OGH vom 24.01.2018, 3Ob150/17f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. M*****, geboren am ***** 2009, und 2. F*****, geboren am ***** 2011, beide in gemeinsamer Obsorge der Mutter M*****, alle wohnhaft in *****, vertreten durch Arnold & Arnold Rechtsanwälte in Innsbruck, und des Vaters D*****, vertreten durch König Ermacora Lässer & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 78 R 37/17i-32, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht sprach mit schriftlich ausgefertigtem Beschluss vom , ON 14, aus, dass es bestimmte – vom Vater ohne Kenntnis der Mutter gewonnene – Beweismittel zulasse. Ein diesbezügliches Beweisverwertungsverbot bestehe nach Lehre und Rechtsprechung im Zivilprozess nicht. Das müsse umso mehr in einem vom Untersuchungsgrundsatz und der Wahrung des Kindeswohls geprägten außerstreitigen Pflegschaftsverfahren gelten.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter als unzulässig zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Bei einer Entscheidung über Beweisanträge liege ein verfahrensleitender Beschluss vor, der nach § 45 Satz 2 AußStrG nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache angefochten werden könne, soweit nicht seine selbständige Anfechtung angeordnet sei; das sei hier nicht der Fall.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag auf Nichtzulassung, hilfsweise Zurückweisung der Beweismittel.
Rechtliche Beurteilung
Alle Beschlüsse, die im Rahmen des Rekursverfahrens ergehen, auch solche auf Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht aus formalen Gründen, sind unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RISJustiz RS0120565; RS0120974). Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zeigt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf, weshalb er nicht zulässig ist: Die Rechtsmittelwerberin tritt der ständiger Judikatur entsprechenden Rechtsansicht des Rekursgerichts, die Entscheidung des Erstgerichts über die Beweisanträge des Vaters stelle einen verfahrensleitenden Beschluss iSd § 45 Satz 2 AußStrG dar (vgl RISJustiz RS0120910; 2 Ob 55/15z), nämlich gar nicht entgegen. Den für die angeblich dennoch gegebene Zulässigkeit des Rekurses vorgetragenen Argumenten ist kurz zu erwidern:
1. Durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung wird ein Rechtsmittel, das vom Gesetz ausgeschlossen ist, nicht zulässig (RISJustiz RS0041478; 3 Ob 187/14t [zum AußStrG]).
2. Davon, dass das Rekursgericht seine Begründung darauf stütze, die Erstrichterin werde im Laufe des Verfahrens von ihrer Ansicht abgehen oder diese einer geänderten Situation anpassen, kann keine Rede sein. Vielmehr entspricht es nach ständiger Rechtsprechung der Definition verfahrensleitender Beschlüsse, dass sie vom Gericht jederzeit abgeändert oder einer geänderten Situation angepasst werden können (8 Ob 61/14f; 10 Ob 47/14f; 2 Ob 55/15z).
3. Durch den im Gesetz angeordneten Ausschluss eines abgesonderten Rekurses im außerstreitigen Verfahren wird die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Beweismittels nicht jeder Überprüfung, sondern nur einem Zwischenstreit vor der Entscheidung über die Sache entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigt Art 6 EMRK keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsmittelbeschränkungen (RISJustiz RS0044057, RS0074833, RS0102361). Unter der Voraussetzung, dass der Zugang zu den Gerichten gewahrt ist, bleibt die weitere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit dem Ermessen der Staaten überlassen. Art 6 EMRK enthält zur Frage der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidung keinen Hinweis, geschweige denn zur Frage der Zulässigkeit verbundener Rechtsmittel. Das Recht auf Zugang zu den Gerichten gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug oder – wenn ein solcher besteht – auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen; um so weniger kann aus dieser Bestimmung eine Unzulässigkeit oder eine Zulässigkeit eines selbständigen Rechtsmittels abgeleitet werden (6 Ob 76/06d mwN).
4. Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit des Erstgerichts im zweiten Rechtsgang, falls die Unzulässigkeit der Verwertung der Beweismittel erst im Rechtsmittelverfahren gegen den Beschluss in der Sache festgestellt würde, wären in einem allfälligen Ablehnungsverfahren im zweiten Rechtsgang zu klären. Diesbezügliche abstrakte Befürchtungen können an der normierten Unzulässigkeit eines abgesonderten Rekurses nichts ändern.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00150.17F.0124.000 |
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