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OGH vom 09.06.2009, 4Ob227/08y

OGH vom 09.06.2009, 4Ob227/08y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** V***** reg. Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde Wien, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 48.425,43 EUR sA, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 148.425,43 EUR) über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 28/08g-19, mit dem das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 20/07g-15, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Rekurs der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 526 Abs 2 ZPO).

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.262,11 EUR (darin 20 % USt 377,02 EUR) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.

2. Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten ihres Rekurses sowie der Rekursbeantwortung der beklagten Partei bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist ein Unternehmen nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz und aufgrund ihrer Betriebsgenehmigung zur Wahrnehmung von Urheberrechten und Vergütungsansprüchen der Filmschaffenden legitimiert. Sie brachte vor, in den von der Beklagten erhaltenen öffentlichen (Pflicht-)Schulen würden regelmäßig mit Werken der Filmkunst verbundene Werke der Tonkunst aufgeführt. Es handle sich um öffentliche Aufführungen, für die den Urhebern gemäß § 56c Abs 2 UrhG eine angemessene Vergütung in Höhe des Klageanspruchs für die Schuljahre 2002/2003 bis 2005/2006 zustehe. Eine pauschale Vergütung gebühre nach § 56c UrhG aber analog auch für vorbestehende, mit Filmwerken verbundene Sprachwerke, Werke der bildenden Kunst und choreografische Werke. Diese Ansprüche seien der Klägerin von den zuständigen Verwertungsgesellschaften, nämlich der L*****-M***** Ges.m.b.H. und der V***** Verwertungsgesellschaft *****, zum Inkasso abgetreten worden. Würde eine analoge Anwendung des § 56c UrhG auf vorbestehende Werke verneint, stünde deren Urhebern statt dessen ein Anspruch auf angemessenes Entgelt gemäß § 86 UrhG für unbefugte Nutzung zu. Die Beklagte sei als gesetzliche Schulerhalterin zur Zahlung der Vergütungen verpflichtet.

Für das Schuljahr 2003/2004 betrage die angemessene Vergütung 48.425,43 EUR (0,378 EUR pro Schüler und Jahr), berechnet in Anlehnung an die zwischen dem Bund als Schulerhalter und den Verwertungsgesellschaften abgeschlossene Vereinbarung. Über die Höhe des pro Schüler begehrten Vergütungsbetrags hätten auch die Streitteile bereits außergerichtlich Einigung erzielt, gescheitert seien die Verhandlungen aber dem Grunde nach und an der Frage von Vergütungen für die Vergangenheit. Für die Kalenderjahre 2005 und 2006 seien der Klägerin die genauen Schülerzahlen der Beklagten nicht bekannt, sodass im Wege einer Stufenklage Rechnungslegung bzw Auskunft über die jeweilige Schülerzahl derjenigen Schulen, deren Erhalter die Beklagte sei (ab dem Schuljahr 2003/2004), und Zahlung einer noch zu beziffernden angemessenen Vergütung begehrt werde.

Die Beklagte bestritt zunächst ihre Passivlegitimation. Sie habe keinen Einfluss auf die Auswahl der in ihren Schulen verwendeten Unterrichtsmaterialien und damit auf das Entstehen eines Vergütungsanspruchs nach § 56c UrhG, diese Auswahl träfen allein die als Organe im Rahmen der Hoheitsverwaltung des Bundes tätigen Lehrer. Einer Aufführung vor einer Schulklasse mangle es zudem am Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit. Für vorbestehende Werke der Literatur und der bildenden Künste könne überhaupt kein Vergütungsanspruch aus § 56c UrhG abgeleitet werden. Der Gesetzgeber sei offensichtlich davon ausgegangen, dass die Wiedergabe solcher Werke im Unterricht ohnehin durch die bestehenden freien Werknutzungen abgedeckt sei, nur für Tonwerke sei im Hinblick auf § 53 Abs 3 UrhG eine Sonderregelung erforderlich gewesen. Für eine analoge Anwendung des § 56c UrhG auf darin nicht geregelte Ansprüche bestehe keine Grundlage. Die beiden als Inkassozedenten bezeichneten Verwertungsgesellschaften seien nach ihren jeweiligen Betriebsgenehmigungen zur Wahrnehmung von Rechten, Beteiligungs- und Vergütungsansprüchen im Fall des Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauchs nicht berechtigt, sodass sie derartige Ansprüche auch nicht an die Klägerin abtreten hätten können. Die Höhe des begehrten Vergütungsbetrags werde als unangemessen bestritten.

Das Erstgericht erklärte mit Teil- und Zwischenurteil das Zahlungs- und Feststellungsbegehren der Klägerin (Punkte 1. und 3. des Urteilsbegehrens) dem Grunde nach für zu Recht bestehend und erkannte die Beklagte weiters schuldig, der Klägerin über die Gesamtschülerzahl der von ihr erhaltenen Schulen ab dem Schuljahr 2003/2004 Rechnung zu legen bzw Auskunft zu erteilen.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es bejahte die Passivlegitimation der Beklagten. Die Aufführung von Werken der Filmkunst zu Zwecken des Unterrichts sei unter den Begriff der Lehr- und Unterrichtsmittel zu subsumieren, für diese habe die Beklagte als gesetzliche Schulerhalterin aufzukommen. Eine Aufführung von Filmwerken zu Zwecken des Unterrichts sei nach der Intention des Gesetzgebers bei Schaffung des § 56c UrhG im Regelfall als öffentlich anzusehen.

Berechtigt sei aber der Einwand der Beklagten, dass durch § 56c UrhG nur ein Vergütungsanspruch für Urheber von Filmwerken und Filmmusik eröffnet werde. Eine planwidrige Lücke in § 56c UrhG zu Gunsten der Urheber vorbestehender Sprachwerke oder vorbestehender Werke der bildenden Kunst könne nicht überzeugend begründet werden. Die auf eine Inkassozession gestützten Ansprüche entbehrten daher einer Rechtsgrundlage. Die Abtretung eines allfälligen Vergütungsanspruchs nach § 86 UrhG sei nicht behauptet worden. Mangels Aufschlüsselung des Klagebegehrens könne derzeit aber die Höhe der auf die eigenen Ansprüche der Klägerin entfallenden Forderung nicht bestimmt werden. Es sei auch nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage das Begehren um Bekanntgabe der Schülerzahlen beruhe. Für das Schuljahr 2003/2004 seien der Klägerin die Schülerzahlen nach ihrem eigenem Vorbringen ohnehin bekannt.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen der Öffentlichkeit von Filmaufführungen in Schulen, der Verpflichtung des Schulerhalters zur Zahlung von Vergütungen nach § 56c UrhG und schließlich zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf mit Filmwerken verbundene vorbestehende Werke der Literatur und bildenden Künste fehle.

Die Klägerin bekämpft in ihrem Rekurs die im Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts enthaltene rechtliche Beurteilung zur (mangelnden) Analogiefähigkeit des § 56c UrhG, zur Rechtsgrundlage für den Manifestationsanspruch sowie rechtliche Feststellungsmängel hinsichtlich einer Inkassozession von Ansprüchen nach § 86 UrhG.

Die Beklagte wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zum Öffentlichkeitsbegriff des § 56c UrhG und seine Ausführungen zur Passivlegitimation der Stadt Wien als Schulerhalterin.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Rekurs der Beklagten ist - entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) - unzulässig, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung mehr betrifft. Der erkennende Senat hat, wenn auch nach der Beschlussfassung durch das Berufungsgericht, in seiner Entscheidung 4 Ob 131/08f zu den im Rekurs der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen bereits ausführlich Stellung genommen und dazu folgende Rechtssätze formuliert:

„Werden Werke der Filmkunst und die damit verbundenen Werke der Tonkunst für Zwecke des Unterrichts in dem dadurch gerechtfertigten Umfang in einzelnen Klassen von Pflichtschulen (Volks-, Haupt-, Sonder-, Berufs- und polytechnischen Schulen) aufgeführt, handelt es sich dabei um eine öffentliche Wiedergabe im Unterricht iSd § 56c Abs 1 und 2 UrhG. Solche Aufführungen lösen die Vergütungspflicht nach § 56c Abs 2 UrhG aus." „Es liegt auf der Hand, dass gesetzliche Vergütungen nach § 56c Abs 2 UrhG als mit der Verwendung von Unterrichtsmitteln verbundene Kosten unter den nach § 3 Abs 2 Wiener SchulG LGBl 1976/20 idgF von der Beklagten zu tragenden Aufwand fallen. Ob die Beklagte gegenüber dem Lehrpersonal der von ihr erhaltenen Schulen weisungsbefugt ist, spielt für die Frage der Ersatzpflicht des Aufwands für Unterrichtsmittel nach dem Gesetz keine Rolle" (RIS-Justiz RS0124185, RS0124188).

Mit dieser Beurteilung steht der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts in Einklang. Der Rekurs der beklagten Partei zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründen könnten, und war daher zurückzuweisen.

2. Hingegen ist der Rekurs der klagenden Partei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof mit der Frage einer Vergütungspflicht nach § 56c Abs 2 UrhG für vorbestehende Werke der Literatur und bildenden Kunst bisher nicht befasst war.

2.1. Gemäß § 56c UrhG idF der UrhGNov 2003 dürfen Schulen und Universitäten für Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre in dem dadurch gerechtfertigten Umfang Werke der Filmkunst und die damit verbundenen Werke der Tonkunst öffentlich aufführen. Dafür steht „dem Urheber" ein - ausschließlich von Verwertungsgesellschaften geltend zu machender - Anspruch auf angemessene Vergütung zu.

Die zur Herstellung eines Filmwerks benutzten und selbstständigen oder filmbestimmten vorbestehenden Werke der Literatur (zB Drehbuch, Romanvorlage, Choreografie) und der bildenden Kunst finden im Text des § 56c UrhG keine ausdrückliche Erwähnung. Es besteht auch keine andere gesetzliche Sonderregelung für die Vergütungsansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten an vorbestehenden Werken; von der Legalzession des § 38 Abs 1 UrhG werden sie nicht umfasst. Soweit keine anderslautenden Vereinbarungen geschlossen wurden, stehen diese Ansprüche dem Urheber des vorbestehenden Werks bzw dem Berechtigten der vorbestehenden geschützten Leistung alleine und unbeschadet der Filmurheberrechte zu (§ 38 Abs 1 UrhG;Wallentin in Kucsko, urheber.recht § 38 Pkt 4.8.4).

2.2. Für Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre in dem dadurch gerechtfertigten Umfang wurde in § 42 Abs 6 (vormals Abs 3) UrhG die Vervielfältigung und Verbreitung von Werkstücken, einschließlich Musiknoten, freigestellt. Hiefür ist eine pauschale Abgeltung in Form der Reprografievergütung zu leisten, zu deren Zahlung die Schulen und Universitäten in der besonderen Form der Betreibervergütung nach § 42b Abs 2 Z 2 UrhG verpflichtet sind (Schachter in Kucsko, urheber.recht § 42 Pkt 8).

Mit der Einführung des § 56c UrhG sollte dieses Recht mit einer entsprechenden Regelung für Filmwerke und Filmmusik ergänzt werden (ErläutRV 3 BlgNR 22. GP 25). In den Materialien heißt es dazu, für die öffentliche Wiedergabe von Werken der Literatur, der Tonkunst und der bildenden Künste zu Zwecken des Unterrichts und der Lehre im Allgemeinen seien die genannten bereits vorhandenen freien Werknutzungen (§§ 50, 53 Z 3, 54 Z 4 UrhG) ausreichend. Eine entsprechende Bestimmung fehle jedoch für Filmwerke, sie werde - in gleicher Weise beschränkt wie die Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch - im § 56c UrhG eingeführt und sei wie diese vergütungspflichtig. Da die im § 53 UrhG geregelten freien Werknutzungen an Werken der Tonkunst nach Abs 3 der angeführten Bestimmung nicht für die Aufführung eines Werks der Tonkunst in Verbindung mit einem Filmwerk oder einem anderen kinematographischen Erzeugnis gelten, sei die gegenständliche Bestimmung auch darauf auszudehnen gewesen. Die Beschränkung auf den durch die Zwecke des Unterrichts gerechtfertigten Umfang bedeute insbesondere, dass solche Aufführungen dem Lehrplan entsprechen müssen und nicht der bloßen Beschäftigung der Schüler dienen dürften.

2.3. Der öffentliche Vortrag eines erschienenen Sprachwerks (§ 2 Z 1 UrhG) ist gemäß § 50 Abs 1 UrhG zulässig, wenn die Zuhörer weder ein Eintrittsgeld noch sonst ein Entgelt entrichten und der Vortrag keinerlei Erwerbszwecken dient, oder wenn sein Ertrag ausschließlich für wohltätige Zwecke bestimmt ist. Diese freie Werknutzung der „Vortragsfreiheit" sieht keinen Entgeltanspruch für den Textdichter vor (Cizek in Kucsko, urheber.recht § 50 Z 2).

Veröffentlichte Werke der bildenden Künste sowie Lichtbilder dürfen nach § 54 Abs 1 Z 4 iVm § 74 Abs 7 UrhG bei einem die Hauptsache bildenden wissenschaftlichen oder belehrenden Vortrag bloß zur Erläuterung des Inhalts durch optische Einrichtungen öffentlich vorgeführt und die dazu notwendigen Vervielfältigungsstücke hergestellt werden. Ein Vortrag ist wissenschaftlich oder belehrend, wenn sich sein Gegenstand zur wissenschaftlichen Behandlung eignet und der Urheber des Vortrags durch die Art und Weise der Behandlung des Themas, sei es durch den Inhalt oder durch die Darstellung, die Absicht erkennen lässt, dass sein Vortrag wissenschaftlichen oder belehrenden Zwecken dienen soll (Ciresa in Ciresa/Büchele/Guggenbichler, UrhG § 54 Rz 58; Braunböck in Kucsko, urheber.recht § 54 Pkt 5).

2.4. Im Schrifttum wird die Prämisse, die zitierten bestehenden freien Nutzungen an Sprachwerken und Werken der bildenden Künste würden auch die Verwendung im Zusammenhang mit der Vorführung von Filmwerken zum Unterrichtsgebrauch decken, kontrovers diskutiert.

Das Berufungsgericht hat sich der Ansicht Ciresas (Zur Vergütungspflicht für die öffentliche Wiedergabe von Filmwerken im Unterricht, MR 2007, 429; Österr. Urheberrecht, 10. Lfg, § 56c Rz 4) angeschlossen, der mit den freien Werknutzungen der §§ 50, 53 Abs 1 Z 3 und 54 Abs 1 Z 4 UrhG „im Regelfall" die Nutzung vorbestehender Werke für den Unterrichtsgebrauch abgedeckt sieht. Da ihre Urheber gemäß § 38 Abs 1 UrhG von den Urhebern des Filmwerks unterschieden werden müssten, sei § 56c Abs 2 UrhG dem Wortlaut nach nicht auf sie anwendbar. Dies decke sich auch mit den Materialien zur UrhGNov 1996, denen eindeutig zu entnehmen sei, dass kein neuer Vergütungsanspruch für diese Werkkategorien eröffnet werden sollte. Im Bereich von Privatschulen und Privatuniversitäten sei ein gesonderter Vergütungsanspruch für die Nutzung vorbestehender Sprachwerke nicht ausgeschlossen, soweit mit diesen Einrichtungen zumindest mittelbar ein nach § 50 Abs 1 UrhG schädlicher Erwerbszweck verfolgt werde.

Auch Dillenz/Gutmann (Praxiskommentar zum Urheberrecht², § 56c Rz 2) betonen zwar, die in § 56c Abs 1 UrhG eingeräumte freie Werknutzung beziehe sich nicht auf vorbestehende Werke der Literatur und bildenden Kunst, gelangen hinsichtlich des Vergütungsanspruchs aber zum gegenteiligen Ergebnis. Der Rechtserwerb an vorbestehenden Werken, wie verfilmten Romanvorlagen oder Drehbüchern, sei für die Aufführung eines Films erforderlich, sodass diesbezüglich eine - durch Verträge mit Verwertungsgesellschaften zu schließende - Regelungslücke bestehe.

Im Wesentlichen zum gleichen Ergebnis gelangen Streit/Jung (MR 2008, 79 f). Gegen die Ansicht Ciresas (MR 2007, 429), der Gesetzgeber verstehe unter den Wiedergabeformen Vortrag, Vorführung und Aufführung inhaltlich dasselbe, spreche schon der Wortlaut der §§ 18 Abs 1 und 50 Abs 1 UrhG.

Unter „Vortrag" sei nach den ErläutRV bloß das Wahrnehmbarmachen für das Ohr, etwa in Form einer Lesung, zu verstehen, jedoch nicht eine sichtbare Darstellung von Sprachwerken. Diese Verwertungsform bezeichne das UrhG mit „Aufführung" (vgl Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht, ÖSGRUM 3, 73). Nach § 18 Abs 1 UrhG werde dem Urheber in Bezug auf Sprachwerke das ausschließliche Recht eingeräumt, diese öffentlich vorzutragen oder aufzuführen, wogegen von der freien Werknutzung nach § 50 Abs 1 UrhG klar nur das öffentliche Vortragsrecht erfasst sei. Das Vortragsrecht enthalte daher das für die Vorführung eines Filmwerks notwendige Aufführungsrecht nicht. Hinsichtlich der Werke der bildenden Kunst beschränke sich die freie Werknutzung nach § 54 Abs 1 Z 4 UrhG auf die öffentliche Vorführung in wissenschaftlichen oder belehrenden Vorträgen, worunter aber Live-Vorträge zu verstehen seien. Sie setze außerdem voraus, dass die vorgeführten Bildwerke nur der Erläuterung des Vortrags dienen. Beides treffe auf eine (Spiel-)Filmvorführung nicht zu.

Mit ausführlicher Begründung kommt auch Walter (ZfRV 2008/17, 119 f) zum gleichen Ergebnis. Die allgemeine freie Nutzung für Gratis- und Wohltätigkeitsveranstaltungen könne auf Drehbücher und verfilmte Romanvorlagen nicht angewendet werden. Für andere Werke der Literatur als Sprachwerke iSd § 2 Z 1 UrhG, insbesondere choreografische und pantomimische Werke, bestehe schließlich überhaupt keine dem § 50 UrhG entsprechende freie Werknutzung. Die Beschränkung der freien Werknutzung sowie der damit verbundenen Vergütungspflicht nach § 56c UrhG auf Filmwerke und Filmmusik würde zu Wertungswidersprüchen führen, weil vorbestehenden literarischen Werken und Werken der bildenden Kunst dann entweder ein Ausschlussrecht zukäme, oder deren Nutzung überhaupt nicht vergütungspflichtig wäre. Beides würde dem Gleichheitsgebot zuwiderlaufen. In verfassungskonformer Auslegung sei § 56c Abs 2 UrhG auch auf die darin nicht genannten Werkkategorien analog anzuwenden (Walter Urheberrecht, Handbuch I Rz 1401).

3. Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

3.1. Das Recht auf freie Werknutzung und die Frage ihrer Vergütung sind zu trennen. Dem berechtigten öffentlichen Interesse, insbesondere für Unterrichtszwecke ungehinderten Zugang zu Kulturgütern aller Art zu haben, wird bereits mit der Einräumung des zustimmungsfreien Werknutzungsrechts Rechnung getragen. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres die Pflicht des Urhebers, seine geistige Leistung der Allgemeinheit unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (Loewenheim, Perspektiven des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts [FS Schricker] 421). Urheberrechte im subjektiven Sinn (inklusive der Verwertungsrechte) fallen - als „geistiges Eigentum" - unter den weiten Eigentumsbegriff des Art 1 des 1. ZP der MRK (Dittrich/Öhlinger, Verfassungsrechtlicher Schutz von geistigem Eigentum und Informationsfreiheit 46 ff, mwN). Die Einräumung freier Werknutzung kann daher mit einer Vergütungspflicht verbunden sein. Der Gesetzgeber hat diese Vorgangsweise unter anderem in mehreren Fällen gewählt, in denen die Nutzung von Werken unter anderem für Unterrichtszwecke erlaubt wurde (§§ 45 Abs 3, § 51 Abs 2, § 54 Abs 2). Vor der Einführung des § 56c UrhG war die Verwendung von zur Herstellung von Filmwerken benutzten Sprach- und bildnerischen Werken für Unterrichtszwecke ungeachtet der §§ 50 Abs 1, 54 Abs 1 Z 4 UrhG nicht frei (vgl Dillenz/Gutmann, Streit/Jung und Walter aaO oben Punkt 2.4.). Die Ansicht, der Gesetzgeber habe offenbar mit der Einführung des § 56c UrhG keinen neuen Vergütungsanspruch für Urheber literarischer oder bildnerischer Kunstwerke schaffen wollen (vgl Ciresa MR 2007, 429), greift daher zu kurz. Bei Eingriffen in diese Rechte bestanden jedenfalls vor Einführung dieser Regelung Untersagungsansprüche der Urheber und - bei Nutzung ohne Zustimmung - Ansprüche auf angemessenes Entgelt und Schadenersatz nach den §§ 86 und 87 UrhG. Ist § 56c Abs 1 UrhG dahin auszulegen, dass er auch das Recht zur Nutzung vorbestehender Werke erfasst, so kann eine dafür gleichzeitig normierte angemessene Vergütung nicht als „neuer" Vergütungsanspruch für bereits vorbestehende Nutzungsrechte angesehen werden. Hätte der Gesetzgeber die Absicht verfolgt, in bisher bestehende ausschließliche Rechte der Urheber von bei der Filmherstellung benutzten Werken (§ 38 Abs 1 UrhG) entschädigungslos einzugreifen, wäre daher eine Klarstellung in den Materialien zu erwarten gewesen.

Gegen eine solche Absicht spricht vor allem auch die Bezugnahme auf das ebenfalls mit der UrhGNov 1996 eingeführte Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht nach § 42 Abs 3 (nunmehr: Abs 6) UrhG. Auch für diese neue freie Werknutzung wurde aber eine bisher nicht dagewesene Vergütung geschaffen.

3.2. Entscheidend ist somit die Frage, ob die Erlaubnis des § 56c Abs 1 UrhG auch vorbestehende Werke erfasst. Dem Gesetzgeber war insofern (arg: „im allgemeinen") bewusst, dass die freien Werknutzungen nach §§ 50, 53 Z 3, 54 Z 4 zumindest nicht in jedem Fall zur öffentlichen Wiedergabe vorbestehender Werke ausreichen, zumal die in § 2 Z 2 und 3 genannten, geradezu typischerweise auch bei der Herstellung von Filmwerken benutzten Werke der Literatur (Choreografie, Gebärden/Pantomime) davon überhaupt nicht erfasst werden. In Bezug auf Drehbücher und Romanvorlagen unterlag er zwar möglicherweise einer Fehlvorstellung, da er insofern anscheinend § 50 UrhG für anwendbar hielt. Wie bereits oben (Punkt 3.1.) dargestellt, trifft das aber nicht zu. Bei der von Ciresa (aaO) vorgeschlagenen engen Auslegung von § 56c Abs 1 UrhG stünden daher den Inhabern von Werknutzungsrechten an vorbestehenden Werken weiterhin Untersagungsrechte zu, die Ansprüche nach den §§ 86 und 87 UrhG begründeten.

3.3. Unzweifelhaft sollten aber mit § 56c UrhG die Nutzung von Filmwerken für Unterrichtszwecke und die damit verbundenen Vergütungen einer praxisgerechten, abschließenden Regelung zugeführt werden. Die vom Berufungsgericht gebilligte Auslegung Ciresas, die zweifellos mit dem Wortlaut von § 56c Abs 1 UrhG vereinbar ist, hätte die Konsequenz, dass eine Filmvorführung zu Unterrichtszwecken in einer unkontrollierbaren Zahl von Fällen erst recht wieder von der Einholung gesonderter Nutzungsbewilligungen abhängig bzw ohne diese unzulässig wäre, womit der Gesetzeszweck klar verfehlt würde (vgl auch Walter, Österr. Urheberrecht, Handbuch I , Rz 1401).

Damit ist § 56c Abs 1 UrhG gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig. Es liegt daher eine planwidrige Lücke vor (RIS-Justiz RS0098756), die mit Gesetzesanalogie (RIS-Justiz RS0008845) - dh mit Anwendung von § 56c Abs 1 UrhG auf alle vorbestehenden Werke iSv § 38 UrhG - zu schließen ist. Bei einer Gesetzesauslegung darf dem Gesetzgeber nicht ein zweckloser und funktionsloser oder in der Praxis kaum vollziehbarer Regelungswille unterstellt werden (RIS-Justiz RS0111143).

Der Umfang des Werknutzungsrechts an Filmwerken und Filmmusik zum Unterrichtsgebrauch nach § 56c Abs 1 UrhG umfasst darum, wenn er einen sinnvollen Anwendungsbereich haben soll, denknotwendig auch das zustimmungsfreie Recht an der untrennbar damit verbundenen Nutzung vorbestehender literarischer und bildnerischer Werke. Die Frage, ob (bzw welche) Vergütung dafür gebührt, ist gesondert zu prüfen.

3.4. Der in § 56c Abs 2 UrhG normierte pauschale Vergütungsanspruch für die Inanspruchnahme der Nutzung nach Abs 1 leg cit steht „dem Urheber" zu. In der Literatur wird diese Formulierung - ungeachtet des im Gesetz verwendeten Singulars - einhellig auf die in § 56c Abs 1 genannten Urheber des Films iSd § 38 Abs 1 UrhG und die Urheber der Filmmusik bezogen. Diese Auslegung erscheint aber nicht zwingend. Der Gesetzestext ermöglicht eine sowohl verfassungskonforme - weil die geistigen Eigentumsrechte der Urheber aller vorbestehenden Werke gleich respektierenden - als auch der Praxis und dem Gesetzeszweck gerecht werdende Interpretation dahin, dass unter „dem Urheber" in § 56c Abs 2 UrhG alle in § 38 Abs 1 UrhG genannten, am Filmwerk beteiligten Miturheber (vgl Karl, Filmurheberrecht 179 f) zu verstehen sind, die - wie soeben ausgeführt - die Nutzung ihrer Werke nach § 56c Abs 1 UrhG dulden müssen.

4. Dem Grunde nach steht der pauschale Vergütungsanspruch nach § 56c Abs 2 UrhG daher nicht nur den von der Klägerin vertretenen Urhebern, sondern auch den Urhebern vorbestehender Werke der Literatur und der bildenden Kunst zu.

Eine Wiederherstellung des ersten Punkts des erstinstanzlichen Urteils ist derzeit aber nicht möglich.

4.1. Das Erstgericht hat zu den von der Klägerin vorgebrachten, von der beklagten Partei bestrittenen Inkassozessionen keine Feststellungen getroffen. Diese werden im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein, sodass es schon aus diesem Grund im Ergebnis, wenn auch nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts, bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils zu bleiben hat.

4.2. Der Einwand der beklagten Partei, die Betriebsgenehmigungen der Inkassozedentinnen würden diese nicht zur Verfolgung von Ansprüchen nach § 56c UrhG berechtigen, ist mittlerweile obsolet. Die geltenden Betriebsgenehmigungen der L*****-M***** Gesellschaft mbH (konsolidierte Fassung der Bescheide der KommAustria, KOA 9.102/08-017 vom , des Urheberrechtssenats, UrhRS 7/08-5 vom , und der KommAustria, KOA 9.101/09-002 vom ) und der V***** V***** (konsolidierte Fassung der Bescheide der KommAustria, KOA 9.102/08-020 vom , und des Urheberrechtssenats, UrhRS 6/08-5 vom ) umfassen unter anderem die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen für die öffentliche Wiedergabe im Schul-, Hochschul- oder Universitätsunterrichtsgebrauch gemäß § 56c UrhG (Pkt 1 lit j bzw Pkt 1 lit l).

4.3. Für die Feststellung der Sätze, nach denen die Höhe des gesetzlichen Vergütungsanspruchs einer Verwertungsgesellschaft zu berechnen ist, besteht nach § 30 Abs 2 Z 6 VerwGesG 2006 eine ausschließliche Zuständigkeit des Urheberrechtssenats beim Bundesministerium für Justiz. Diese Rechtssachen sind nach § 30 Abs 3 VerwGesG 2006 den ordentlichen Gerichten entzogen.

4.4. Die Klägerin hat sich - zumindest erkennbar - hinsichtlich der Berechnungsmodalitäten und der Höhe der für das Kalenderjahr 2004 begehrten Vergütung (auch) auf einen mit der beklagten Partei bereits erzielten Vergleich berufen (zum Ausschluss der Zuständigkeit des Urheberrechtssenats in diesem Fall: VfGH B 1148/08 ua). Das Erstgericht hat dazu nur festgestellt, dass die Parteien ein konkretes Verhandlungsergebnis erzielt haben. Die Beurteilung, ob eine rechtsverbindliche Einigung - auch unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Willensbildung im Bereich der Beklagten - vorliegt, bedürfte jedoch konkreter Feststellungen, von welchen Vertretern der Beklagten welche Teile der Vereinbarung bereits unabhängig vom Zustandekommen des Gesamtvertrags genehmigt wurden.

4.5. Sollte das fortgesetzte Verfahren ergeben, dass zwischen den Parteien keine vertragliche Grundlage für die Berechnung und Höhe der Vergütung besteht, wäre gemäß § 182a ZPO eine Antragstellung auf Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 34 VerwGesG 2006 zu erörtern.

4.6. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist den ordentlichen Gerichten grundsätzlich nur die Feststellung der Vergütungssätze im engeren Sinn, also eine darüber hauptfrageweise ergehende Entscheidung verwehrt. Ist jedoch kein Verfahren vor dem Urheberrechtssenat anhängig und stellen die Parteien keinen Unterbrechungsantrag nach § 34 VerwGesG (bzw leiten sie das Verfahren nicht binnen Monatsfrist ein), hat das Gericht die Angemessenheit einer begehrten Vergütung als Vorfrage für einen Zahlungsanspruch selbst zu beurteilen (vgl RIS-Justiz RS0109294).

5. Diese Erwägungen gelten sinngemäß auch für den Rechnungslegungsanspruch. Die Klägerin stützt ihr Begehren auf § 87a Abs 1 UrhG, wonach der nach diesem Gesetz zur Leistung einer angemessenen Vergütung Verpflichtete dem Anspruchsberechtigten Rechnung zu legen sowie über alle weiteren zur Rechtsverfolgung erforderlichen Umstände Auskunft zu erteilen hat. Welche Umstände für die Verfolgung des gegenständlichen Vergütungsanspruchs erforderlich sind, hängt aber wiederum davon ab, nach welchen Sätzen die im § 56c UrhG nicht näher bestimmte angemessene Vergütung zu berechnen ist.

Im Ergebnis war daher dem Rekurs der Klägerin keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 52 Abs 1 ZPO. Die Klägerin konnte zwar nicht die beantragte Abänderung des angefochtenen Aufhebungsbeschlusses erreichen, materiell hat sie aber einen Rechtsmittelerfolg erzielt, weshalb die Kosten des Verfahrens über ihren Rekurs vorzubehalten waren (vgl Klauser/Kodek, ZPO16 § 52 ZPO E 23).