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OGH vom 30.08.2016, 4Ob135/16f

OGH vom 30.08.2016, 4Ob135/16f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Mag. Jürgen Nagel und Ing. Dr. Michael Bitriol, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Mag. Andrea Rinderer, Rechtsanwältin in Bürs, wegen 2.340 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 499,80 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 91/16z 16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom , GZ 23 C 331/15b 12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die außerordentliche Revision wird, soweit eine Abänderung der berufungsgerichtlichen Kostenentscheidung begehrt wird, zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Auf der Grundlage eines von ihm erwirkten Urteils bot der klagende Verein für Konsumenteninformation von Februar 2014 bis Jänner 2015 Kunden einer bestimmten Bank unentgeltlich an, die mit dieser abgeschlossenen Kredit- und Versicherungsverträge zu überprüfen und sich allenfalls ergebende Vorteile rechtlich geltend zu machen. Der Kläger publizierte hiezu auch eigens entsprechende Hinweise/Fragebögen, auch in türkischer Sprache. Die betroffene Bank war bemüht, die Abwicklung dieser „Schadensfälle“ reibungslos und möglichst effizient durchzuführen, was zumindest im Zusammenwirken mit dem Kläger auch funktionierte.

Der beklagte Vermögensberater trat im Herbst 2014 mit einem türkischsprachigen Kunden der Bank, einem Landsmann, in Kontakt, der einen Kreditvertrag und eine Restschuldversicherung abgeschlossen hatte, auf die die vom Kläger erzielte Gerichtsentscheidung Auswirkung haben könnte. Der Beklagte stellte in Aussicht, allenfalls eine Zahlungsreduktion oder eine Gutschrift erreichen zu können. Er erklärte dem Bankkunden, dass seine Dienstleistungen grundsätzlich kostenlos seien, aber in Bezug auf die Verträge bei der Bank ihm im Erfolgsfall 10 % der erzielten Einsparung/Gutschrift als Erfolgsprovision zu bezahlen wären.

Nach Übermittlung von den Kreditvertrag betreffenden Unterlagen und einem persönlichen Gespräch des Beklagten mit dem Bankkunden über die weitere Vorgangsweise war dieser mit dem Einschreiten des Beklagten gegenüber der Bank und der Provisionsvereinbarung einverstanden und unterfertigte dem Beklagten eine entsprechende Vollmacht samt Entbindung der Bank vom Bankgeheimnis. Die Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und dem Bankkunden wurden nicht schriftlich festgehalten, dieser erhielt auch keine Belehrung über irgendein ihm allenfalls zukommendes Rücktrittsrecht.

Der Bankkunde handelte gegenüber dem Beklagten als Privatperson, während der Beklagte nur im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit diesen Kontakt aufnahm.

Der Beklagte setzte daraufhin die entsprechenden Schritte gegenüber der Bank (auch in Bezug auf die aufzukündigenden Versicherungen), welche zu Gutschriften der Bank sowie einer für den Bankkunden zu erwartenden Zinsersparnis bis zum vereinbarten Ablauf des Kredits von insgesamt 16.941,76 EUR führten. Nach Vorliegen der entsprechenden Bestätigung der Bank begab sich der Beklagte zum Bankkunden und forderte seine 10%ige Provision in von ihm errechneter Höhe von 2.327 EUR ein. Diese bezahlte der Bankkunde.

Erst in weiterer Folge bemerkte der Bankkunde, dass die tatsächlich vom Beklagten erbrachten Leistungen für ihn vom Kläger unentgeltlich erbracht worden wären. Irgendeinen Hinweis vom Beklagten hatte er auf diesen Umstand nicht erhalten.

Der zeitliche Aufwand des Beklagten für den Bankkunden betrug etwa 7,5 Stunden, davon waren aber zwei Stunden ausschließlich Fahrtzeit. Ein Drittel des Zeitaufwands entfiel überdies auf sonstige Tätigkeiten als Vermögensberater, die mit den Bankproblemen nicht in Zusammenhang standen. Der durchschnittliche Stundensatz des Beklagten beträgt etwa 150 EUR (netto).

Der Bankkunde trat die ihm allenfalls gegenüber dem Beklagten zustehenden Ansprüche an den Kläger ab, der diese Abtretung annahm.

Der Kläger begehrte die Rückzahlung des geleisteten Provisionsbetrags nach Rücktritt vom Vertrag, der mangels Anbahnung des Geschäfts durch den Bankkunden und infolge fehlender Belehrung über das Rücktrittsrecht noch möglich sei. Da der Beklagte die Vollmacht lautend auf den Kläger an die Bank übermittelt habe, sei das zu vermittelnde Geschäft nicht durch die vertragsgemäße verdienstliche Tätigkeit des Maklers mit einem Dritten zustande gekommen, sondern der Beklagte habe ein Geschäft zwischen der Bank und dem Kläger an den Kunden vermittelt. Die bloße Namhaftmachung im Sinn des § 6 Abs 2 MaklerG sei mangels abweichenden Gebrauchs nicht zu honorieren.

Der Beklagte wendete ein, für den Bankkunden die Kündigung der Ablebensversicherung und die Korrektur der maßgeblichen Kreditverträge beantragt zu haben. Unabhängig von der getroffenen Honorarvereinbarung habe der Beklagte Beratungsleistungen erbracht, für die ein branchenüblicher Durchschnittslohn von 150 EUR im Ausmaß von neun Stunden gebühre. Ihm stünde selbst bei Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung zumindest ein Entgelt von 1.350 EUR zu, in diesem Ausmaß sei der Bankkunde als bereichert anzusehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Bankkunde sei im Sinn des § 3 KSchG wirksam vom Vertrag mit dem Beklagten zurückgetreten. Die vom Beklagten für den Bankkunden erbrachten Leistungen seien nicht als werthaltig anzusehen, zumal diese vom Kläger auch vollkommen unentgeltlich angeboten worden seien. Ein Anspruch des Beklagten gegenüber dem Bankkunden im Sinn des § 4 KSchG bestehe daher nicht.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil über Berufung des Beklagten teilweise dahin ab, dass es die Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten um 499,80 EUR reduzierte. Da der Beklagte den Vertragsrücktritt des Bankkunden gemäß § 3 KSchG akzeptiert habe, sei nur mehr die den Verbraucher gemäß § 4 Abs 2 KSchG treffende Pflicht, den Wert der empfangenen Leistung zu ersetzen, Gegenstand des Berufungsverfahrens. Ob eine Leistung werthaltig und zum klaren und überwiegenden Vorteil des Verbrauchers sei, sei rechtliche Beurteilung und daher auch bei dem hier vorliegenden Streitwert überprüfbar. Der Beklagte sei nicht als Makler aufgetreten und sei auch als gewerblicher Finanzdienstleiter mangels Maklertätigkeit nicht einem solchen gleichzustellen. Der Beklagte habe lediglich als bevollmächtigter Berater und als Stellvertreter des Bankkunden gegenüber der Bank die zur Korrektur des Kreditvertrags sowie zur Aufkündigung der Kreditversicherungen notwendigen Schritte gesetzt. Der Berater und Bevollmächtigungsvertrag sei durch den wirksamen Rücktritt im Sinn des § 3 KSchG rückwirkend beseitigt worden. Da die Rückstellung der vom Beklagten bereits erbrachten Leistungen unmöglich oder untunlich gewesen sei, habe der Bankkunde dem Beklagten deren Wert zu vergüten, soweit sie ihm zum klaren und überwiegenden Vorteil gereicht haben. Die vom Beklagten erbrachte Leistung habe darin bestanden, die entsprechenden Schritte gegenüber der Bank auch in Bezug auf die aufzukündigenden Kreditversicherungen gesetzt zu haben. Diese Unternehmerleistung des Beklagten sei insoweit zum klaren und überwiegenden Vorteil des Bankkunden gewesen, als die Neuberechnung der Kreditverträge von der Antragstellung und der Beendigung des Kreditversicherungsverhältnisses von der Aufkündigung abhängig gewesen seien und der Bankkunde ohne Intervention des Beklagten von der Möglichkeit dieser Antragstellung/Kündigung nichts gewusst hätte. Der Beklagte habe zwar als Bevollmächtigter die Interessen des Bankkunden im Rahmen des von ihm übernommenen Auftrags zu berücksichtigen gehabt, er sei aber als gewerblicher Vermögensberater nicht verpflichtet gewesen, den Kunden darüber zu belehren, dass er die von ihm zu erbringende Unternehmerleistung von einem anderen, etwa dem Kläger unentgeltlich erlangen hätte können. Aus der unterlassenen Belehrung über die Möglichkeit der kostenlosen Überprüfung der Zinsen und kostenlosen Beendigung der Kreditversicherungsverhältnisse durch Kontaktaufnahme mit dem Kläger könne der Bankkunde daher keine Schadenersatzansprüche ableiten. Es sei der tatsächlich entstandene (notwendige) Aufwand zu ersetzen, wozu auch eine angemessene Abgeltung der eingesetzten Arbeitskraft gehöre. Der tatsächlich entstandene zeitliche Aufwand (Fahrzeit), der im Zusammenhang mit den Bankangelegenheiten stehe, betrage 1,33 Stunden, wofür – mangels Fachleistungen – 50 EUR netto pro Stunde, insgesamt daher 66,50 EUR netto zustünden. Für die etwa 3,5 Stunden an fachlicher Tätigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit der Bankangelegenheit stünden 350 EUR netto zu (angemessene Abgeltung der eingesetzten Arbeitskraft unter Anwendung des § 273 ZPO ausgehend von einem Beraterhonorar von 150 EUR). Daraus ergebe sich ein Bruttoanspruch von 499,80 EUR.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, mit der er die gänzliche Klagestattgebung, hilfsweise die Abänderung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung anstrebt, ist in Ansehung des Kostenbegehrens jedenfalls und im Übrigen mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Auch wenn das Berufungsgericht nur über einen Entscheidungsgegenstand von 1.350 EUR entschieden hat, sind vorliegend die Rechtsmittelbeschränkungen des § 502 Abs 2 und 3 ZPO nicht anzuwenden, weil der Kläger als ein in § 29 KSchG genannter Verband einen ihm zur Geltendmachung abgetretenen Verbraucheranspruch eingeklagt hat. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht ist die Revision in der Hauptsache daher nicht absolut unzulässig.

Der Kläger vermag aber (in der Hauptsache) keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist ausschließlich der (bereicherungsrechtliche) Rück-abwicklungsanspruch des Unternehmers nach Vertragsrücktritt gemäß § 4 Abs 2 KSchG. Ist die Rückstellung der vom Unternehmer bereits erbrachten Leistungen unmöglich oder untunlich, so hat der Verbraucher dem Unternehmer deren Wert zu vergüten, soweit sie ihm zum klaren und überwiegenden Vorteil gereichen (§ 4 Abs 2 KSchG;3 Ob 669/82). Zweck der Beschränkung des Wertersatzanspruchs ist nach herrschender Auffassung, den Anreiz des Unternehmers zu dämpfen, durch möglichst rasche Leistung den Vertragsrücktritt des Verbrauchers zu entwerten (8 Ob 121/14y mwN). Die gesetzliche Formulierung („zum klaren und überwiegenden Vorteil“) verweist auf den Aufwandersatzanspruch des Geschäftsführers ohne Auftrag nach § 1037 ABGB, der ebenfalls bereicherungsrechtlichen Charakter hat (vgl 3 Ob 228/13w mwN).

Nach der Rechtsprechung zu § 1037 ABGB ist bei der Beurteilung, ob der Aufwand des Geschäftsführers ohne Auftrag dem Geschäftsherrn zum klaren, überwiegenden Vorteil gereicht, ein strenger Maßstab anzulegen (vgl RIS Justiz RS0019869) und von einer an der Verkehrsauffassung orientierten objektiven Bewertung auszugehen, die auf alle Interessen des Geschäftsherrn Bedacht nimmt (RIS Justiz RS0019950). Die Beurteilung der Notwendigkeit und die Nützlichkeit des Aufwands ist nach den Verhältnissen zu beurteilen, wie sie sich zur Zeit der Vornahme des Geschäfts darstellten (RIS Justiz RS0017942). Der Beweis des „klaren und überwiegenden Vorteils“ obliegt dem Geschäftsführer (RIS Justiz RS0019831). Zu ersetzen ist nur der tatsächlich entstandene Aufwand des Geschäftsführers, wozu auch eine angemessene Abgeltung der eingesetzten Arbeitskraft gehört. Gegebenenfalls ist § 273 ZPO anzuwenden (vgl RIS Justiz RS0105637 [T1]).

Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt. Deren Anwendung auf den konkreten Einzelfall wirft grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, sofern – wie hier – der insbesondere durch § 273 ZPO eingeräumte Ermessensspielraum des Berufungsgerichts nicht überschritten wurde (vgl RIS Justiz RS0040301; RS0121220 [T1]).

Ob die vom Beklagten für den Bankkunden erbrachten Leistungen für diesen „effektiv werthaltig“ waren, hat das Berufungsgericht zutreffend als zur rechtlichen Beurteilung gehörende Wertung aufgefasst. Diese – vom Erstgericht als Negativfeststellung formulierte – Wertung ist überdies im Zusammenhang mit der Feststellung zu beurteilen, wonach der Bankkunde nichts über die kostenlose Tätigkeit des Klägers wusste. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts verschaffte der Beklagte dem Bankkunden daher einen klaren und überwiegenden Vorteil. Ohne entsprechende durch den Beklagten veranlasste Antragstellung hätte der Bankkunde weder Zinsgutschriften noch Ersparnisse durch Aufkündigung der Kreditversicherung erzielt. Die ziffernmäßige Bestimmung der dem tatsächlichen Aufwand des Beklagten für den Bankkunden entsprechenden Abgeltung überschreitet den Rahmen für die Ermessensübung des Berufungsgerichts nicht und ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht aufzugreifen.

Die Revision des Klägers ist daher – soweit sie die Hauptsache betrifft – mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Da sich der Ausschluss eines Rekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird, erstreckt (RIS Justiz RS0044233), ist die Revision, soweit sie (hilfsweise) eine Abänderung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung anstrebt, jedenfalls unzulässig.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00135.16F.0830.000