OGH vom 20.02.2014, 6Ob217/13z

OGH vom 20.02.2014, 6Ob217/13z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr.

Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers Dr. C***** E*****, gegen die Erlagsgegner 1. S*****-Aktiengesellschaft, *****, 2. C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinitzer Rechtsanwalts KG in Wien, über den Revisionsrekurs des Erlegers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 53 R 221/13a 7, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 2 Nc 63/13p 2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Zweiterlagsgegner ist schuldig, dem Erleger die mit 2.672,64 EUR (davon 234 EUR Barauslagen und 406,44 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Erleger beantragte, das Original des zwischen den Erlagsgegnern abgeschlossenen Baurechtsvertrags vom zum Erlag anzunehmen und zu verwahren. Er sei als Rechtsanwalt von den Erlagsgegnern mit der Abwicklung verschiedener Immobilienprojekte beauftragt gewesen. Der Ersterlagsgegner habe mit dem Zweiterlagsgegner jeweils einen Baurechtsvertrag geschlossen. Der Zweiterlagsgegner habe daraufhin auf dem Grundstück einen Supermarkt errichtet, den der Ersterlagsgegner gemietet habe. Zuletzt hätten die Erlagsgegner in abgestimmten Verträgen am einen Baurechts und einen Mietvertrag betreffend einen Standort in K***** unterzeichnet. Das Projekt sei auch davon abhängig gewesen, dass ein Dritter eine benachbarte Liegenschaft bebaue. Nachdem eine Projektpartnerschaft zwischen dem Erlagsgegner und dem Dritten gescheitert sei, sei eine Baugenehmigung für den Supermarkt nicht erteilt worden. Der Mietvertrag sei bis zum Vorliegen der für die Errichtung und den Betrieb des Unternehmens des Ersterlagsgegners notwendigen behördlichen Genehmigungen aufschiebend bedingt gewesen. Eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung dieser Art sei im Baurechtsvertrag wie auch bei anderen Projekten nicht aufgenommen worden. Der Erleger sei im Baurechtsvertrag beauftragt worden, alle zur grundbücherlichen Durchführung des Baurechtsvertrags (Einverleibung des Baurechts) erforderlichen Anträge zu stellen. So habe der Erleger die Baurechtsvertragsurkunde im Original übergeben erhalten und verwahrt. Die Baurechtsverträge seien jedes Mal so eng mit dem entsprechenden Mietvertrag verknüpft gewesen, dass mit Sicherheit ein Baurechtsvertrag alleine ohne entsprechenden Mietvertrag vom Ersterlagsgegner nicht unterfertigt oder vermittelt worden wäre. Dennoch sei keine aufschiebende Bedingung im Text des Baurechtsvertrags enthalten gewesen. Nach Scheitern der Verhandlungen über eine Projektgemeinschaft mit dem Dritten im Juli 2012 habe der Zweiterlagsgegner im Jänner 2013 den Erleger überraschend aufgefordert, das Baurecht zu verbüchern. Er habe geantwortet, dass aus der Konzeption des Projekts heraus eine Einverleibung des Baurechts wohl dem eigentlichen Vertragswillen widerspräche, sei doch die Realisierung des Projekts gescheitert. Der Zweiterlagsgegner habe den Standpunkt vertreten, dass der Baurechtsvertrag „quasi“ mit den anderen Vereinbarungen, insbesondere mit dem Mietvertrag nichts zu tun hätte und der Erleger daher verpflichtet sei, den Baurechtsvertrag zu verbüchern oder dem Zweitantragsgegner die Vertragsurkunde herauszugeben. Der Ersterlagsgegner habe ihn hingegen aufgefordert, das Baurecht nicht einzuverleiben und die Originalurkunde nicht herauszugeben, sei doch die Realisierung des Projekts Grundlage und wesentliche Bedingung für alle Vereinbarungen gewesen, sodass die Einverleibung des Baurechts zugunsten des Zweiterlagsgegners dem gemeinsamen Vertragswillen widerspräche. Der Erleger habe daraufhin wegen der unterschiedlichen Sichtweise der Vereinbarungen und aufgrund der entgegen gesetzten Weisungen der Vertragsparteien mit Brief vom den Erlagsgegnern die im Baurechtsvertrag erteilte Vollmacht gekündigt und ihnen zugleich mitgeteilt, dass er aufgrund der widersprüchlichen Weisungen beabsichtige, die Originalurkunde bei Gericht zu hinterlegen, wenn nicht eine gemeinsame Weisung erfolge. Mangels einer Einigung und aufgrund der Aufforderung des Zweiterlagsgegners vom , die Urkunde zu hinterlegen, erlege er die Urkunde zu Gericht.

Das Erstgericht nahm den Erlag an.

Das Rekursgericht wies über Rekurs des Zweiterlagsgegners das Erlagsgesuch ab. Der Erleger habe den Baurechtsvertrag im Auftrag der Erlagsgegner errichtet, ohne darin festzuhalten, wem der Vertrag auszufolgen sei. Obwohl der Mietvertrag aufschiebend bedingt geschlossen worden sei, sei eine entsprechende ausdrückliche Bedingung in den Baurechtsvertrag nicht aufgenommen worden. Der Erleger habe sich mit den Vertragsformulierungen in die Lage gebracht, dass er mangels Verwirklichung des Projekts nicht wisse, ob der Baurechtsvertrag bücherlich durchzuführen sei und an wen er auszufolgen sei. Er habe als Rechtskundiger bei der Prüfung der Sach und Rechtslage offensichtlich erkannt, dass der Baurechtsvertrag im Unterschied zum Mietvertrag nicht aufschiebend bedingt sei. Warum ihm die Prüfung der Sach- und Rechtslage betreffend die Herausgabe des Originalvertrags unzumutbar sein soll, lege er im Antrag nicht dar. Vorrangig sei die Frage, ob er den Baurechtsvertrag dem Zweitantragsgegner ohne Zustimmung des Ersterlagsgegners herausgeben dürfe. Selbst wenn man bejahe, dass ein Originalvertrag Gegenstand einer Hinterlegung nach § 1425 ABGB sein könne, so liege doch kein Erlagsgrund vor. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, stellten sich doch die Rechtsfragen, ob ein Originalvertrag auf Einräumung des Baurechts Gegenstand einer Hinterlegung nach § 1425 ABGB sein könne und ob ein Rechtsanwalt Verträge hinterlegen könne, die er selbst nicht hinreichend klar formuliert habe.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Zweitantragsgegner beantwortete Revisionsrekurs des Erlegers ist zulässig und auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits bejaht, dass Originalvertragsurkunden im Verfahren nach § 1425 ABGB mit schuldbefreiender Wirkung hinterlegt werden können (7 Ob 2087/96d).

2. Im Erlagsgesuch ist der Erlagsgrund anzugeben, das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung im Sinn des § 1425 ABGB an sich taugt. Dem Erlagsgericht obliegt (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung (RIS Justiz RS0112198 [T1, T 2]). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts und des Zweiterlagsgegners hat der Erleger einen Hinterlegungsgrund schlüssig ausgeführt.

3. Nach den Angaben im Erlagsgesuch haben die Erlagsgegner einen Baurechtsvertrag geschlossen, den der erlegende Rechtsanwalt verfasst hat. Beide Vertragsparteien beauftragten den Erleger mit der grundbücherlichen Durchführung des Vertrags und erteilten ihm die dazu erforderlichen Vollmachten. Zum Zweck der Durchführung gaben sie die Originalvertragsurkunde dem Erleger in Verwahrung. Der Erleger hat Auftrag und Vollmacht gekündigt.

Mit dieser Kündigung endete auch die Verwahrungszeit. Infolge des Verwahrungszwecks ist nämlich davon auszugehen, dass der Verwahrungsvertrag schlüssig auf bestimmte Zeit (Durchführung des Auftrags oder Ablehnung der Ausführung) abgeschlossen wurde (vgl § 963 ABGB). Da beide Vertragsparteien Hinterleger der Urkunde waren und die Urkunde eine unteilbare Sache ist, sind die Erlagsgegner Gesamthandgläubiger (§ 890 ABGB) des Rückstellungsanspruchs. Gemäß § 890 Satz 2 ABGB war der Erleger als Verwahrer der Urkunde nicht verpflichtet, die verwahrte Urkunde einem der Erlagsgegner ohne Sicherstellung, das heißt ohne Zustimmung des anderen (vgl 10 Ob 2445/96y; 7 Ob 252/99f SZ 72/191 mwN; Apathy/Riedler in Schwimann , ABGB³ § 890 Rz 12 mwN; Gamerith in Rummel , ABGB³ § 890 Rz 4 mwN) herauszugeben. Da der Zweiterlagsgegner die Zustimmung des Ersterlagsgegners zu einer Rückgabe der Urkunde an ihn nicht erlangte, konnte er nur die Leistung an beide Erlagsgegner oder die gerichtliche Hinterlegung zugunsten beider verlangen (§ 890 letzter Halbsatz ABGB;7 Ob 252/99f SZ 72/191 mwN; Apathy/Riedler in Schwimann , ABGB³ § 890 Rz 13 mwN; Gamerith in Rummel , ABGB³ § 890 Rz 3 f mwN; Perner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 890 Rz 7 ff). Nach den Behauptungen im Erlagsgesuch hat der Zweiterlagsgegner die gerichtliche Hinterlegung begehrt. Der Erleger war daher zum gerichtlichen Erlag (§ 1425 ABGB) der Urkunde verpflichtet, und damit war ein Erlagsgrund gegeben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00217.13Z.0220.000