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OGH vom 19.12.2019, 4Ob226/19t

OGH vom 19.12.2019, 4Ob226/19t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei G***** S*****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 43.200 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 152/19d-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 26 Cg 83/19p-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass er lautet:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung urheberrechtsverletzender Handlungen, worauf die Klage gerichtet ist, wird der beklagten Partei ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils verboten, die in Beilage ./K, die einen integrierenden Bestandteil der einstweiligen Verfügung bildet, abgebildeten Lichtbilder mit den Untertiteln 'New Machine for boiler end processing' und 'New System with machine Technology' der Öffentlichkeit im Internet in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.“

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagte Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist im Maschinenbau und im Maschinenhandel tätig. Der Beklagte fungierte bis als Vertreter der Klägerin, aktuell ist er Vertriebsleiter eines Konkurrenzunternehmens.

Während des aufrechten Vertragsverhältnisses zur Klägerin veröffentlichte der Beklagte im Internet auf seinem „LinkedIn-Account“ (Teil eines webbasierten sozialen Netzwerks zur Pflege und zum Knüpfen geschäftlicher Verbindungen) zwei Lichtbilder, die eine Schweißnahtfräsmaschine der Klägerin (einmal samt der Anlage) zeigen. Diese Lichtbilder wurden vom Geschäftsführer der Klägerin im Auftrag und im Namen der Klägerin zu Dokumentations- und Werbezwecken angefertigt. Die Veröffentlichung dieser Lichtbilder durch den Beklagten erfolgte ursprünglich mit Zustimmung der Klägerin; ihr Geschäftsführer reagierte darauf mit einem „Like“. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Geschäftsführer der Klägerin den „Like“ nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Beklagten entfernt hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die in Rede stehenden Lichtbilder nach Einbringung der Klage von seinem LinkedIn-Account gelöscht hat.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen, auf Urheberrecht gestützten Unterlassungsbegehrens beantragte die , dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, die in Beilage ./C (und Beilage ./K) abgebildeten Lichtbilder zu verbreiten oder zu veröffentlichen. Die Lichtbilder seien vom Geschäftsführer der Klägerin für diese und in deren Auftrag hergestellt worden. Ihr stehe daher das ausschließliche Recht gemäß § 74 Abs 1 UrhG zu. Dem Beklagten seien keine Verwertungsrechte übertragen worden.

Der entgegnete, dass es der Klägerin an der Aktivlegitimation fehle. Bei den Lichtbildern handle es sich um Lichtbildwerke im Sinn des § 3 Abs 2 UrhG, weshalb § 74 UrhG nicht zur Anwendung gelange. Davon abgesehen habe der Beklagte die Lichtbilder während des aufrechten Vertragsverhältnisses zur Klägerin zum Zweck der Veröffentlichung erhalten. Dies ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Veröffentlichung „geliked“ habe; der „Like“ habe nach Beendigung des Vertragsverhältnisses fortbestanden.

Das t erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Lichtbilder seien als Lichtbildwerke zu qualifizieren. Da in einem solchen Fall bei gewerbsmäßig hergestellten Lichtbildern das Urheberrecht des Herstellers und das Leistungsschutzrecht des Unternehmers nebeneinander bestünden, komme das Ausschließungsrecht nach § 74 UrhG der Klägerin zu. Die Zustimmung der Klägerin zur Lichtbildveröffentlichung habe nur bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Beklagten bestanden. Aus der Nichtzurücknahme des „Likes“ durch den Geschäftsführer der Klägerin könne nicht auf eine fortdauernde Einwilligung geschlossen werden.

Das gab dem Rekurs des Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Die in Rede stehenden Lichtbilder seien als Lichtbildwerke zu qualifizieren. Richtig sei zwar, dass sich der Urheber eines Lichtbildwerks auch auf die Leistungsschutzrechte nach § 74 UrhG berufen könne. Dies gelte aber nicht, wenn Urheber und Leistungsschutzberechtigter auseinanderfielen. Neben dem Urheberrecht des Fotografen könne es daher kein Leistungsschutzrecht des Unternehmers geben. Da der Klägerin kein Leistungsschutzrecht zustehe, fehle es dieser an der Aktivlegitimation. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Konkurrenz zwischen dem Leistungsschutzrecht des gewerbsmäßigen Lichtbildherstellers und dem Urheberrecht des das Lichtbild aufnehmenden Angestellten noch nicht auseinandergesetzt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der der Klägerin, der auf die Erlassung der einstweiligen Verfügung abzielt.

Mit seiner beantragt der Beklagte, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf; dementsprechend ist der Revisionsrekurs auch berechtigt.

1. Im Revisionsrekurs vertritt die Klägerin die Ansicht, dass bei gewerbsmäßig hergestellten Lichtbildern dem Unternehmer nicht nur das Leistungsschutzrecht, sondern auch das Urheberrecht zustehen müsse. Außerdem lasse sich ihrem Vorbringen deutlich entnehmen, dass sie von ihrem Geschäftsführer das Werknutzungsrecht an den Lichtbildern eingeräumt erhalten habe, was auch festgestellt worden sei. Schließlich seien die Lichtbilder nicht als Lichtbildwerke zu qualifizieren.

2.1 Die Vorinstanzen haben die fraglichen Lichtbilder zutreffend als Lichtbildwerke qualifiziert.

Zu den Werken der bildenden Künste gehören nach § 3 Abs 1 UrhG auch die Werke der Lichtbildkunst (Lichtbildwerke). Lichtbilder sind nach der Rechtsprechung dann als Lichtbildwerke zu beurteilen, wenn die eingesetzten Gestaltungsmittel eine Unterscheidbarkeit bewirken. Dieses Kriterium der Unterscheidbarkeit ist immer schon dann erfüllt, wenn gesagt werden kann, ein anderer Fotograf hätte das Lichtbild möglicherweise anders gestaltet (RS0115748; 4 Ob 179/01d). Es bedarf keines besonderen Maßes an Originalität bzw Individualität. Entscheidend ist vielmehr, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Lichtbild und Fotograf insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit aufgrund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel (zB Motiv, Beleuchtung, Perspektive bzw Blickwinkel, Bildausschnitt) zum Ausdruck gelangt (RS0115740). Als einfache Lichtbilder sind im Allgemeinen nur noch solche Fotografien anzusehen, bei denen es allein auf die einwandfreie Wiedergabe des Motivs ankommt und die jeder Fotograf im Großen und Ganzen gleich aufnehmen würde (vgl Tonninger in Kucsko/Handig, urheber.recht2§ 3 Rz 11 und 13). Besteht für die Aufgabe einer möglichst naturgetreuen Aufnahme eines Objekts ein ausreichender Spielraum für eine individuelle Gestaltung, so ist dem Lichtbild im Allgemeinen urheberrechtlicher Werkcharakter zuzubilligen (vgl 4 Ob 221/03h). Eine generelle Aussage darüber, ob der Abbildung von Maschinen Werkcharakter zukommt, ist nicht möglich.

2.2 Im Anlassfall wurde für die Aufnahme der Anlage eine Perspektive gewählt, die deren Anordnung in der Werkshalle zeigt und die Größenverhältnisse sichtbar macht. Für die zweite Abbildung wurde ein Blickwinkel gewählt, der ebenfalls einen räumlichen Eindruck entstehen lässt. Beide Lichtbilder weisen nach den angeführten Kriterien eine ausreichende Unterscheidbarkeit auf.

3.1 Richtig ist, dass Lichtbildwerke im Sinn des § 3 Abs 1 UrhG gleichzeitig auch Lichtbilder im Sinn des § 73 UrhG sind; sie genießen daher parallel zum urheberrechtlichen Schutz auch Leistungsschutz (RS0119011). Dies bedeutet, dass sich der Urheber eines Lichtbildwerks auch auf die Leistungsschutzrechte des § 74 UrhG berufen kann (RS0076243).

Der Urheberrechtsschutz steht dem Urheber, das Leistungsschutzrecht grundsätzlich ebenfalls dem Hersteller zu (§ 74 Abs 1 Satz 1 UrhG); bei – wie hier – gewerbsmäßig, also zu wirtschaftlichen Zwecken hergestellten Lichtbildern (RS0077094) gilt jedoch der Inhaber des Unternehmens als Hersteller (§ 74 Abs 1 Satz 2 UrhG). Er hat mit den vom Gesetz bestimmten Beschränkungen das ausschließliche Recht, das Lichtbild zu vervielfältigen, zu verbreiten, durch optische Einrichtungen öffentlich vorzuführen, durch Rundfunk zu senden oder der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

3.2 Im Anlassfall fallen Urheberrecht und Leistungsschutzrecht auseinander, weshalb sie (als Ausschließlichkeitsrechte) miteinander kollidieren. Ob in einem solchen Fall bei gewerbsmäßig hergestellten Lichtbildern das Leistungsschutzrecht des Unternehmers nicht entsteht (Noll, Lichtbildwerk und/oder einfaches Lichtbild, ÖBl 2003, 164; Tonninger in Kucsko/Handig, urheber.recht2§ 74 Rz 2; Guggenbichler, Rechtsdurchsetzung bei Fotografien, ip competence 2011, 38), oder ob § 74 Abs 1 Satz 2 UrhG analog zu § 38 UrhG als widerlegbare Vermutung dahin auszulegen ist, dass der Schöpfer dem Unternehmer die ausschließlichen Verwertungsrechte einräumt (vgl dazu auch Walter, Anm zu 4 Ob 115/04x in MR 2005, 25), muss hier nicht geklärt werden, weil der Klägerin jedenfalls das Werknutzungsrecht an den Lichtbildern und damit auch die Klagebefugnis zusteht.

4.1 Die Klägerin hat ausdrücklich vorgebracht, dass ihr Geschäftsführer die fraglichen Lichtbilder in ihrem Auftrag und Namen für ihr Unternehmen angefertigt hat. Die in dieser Hinsicht getroffenen Feststellungen sind keineswegs überschießend (vgl dazu RS0040318). Hinzu kommt, dass die Klage von der Gesellschaft eingebracht wurde; auch daraus ergibt sich die Willensübereinstimmung zwischen der Klägerin und ihrem die Gesellschaft vertretenden Geschäftsführer (als Urheber der Lichtbilder) zur Klagsführung durch die Gesellschaft. In dieser Situation ist von einer konkludenten Einräumung des Werknutzungsrechts (vgl dazu RS0035080) zugunsten der Klägerin auszugehen.

4.2 Dem steht die Entscheidung zu 4 Ob 47/06z nicht entgegen. Auch wenn für die schlüssige Behauptung eines Werknutzungsrechts im Bestreitungsfall grundsätzlich ein Tatsachenvorbringen zum Rechtserwerb erforderlich ist, hält diese Entscheidung zunächst fest, dass selbst über das Vorbringen hinausgehende Feststellungen zu beachten sind, sofern sie sich im Rahmen des Klagegrundes halten. Nur die bloße Rechtsbehauptung, über ein Werknutzungsrecht zu verfügen, reicht nicht aus. Darüber hinaus weist die Entscheidung auf im österreichischen Recht bestehende Vermutungen zur Reichweite der Rechteübertragung hin, die ein gesondertes Tatsachenvorbringen entbehrlich machen können. Nach dem hier – anders als im Fall zu 4 Ob 47/06z – unstrittig anzuwendenden österreichischen Recht besteht eine solche Vermutung bei Werken, die vom Dienstnehmer (vgl 4 Ob 23/15h) oder vom Auftragnehmer (RS0077654) geschaffen werden (vgl auch Walter, Anm zu 4 Ob 115/04x in MR 2005, 25).

5.1 Nach ihrem ausreichend klaren Vorbringen will die Klägerin dem Beklagten untersagen, die in Rede stehenden Lichtbilder online öffentlich zur Verfügung zu stellen. Auch wenn sie sich in rechtlicher Hinsicht fälschlich auf das Leistungsschutzrecht nach § 76 UrhG berufen hat, bezieht sie sich inhaltlich (auch) auf das in § 18a UrhG geregelte Zurverfügungstellungsrecht. Gegen dieses Verwertungsrecht verstößt derjenige, der unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einem Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert (RS0121495).

Da bei Urheberrechtsverletzungen auf jenes Verwertungsrecht abzustellen ist, das durch die konkrete Verletzungshandlung berührt wird (4 Ob 88/10k), war das Unterlassungsgebot an das Verwertungsrecht des § 18a UrhG anzupassen und entsprechend zu modifizieren. Dazu ist anerkannt, dass das Gericht dem Spruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende Fassung geben kann, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (RS0039357; RS0041254; 4 Ob 42/12y). Eine diesen Anforderungen genügende Neufassung kann auch von Amts wegen und im Rechtsmittelverfahren erfolgen (4 Ob 79/13s).

5.2 Nicht zu folgen ist auch dem Argument des Beklagten, der Geschäftsführer der Klägerin habe durch dessen „Like“ die Zustimmung zur fortdauernden Veröffentlichung der Lichtbilder auf dem LinkedIn-Account des Beklagten erteilt. Einem „Like“ zu einem Posting in einem sozialen Netzwerk (hier geht es noch dazu um dessen Nichtentfernung nach Beendigung des Vertragsverhältnisses) kann nicht die Bedeutung einer Willenserklärung beigemessen werden. Davon abgesehen macht die Klägerin eine Verletzung ihres Werknutzungsrechts geltend; auf eine Zustimmung der Klägerin beruft sich der Beklagte gar nicht.

5.3 Schließlich kann auch von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr keine Rede sein, zumal nicht einmal feststeht, dass der Beklagte die Lichtbilder zwischenzeitlich von seinem LinkedIn-Account entfernt hat.

6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Klägerin zumindest das Werknutzungsrecht an den in Rede stehenden Lichtbildern zusteht, weshalb sie zur Klagsführung legitimiert ist. Die Entscheidung des Rekursgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof damit nicht stand. In Stattgebung des Revisionsrekurses der Klägerin war die beantragte einstweilige Verfügung in der beschriebenen modifizierten Form (Eingriff in das Verwertungsrecht nach § 18a UrhG, zudem Befristung bis zur Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache) zu erlassen und insofern die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm § 40, 50 ZPO. Bei der geringfügigen Modifikation des Unterlassungsgebots handelt es sich um eine Anpassung an das Vorbringen der Klägerin und die Zielrichtung des Sicherungsbegehrens, die sich auf den Verfahrenserfolg nicht auswirkt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00226.19T.1219.000
Schlagworte:
LinkedIn - Schweißnahtfräsmaschine,

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