OGH 15.07.1997, 1Ob161/97a
Rechtssatz
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Normen | |
RS0108070 | Gegen den Willen einer der Parteien kann auch im Verfahren außer Streitsachen die Mediation nicht vorgeschaltet werden. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Michael Franz Konrad K*****, geboren am , infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Cornelia K*****, vertreten durch Dr.Hanno Preissecker, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichts vom , GZ 45 R 1133/96t-79, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 2 P 1369/95t-69, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
Text
Begründung:
Dem Vater ist ein Besuchsrecht an jedem ersten und dritten Freitag im Monat von 15.00 bis 18.00 Uhr eingeräumt; er hat den seinen nun schon 10 Jahre alten, außer der Ehe geborenen Sohn, der sich in Obsorge seiner Mutter befindet, von dieser abzuholen und ihn zu ihr zurückzubringen. Über die von der Mutter aus im einzelnen genannten Gründen beantragte Einschränkung des Besuchsrechts dahin, daß der Vater das Besuchsrecht nur in ihrem Beisein ausüben dürfe, ist noch nicht entschieden. Der vom Erstgericht (zur Begutachtung der psychologischen Eignung des Vaters zur Ausübung des Besuchsrechts) bestellte Sachverständige führte in seinem Gutachten aus, es werde dem Kind durchaus kein Schaden zugefügt, wenn das Besuchsrecht zumindest über ein Jahr in Begleitung einer dem Kind vertrauten Drittperson stattfinde. Sollte sich im Bekannten-, Freundes- oder Verwandtenkreis der Familie keine solche Drittperson finden, so empfehle der Sachverständige, ihn wegen Benennung einer Mediatorin zu kontaktieren, die zunächst mit dem Kind eine Vertrauensbasis aufbaue und sodann eine solche Kontaktaufnahme zwischen Kind und Vater verantwortlich begleite, bis eine solche Begleitung nicht mehr notwendig sei. Daraufhin brachte der Vater vor, er sei mit der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Mediatorin einverstanden und bereit, die Kosten zu bezahlen. Derzeit ist zwischen den Eltern vereinbart, daß der Vater sein Besuchsrecht bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag der Mutter nur in deren Beisein ausübt.
Im ersten Rechtsgang bestellte das Erstgericht eine namentlich genannte Mediatorin und trug den Eltern auf, deren Ladungen Folge zu leisten. Die zweite Instanz bestätigte diese Entscheidung. Der erkennende Senat hob die vorinstanzlichen Beschlüsse ersatzlos auf (1 Ob 2022/96n-65); dem erstgerichtlichen Beschluß sei auch unter Einbeziehung von dessen Begründung nicht zu entnehmen, ob die bestehende Besuchsrechtsregelung bereits abgeändert worden sei oder die Erstrichterin - den anläßlich der Vernehmung des Vaters von diesem geäußerten Wunsch nach Bestellung einer Mediatorin als Antrag wertend - mit deren Bestellung eine Änderung der geltenden Besuchsrechtsregelung erst habe vorbereiten wollen. Bei einer Abänderung der Besuchsrechtsregelung wäre im einzelnen zu begründen, warum die Ausübung des Besuchsrechts nicht in Begleitung einer dem Kind vertrauten Drittperson, der der Sachverständige gegenüber der Mediatorin offenbar den Vorzug gebe, stattzufinden habe. Auch wäre auf die Argumentation der Mutter anläßlich ihrer Vernehmung, die Ausübung des Besuchsrechts in ihrer Gegenwart klappe eigentlich ganz gut, eine Mediatorin würde die Situation nur aufheizen und auch die von ihrem Rechtsbeistand beantragte psychologische Begutachtung des Vaters sei jedenfalls dann nicht notwendig, wenn ihr kein Mediator aufgedrängt werde, einzugehen.
Im zweiten Rechtsgang bestellte die Erstrichterin neuerlich eine namentlich genannte Mediatorin und trug den Eltern auf, deren Ladungen Folge zu leisten. Dabei ging sie im wesentlichen davon aus, der Vater habe angegeben, es gebe erhebliche Probleme bei der Ausübung des Besuchsrechts in Anwesenheit der Mutter und es wäre daher besser, eine Drittperson als Mediatorin zu bestellen, die bei der Ausübung des Besuchsrechts anwesend sei. Der Vater sei auch bereit, die dadurch anfallenden Kosten zu übernehmen. Die Mediatorin solle zwischen beiden Elternteilen vermittelnd wirken, damit das Besuchsrecht in Zukunft einmal vom Vater allein ausgeübt werden könne und keine Begleitung mehr notwendig sei. Eine Ausübung des Besuchsrechts in Begleitung der Schwester der Mutter erscheine nicht vorteilhaft, weil die Schwester als Begleitperson nicht ständig zur Verfügung stehe. Überdies würde eine unbeteiligte Person bei der Klärung der Frage helfen, ob die Vorwürfe der Mutter berechtigt seien oder nicht. Im Interesse des Kindes sei daher eine Mediatorin zu bestellen.
Die zweite Instanz gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es stellte noch ergänzend fest, der Vater habe in zwei Schreiben mitgeteilt, bei Ausübung des Besuchsrechts nach wie vor mit seinem Sohn nicht sprechen zu dürfen, sodaß nach wie vor keine Kommunikation zwischen Vater und Sohn stattfinde. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht über einen entsprechenden Rekurseinwand zur Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs im wesentlichen die Ansicht, die Beschlußfassung des Erstgerichts sei dahin zu verstehen, daß mit der Bestellung der Mediatorin noch keine Änderung der bestehenden Besuchsrechtsregelung, sondern einerseits eine Maßnahme zum Aufbau des Vertrauens zwischen dem Minderjährigen und seinem Vater bzw der Vermittlung zwischen den Eltern und andererseits Aufklärung darüber erfolgen sollte, ob und welche weiteren Maßnahmen oder Erhebungen notwendig seien, um endgültig über den Antrag der Mutter auf Besuchsrechtseinschränkung entscheiden zu können.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Seit Sommer 1994 wird bei den Bezirksgerichten Floridsdorf und Salzburg das Modellprojekt „Mediation bei Scheidung oder Trennung“ durchgeführt. Ziel der Mediation - wörtlich „Vermittlung“ - ist es, zu erreichen, daß die Konfliktparteien mit Hilfe eines nicht beteiligten Dritten (Mediators) die Lösung ihres Konflikts, regelmäßig wohl ohne Schuldzuweisung, selbst entwickeln und, unter anderem, auch bereits geschiedene oder getrennte Paare - wie hier - darin zu unterstützen, tragfähige und für beide Seiten akzeptable Vereinbarungen über die in ihrem Fall anstehenden rechtlichen und ökonomischen Fragen zu treffen. Vor allem sollen „verantwortungsvolle“ Lösungen für die Zukunft der Kinder und für die Ausübung der jeweiligen Elternrollen erarbeitet werden. Für die Mediation kommen ua Fragen der Regelung oder Durchsetzung des Rechts (eines Elternteils) auf persönlichen Verkehr in Betracht. Das BMJ und das BMUJF kooperieren hiebei mit dem Österreichischen Verein Co-Mediation in Wien. Die zwischen diesen Bundes- ministerien und dem Verein getroffenen Vereinbarungen sehen vor, daß die im Modellversuch mitwirkenden Familienrichter in Fällen, in denen eine Mediation nach den bezeichneten Fallgruppen und den Kriterien des Einzelfalls sinnvoll scheint, den Parteien empfehlen, mit Hilfe der Mediation eine Lösung ihrer Angelegenheit zu suchen, statt die gerichtliche Entscheidung zu wählen.Für die Mediation im familienrechtlichen Verfahren besteht keine gesetzliche Grundlage, wenn auch das Gesetz die Mediation nicht ausdrücklich ausschließt. Dies bedeutet, daß die Mitwirkung der Richter am Modellprojekt des BMJ absolut freiwillig zu sein hat und selbstverständlich auch keine Verpflichtung der Parteien besteht, sich einer Mediation zu unterziehen (Erlaß des BMJ vom über die Fortführung und Ausweitung des Modellprojekts „Mediation bei Scheidung und Trennung“, JABl 1997, 1 f; vgl dazu auch Hagen, Zur Rolle des Richters in einem neuen Außerstreitverfahren, in RZ 1995, 214, [218]; Kovar, Ein anderer Weg bei Scheidung und Trennung - Reden statt Rosenkrieg, in RZ 1996, 130; Draxler, Konfliktlösung kreativ - Vom vertikalen zum lateralen Denken, in RZ 1996, 131 mwN). Auch das entsprechende Antragsformular (Anlage zu JMZ 4.440/1/215-I 1/96) sieht die Erklärung der Parteien vor, ihre Angelegenheit mit Hilfe der Mediation regeln zu wollen.
Im vorliegenden Fall fehlt die Zustimmung der Mutter, sich der Mediation zu unterziehen. Gegen den Willen einer der Parteien kann aber auch im Verfahren außer Streitsachen die Mediation nicht vorgeschaltet werden. Damit entbehrt der erstgerichtliche Beschluß einer gesetzliche Grundlage.
Ob die von der Mutter begehrte Beschränkung des Besuchsrechts wegen Gefährdung des Kindeswohls erforderlich ist und bejahendenfalls, ob als Begleitung bei Ausübung des Besuchsrechts eine Person aus dem Freundes-, Bekannten- oder Verwandtenkreis der Eltern des Kindes oder eine andere Person, namentlich ein Mediator in Betracht kommt, ist im weiteren Besuchsrechtsverfahren - auch unter verfahrensrechtlich einwandfreier Beiziehung der Mutter - zu prüfen und zu entscheiden.
Es mag sein, daß es zweckmäßig wäre, gerade auch im vorliegenden Fall eine Mediation der gerichtlichen Entscheidung vorzuschalten (die eine solche sogar - bei elterlicher Einigung - entbehrlich machen könnte), allein gegen den Willen eines der Elternteile darf bei der gegebenen Rechtslage die Einschaltung eines Mediators (einer Mediatorin) auf diese Weise (Vorschaltung zur Vermeidung der gerichtlichen Entscheidung) nicht angeordnet werden. Der zitierte Erlaß des BMJ könnte - abgesehen davon, daß auch er die Freiwilligkeit und das Fehlen jeder Verpflichtung der Parteien betont, - die gesetzliche Grundlage nicht ersetzen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind ersatzlos aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen einzugehen wäre. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren über den Antrag der Mutter auf Besuchsrechtseinschränkung zu entscheiden haben.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB00161.97A.0715.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAD-40772