OGH vom 26.01.2006, 6Ob216/05s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts St. Pölten zu FN ***** eingetragenen F***** Gesellschaft mbH in Liquidation mit dem Sitz in R***** über den Revisionsrekurs des Nachtragsliquidators Franz W*****, vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 125/05s-6, womit der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 18 Fr 838/05w-2, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Im Firmenbuch war seit die F***** Gesellschaft mbH eingetragen. Ihre Gesellschafter waren Franz W***** und Cäcilia W*****. Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen und der bisherige Geschäftsführer Franz W***** zum Liquidator bestellt. Auf dessen Antrag wurde die Gesellschaft infolge beendeter Liquidation am im Firmenbuch gelöscht. Am beantragte Franz W***** die Einleitung der Nachtragsliquidation, die Wiedereintragung der bereits gelöschten Gesellschaft und die Eintragung seiner eigenen Bestellung zum Nachtragsliquidator im Firmenbuch, weil nachträgliches Vermögen hervorgekommen sei. Mit Beschluss vom bestellte das Erstgericht Franz W***** gemäß § 93 Abs 5 GmbH zum Nachtragsliquidator und bewilligte mit Beschlüssen vom 11. und antragsgemäß die Wiedereintragung der Gesellschaft in Liquidation und des Nachtragsliquidators zur Durchführung der Nachtragsliquidation.
Am beantragte Franz W***** die Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom , die Löschung des Firmenzusatzes "in Liqu.", die Beendigung der Nachtragsliquidation, seine Löschung als Liquidator sowie seine Eintragung als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer. Aufgrund der Tätigkeit des Liquidators seien nun laufende Einnahmen aus Provisionsansprüchen zu erwarten. Ein im Zuge der Nachtragsliquidation vorhandener Liquidationsüberschuss sei an die Gesellschafter noch nicht verteilt worden; "respektive" würden sich diese bereit erklären, einen allfälligen Überschuss wieder an die Gesellschaft zurückzuzahlen. Die Fortsetzung der Gesellschaft sei in analoger Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften zulässig. Das Erstgericht wies den Antrag mit Beschluss vom ab. Eine Fortsetzung der Gesellschaft nach Verteilung des Gesellschaftsvermögens - auch nach Wiedereintragung und Durchführung einer Nachtragsliquidation - sei ausgeschlossen. Dieser Beschluss wurde in allen Instanzen bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof führte in seiner Entscheidung vom , 6 Ob 87/04v aus, dass eine Fortsetzung der Gesellschaft mit der Behauptung, die Gesellschafter hätten sich zur Rückzahlung des erhaltenen Liquidationserlöses verpflichtet, nicht in Betracht komme. Da die Abwicklung gerade dem Zweck diene, das nach Berichtigung und Sicherstellung der Schulden verbleibende Vermögen der Gesellschaft unter die Gesellschafter zu verteilen (§ 91 Abs 3 GmbHG) und der ordnungsgemäße Löschungsantrag diese Vermögensverteilung voraussetze, sei nicht anzunehmen, dass in dem der Löschung der Gesellschaft vorangehenden Liquidationsverfahren kein Erlös verteilt worden sei. Die Fortsetzung der Gesellschaft lasse sich hier daher schon nach dem Antrags- und Rekursvorbringen mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG) nicht in Einklang bringen.
Das Erstgericht forderte daraufhin den Liquidator auf bekannt zu geben, ob die Nachtragsliquidation beendet sei und die Voraussetzungen zur Löschung der Gesellschaft vorlägen. Am stellte der Liquidator neuerlich den Antrag auf Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft, der Beendigung der Nachtragsliquidation, seine Löschung als Liquidator und seine Eintragung als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer. Er verwies auf den dem Antrag beigelegten, dem Eintragungsbegehren entsprechenden Gesellschafterbeschluss vom , worin die Gesellschafter unter anderem festhielten, „dass es im Zuge des Liquidationsverfahrens zu keinerlei Liquidationsüberschüssen und demzufolge auch zu keinerlei Verteilungen von Liquidationserlösen an die Gesellschafter gekommen ist". Im nunmehrigen Antrag wird dies ebenfalls behauptet und zudem ausgeführt, dass „sogar Nachschüsse seitens der Gesellschafter erbracht werden mussten, um die Gläubiger gänzlich befriedigen zu können". Da „noch" kein Liquidaitonsüberschuss verteilt worden sei, sei die Fortsetzung der Gesellschaft jedenfalls möglich.
Das Erstgericht wies diese Anträge ab. Die Behauptung, dass eine Verteilung des Liquidationserlöses nicht stattgefunden habe, stehe der dem Löschungsbeschluss zugrundeliegenden Annahme entgegen, dass das Gesellschaftsvermögen verteilt worden sei. Mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens sei die Fortsetzung der Gesellschaft ausgeschlossen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob eine gemäß § 93 GmbHG gelöschte Gesellschaft fortgesetzt werden könne, wenn im Zuge der Liquidation kein Vermögen an die Gesellschafter verteilt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Liquidators ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Wie bereits in der Vorentscheidung 6 Ob 87/04v dargelegt wurde, kann eine aufgelöste GmbH in analoger Anwendung des § 215 AktG auf Grund eines Gesellschafterbeschlusses grundsätzlich fortgesetzt werden. Die Fortsetzung wird so lange als zulässig angesehen, als die GmbH noch nicht beendet ist und noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen wurde.
Der Liquidator versucht nunmehr, die auf die Fortsetzung der Gesellschaft zielenden Firmenbucheintragungen dadurch zu erreichen, dass er jetzt behauptet, es sei kein Liquidationserlös verteilt worden, weil ein solcher nicht vorhanden gewesen sei. Aber auch bei der Unterstellung, dass dieses Vorbringen den Tatsachen entspricht, kann seinen Anträgen kein Erfolg beschieden sein. Mussten die Gesellschafter tatsächlich anstatt Überschüsse zu erhalten Nachschüsse leisten, damit die Gläubiger befriedigt werden konnten, lässt dies nur den Schluss zu, dass die Gesellschaft überschuldet war. Dass die behaupteten Provisionsansprüche, die Anlass für die Firmenbucheintragungen betreffend die Nachtragsliquidation waren, die für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlichen Nachschüsse der Gesellschafter abgedeckt hätten, kann dem Vorbringen des Liquidators nicht entnommen werden. Die Gesellschaft wäre daher auch von Amts wegen infolge Vermögenslosigkeit zu löschen gewesen (§ 40 FBG). Die Nachtragsliquidation dient auch keineswegs dazu, der Gesellschaft die Möglichkeit zu eröffnen, eine neue, nicht mit der Vermögensabwicklung zusammenhängende Geschäftstätigkeit zu entfalten. Die behaupteten Aktivitäten des Liquidators, aus denen er sich laufende Einnahmen aus Provisionsansprüchen erhoffte, können daher nicht als Begründung für die Fortsetzung einer bereits gelöschten Gesellschaft herangezogen werden. Bei Zutreffen der nunmehrigen Behauptungen des Liquidators liegt vielmehr ein ähnlicher Fall vor, wie er der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 330/98t (NZ 2000, 90 = RdW 1999, 594 = WBl 1999, 471) zugrundelag, auch wenn dort die Gesellschaft letztlich von Amts wegen nach § 2 Amtslöschungsgesetz gelöscht wurde. Wie der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung ausführte, sollen lebensunfähige Gesellschaften nicht mehr im Firmenbuch aufscheinen, damit nicht Außenstehende über Umfang und Wert des Unternehmens getäuscht werden. Es ist mit dem Gedanken der Rechtssicherheit nicht vereinbar, wenn die Gesellschaft ihrer Löschung wegen Vermögenslosigkeit nicht widerspricht (oder die Löschung aus diesem Grund sogar selbst beantragt) und erst nach Jahren durch die Bescheinigung eines (geringfügigen) Vermögens die schon eingetretene Wirkung der Auflösung bloß durch einen Fortsetzungsbeschluss beseitigen könnte. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft selbst am Besten darüber informiert ist, ob sie noch über relevantes Vermögen verfügt. Auch im vorliegenden Fall ist das „Vermögen", das nach den Behauptungen des Liquidators nachträglich hervorgekommen sein soll, bloß geringfügig, und es ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum der Liquidator über die auf seine eigene Tätigkeit zurückzuführenden Provisionsansprüche der Gesellschaft nicht schon bei Einbringung des Löschungsantrags Bescheid gewusst haben sollte. In diesem Zusammenhang ist auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts zu verweisen, dass die Ansicht des Liquidators zur Folge hätte, dass zwar eine Gesellschaft, die vor der Liquidation ein Nettoaktivvermögen hatte (was die Auszahlung eines Liquidationserlöses an die Gesellschafter gemäß § 91 Abs 3 GmbHG zur Folge hat), nicht fortgesetzt werden könnte, wohl aber eine Gesellschaft, die zur Befriedigung aller Gläubiger noch Gesellschafterzuschüsse braucht und daher vor der Liquidation sogar insolvenzrechtlich überschuldet war. Eine derartige Ungleichbehandlung von im Ergebnis gleichen Sachverhalten (am Ende hat die Gesellschaft jeweils keine Gläubiger und kein Vermögen), ja sogar eine Bevorzugung der ursprünglich schlechter ausgestatteten Gesellschaft gegenüber der ursprünglich besser ausgestatteten Gesellschaft wäre, wie das Rekursgericht zu Recht meinte, nicht zu rechtfertigen.
Diesen Erwägungen vermag der Rechtsmittelwerber nichts überzeugendes entgegen zu setzen. Soweit er im Revisionsrekurs abermals auf die Rechtsprechung hinweist, dass grundsätzlich auch eine aufgelöste Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss fortgesetzt werden kann, ist ihm entgegenzuhalten, dass hier aus den aufgezeigten Gründen ein Fall vorliegt, auf den dieser Grundsatz gerade nicht anwendbar ist. Die Ansicht des Rekursgerichts, dass nach der Löschung einer Gesellschaft im Firmenbuch eine Fortsetzung der Gesellschaft auch nicht mehr im Zuge einer Nachtragsliquidation erfolgen kann, sei es, weil die Löschung nach Verteilung des Überschusses aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gläubiger erfolgte, sei es, dass die Gesellschaft gelöscht wurde, weil überhaupt nichts zu verteilen war, entspricht auch der überwiegend im Schrifttum vertretenen Ansicht (Kostner/Umfahrer, GmbHG5 Rz 766; Gellis/Feil GmbHG5 § 84 Rz 10;
Geist in Jarbornegg/Strasser, AktG4 § 215 Rz 2; für Deutschland:
Karsten Schmidt in Scholz GmbHG9 § 60 Rz 83; Rasner in Rowedder GmbHG4 § 60 Rz 67 mwN).
§ 215 Abs 2 AktG sieht zwar die Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft im Konkursfall vor; auch eine GmbH kann noch nach Auflösung durch Konkurs fortgesetzt werden (RIS-Justiz RS0059934). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits in seiner Entscheidung 6 Ob 330/98d dargelegt, dass diese Bestimmung auf andere Fälle der Löschung, insbesondere auf die Löschung mangels Vermögens, nicht analog anwendbar ist. Die zutreffende Rechtsansicht des Rekursgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu den im Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 187/04z und 6 Ob 11/05v. Dort ging es lediglich um die (vom Obersten Gerichtshof in beiden Entscheidungen bejahte) Frage, ob bei einer Gesellschaft, die nach Abweisung des Konkursantrags mangels hinreichenden Vermögens aufgelöst und in weiterer Folge fortgesetzt wurde, § 77a Abs 2 zweiter Satz KO („nach Ablauf von fünf Jahren nach Aufhebung des Konkurses hat das Firmenbuchgericht sämtliche Eintragungen nach Abs 1 Z 1 bis 5 auf Antrag des Schuldners zu löschen") auf die Eintragung nach § 77a Abs 1 Z 6 KO (die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels hinreichenden Vermögens) analog anwendbar ist.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zu bestätigen.