OGH vom 06.10.2016, 2Nc15/16b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr.
Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtshilfesache der beim Okresný súd Považská Bystrica anhängigen Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen A***** P*****, zuletzt wohnhaft in *****, Slowakei, über das Ersuchen des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien um eine Entscheidung im Zuständigkeitsstreit mit dem Bezirksgericht Salzburg in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Zur weiteren Behandlung des Rechtshilfeersuchens ist das Bezirksgericht Salzburg zuständig.
Text
Begründung:
Am langte ein unter Verwendung des Formblatts A in englischer Sprache gestelltes Ersuchen des Okresný súd Považská Bystrica gemäß Art 4 der Verordnung (EG) Nr 1206/2001 des Rates vom über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (EuBVO) beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien ein. Das slowakische Gericht verwies darin auf das bei ihm anhängige Verlassenschaftsverfahren und darauf, dass der am Verstorbene Inhaber eines Kontos bei einer österreichischen Bank gewesen sei. Angeschlossen war ein älterer Kontoauszug Filiale Sch***** der (damaligen) Volksbank F***** regGenmbH (später Volksbank St***** eG, nunmehr Volksbank S***** eG; zur Firmenänderung und zur Umgründung vgl FN***** sowie FN*****). Gegenstand des Ersuchens war die Ermittlung des Kontostands am Todestag des Verstorbenen.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien erklärte sich zur „weiteren Führung des Verfahrens“ für nicht zuständig und überwies „das Verfahren“ an das Bezirksgericht Salzburg. Die Rechtshilfeanfrage betreffe Vermögen bei der Volksbank S*****.
Das Bezirksgericht Salzburg verweigerte die Übernahme „des Verfahrens“ und überwies den Akt an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zurück. Das inländische Vermögen des Verstorbenen befinde sich laut Kontoauszug bei der „Volksbank Filiale Sch*****“. Die Gemeinde Sch***** liege nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Salzburg, sondern im Sprengel des Bezirksgerichts Mattighofen, weshalb die Übernahme abzulehnen gewesen sei.
Nach der Aktenlage wurde das ersuchende Gericht entgegen Art 7 Abs 2 EuBVO von den Überweisungsvorgängen nicht unterrichtet.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vor.
Rechtliche Beurteilung
Dazu ist auszuführen:
1. Das slowakische Gericht ersuchte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien in einer Zivilsache um eine Beweisaufnahme (Art 1 Abs 1 lit a EuBVO), wobei es sich des im Anhang enthaltenen Formblatts A (Art 4 Abs 1 EuBVO) und der von Österreich als weitere Sprache zugelassenen englischen Sprache (vgl Mosser in Fasching/Konecny ² V/1 Art 5 EuBVO Rz 5 mit Hinweis auf P 3.3 des Einführungserlasses) bediente.
2. Gemäß Art 7 Abs 1 EuBVO hat das ersuchte zuständige Gericht dem ersuchenden Gericht innerhalb von sieben Tagen nach Eingang des Ersuchens unter Verwendung des Formblatts B eine Empfangsbestätigung zu übersenden.
Fällt die Erledigung eines unter Verwendung des Formblatts A gestellten Ersuchens, das – wie hier – die Bedingungen nach Art 5 erfüllt, nicht in die Zuständigkeit des Gerichts, an das es übermittelt wurde, so leitet dieses nach Art 7 Abs 2 EuBVO das Ersuchen an das zuständige Gericht seines Mitgliedstaats weiter und unterrichtet das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts A (P 14) hievon.
3. Welches Gericht für die Erledigung zuständig ist, ergibt sich aus der gemäß Art 2 Abs 2 EuBVO erstellten und notifizierten Liste. In Österreich sind das die nach § 37 Abs 2 JN zuständigen Gerichte ( Fucik in Fasching/Konecny ² V/1 Art 2 EuBVO Rz 4), im Regelfall also jenes Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Amtshandlung vorgenommen werden soll.
4. Bei Unzuständigkeit des zunächst ersuchten Gerichts hat dieses das Ersuchen an das zuständige Gericht weiterzuleiten und dies dem ersuchenden Gericht mitzuteilen (zur gebotenen Vorgangsweise vgl auch Neumayr/Kodek in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer , IZVR Art 7 EuBewVO Rz 3). Nach herrschender Auffassung, der sich der Senat anschließt, entfaltet die Weiterleitung des Ersuchens keine Bindungswirkung , sodass das Gericht, an welches das Ersuchen weitergeleitet wurde, sollte es seine Zuständigkeit ebenfalls verneinen, das Ersuchen an das tatsächlich zuständige (dritte) Gericht weiterleiten kann ( Mosser in Fasching/Konecny ² V/1 Art 7 EuBVO Rz 6; Neumayr/Kodek aaO Art 7 EuBewVO Rz 7; von Hein in Rauscher , EuZPR/EuIPR Art 7 EG-BewVO Rn 8 mwN).
5. Im vorliegenden Fall ist für die Erledigung des Rechtshilfeersuchens jenes Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel sich das im Ersuchen angeführte Vermögen, ein Bankguthaben, befindet. Die Beweisaufnahme beschränkt sich auf eine Anfrage beim kontoführenden Kreditinstitut, das ist nunmehr die Volksbank S***** eG. Die Beweisaufnahme ist daher jedenfalls nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vorzunehmen, weshalb es als ersuchtes Gericht das Ersuchen richtigerweise an das seiner Meinung nach zuständige Gericht weitergeleitet hat. Hält das solcherart befasste Bezirksgericht Salzburg nun ein drittes Gericht für zuständig, so hätte es im Sinne der obigen Ausführungen das Ersuchen an dieses Gericht weiterzuleiten und das ersuchende Gericht in der in Art 7 Abs 2 EuBVO vorgesehenen Weise davon zu unterrichten gehabt.
6. Für die Weiterleitung an das dritte Gericht, so sie denn tatsächlich geboten sein sollte, ist demnach das Bezirksgericht Salzburg zuständig. Verfehlt war es daher, den Akt an das für die Beweisaufnahme keinesfalls zuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien zurückzusenden.
Es war daher die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg für die weitere Behandlung des Rechtshilfeersuchens auszusprechen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0020NC00015.16B.1006.000