OGH vom 21.12.2004, 4Ob228/04i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Johannes F*****, und 2.) Franciscus G*****, beide vertreten durch Dr. Werner Masser und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** OEG, ***** vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer und andere, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht (Streitwert 35.000,-- EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 108/04t-11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom , GZ 2 C 203/04d-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 7.066,51 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 983,24 EUR Ust und 1.167,10 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten schlossen einen Vertrag, wonach die letztere auf der ihr gehörenden Liegenschaft 90 Appartements und ein zu deren Verwaltung bestimmtes Zentralgebäude errichten sollte, wobei das Geld hiefür von den insoweit als Anschubfinanzierer tätigen Klägern kommen sollte, die für die Bereitstellung des Kapitales von deren Vertragspartnerin eine Rendite erhalten sollten. Die Rückzahlung des bereitgestellten Kapitals sollte durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten jeweils nach Verkauf der zu errichtenden Appartements an Dritte (anteilig) erfolgen. Die Kläger sollten auf ein Treuhandkonto eines Rechtsanwalts, der den Auftrag erhielt, die Rückführung des eingesetzten Kapitals samt Gewinn vorzunehmen. Als Sicherheit vereinbarten die Parteien die Einverleibung eines Pfandrechts auf der Liegenschaft zu Gunsten der Kläger. Auf dieser war bereits das Pfandrecht einer Bank (erstrangig) einverleibt.
Unter ausdrücklicher Berufung auf diese Vereinbarung schloss die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Rechtsanwalt sowie einem öffentlichen Notar eine Treuhandvereinbarung, wonach beide als Treuhänder die treuhändige Verwaltung der Verkaufserlöse aus den Appartementverkäufen übernehmen und auch Darlehensrückzahlungen an die Bank vorzunehmen haben. Für die Rückzahlung des von den Klägern an die Beklagte bereitgestellten Kapitals samt Rendite sollte ein eigener Zahlungsplan gelten, in dem bereits die Vorsteuerverrechnung gesondert ausgewiesen war. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichtete sich gegenüber den Treuhändern, diese Vorsteuern ausschließlich auf ein bestimmtes Treuhandkonto des Notars vom Finanzamt anzufordern. Weiters verpflichtete sie sich, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für die Vorsteuerverrechnung ohne unnötigen Verzug hergestellt und die Vorsteuern vereinbarungsgemäß an den Notar überwiesen werden.
Von der für die Errichtung der Appartements vorgesehenen Liegenschaft wurde ein Grundstück zur selbständigen Errichtung des Zentralgebäudes abgetrennt und hiefür eine eigene Grundbuchseinlage eröffnet, von der die Kläger zwei bestimmte Anteile erwarben, während der Rest im Eigentum der Beklagten verblieb. Das auf der Gesamtliegenschaft lastende Pfandrecht der Bank wurde auch auf die neu errichtete Einlage übertragen, welche als Nebeneinlage für das Simultanpfandrecht haftete. In weiterer Folge wurden die Appartements lastenfrei verkauft, weshalb letztlich nur die Liegenschaft mit dem Zentralgebäude für die Forderung der Bank haftet. Die Pfandgläubigerin klagte sämtliche Streitteile auf Rückzahlung des der Beklagten gewährten Darlehens bei sonstiger Exekution in die verpfändete Liegenschaft. Während die Beklagte ein Versäumungsurteil ergehen ließ, bestritten die Kläger das Klagebegehren der Bank mit der Begründung, es seien Teilzahlungen in höherem als von der Bank zugestandenem Ausmaß geleistet worden. Zum Beweis für dieses Vorbringen machten die Kläger die Treuhänder (Rechtsnawalt und Notar) als Zeugen namhaft. Beide berufen sich auf ihre berufliche Verschwiegenheitspflicht; die Beklagte lehnte eine Entbindung von dieser Pflicht ab.
In der Treuhandvereinbarung zwischen der Beklagten und den beiden Treuhändern verpflichtete sich die Beklagte, den Treuhändern den mit der Vorsteuerverrechnung beauftragten Steuerberater bekanntzugeben und diesen von seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Treuhändern zu entbinden. Ein Abschluss des Bauprojekts ist derzeit auf Grund fehlender Abrechnungen und Unklarheiten im Zusammenhang mit der Vorsteuerverrechnung nicht möglich, weswegen der Notar die Auszahlung von Renditebeträgen an die Kläger verweigert, weil noch unklar sei, welche Beträge den Treuhandkonten noch zufließen werden.
Die Kläger begehren von der Beklagten, den Notar, den Rechtsanwalt und den Steuerberater von ihrer jeweiligen Verschwiegenheitsverpflichtung hinsichtlich der im beschriebenen Projekt ihnen bekannt gewordenen Informationen bezüglich der geplanten und vereinbarten sowie der tatsächlich erfolgten Auszahlungen von Treuhandgeldern an die Bank zu entbinden und den Steuerberater zur Gänze von seiner Berufsverschwiegenheit hinsichtlich des genannten Projekts zu entbinden. Sie stünden mit der Beklagten wegen der Errichtung der Appartements schon jahrelang in Geschäftsverbindung, wobei sie als Finanzierer und die Beklagte als Bauträgerin aufträten. In diesem Verhältnis seien auch für die Geschäftsabwicklung wichtige Verträge mit dem Notar, dem Rechtsanwalt und dem Steuerberater abgeschlossen worden. Die Kläger könnten ihren Prozessstandpunkt im Verfahren über die Hypothekarklage der Bank ohne Aussage der sich auf ihre Berufsverschwiegenheit stützenden Personen nicht beweisen. Die Beklagte sei mehrfach zur Entbindung von Notar, Rechtsanwalt und Steuerberater von deren jeweiliger Verschwiegenheitspflicht aufgefordert worden, habe dies aber abgelehnt. Zur Entbindung des Notars sei die Beklagte auf Grund ihrer Mitwirkungsverpflichtung sowie der mit den Klägern und dem Rechtsanwalt abgeschlossenen Verträge verpflichtet. Aus den getroffenen Vereinbarungen gehe auch hervor, dass die Beklagte den Rechtsanwalt von der Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf die geplanten und vereinbarten sowie tatsächlich getätigten Zahlungsflüsse an die Bank aus den beim Notar erliegenden Treuhandgeldern betreffend das Appartementhausprojekt entbunden habe, weshalb die Entbindung des Rechtsanwalts von der Berufsverschwiegenheit begehrt werde. Aus den Vereinbarungen gehe auch hervor, dass der mit der Vorsteuerverrechnung befasste Steuerberater durch die Beklagte von der Verschwiegenheitsverpflichtung zu entbinden sei.
Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, nicht verpflichtet zu sein, die genannten Personen von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Sollten der Notar, der Rechtsanwalt und der Steuerberater von den Klägern und der Beklagten gemeinsam beauftragt worden sein, könnten sie sich nicht auf eine Verschwiegenheitspflicht berufen, sodass eine Entbindung nicht denkbar sei. Sollten die angeführten Personen nur von der Beklagten beauftragt worden sein, gebe es keine gesetzliche Verpflichtung zur Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Kläger hätten ein in allen Verträgen zum Ausdruck kommendes rechtliches Interesse an der Entbindung des Notars, des Rechtsanwalts und des Steuerberaters von ihrer Verschwiegenheitspflicht, weil der Prozess über die Hypothekarklage der Bank die Frage berühre, inwieweit das Projekt zwischen den Prozessparteien ordnungsgemäß abgewickelt worden sei. Eben dieses Interesse an der ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung sei auch die Basis für die Verpflichtung der Beklagten, den im Verfahren über die Hypothekarklage nicht als Zeugen benannten Steuerberater von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Kraft der zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge hätten die Kläger das Recht zu wissen, in welcher Höhe Vorsteuern angefallen seien und gegebenenfalls ihre Rendite beeinträchtigten. Die Kläger hätten daher Anspruch auf eine Entbindung des Notars, des Rechtsanwalts und des Steuerberaters von der Verschwiegenheitspflicht. Eine Umgehung dieser Verschwiegenheitspflicht durch das angestrebte Urteil liege nicht vor, weil nicht ein außenstehender Dritter die Entbindung verlange, sondern die Kläger als durch die Schweigepflicht Begünstigte.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren hingegen ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000,-- EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu vorliege, ob die Entbindung von staatlich anerkannten Berufsverschwiegenheiten gerichtlich erzwungen und eine derartige Entbindungsverpflichtung vertraglich vereinbart werden könne. Dem hier erhobenen Klagebegehren fehle jede gesetzliche Grundlage. Es bestehe keine Pflicht einer Verfahrenspartei, Rechtsanwälte, Notare oder Wirtschaftstreuhänder/Steuerberater von ihrer staatlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht (Berufsverschwiegenheit) zu entbinden. Die Entbindung von der Berufsverschwiegenheit sei kein Rechtsgeschäft, sondern ein persönlicher Akt, der die Lockerung der Abgeschlossenheit des Privatlebens bedeute. Es handle sich um ein höchstpersönliches Recht, das nur von demjenigen ausgeübt werden könne, der vom Berufsgeheimnis geschützt sei. Deshalb dürfe die von der durch die ärztliche Verschwiegenheit geschützten Person verweigerte Entbindung vom Gericht nicht ersetzt werden. Es sei auch kein Grund dafür ersichtlich, warum das Entbindungsrecht betreffend das Ärztegeheimnis anders behandelt werden sollte als jenes betreffend andere staatlich anerkannte Verschwiegenheitspflichten, zumal die Verschwiegenheitspflicht von Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftstreuhändern - ebenso wie jene der Ärzte - im § 321 Abs 1 ZPO geregelt sei. Eine Ungleichbehandlung hinsichtlich des Entbindungsrechts des vom Geheimnis Geschützten widerspräche daher der Gesetzeslage.
Ein auf die Entbindung von einer staatlich anerkannten Schweigepflicht gerichtetes Klagebegehren sei überdies schon deshalb nicht durchsetzbar, weil die Entbindung von der Schweigepflicht eine reine Prozesshandlung darstelle. Eine solche könne aber nicht als materiell-rechtlicher Anspruch in einem anderen gerichtlichen Verfahren erzwungen werden. Dementsprechend könne die Entbindung, die noch vor dem Rechtsstreit außergerichtlich gegenüber dem Zeugen selbst erklärt worden sei, ihm gegenüber noch bis zu Beginn seiner Aussage wirksam widerrufen werden. Eine außergerichtliche Erklärung an den Gegner allein, den Zeugen von seiner Schweigepflicht zu entbinden, verbinde nicht und sei als bloß verfahrensrechtliche Erklärung auch nicht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts erzwingbar. Daher könne der Berechtigte auch nicht mit Erfolg auf Zustimmung zur Entbindung geklagt werden.
Dem Klagebegehren stehe schließlich auch entgegen, dass die Zivilprozessordnung kein vollständiges Aussageverweigerungsrecht kenne, sodass der Zeuge nur die Beantwortung bestimmter einzelner Fragen verweigern dürfe. Die hier begehrte Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht scheitere somit schon daran, dass eine wirksame Entbindungserklärung ebenso wie jede andere wirksame Prozesshandlung voraussetze, dass die Tatsachen, von denen entbunden werden solle, schon genau bekannt seien; die Befreiungserklärung müsse somit als Prozesshandlung inhaltlich konkret bestimmt sein. Davon könne hier keine Rede sein. Für den Steuerberater fehle im Übrigen jeglicher Zusammenhang mit einem Prozess; eine generelle Entbindung für die Zukunft sei aber jedenfalls ausgeschlossen. Da es kein vollständiges Aussageverweigerungsrecht gebe, seien die als Zeugen benannten Personen trotz der von der Beklagten verweigerten Entbindung als Zeugen zu vernehmen. Sie könnten sich bei einzelnen an sie gestellten Fragen gemäß § 321 Abs 1 ZPO auf das ihnen zustehende Aussageverweigerungsrecht berufen, wobei im Prozess gemäß § 324 ZPO mit Beschluss über die Rechtmäßigkeit der Weigerung zu entscheiden sei. Die Frage, ob die Weigerung von Zeugen, über einzelne Fragen auszusagen, gerechtfertigt sei, entscheide stets das im konkreten Fall, in dem die Zeugenaussage erfolgen solle, erkennende Gericht. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung in bestimmten Fällen im Mehrparteienverfahren die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch einen Klienten ausreiche, sodass in einem derartigen Fall gar kein Entschlagungsrecht bestehe. Dies sei stets im Zwischenverfahren über die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung gemäß § 324 ZPO zu entscheiden. Erweise sich die Aussageverweigerung als gerechtfertigt, so könne die von der Partei verweigerte Entbindung keinesfalls vom Gericht ersetzt werden, weil eine solche Entscheidung nur von der geschützten Person ausgehen könne. Die Verfahrensvorschrift der § 324 ZPO sowie die Bekämpfungsmöglichkeit eines derartigen Beschlusses (§ 349 Abs 1 ZPO) könne nicht dadurch umgangen werden, dass ein selbstständiges Verfahren eingeleitet werde, in dem ein vom Geheimnis Geschützter zur Entbindung des Zeugen von der Berufsverschwiegenheit verpflichtet und damit der Zeuge indirekt zur Aussage verpflichtet werde. Die Kläger habe keinen persönlichen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Entbindung des Notars, des Rechtsanwalts sowie des Steuerberaters von ihrer jeweiligen Verschwiegenheitspflicht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist berechtigt.
§ 321 Abs 1 Z 3, 4 und 4a ZPO regeln Aussageverweigerungsrechte bei staatlich anerkannten, dh durch eine generell-abstrakte Norm verankerten Verschwiegenheitspflichten. Die umfassende Regelung ist im § 321 Abs 1 Z 3 ZPO enthalten, die allgemein auf solche Verschwiegenheitspflichten Bezug nimmt. Die Regelung des § 321 Abs 1 Z 4 ZPO (Rechtsanwälte) wird von der über § 321 Abs 1 Z 3 ZPO beachtlichen, im § 9 Abs 2 RAO statuierten Verschwiegenheitspflicht überlagert. Im Grundsatz beruht die Regelung darauf, dass die Ausübung bestimmter, zumeist freier Berufe faktisch unmöglich wäre, wenn die solche Dienste in Anspruch nehmenden Personen nicht darauf vertrauen könnten, dass dem Gegenüber erteilte Informationen vertraulich bleiben. Dieses Vertrauen ist nämlich Voraussetzung dafür, dass ohne Hintergedanken und Berechnung sämtliche Informationen preisgegeben werden können, was für eine sinnvolle und kunstgerechte Ausübung dieser Berufe erforderlich ist. § 321 Abs 1 Z 3 ZPO schützt daher in seinem Kernbereich spezifische Vertrauensverhältnisse im Bereich der Dienstleistungserbringung (Frauenberger in Fasching/Konecny2 III § 321 ZPO, Rz 16 mwN).
Die Verschwiegenheitspflichten schützen in aller Regel denjenigen, dessen Umstände (Informationen) vertraulich bleiben sollen. Daher ist regelmäßig eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht möglich und wirksam. Wo außer den Interessen des Betroffenen auch noch andere Rechtsgüter geschützt sind, ist eine Entbindung nicht vorgesehen, wie etwa bei der vom § 320 Z 2 ZPO geregelten Verschwiegenheitspflicht Geistlicher, die aus diesem Grund auch Zeugnisunfähigkeit begründet. Solange der Zeuge von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht gültig entbunden wurde, trifft ihn die Pflicht zur Aussageverweigerung. Umgekehrt trifft aber den von seiner Verschwiegenheitspflicht gültig Entbundenen eine Pflicht zur Aussage, was sich zum einen schon aus der jeden Zeugen treffenden Aussagepflicht ergibt, aber auch durch die Erwägung gerechtfertigt ist, dass in diesem Fall kein Grund mehr besteht, Interessen des Betroffenen zu wahren, sondern vielmehr die Ablegung der Aussage im offenkundigen Interesse des Betroffenen ist. Sind mehrere Personen durch die Verschwiegenheitspflicht geschützt, ist in aller Regel die gleichlautende Entbindung durch alle erforderlich. Bei einem "gemeinsamen Zweck" reicht jedoch im Rechtsstreit unter den Berechtigten eine Entbindung bloß durch einen der Berechtigten aus (Frauenberger aaO Rz 18 mwN).
Die Entbindung ist eine nach der jeweiligen materiell-rechtlichen Regelung zu beurteilende Erklärung, die in der Regel daher privatrechtlicher Natur ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass die ZPO auf die Gültigkeit der Entbindung abstellt, die aber nur nach jener Rechtsnorm beurteilt werden kann, die die Verschwiegenheitspflicht festlegt. Da die durch Verschwiegenheitsnormen geschützten Rechtsverhältnisse aber in der Regel privatrechtlicher Natur sind, kann für den Verzicht auf einen Teil der Rechte durch den Geschützten, dessen Adressat ja der Geheimnisträger und nicht das Gericht ist, nichts anderes gelten. Dem zur Verschwiegenheit Verpflichteten ist daher zumeist der Einwand verwehrt, der Betroffene könne die Tragweite seiner Entbindungserklärung nicht voll beurteilen, weil er in aller Regel nicht Sachwalter der geschützten Person ist (Frauenberger aaO Rz 19; Lenckner, NJW 1965, 323; anders noch Fasching1 III 424, wonach die Entbindung eine Prozesshandlung sei; diesem offenbar folgend Prohaska-Marchried, Geheimnisschutz berufsmäßiger Parteienvertreter 64).
Der privatrechtlichen Natur der Entbindung eines Zeugen von der ihn treffenden beruflichen Verschwiegenheitspflicht entspricht es, die Zulässigkeit einer vertraglichen Vereinbarung anzuerkennen, wonach der von der Verschwiegenheitspflicht Geschützte unter bestimmten Umständen, gegenüber bestimmten Personen und in bestimmtem Umfang verpflichtet ist, den Geheimnisträger von der ihn treffenden Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Wird die Entbindungserklärung nicht abgegeben und besteht nach bürgerlichem Recht - sei es auf Grund konkreter vertraglicher Vereinbarung, sei es auf Grund im Wege der Auslegung abgeleiteter vertraglicher Nebenpflichten - eine Pflicht zur Entbindung, so muss - wenn die Befreiungsvereinbarung umstritten ist und der Zeuge deshalb das Zeugnis verweigert - zunächst in einem gesonderten Prozess auf Abgabe der Entbindungserklärung geklagt werden, wobei das Urteil die Entbindungserklärung gemäß § 367 EO ersetzt (vgl Damrau in Münch Komm2 § 385 dZPO Rn 11; Chr. Berger in Stein/Jonas, ZPO21, § 385, Rn 27, je mwN).
Wo die Verschwiegenheitspflicht höchstpersönliche Umstände (Rechte), wie etwa die Privatsphäre des Geschützten betreffen, ist auch die Entbindungserklärung höchstpersönlich und kann daher weder vom Gericht gemäß § 367 EO substituiert, noch durch Vertreter, Erben oder einen Nachlasskurator des Verstorbenen erteilt werden (Frauenberger aaO Rz 19; Prohaska-Marchried aaO 58 f; SZ 33/116, SZ 72/183 und SZ 73/87). Im vorliegenden Fall sind aber nicht höchstpersönliche Umstände, die der Privat- oder Intimsphäre zuzuordnen sind, Gegenstand der angestrebten Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht, sondern vermögensrechtliche Interessen der Beklagten (Auskunft über die Verwendung von Treuhandgeldern, Kreditrückzahlungen an die Bank und Pfandgläubigerin). In diesem Bereich ist nicht nur die Entbindung auch durch einen gewillkürten Vertreter oder durch ein Organ der juristischen Person (etwa Masseverwalter oder Liquidator) möglich (Frauenberger aaO; Prohaska-Marchried aaO 60; vgl auch Damrau aaO Rn 8 mwN), sondern eben auch die Durchsetzung eines privatrechtlichen Anspruchs auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht im Wege eines zur Abgabe der Entbindungserklärung verpflichtenden Gerichtsurteils (§ 367 EO).
Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch hängt daher davon ab, ob die Beklagte auf Grund der mit den Klägern geschlossenen Verträge verpflichtet ist, den Klägern über die von ihr in Erfüllung der übernommenen Leistungspflichten entweder selbst oder durch von ihr beigezogene Erfüllungsgehilfen, die auf Grund ihres Berufsstands (Rechtsanwalt, Notar und Steuerberater/Wirtschaftstreuhänder) zur Verschwiegenheit über ihnen in Ausübung ihres Amts/Berufs bekannt gewordene Tatsachen Dritten gegenüber verpflichtet sind, vorgenommenen Handlungen (hier Zahlungen/Überweisungen) Auskunft zu geben. Besteht diese Verpflichtung, umfasst sie auch die Entbindung allenfalls beigezogener zu beruflicher Verschwiegenheit verpflichteter Erfüllungsgehilfen von eben dieser Verschwiegenheitspflicht.
Aufgrund des festgestellten Inhalts der zwischen den Streitteilen geschlossenen Verträge, zu deren Erfüllung die Beklagte Treuhandvereinbarungen mit einem Rechtsanwalt und einem Notar abgeschlossen und darüber hinaus auch einen Steuerberater/Wirtschaftstreuhänder beigezogen hat, kann nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte den Klägern gegenüber nicht nur die Pflicht übernommen hat, in bestimmter Weise für die Auszahlung von Treuhandgeldern, die aus dem Verkauf von Appartements stammen, zu sorgen, sondern auch über die Erfüllung dieser Pflichten in jeder Weise Auskunft zu geben. Sie trifft daher auch die Pflicht, durch Entbindung von der beruflichen Verschwiegenheit über die Zahlungsflüsse von den Treuhandkonten zur (mit-)finanzierenden Bank Auskunft zu geben und auch eine diesbezügliche Beweisführung im Interesse ihrer Vertragspartner zu ermöglichen.
Was die umfassend angestrebte Entbindung des Steuerberaters/Wirtschaftstreuhänders (zur Gänze hinsichtlich des Projekts) anlangt, muss auch diese nach den vertraglichen Pflichten der Beklagten als gerechtfertigt angesehen werden. Den Klägern, die Geld in das Projekt investitiert und - bislang offenbar noch nicht zur Gänze erfüllten - Anspruch auf Rückzahlung samt zugesicherter Rendite haben, schuldet die Beklagte umfassende Aufklärung über alle finanziellen Transaktionen im Zusammenhang mit dem von den Klägern (mit-)finanzierten Projekt. Der Einwand der Beklagten, das Entbindungsbegehren gehe zu weit, erweist sich daher als unberechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.