abschreibungen jener GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer er war, bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien, kann eine Verkennung der Rechtslage nicht erblickt werden. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass der Antragsteller zwar durchgehend die Auffassung vertritt, über Tatsachen geirrt zu haben, allerdings noch in seinem Revisionsrekurs darauf hinweist, dass er „aufgrund einer falschen Rechtsberatung" der Meinung gewesen sei, nicht sein „Geschäftsführergehalt", sondern das Ergebnis der Jahresabschlüsse der GmbH bilde die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Damit zeigt der Antragsteller aber selbst einen Rechtsirrtum auf. Nach ständiger Rechtsprechung gilt eine fehlerhafte Beurteilung der Rechtslage nur als unbeachtlicher Irrtum im Beweggrund (1 Ob 311/71) und berechtigt der Rechtsirrtum einer Partei grundsätzlich nicht zur Anfechtung eines Vergleichs (JBl 1990, 333; 9 ObA 214/92; 1 Ob 193/98h).

Der Revisionsrekurs ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Der Oberste Gerichtshof konnte aber nur die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf Basis des Entscheidungsgegenstands (11.664 EUR; siehe 1 Ob 167/05y) zusprechen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00167.05Y.0927.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAD-41475