OGH vom 27.04.2011, 7Ob165/10f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Roch und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** K*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 240/09p-12, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 42 Cg 211/09x-8, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die A***** I***** AG ( im Folgenden: A*****), bis unter der Firma A***** M***** AG (im Folgenden: AM*****), war die alleinige Gesellschafterin der A***** GmbH, aus der die A***** F***** AG (im Folgenden: AF*****) am durch Umwandlung hervorgegangen ist. Am wurde der Betrieb „Erbringung von Wertpapierdienstleistungen“ von der A***** abgespalten und im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die AF***** übertragen (§ 1 Abs 2 Z 2 SpaltG), womit auch die ursprünglich auf die A***** lautende Konzession zur gewerblichen Erbringung von Finanzdienstleistungen (Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden, § 1 Abs 1 Z 19 lit b BWG) auf die AF***** überging. Die AF***** trat in die Vertragsverhältnisse der Kunden mit der A***** ein. Die AF***** war ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) im Sinn des § 19 Abs 1 WAG. Die AM*****/A***** wurde am als Gesellschafterin der Beklagten im Firmenbuch eingetragen und am als Gesellschafterin wieder gelöscht. Die AF***** wurde am als Gesellschafterin der Beklagten im Firmenbuch eingetragen und am gelöscht. Mit Beschluss vom , 36 S 42/05x des Handelsgerichts Wien, wurde sowohl über das Vermögen der AF***** als auch jenes der A***** der Konkurs eröffnet. Der Masseverwalter zeigte Masseunzulänglichkeit an. Die Beklagte ist die nach § 32 Z 8 Wertpapieraufsichtsgesetz, BGBl Nr 753/1996 (WAG 1996) sowie nach § 75 Abs 2 WAG 2007 eingerichtete Entschädigungseinrichtung.
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 20.000 EUR samt Anhang, hilfsweise mit der Beschränkung der Haftung auf das Treuhandvermögen, weil ihr als Kundin der AM*****, später der AF*****, durch Einzahlung in ein „Vermögensveranlagungsprodukt“ auf Grund eines Vermögensverwaltungsvertrags ein Schaden von 30.092,30 EUR (letzter Depotwert zum ) entstanden sei. Sie habe am 1 Mio ATS (72.672,83 EUR) direkt auf ein Konto der AM***** geleistet, jedoch nur 21.801,92 EUR an Ausschüttungen erhalten. Die A*****/AF***** sei verpflichtet, der Klägerin den Verlust durch die Veranlagung unabhängig von Kursverlusten mit Gebühren der A*****/AF***** zurückzuzahlen, weil keine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung durchgeführt worden sei; vielmehr seien von deren strafrechtlich verurteilten Organen die von Kunden anvertrauten Gelder veruntreut worden. Die AM***** sei am gegründet worden und schon bei Einzahlung der Klägerin Mitglied bei der Beklagten gewesen. Sowohl über A***** als auch AF***** sei am das Konkursverfahren eröffnet worden. Auf Grund der Insolvenz sei sie nicht in der Lage, der Klägerin ihre Forderung zurückzubezahlen, sodass die Beklagte die Klägerin zu entschädigen habe. Der Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten unterliege der 30-jährigen Verjährungsfrist.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte primär Verjährung ein. Bei Klagseinbringung sei die spätestens mit der Mitteilung des Masseverwalters von der Masseunzulänglichkeit am beginnende 3-jährige Frist des § 1489 ABGB bereits abgelaufen gewesen. Wegen der Deckelung des Entschädigungsanspruchs sei das Zinsenbegehren jedenfalls unzulässig. Die Einzahlungen der Klägerin seien auf Verrechnungskonten eingelangt, die nicht die AF***** oder die A***** als Kontoinhaber ausgewiesen hätten; es habe auch keine Zugriffsmöglichkeit durch A*****/AF***** bestanden, sodass diese keine Gelder der Klägerin gehalten hätten. Die Einzahlung der Klägerin sei widmungsgemäß in luxemburgische Fonds investiert worden, deren Liquidation in Luxemburg erfolge. Wegen ihrer Schadensminderungspflicht müsse die Klägerin zunächst dort versuchen, ihr Geld zu bekommen. Diese Fonds seien kein Vermögen der A*****/AF*****. Auch im Fall der Annahme einer Haftung für bloß mittelbares Halten komme eine solche nur bei einfachen, hier nicht vorliegenden Umgehungskonstruktionen in Frage. Es sei zur nach luxemburgischem Recht zulässigen und im Prospekt festgehaltenen Einschaltung einer Zwischenstelle („Nominee“) gekommen, als welche die T***** Ltd (im Folgenden: T*****) fungiert habe. Dies sei ein eigenständiges Unternehmen gewesen, an dem die AF***** nie beteiligt gewesen sei; es habe weder eine Beherrschung der T***** durch A***** noch eine personelle Identität dieser Gesellschaften bestanden. Die AF***** habe das Wertpapierdienstleistungsgeschäft als „leere Hülle“ nur formal ausgeübt, vor allem das Fondsmanagement sei bei der A***** geblieben, sodass Malversationen dieser zuzurechnen seien; sie sei aber seit nicht mehr Mitglied der Beklagten gewesen. Die Anleger seien über die Zwischenschaltung der T***** informiert gewesen. Sollten Gelder der Klägerin von der T***** gehalten worden sein, fehle es ihr daher an der Schutzwürdigkeit. Die Beklagte hafte überdies nicht mit ihrem gesamten Vermögen, sondern nur mit dem Treuhandvermögen.
Das Erstgericht gab dem Klagehauptbegehren statt. Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus, die vom Berufungsgericht nach Verwerfung einer Beweisrüge übernommen wurden:
Die Klägerin wählte im Rahmen einer Umschuldung als Tilgungsträger eine Veranlagung bei der AM*****. Deshalb leistete sie 1 Mio ATS als Einmalerlag auf ein Treuhandkonto der AM*****. Von diesem Betrag wurden 6 % seitens AM***** „vertragswidrig“ als Provisionen abgeführt, der Rest wurde auf ein bei einer österreichischen Bank geführtes Verrechnungskonto „AM***** Management“ weiter überwiesen. Auf dieses Verrechnungskonto gelangten sämtliche Kundengelder der AM*****/A*****. Sie wurden undifferenziert in den in Luxemburg situierten Umbrella Fonds „T***** Fonds“ investiert. Mag. D***** B***** trat bei der AM***** 1997 ein und bemerkte erstmals etwa Ende 1998/Anfang 1999, dass das geführte System nicht funktionieren würde, weshalb er gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen begann, „Löcher zu stopfen“. In weiterer Folge wurden Fondsanteile vertragswidrig verkauft und die Erlöse zweckwidrig verwendet. Bei Konkurseröffnung betrug der Depotstand der von der Klägerin angelegten Gelder noch ca 30.000 EUR. Zur Rückzahlung ihrer Kreditraten waren ihr bis dahin 21.000 EUR ausbezahlt worden. Am meldete die Klägerin ihre Forderung bei der Beklagten an. Nachdem die Prüfung ihres Anspruchs länger andauerte, urgierte die Klägerin bei der Beklagten. Sie wurde sodann aufgefordert, weitere Unterlagen vorzulegen, dem die Klägerin nicht nachkam. Die Beklagte hätte aber auch bei Vorlage dieser weiteren Unterlagen durch die Klägerin den Anspruch der Klägerin abgelehnt, weil sie grundsätzlich von der Rechtsansicht ausgeht, es liege kein Fall der gesetzlich geregelten Anlegerentschädigung vor.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, das Geld sei von A***** zurückzuzahlen, weil es von der Klägerin unmittelbar auf ein Konto der A***** einbezahlt worden sei. Eine Weiterveranlagung der Gelder in Fonds schade nicht, wenn es im Nachhinein zu genau jenem Verhalten des WPDLU komme, welches mit der Regelung des WAG habe abgedeckt werden sollen. Die Zinsenregelung nach dem ABGB werde vom WAG nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Die Verjährungsfrist und der Fristenlauf für Verzugszinsen begännen mit Ablauf der dreimonatigen gesetzlichen Frist, welche der Beklagten für die Prüfung der Ansprüche zustehe (), weshalb der Anspruch nicht verjährt sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil in eine Klagsabweisung ab, weil der Anspruch verjährt sei. Schon aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich, dass der Anspruch der Anleger ein Entschädigungsanspruch sei, sodass § 1489 erster Satz ABGB Anwendung finde. Mit der Anmeldung der Forderung am sei die Kenntnis der Klägerin von Schaden und Schädiger dokumentiert. Die am bei Gericht eingelangte Klage sei daher nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB eingebracht worden. Selbst wenn man in Ansehung der Repräsentanten der A*****-Gesellschaften die 30-jährige Verjährungsfrist als anwendbar erachten wollte, gelte die lange Verjährungszeit nicht auch für den Beteiligten, dessen Beteiligung selbst nicht im Sinn des § 1489 Satz 2 ABGB qualifiziert sei. Eine § 12 Abs 2 VersVG nachgebildete Gesetzesbestimmung (wie etwa § 27 Abs 2 Satz 2 KHVG) existiere nicht, sodass keine rechtliche Grundlage für die Ansicht gegeben sei, mangels Ablehnung der angemeldeten Ansprüche könne keine Verjährung eintreten.
Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil bislang Rechtsprechung zur Anlegerentschädigung nach dem WAG und somit auch zu deren Verjährung fehle.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Klagsstattgebung, hilfsweise Aufhebung. Die Anlegerentschädigung stelle schon deshalb keinen Schadenersatzanspruch dar, weil der Beklagten kein rechtswidriges und/oder schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen sei. Es handle sich um einen durch das WAG geschaffenen Anspruch eigener Art, für den keine kurze Verjährungszeit vorgesehen sei; daher unterliege sie der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren. Abgesehen davon sei der Anleger gehalten, vorerst seine Forderung anzumelden, sodass der Lauf der Verjährung gehemmt bleibe, solange eine Prüfung der Beklagten in angemessener Frist erfolge. Schließlich habe die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs nicht vor März 2006 eintreten können, weil der Beklagten eine angemessene Frist von mindestens drei Monaten zur Feststellung der Forderung einzuräumen sei und erst daran die Dreimonatsfrist des § 23c Abs 4 WAG 1996 anschließe. Keinesfalls beginne daher die Verjährung mit der Anmeldung zu laufen.
Dem tritt die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen, in der sie auch ihre (weiteren) Berufungsargumente aufrecht erhält.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig , weil die Bejahung der Verjährung der Klagsforderung durch das Berufungsgericht unhaltbar ist; sie ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt .
1. Eine Verjährung des Entschädigungsanspruchs der Klägerin ist aus folgenden Gründen zu verneinen:
1.1. Das WAG 1996 trat zwar mit Ablauf des außer Kraft (§ 106 WAG 2007); auf Sachverhalte, die sich - wie hier - vor dem Inkrafttreten des WAG 2007 verwirklicht haben, ist aber nach wie vor das WAG 1996 idF der Novelle BGBl I 63/1999 (in Kraft getreten mit ) anzuwenden.
Nach §§ 23b Abs 2 und 23c Abs 4 WAG 1996 hat die Entschädigungseinrichtung unter anderem zu gewährleisten, dass Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden.
Der Entschädigungsanspruch des Anlegers ist daher - unter der Voraussetzung der hier erfolgten fristgerechten Anmeldung nach § 23c Abs 2 WAG 1996 [ein Jahr ab Eröffnung des Konkurses] - grundsätzlich mit Ablauf der Auszahlungsfrist fällig ( Linder in Gruber/N. Raschauer , § 75 WAG 2007 Rz 30; Wilhelm , Zur Anlegerentschädigung nach dem WAG, ecolex 2007, 422 [426]), also drei Monate nach Feststellung der Forderung durch die Beklagte.
1.2. Der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs kommt Bedeutung bei der Beurteilung der eingewendeten Verjährung zu. Nach § 1478 Satz 2 ABGB ist nämlich der Beginn der 30-jährigen Verjährungsfrist davon abhängig, dass das Recht „an sich schon hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis - zB mangelnde Fälligkeit - mehr entgegensteht (RIS-Justiz RS0034343). Diese Regel gilt grundsätzlich für alle Verjährungsfristen. Soweit das Gesetz keine Ausnahmen macht (etwa im § 1489 Satz 1 ABGB für die Verjährung von Schadenersatzansprüchen), wird die Möglichkeit zur Rechtsausübung bloß objektiv beurteilt; daher hat die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Anspruchs oder der Person des Verpflichteten keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung (RIS-Justiz RS0034248 [T7]; Perner in Schwimann, ABGB-TaKomm § 1478 Rz 9; Dehn in KBB 3 , § 1478 ABGB Rz 2).
Die kurze Verjährung nach § 1489 Satz 1 ABGB beginnt nicht schon mit der objektiven Möglichkeit zur Rechtsausübung, sondern erst dann, wenn der Geschädigte, also derjenige, in dessen Vermögen sich der Schaden ereignet hat, sowohl den Schaden als auch die Person des Schädigers so weit kennt, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (RIS-Justiz RS0034524; R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 1489 [Rz 7]). Demnach ist also auch für den Beginn des Laufs der kurzen Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 1 ABGB das Fehlen rechtlicher Hindernisse für die gerichtliche Geltendmachung Voraussetzung, was hier zu beachten ist. Schließlich könnte der Anleger vor Eintritt der Fälligkeit trotz Kenntnis aller relevanten Umstände keine schlüssige (vgl RIS Justiz RS0034524 [T14]), Erfolg versprechende Klage erheben (vgl RIS-Justiz RS0034524; RS0034366 [T5]).
1.3. Schon im Hinblick auf die dreimonatige Auszahlungsfrist der §§ 23b Abs 2 und 23c Abs 4 WAG 1996 konnte unabhängig von der Frage, wie viel Zeit der Beklagten zur Feststellung der am angemeldeten Forderung der Klägerin einzuräumen wäre, Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs frühestens Ende März 2006 eintreten. Die am eingebrachte Klage wurde deshalb innerhalb von drei Jahren ab dem frühest möglichen Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs erhoben. Die Bejahung der Verjährung durch das Berufungsgericht ist jedenfalls verfehlt. Einer Prüfung der Frage, ob der erhobene Anspruch der kurzen oder der langen Verjährungsfrist unterliegt (vgl dazu Linder in Gruber/N. Raschauer , § 75 WAG 2007 Rz 30; Winternitz/Aigne r, WAG 2007 61 f), bedarf es daher nicht.
2. Infolge der Verneinung der Verjährung ist eine Auseinandersetzung mit den weiteren Einwendungen der Beklagten erforderlich.
Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergingen zwei Urteile des Obersten Gerichtshofs, die aus demselben Anlassfall abgeleitete und dieselben WPDLU betreffende Entschädigungsansprüche von Anlegern gegen die Beklagte zum Gegenstand hatten (9 Ob 50/09g = ecolex 2010/348 S 950 [zust Wilhelm ] = ZFR 2010/170 S 271 [zust Graf ] und 6 Ob 235/09s je mwN). Damit wurden wesentliche Fragen im Zusammenhang mit der Anlegerentschädigung nach §§ 23b ff WAG 1996 beantwortet. An den dort dargestellten Erwägungen ist mangels Vortrags neuer Argumente im vorliegenden Verfahren grundsätzlich festzuhalten:
2.1. Bei Auslegung der §§ 23b ff WAG 1996 ist auf die Erwägungen der EU Richtlinie 97/9/EG über die Systeme für die Entschädigung der Anleger Rücksicht zu nehmen. Dabei ist für ein Auslösen der Entschädigerhaftung wesentlich, dass die besondere Gefahr vom konzessionswidrigen „Halten“ der Gelder und Finanzinstrumente durch das WPDLU ausgeht (RIS-Justiz RS00126147). Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Haftung der Beklagten für jene Schäden schaffen wollte, die sich aus dem konzessionswidrigen „Halten“ von Geldern oder Finanzinstrumenten durch ein WPDLU ergeben (6 Ob 235/09s).
2.2. Das „direkte“ Halten von Geldern und Finanzinstrumenten durch ein WPDLU löst die Entschädigungshaftung aus, wenn die Mittel wegen des Konkurses nicht mehr an die Anleger zurückgeführt werden können (1. Fall). Ein unmittelbares verpöntes Halten durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen liegt aber auch dann vor, wenn dieses zunächst vereinbarungsgemäß vorgenommene Veranlagungen (teilweise) wieder rückgängig macht und im Zuge der Veranlagung geschaffene Finanzinstrumente veräußert und selbst den Erlös vereinnahmt, anstatt diese Mittel an die Anleger zurückzuführen (2. Fall). Wenn das WPDLU oder seine Organe so Einfluss auf einen Dritten nehmen, dass Zahlungen nicht widmungsgemäß einem Wertpapierverrechnungskonto der Anleger gutgeschrieben oder an diese abgeführt, sondern einem Dritten zugeführt werden, kann noch eine dritte Fallkonstellation für ein haftungsbegründendes Halten gegeben sein (RIS-Justiz RS0126148). Dieses wurde auch bejaht, wenn die Verwaltung des Fonds, in den das Geld der Anleger investiert wurde, unter der tatsächlichen Einflussnahme des WPDLU stand oder Verfügungsanweisungen an die Depotbanken nicht im Namen der Anleger, sondern im Namen der WPDLU erfolgten (9 Ob 50/09g).
2.3. Hat der Anleger bewiesen, dass seine Gelder/Finanzinstrumente vom Mitglieds-WPDLU der Beklagten „gehalten“ wurden, dieses in Konkurs verfallen ist und nicht in der Lage ist, die Gelder der Anleger zurückzuzahlen oder deren Instrumente zurückzugeben, und wurden dem Anleger vom WPDLU falsche Auskünfte erteilt und falsche Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt, kann der Negativ-Beweis, dass nicht alle Gelder und Instrumente durch Halten verloren gegangen sind, nicht vom Anleger verlangt werden. Wegen der Bestimmung des § 23b Abs 2 letzter Satz WAG 1996 iVm § 93 Abs 3 vorletzter Satz BWG steht der Beklagten nämlich ein wesentlich breiteres Feld der Erkundungsmöglichkeiten zur Verfügung als den Anlegern. Die Beklagte kann sich daher nicht bloß auf undifferenzierte Einwendungen zurückziehen, sondern hat zu beweisen, dass nicht alle Kundengelder und -instrumente im Zuge des „Haltens“ durch das Mitglieds-WPDLU abhanden gekommen sind, sondern dass und in welchem Umfang trotz des festgestellten „Sammelkontos“ ein Zugriff der Anleger auf Gelder bzw Instrumente besteht. Genauso wenig kann es im Fall des „Haltens“ durch das WPDLU als ausreichend angesehen werden, auf die bloße Möglichkeit des Kursverlustes hinzuweisen und damit den Anlegern den diesen gar nicht möglichen Beweis zuweisen zu wollen, dass kein Wertverlust ihrer Instrumente und damit der volle Entschädigungsfall eingetreten ist (9 Ob 50/09g).
2.4. Die Haftung der Beklagten greift nicht nur bei einfachen, sondern auch bei komplexen Umgehungskonstruktionen zur Verschleierung der Malversationen. Gerade bei komplexen, für Außenstehende nicht zu durchschauenden Konstruktionen besteht ein besonderer Bedarf nach einer entsprechenden Haftung, kann doch nur dadurch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sichergestellt werden. Behauptungen der Beklagten, das vorliegende Unternehmenskonstrukt sei „komplex“ und „geprägt von einer schier unüberblickbaren Vielzahl beteiligter (ausländischer) Gesellschaften und wechselseitigen Abhängigkeiten“ gewesen, sind daher unbeachtlich (6 Ob 235/09s).
2.5. Soweit völlig offen bleibt, wie der Umstand einer „bloß formalen“ Ausübung des Wertpapierdienstleistungsgeschäfts durch die AF***** nach außen erkennbar gewesen sein soll, kann darin kein geeignetes Kriterium für die Begrenzung der Haftung der Beklagten liegen (6 Ob 235/09s). Es schadet auch nicht, wenn aufgelöste Fondsmittel zu einem Zeitpunkt der A***** zugegangen sind, als diese nicht mehr Mitglied der Beklagten war, weil die A***** nach der Umwandlung der A***** GmbH in die AF***** deren Alleinaktionärin blieb (9 Ob 50/09g).
2.6. Die Feststellung der Forderung gemäß §§ 23b Abs 2 und 23c Abs 4 WAG 1996 beruht auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung. Fristgerechte Anmeldungen sind jedenfalls unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszubezahlen. Je nach Komplexität des Sachverhalts zur Feststellung der Forderung wird der Entschädigungseinrichtung daher eine angemessene Prüfungszeit zuzubilligen sein. Eine Überschreitung eines Prüfungszeitraums von sechs Monaten wird aber nur in besonderen Fällen gerechtfertigt sein, weil die Anlegerentschädigungseinrichtung ohne ungebührliche Verzögerung zu entschädigen hat. Der Anleger kann durch die unberechtigte Bestreitung seiner Forderung durch die beklagte Partei nicht schlechter gestellt werden als er stünde, wenn die beklagte Partei seine Forderung nach entsprechender Prüfung rechtzeitig ausbezahlt hätte. Für die Annahme des Beginns des Zinsenlaufs erst mit Rechtskraft des Urteils besteht keine Grundlage (9 Ob 50/09g; 6 Ob 235/09s je mwN).
2.7. Die von der Beklagten - auch im vorliegenden Verfahren in ihrer Berufung im Wesentlichen wortgleich - ins Treffen geführten verfassungsrechtlichen Bedenken wurden nicht geteilt; auf die diesbezüglichen Ausführungen der zitierten Entscheidungen wird verwiesen.
3. Für das vorliegende Verfahren bedeuten diese Grundsätze Folgendes:
3.1. Zunächst ist klarzustellen, dass die erwähnten Urteile in den Vorprozessen keine der aus § 411 ZPO abgeleiteten Wirkungen auf das vorliegende Verfahren entfalten können, weil es an der Identität der klagenden Partei mangelt. Daher bedarf es auch hier entsprechender Feststellungen, um die Voraussetzungen der Haftung der Beklagten abschließend beurteilen zu können.
3.2. Nach den Feststellungen erfolgte zwar (nach Abzug einer 6%igen Provision) im Weg eines Verrechnungskontos eine - mangels gegenteiliger Behauptungen der Klägerin offenbar vertragskonforme - Veranlagung des (restlichen) Geldes der Klägerin in einen in Luxemburg situierten Fonds, was für eine Beendigung des jedenfalls verpönten unmittelbaren Haltens von Anlegergeldern spricht. Allerdings geht das Erstgericht weiters erkennbar davon aus, dass Organe der AM***** seit Anfang 1999, also schon vor dem Einmalerlag der Klägerin, damit begannen, „Löcher zu stopfen“, „Fondsgelder“ (gemeint: -anteile) „vertragswidrig“ zu verkaufen und „Erlöse zweckwidrig“ zu verwenden, ohne dies näher und nachvollziehbar zu präzisieren.
Damit wird offenbar der zweite Fall des eine Haftung der Beklagten begründenden Haltens von Geldern/Finanzinstrumenten der Anleger angesprochen, das auch dann vorliegt, wenn das WPDLU zunächst vereinbarungsgemäß vorgenommene Veranlagungen (teilweise) wieder rückgängig macht und im Zuge der Veranlagung geschaffene Finanzinstrumente veräußert und selbst den Erlös vereinnahmt, anstelle diese Mittel an die Anleger zurückzuführen.
Allerdings reichen die getroffenen Feststellungen für eine abschließende Beurteilung dieses Tatbestands nicht aus. Unklar bleibt nämlich nach den kursorischen, nur allgemein gehaltenen Annahmen des Erstgerichts, wie die Veranlagung in den Fonds erfolgte (Einzelkundenkonto oder Sammelkonto), wer in welcher konkreten Organstellung in welchem konkreten Zeitraum in wessen Namen auf welche Weise bewirkte, dass Fondsanteile (der Klägerin ?) verkauft wurden, dennoch aber Erlöse nicht der Klägerin zugute kamen, sondern an wen diese gelangten (vgl die detaillierten Feststellungen in den genannten Vorverfahren). Notwendig ist daher eine nähere Darstellung der Vorgänge im Zeitraum zwischen der am - also nach Eintragung der AM*****/A***** als Gesellschafterin der Beklagten - (unbestritten) erfolgten Einmalzahlung der Klägerin an die AM***** und der Konkurseröffnung am . Da die Beklagten die Einschaltung der T***** als „Nominee“ der Anleger erst ab 2003 behauptet, genügt vorerst die Prüfung, ob es bis Ende 2002 zu einem Halten im Sinn des oben dargestellten zweiten Falls einer Haftung der Beklagten kam.
Schon jetzt steht fest, dass sowohl die A***** als auch die AF***** in Konkurs verfallen und nicht in der Lage sind, die Gelder der Anleger zurückzuzahlen oder deren Finanzinstrumente zurückzugeben. Die Beklagte ließ auch die Behauptung der Klägerin, die Organe der WPDLU hätten ihr eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung vorgetäuscht, ohne jede substantiierte Bestreitung. Es ist daher als unstrittig anzusehen, dass die Klägerin vom WPDLU falsch informiert wurde. Sollte der Klägerin daher der weitere Nachweis eines Haltens durch die AM*****/A***** und AF***** im Sinn der dargestellten Judikatur gelingen, wäre die Haftung der Beklagten für das von der Klägerin bei der AM*****/A***** erlegte Geld zu bejahen, soweit es noch nicht im Umfang von 21.801,92 EUR an die Klägerin zurückbezahlt wurde.
Es läge dann an der Beklagten zu behaupten und zu beweisen, dass nicht alle (weiteren) Gelder und Instrumente der Klägerin im Zuge des „Haltens“ durch das Mitglieds-WPDLU abhanden gekommen sind, sondern dass und in welchem Umfang trotz des festgestellten „Sammelkontos“ ein Zugriff der Anleger auf Gelder/Instrumente besteht; ebenso hätte die Beklagte konkret zu behaupten und zu beweisen, dass die Klägerin und in welcher Höhe sie einen Kursverlust ihrer Anlage zu tragen habe (vgl 9 Ob 50/09g).
Ebenso bedürfte es diesfalls konkreter Behauptungen und des Nachweises durch die Beklagte, dass die Einschaltung der T***** das bereits bestehende Halten entsprechend dem zweiten Fall wieder beseitigt hat. Selbst wenn der Beklagten dieser Nachweis gelingen sollte, wäre zu prüfen, ob es nicht dennoch in weiterer Folge (neuerlich) zu einem Halten im Sinn der dargestellten Judikatur kam. Sollten Geldflüsse an die A***** nach dem (Ausscheiden der A***** als Gesellschafterin der Beklagten) festgestellt werden, bedarf es auch der Klärung, ob diese die Alleinaktionärin der AF**********
3.3 . Auf eine von der AM*****/A***** ursprünglich einbehaltene 6%ige Provision kommt es schon deshalb nicht an, weil die Klägerin ihrem Begehren den im Zeitpunkt der Konkurseröffnung mit ca 30.000 EUR festgestellten Depotwert zugrunde legte. Dieser als Schaden geltend gemachte Betrag umfasst den schon seinerzeit aus dem Einmalerlag von der AM***** einbehaltenen Provisionsbetrag ohnehin nicht. Daher bildet die Provision keinen Gegenstand des Ersatzbegehrens.
3.4. Mit den beiden genannten Vorentscheidungen wurde bereits klargestellt, dass auch komplexe und unübersichtliche, von (den Organen) der WPDLU geschaffene Umgehungskonstruktionen die Haftung der Beklagten nicht beseitigen. Ebenso wenig kommt der Behauptung, die AF***** sei nur eine „leere Hülle“, de facto habe die A***** die Geschäfte fortgeführt, Bedeutung zu, da der Klägerin Kenntnis oder Erkennbarkeit des angeblich falschen Scheins von der Beklagten gar nicht unterstellt wird.
In diesem Sinn ist auch in keiner Weise nachvollziehbar, warum die Kenntnis der Klägerin vom Auftreten der T***** deren Schutzwürdigkeit angesichts der von der Beklagten behaupteten (und in den beiden Vorverfahren festgestellten) Malversationen der Organe der WPDLU beseitigen sollte; auch dazu hat die Beklagte gar nicht behauptet, die Klägerin hätte Kenntnis von den wahren Vorgängen gehabt.
3.5. Die Beklagte verweist zu Recht auf § 75 Abs 2 WAG 2007 (WAG Novelle vom , BGBl I 107/2007), der nunmehr klarstellt, dass die Entschädigungseinrichtung in der Form einer Treuhand Haftungsgesellschaft als juristische Person zu betreiben ist. Weiters wurde dem § 76 WAG 2007 nachstehender Abs 6 angefügt: „Die Entschädigungseinrichtung hat die Beitragseinhebung gemäß Abs 3 und die Entschädigungsauszahlungen treuhändig abzuwickeln. Sie hat zu diesem Zweck jeweils ein Verzeichnis aller Anlegerforderungen (Abs 4) und der zu leistenden Beiträge (Abs 3) zu erstellen. Beiträge gemäß Abs 3 und Forderungen gemäß Abs 4 sind unter der Bilanz auszuweisen und hat die Entschädigungseinrichtung keine Rückstellungen gemäß § 198 Abs 8 UGB zu bilden. Eine Aufstellung des Treuhandvermögens ist als Anhang zum Jahresabschluss auszuweisen.“
Damit wird der Charakter der Entschädigungseinrichtung als Kapitalsammelstelle mit Verrechnungsfunktion für die Anleger sowie die Beitragsleistenden gesetzlich festgeschrieben. Die Entschädigungseinrichtung hat die Beiträge der Mitgliedsinstitute treuhändig einzuheben und an die Anleger weiterzuleiten. Umgekehrt hat die Entschädigungseinrichtung erhaltene Regresszahlungen (vom betroffenen Mitglied oder einem Dritten) anteilig an die Mitgliedsinstitute auszubezahlen ( Linder in Gruber/N. Raschauer , § 76 WAG 2007 Rz 24). Diese Änderung zielt gerade darauf ab, die Beklagte durch den in Form eines Treuhandvermögens neu definierten Haftungsumfang auch hinsichtlich bereits geltend gemachter Ansprüche vor einem Insolvenzrisiko zu schützen (9 Ob 50/09g) und ist deshalb auch auf die klagsgegenständliche Forderung anzuwenden (vgl die Übergangsbestimmung des § 103 Z 9 WAG 2007).
Daher ist das Hauptbegehren der Klägerin, das keine Einschränkung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen“ enthält, unberechtigt, was jedenfalls zu seiner Abweisung wird führen müssen. Wohl aber entspricht das im eingeschränkten Sinn zu verstehende Eventualbegehren (lautend auf Zahlung aus dem Treuhandvermögen) den neuen gesetzlichen Vorgaben. Da eine durch den Gesetzgeber ausreichend in § 76 WAG 2007 determinierte Haftungsregelung vorliegt, bedarf die angeführte Einschränkung entgegen der Ansicht der Beklagten im Spruch keiner weiteren Konkretisierung (9 Ob 50/09g; 6 Ob 235/09s).
3.6. § 23b Abs 4 WAG 1996 erklärt unter anderem § 93b Abs 2 BWG für anwendbar; danach umfasst die Entschädigungsforderung auch Zinsen und Dividenden, die im Zeitraum zwischen dem Eintritt des Sicherungsfalls und der Auszahlung der Entschädigung angefallen sind. Damit ist geregelt, in welchem Umfang die Forderung eines Anlegers gesichert ist und der Deckelung auf 20.000 EUR unterliegt. Die Klägerin macht davon gar keinen Gebrauch, weil sie ihrer Berechnung der Entschädigungsleistung allein den zuletzt bekanntgegebenen Depotwert zugrunde legt. Daher besteht auch keine Gefahr der Doppelbelastung der Beklagten mit Zinsen im Zeitraum zwischen Fälligkeit der Anlegerentschädigung und deren Auszahlung.
Die genannte Regelung beschränkt aber nicht die allgemeingesetzliche Verpflichtung der Beklagten, bei Verzug mit der Leistung der Anlegerentschädigung gesetzliche Verzugszinsen zu leisten. Vom Eintritt der Fälligkeit der Anlegerentschädigung ist hier ausgehend von der Anmeldung am nach Ablauf von 9 Monaten (Frist für die Feststellung: 6 Monate; plus Frist für die Auszahlung: 3 Monate) auszugehen.
4. Da die Feststellungen des Erstgerichts einer Präzisierung bedürfen, ist die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung an die erste Instanz unvermeidbar.
Das Erstgericht wird mit den Parteien die dargestellte Rechtslage zu erörtern und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben haben. Soweit nicht (angesichts der Ergebnisse der Vorverfahren) entsprechende Außerstreitstellungen erfolgen sollten, wird das Erstgericht auch die notwendigen Beweise aufzunehmen und die rechtlich relevanten Feststellungen zu treffen haben.
5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.