OGH vom 17.07.2018, 4Ob137/18b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. F***** L*****, vertreten durch Dr. Georg Petritsch, Rechtsanwalt in Bad Aussee, gegen die beklagte Partei J***** W*****, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, Duldung und Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 12.900 EUR), über den „Revisionsrekurs“ der klagenden Partei gegen den Rückleitungsbeschluss des Landesgerichts Leoben vom , GZ 1 R 74/18a-22, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger hat – nach Eintritt in den langjährigen Bestandvertrag seiner Mutter – vom Beklagten eine Badehütte an einem See in Bestand genommen. Der Beklagte behauptet, dass das Bestandverhältnis wegen unterschiedlicher Gründe zum aufgelöst worden sei. Im Juli 2017 wurde dem Kläger der Zugang zur Badehütte verwehrt.
Mit Klage vom begehrte der Kläger die Feststellung, dass das Bestandverhältnis über die Badehütte aufrecht bestehe, sowie den Beklagten schuldig zu erkennen, die vertragsgemäße Nutzung der Badehütte durch den Kläger zu dulden und jedwede Behinderung der Rechtsausübung zu unterlassen; zudem beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Mit Beschluss vom unterbrach das Erstgericht das Verfahren gemäß §§ 6a, 190 ZPO, weil zu 13 P 28/17k des Erstgerichts die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Beklagten geprüft werde. Nach Einstellung dieses Verfahrens mit Beschluss des Pflegschaftsgerichts vom setzte das Erstgericht das Verfahren fort und erließ mit Beschluss vom die beantragte einstweilige Verfügung.
In der Folge erstattete der Erstrichter gemeinsam mit dem Vorsteher des Erstgerichts am eine Anregung zur Bestellung eines Sachwalters für den Beklagten. Aufgrund des Gesamtverhaltens des Beklagten bestehe die Befürchtung, dass dieser zumindest seit Anfang 2017 nicht mehr in der Lage sei, das kostenintensive Verhalten seines Rechtsvertreters zu überprüfen.
Mit dem hier angefochtenen Beschluss stellte das Rekursgericht den ihm zur Entscheidung über den Rekurs des Beklagten gegen die einstweilige Verfügung vorgelegten Akt an das Erstgericht zurück. Über den Rekurs des Beklagten könne derzeit nicht entschieden werden, weil die Bedenken gegen dessen Prozessfähigkeit nach wie vor aufrecht seien und vor deren Prüfung nicht beurteilt werden können, ob der für den Beklagten einschreitende Rechtsanwalt wirksam bevollmächtigt worden sei. Aufgrund der Anregung unter anderem des Erstrichters sei das Sachwalterschaftsverfahren zwischenzeitlich fortgesetzt worden. Der Mangel der Prozessfähigkeit sei gemäß § 6 Abs 1 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen zu berücksichtigen. Da die Sachwalterbestellung nur für die Zukunft wirke, sei die Frage der Prozessfähigkeit des Beklagten für die Vergangenheit vom Prozessgericht zu beurteilen. Das Erstgericht werde daher sachdienliche Erhebungen zur Frage durchzuführen haben, ob der Beklagte bei Erteilung der Vollmacht an seinen Rechtsvertreter prozessfähig gewesen sei.
Gegen den Rückleitungsbeschluss des Rekursgerichts richtet sich der „Revisionsrekurs“ des Klägers, der auf die Behebung dieses Beschlusses abzielt. Die Prozessfähigkeit des Beklagten sei vom Pflegschaftsgericht bereits geprüft worden. Die weitere Verfahrensverzögerung sei mit dem Zweck des Provisorialverfahrens nicht vereinbar.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach der Rechtsprechung umfasst der in § 528 ZPO verwendete Ausdruck „Revisionsrekurs“ jeden Rekurs gegen eine Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz, wenn dieses funktionell als Rekursgericht tätig wird (RIS-Justiz RS0044444). In den Entscheidungen 3 Ob 2322/96h und 3 Ob 50/04f wurde dies für ein Rechtsmittel gegen einen Unterbrechungsbeschluss des Rekursgerichts nach §§ 6a, 190 ZPO iVm § 78 EO bejaht. Der hier zu beurteilende Rückleitungsbeschluss, der auf die Überprüfung der Prozessfähigkeit des Beklagten gerichtet ist, wurde ebenfalls vom Gericht zweiter Instanz in seiner Funktion als Rekursgericht gefasst. Ein zulässiges Rechtsmittel wäre daher als „Revisionsrekurs“ zu qualifizieren. Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich jedoch als von vornherein unzulässig.
2.1 Gemäß § 514 Abs 1 ZPO (hier iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) ist jeder Beschluss mit Rekurs – mit Revisionsrekurs unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO – anfechtbar, soweit das Gesetz die Anfechtung nicht ausschließt oder beschränkt. Voraussetzung für die Rekurszulässigkeit ist jedoch, dass die angefochtene Entscheidung tatsächlich den Charakter eines prinzipiell anfechtbaren Beschlusses im Sinn des § 425 ZPO hat. Dafür bedarf es einer Willenserklärung des Gerichts, mit dem es unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Formen entweder eine verfahrensrechtliche Entscheidung oder in den vom Gesetz zugelassenen Fällen eine Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren trifft. Fehlt einer Erklärung des Gerichts der Charakter einer solchen Entscheidung, so liegt kein Beschluss vor; eine solche Vorgangsweise ist nicht mit Rekurs bekämpfbar, selbst wenn sie fälschlicherweise mit Beschluss bezeichnet wurde (RIS-Justiz RS0106917).
2.2 In der Rückleitung des Aktes an das Erstgericht mit dem Auftrag, der Vorbereitung der Rekursentscheidung dienende Erhebungen (zB zum Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes) vorzunehmen, wird von der Rechtsprechung als interne Verfügung und nicht als verfahrensrechtliche Entscheidung oder Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren angesehen (RIS-Justiz RS0043737).
In dem der Entscheidung 7 Ob 202/15d zugrunde liegenden Fall hat das Rekursgericht im Rahmen des Rekursverfahrens den Akt dem Erstgericht zurückgestellt, weil aufgrund des Akteninhalts erhebliche Bedenken gegen eine bei Verfahrenseinleitung bestehende Prozessfähigkeit der dortigen Antragsgegnerin bestünden. Das Erstgericht werde daher ein psychiatrisches Gutachten zur Klärung der Frage einzuholen haben, ob die Antragsgegnerin bei Zustellung des Sicherungsantrags und des Rekurses prozessfähig gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof beurteilte in dieser Entscheidung den Rückleitungsbeschluss des Rekursgerichts als interne Verfügung und nicht als verfahrensrechtliche Entscheidung oder Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren und auch nicht etwa als prozessleitenden Beschluss (vgl dazu 16 Ok 5/14t; 8 Ob 61/14z).
Die Konstellation zu der besprochenen Entscheidung entspricht jener, die auch hier zu beurteilen ist. Die Rückleitung des Aktes an das Erstgericht durch das Rekursgericht kann daher mangels Vorliegens eines „Beschlusses“ nicht angefochten werden.
Der „Revisionsrekurs“ des Klägers war daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00137.18B.0717.000 |
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