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OGH vom 17.11.2009, 1Ob165/09k

OGH vom 17.11.2009, 1Ob165/09k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Perner Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, und die Nebenintervenienten auf Beklagtenseite 1.) Rudolf T 2.) Wolfgang N*****, und 3.) Georg M*****, alle vertreten durch Dr. Peter Berethalmy und Dr. Christine Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen 541.090,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei sowie den Rekurs der beklagten Parteien und der Nebenintervenienten gegen das Teilurteil bzw den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 19/09t-42, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 14 Cg 18/07t-36, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestand zwischen und ein Tankstellen-Agenturvertrag. Die Klägerin macht Ansprüche im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung geltend.

Mit der am eingebrachten Klage begehrte sie zunächst die Zahlung von 36.000 EUR sA. Aus dem Verkauf von Treibstoff und Schmiermitteln stünde ihr wegen der Zuführung neuer Stammkunden ein Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG in größerem Umfang zu, aus prozessökonomischen Gründen mache sie nur 36.000 EUR geltend.

Nach Abhaltung zweier Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung kündigte die Klägerin mit Schriftsatz vom die Geltendmachung höherer Ausgleichsansprüche an und dehnte mit einem beim Erstgericht am eingelangten Schriftsatz das Klagebegehren auf 843.006,08 EUR sA aus. In insgesamt 7 weiteren Schriftsätzen während des Jahres 2007 beantragte die Klägerin jeweils Fristerstreckung zur Erstattung weiteren Vorbringens, was ihr jeweils - zuletzt bis - gewährt wurde. Mit am beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz legte die Klägerin letztlich ein Privatsachverständigengutachten vom vor, schränkte ihr Leistungsbegehren auf 541.090,80 EUR ein und präzisierte die darin enthaltenen Positionen.

Zu den Fristerstreckungsanträgen kam es deshalb, weil von März bis Mitte September 2007 in der Kanzlei des damaligen Klagevertreters eine Betriebsprüfung stattfand und die persönliche Sekretärin dieses Rechtsanwalts - wie dieser Anfang September 2007 infolge mehrerer von der Rechtsanwaltskammer eingeleiteter Treuhandrevisionen bemerkte - pflichtwidrig ihre Tätigkeiten vernachlässigt hatte. Dadurch war die Kanzlei des Klagevertreters ab Mitte September 2007 in ein „absolutes Chaos" verfallen und konnte im September und Oktober 2007 nur ein Notbetrieb aufrecht erhalten werden. Deshalb konnte auch das erst Mitte September 2007 erstattete Gutachten mit der Klägerin erst Mitte Oktober erörtert werden.

Die Beklagte wandte unter anderem Verjährung wegen offenkundiger Untätigkeit der Klägerin ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren infolge Verjährung ab. Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch unterliege der Verjährungsregelung des § 18 HVertrG von drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem das Vertragsverhältnis gelöst wurde. Die Klägerin sei trotz der vielfachen Fristerstreckungsanträge, die auch bewilligt worden seien, praktisch von April 2007 bis Februar 2008 völlig untätig geblieben. Nach der Rechtsprechung müsste der Grund für die Unterlassung der Betreibung eines Rechtsstreits aber im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagtem liegen. Beweisschwierigkeiten im Bereich einer klagenden Partei könnten prozessuale Untätigkeit nicht rechtfertigen, und könne ebensowenig die Sammlung von Beweismaterial eine Verlängerung der Verjährungsfrist bewirken.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich eines Betrags von 94.692,87 EUR sA und hob das Urteil im Übrigen auf. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig sei. Den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ließ es zu, weil Judikatur zur Frage wiederholter Fristerstreckungsanträge eines Klägers während offener Verjährungsfrist und deren Auswirkungen auf die Verjährung fehle. Die mit dem im Februar 2008 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz erstmals geltend gemachten, in der Berufungsentscheidung näher dargestellten Ansprüche seien tatsächlich verjährt, nicht dagegen die bereits davor geltend gemachten, mit diesem Schriftsatz nur endgültig präzisierten. Ob der Klägerin eine nicht gehörige Verfahrensfortsetzung iSd § 1497 ABGB anzulasten sei, könne dahingestellt bleiben, weil die zögerliche Verfahrensführung während offener Verjährungsfrist erfolgt sei. Die Klägerin sei nicht schlechter zu stellen als ein Kläger, der von vornherein die Klage erst gegen Ende der dreijährigen Verjährungsfrist einbringe. Daher sei nur der Antrag vom auf Fristerstreckung bis zum maßgeblich. Die Klägerin habe ihren Schriftsatz per Fax am dem Gericht übermittelt. Nach herrschender Rechtsprechung würden Versäumnisse von bis zu etwa zwei Monaten als nicht verjährungsschädlich toleriert werden. Die hier vorliegende Verspätung um bloß einen Tag könne daher den Verlust der verjährungsrechtlichen Unterbrechungswirkung der Klagseinbringung nicht herbeiführen.

Gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, gegen den Aufhebungsbeschluss der Rekurs der Beklagten und der Nebenintervenienten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten und deren Nebenintervenienten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist unzulässig.

I. Zum Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss:

Verjährung ist der Verlust des Rechts zur Geltendmachung eines Anspruchs durch Nichtausübung während einer bestimmten Zeit (M. Bydlinski in Rummel ABGB3 § 1451 Rz 1). Im vorliegenden Fall endet die Verjährungsfrist gemäß § 18 HVertrG drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch begründet wurde, im konkreten Fall somit Ende 2007.

Die Klägerin hatte daher bis Ende 2007 Zeit, ihre Ansprüche verjährungswahrend mittels Klage geltend zu machen; unter der Voraussetzung, dass diese Klage gehörig fortgesetzt wird. Wie bereits von den Vorinstanzen dargelegt, müssen die Gründe für prozessuale Untätigkeiten, sollen sie unschädlich sein, im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein. Beweisschwierigkeiten, die nur im Bereich des Klägers liegen, rechtfertigen dagegen Untätigkeit nicht. Auch bei Arbeitsüberlastung oder Ableben des Rechtsvertreters tritt keine Hemmung der Verjährung ein (RIS-Justiz RS0034758). Liegt die Schwierigkeit der Beweismittelbeschaffung und eine dadurch bedingte Untätigkeit des Klägers außerhalb des Verhältnisses zwischen den Streitteilen, ist kein die Untätigkeit des Klägers rechtfertigender Grund gegeben (RIS-Justiz RS0034649). Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung nur auf solche Gründe berufen, die im Verhältnis zwischen den Prozessparteien liegen. Unterlassungen des eigenen Rechtsanwalts können als allein im Bereich einer Prozesspartei liegend nicht berücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0034867).

Die Verjährungsbestimmungen stellen nicht in erster Linie auf den subjektiven Rechtsverfolgungswillen des Gläubigers ab, sondern verfolgen den Zweck, den Gläubiger zu zwingen, seinen Anspruch zu einer Zeit geltend zu machen, in der regelmäßig die Prüfung dessen Voraussetzungen noch ohne übermäßigen Aufwand möglich ist. Zögert der Gläubiger mit der Verfolgung eines Anspruchs, muss er die Verjährung hinnehmen. Grundsätzlich kommt es nicht auf die längere oder kürzere Dauer der Untätigkeit an, sondern auf den Umstand, ob diese Untätigkeit gerechtfertigt gewesen ist (RIS-Justiz RS0034710; RS0034704), also darauf, ob der Kläger triftige Gründe für sein Zögern in der Fortsetzung des Prozesses ins Treffen führen kann (RIS-Justiz RS0034624 [T14]). Eine gehörige Fortsetzung ist nicht anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt und damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung seines Prozessziels nichts mehr gelegen ist (RIS-Justiz RS0034849; RS0034765).

Zur Frage der Anwendung dieser Judikatur auf Verfahren, in denen die Klage lange vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht wurde, hat der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 822/81 (RIS-Justiz RS0034674) ausgesprochen, dass ein Gläubiger, der mit der Verfolgung eines Anspruchs zögert, dessen Verjährung auch für den Fall hinnehmen muss, dass er zwar vor Ablauf der Verjährungszeit Klage erhoben hat, dann aber dieses Verfahren durch längere Zeit aus Gründen, die in seinem Bereich liegen, nicht fortsetzte. Dort hatte der Oberste Gerichtshof allerdings einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem Ruhen des Verfahrens eingetreten war und beinahe ein Jahr nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist andauerte. In dieser Konstellation ging der Oberste Gerichtshof von einer Verjährung mangels gehöriger Fortsetzung aus. Ebenso wurde in 5 Ob 519/93 bei Ruhen des Verfahrens bis rund eineinhalb Jahre nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht gehörige Fortsetzung iSd § 1497 ABGB angenommen.

Im hier vorliegenden Fall begann die aus mehrfachen Fristerstreckungsanträgen resultierende faktische Untätigkeit der Klägerin von etwa 10 Monaten - ohne formelles Ruhen des Verfahrens - vor dem Ende der dreijährigen Verjährungsfrist des Anspruchs und wurde nur einen Monat über diesen Zeitpunkt hinaus - vom Erstgericht genehmigt - fortgesetzt, bis der Schriftsatz mit dem Sachverständigengutachten und der endgültigen Präzisierung der Klagspositionen erstattet wurde. Von einer nicht gehörigen Fortsetzung nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist kann daher im Sinne der oben dargestellten Judikatur nicht ausgegangen werden.

Würde man aber die Zeiten, die innerhalb der materiellen Verjährungsfrist liegen, bei der Beurteilung der nicht gehörigen Verfahrensfortsetzung miteinbeziehen, stünde - wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat - ein Kläger, der seine Klage zu einem frühen Zeitpunkt einbringt, schlechter als ein Kläger, der erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist seine Klage erhebt, ja es könnte sogar Verjährung mangels gehöriger Fortsetzung eintreten, obwohl die materielle Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen wäre. Für eine solche Differenzierung ist im Hinblick auf den oben dargelegten Zweck des Verjährungsrechts kein Grund zu erkennen. Vielmehr ist innerprozessualer Säumigkeit gegebenenfalls mit den Mitteln des Verfahrensrechts entgegenzuwirken.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

II. Zur außerordentlichen Revision:

Die Klägerin wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die mit dem erst im Februar 2008 erstatteten Schriftsatz neu geltend gemachten Ansprüche verjährt seien. Tatsächlich seien mit diesem Schriftsatz keine neuen Ansprüche geltend gemacht, sondern lediglich bereits in der vorhergehenden Klagsausdehnung dargestellte Positionen konkretisiert worden. Das Berufungsgericht unterliege einem Irrtum, der einer Aktenwidrigkeit gleichkomme.

Die geltend gemachte Akenwidrigkeit liegt bei Vergleich des Vorbringens in den Schriftsätzen ON 15 und 30 nicht vor. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt das Rechtsmittel nicht auf. Entgegen den Rechtsmittelausführungen wurden im Schriftsatz ON 15 unter der Position „Schadenersatz" nicht 474.795 EUR geltend gemacht, sondern lediglich 457.337,08 EUR. Die im Schriftsatz ON 30 als sechste Position des Schadenersatzanspruchs geltend gemachten „Rückstellungen" in Höhe von 18.333 EUR hat das Berufungsgericht daher zu Recht als mit diesem Schriftsatz neu geltend gemacht angesehen (die rechnerische Differenz der beiden Schadenersatzgesamtbeträge ergibt sich daraus, dass die Summe der „nicht weitergegebenen Boni" im Schriftsatz ON 30 gegenüber ON 15 verringert wurde). Mit der vom Berufungsgericht weiters als neu erhoben qualifizierten „Einkommenseinbuße" in Höhe von 50.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer sowie der neu geltend gemachten Umsatzsteuer aus dem ursprünglich brutto für netto geforderten „Gewinnentgang wegen falscher Geschäftspläne" befasst sich das Rechtsmittel nicht mehr.