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OGH vom 24.01.2006, 4Ob226/05x

OGH vom 24.01.2006, 4Ob226/05x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rechtsschutzverband *****, vertreten durch Dr. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in Pregarten, gegen die beklagte Partei Walter R*****, vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach und andere Rechtsanwälte in Grieskirchen, und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin O***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen 4.709,01 EUR sA und Unterlassung (Streitwert 9.000 EUR), über die Revisionen des Beklagten und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 3 R 61/05v-30, mit dem das Zwischen- und Teilurteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 6 Cg 294/03x-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, dem Kläger 4.709,01 EUR samt 4 % Zinsen seit zu zahlen, und weiters es zu unterlassen, von Elisabeth S***** hergestellte Lichtbilder, insbesondere solche, welche am 5. und in der Diskothek „Bel" angefertigt wurden, an denen dem Kläger und/oder Elisabeth S***** die Urheber- und/oder Leistungsschutzrechte zukommen, ohne dafür über eine Werknutzungsbewilligung durch den Kläger oder Elisabeth S***** zu verfügen und/oder ohne die Fotografin Elisabeth S***** als Herstellerin zu bezeichnen, zu veröffentlichen, abgewiesen wird.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 4.636,38 EUR (darin 771,61 EUR Umsatzsteuer und 6,72 EUR Barauslagen) und der Nebenintervenientin die mit 4.572,90 EUR (darin 762,15 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Kläger ist weiters schuldig, dem Beklagten die mit 4.076,20 EUR (darin 361,20 EUR Umsatzsteuer und 1.909 EUR Barauslagen) und der Nebenintervenientin die mit 1.941,42 EUR (darin 323,57 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Nebenintervenientin betreibt eine Internetplattform, auf der regelmäßig Fotos von aktuellen Veranstaltungen in Oberösterreich veröffentlicht werden. Die Nebenintervenientin lässt die Fotos meist von Amateurfotografen (insbesondere Studenten) aufnehmen, denen sie dafür die Fotoausrüstung (eine Digitalkamera) zur Verfügung stellt. Kamera und Originalfotos (Originaldateien) folgen die Amateurfotografen nach Beendigung ihrer Tätigkeit wieder der Nebenintervenientin aus. Diese verfügt über sämtliche Rechte an den Fotos.

Gegen Ende des Jahres 2002 meldete sich eine selbstständige Fotografin bei der Nebenintervenientin, weil diese auf ihrer Website angegeben hatte, Partyfotografen zu suchen. Die Fotografin wurde für die Nebenintervenientin tätig, von ihr aber nicht als Dienstnehmerin angemeldet, da die Fotografin über einen eigenen Gewerbeschein verfügte. Die Fotografin verwendete stets ihre eigene Fotoausrüstung. Eine Mitarbeiterin der Nebenintervenientin erteilte ihr die Aufträge mündlich. Für ihre Arbeit erhielt sie ein Pauschalhonorar von 30 EUR zuzüglich Fahrtspesen. Die Fotos übermittelte sie per E-Mail in bereits für die Website der Nebenintervenientin geeigneter (verkleinerter) Form, und zwar ohne Herstellerbezeichnung. Die Originaldateien behielt sie zurück.

Die Mitarbeiterin der Nebenintervenientin war der Meinung, dass auch die Rechte an den von der Fotografin aufgenommenen Fotos der Nebenintervenientin zustünden, weil diese keinen entsprechenden Vorbehalt gemacht hatte. Es steht nicht fest, dass die Fotografin Mitarbeitern der Nebenintervenientin zugesagt hätte, sie räume dieser an den Fotos über die Verwendung auf der Website hinausgehende Rechte ein. Ebenso wenig steht fest, dass sich die Nebenintervenientin der Fotografin gegenüber verpflichtet hätte, die - ohne Herstellerbezeichnung übermittelten - Fotos mit Herstellerbezeichnung zu veröffentlichen.

Der Beklagte ist Kommanditist einer GmbH & Co KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin eine Diskothek betreibt. Mitte des Jahres 2000 traf die Betreiberin der Diskothek (bzw der Betreuer der Website „www.d*****") mit der Nebenintervenientin eine Vereinbarung, wonach Fotos von Veranstaltungen in der Diskothek, die auf die Website der Nebenintervenientin gestellt werden, für die Website der Diskothek verwendet werden dürfen. Als Gegenleistung wurde das Logo der Nebenintervenientin auf die Website der Diskothek gestellt. Die Nebenintervenientin klärte den Betreuer der Website nicht darüber auf, dass er die Fotos der Berufsfotografin nicht auf die Website der Diskothek stellen dürfe.

In der Nacht vom 5. auf den fand in der Diskothek die „Nacht der 1000 Rosen" statt. Die Berufsfotografin fertige im Auftrag der Nebenintervenientin eine Fotoreportage an. Sie verwendete ihre eigene Ausrüstung. 18 von ihr angefertigte und auf die Website der Nebenintervenientin gestellte Fotos waren in der Zeit vom 12. 1. bis Ende Jänner 2003 auch auf der Website der Diskothek aufrufbar; sie waren mit keiner Herstellerbezeichnung versehen.

Die Berufsfotografin übertrug dem Kläger die ihr an den Fotos zustehenden Rechte zur treuhändigen Wahrnehmung im eigenen Namen, jedoch in ihrem Interesse und für ihre Rechnung. Der Beklagte gab keine vorbehaltlose Erklärung ab, zur Aufnahme der Fotos in die Website der Diskothek nicht berechtigt gewesen zu sein; er erklärte sich auch nicht bereit, sich vorbehaltlos zur Unterlassung derartiger Aktivitäten in Zukunft zu verpflichten.

Der Kläger begehrt vom Beklagten 4.709,01 EUR und die Unterlassung der Veröffentlichung von von der Berufsfotografin hergestellten Lichtbildern, insbesondere jener, welche am 5. und in der Diskothek angefertigt wurden, an denen dem Kläger und/oder der Berufsfotografin die Urheber- und/oder Leistungsschutzrechte zukommen, ohne dafür über eine Werknutzungsbewilligung durch den Kläger oder die Berufsfotografin zu verfügen und/oder ohne die Berufsfotografin als Herstellerin zu bezeichnen. Der Beklagte habe durch Verwendung der 18 Fotos ohne Herstellerbezeichnung widerrechtlich in die Urheber- und Leistungsschutzrechte der Berufsfotografin eingegriffen; jedenfalls sei er für den Inhalt der Website verantwortlich. Das Verhalten des Betreuers der Website sei ihm zuzurechnen.

Der Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Der Beklagte sei weder Betreiber der Website noch an deren Gestaltung beteiligt. Die Fotos der Berufsfotografin seien irrtümlich verwendet worden. Weder der Betreiberin der Diskothek noch dem Betreuer der Website sei bekannt gewesen, dass die Nebenintervenientin entgegen der üblichen Praxis eine Berufsfotografin entsandt hatte. Als dies bekannt geworden sei, seien die Fotos sofort von der Website genommen worden.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren dem Grunde nach und dem Unterlassungsbegehren zur Gänze statt. Ergänzend zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hielt es fest, der Beklagte sei „Inhaber dieser Homepage". Die Urheber- und Leistungsschutzrechte an den Fotos seien der Berufsfotografin zugestanden, die Nebenintervenientin habe lediglich über eine Werknutzungsbewilligung verfügt, die Fotos auf der eigenen Homepage zu verwenden. Sie habe daher auch dem Beklagten keine Rechte an den Fotos übertragen können. Dieser habe als Inhaber der Homepage die unberechtigte Verwendung der Fotos zu verantworten und sei daher passiv legitimiert, auch wenn der Auslöser für sein rechtswidriges Verhalten bei der Nebenintervenientin gelegen sei. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und dass die ordentliche Revision zulässig sei; zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Inhaber einer Homepage als Unternehmer im Sinne der §§ 81, 88 UrhG für urheberrechtswidriges Verhalten des Gestalters der Homepage einzustehen habe, bestehe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Die Verwendung von Lichtbildern auf einer Homepage sei eine dem Urheber vorbehaltene Vervielfältigung und Verbreitung. Im Urheberrecht gebe es keinen Gutglaubenserwerb vom Nichtberechtigten; sowohl der Unterlassungsanspruch als auch der Anspruch auf angemessenes Entgelt wegen Verletzung von Lichtbildrechten seien verschuldensunabhängig. Täter sei derjenige, von dem die Beeinträchtigung der Urheberrechte ausgehe und auf dessen maßgeblichem Willen sie beruhe. Auch wenn der Beklagte den Gesetzesverstoß nicht selbst begangen habe, sei er passiv legitimiert, weil er als Inhaber der Homepage der Diskothek in sinngemäßer Anwendung der § 81 Abs 1 Satz 2, § 88 Abs 1 UrhG für die Verletzungshandlungen des Betreuers der Homepage einzustehen habe; dieser sei als „Beauftragter" im „Betrieb" des „Unternehmens" des Beklagten anzusehen. Andernfalls bestünde ein Rechtsschutzdefizit, weil der durch den Inhalt einer Homepage in seinen Rechten Verletzte durch eine Anfrage bei der Registrierungsstelle lediglich den Inhaber der Homepage eruieren könne. Es sei auch Wiederholungsgefahr anzunehmen, weil der Beklagte „bis zuletzt" mangelnde Passivlegitimation, Miturheberschaft der Betreiberin der Diskothek an den Fotos und widerrechtliche Erlangung der Fotos durch die Berufsfotografin behauptet habe.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentlichen Revisionen des Beklagten und der Nebenintervenientin sind zulässig und berechtigt.

Die Revisionswerber bekämpfen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Inhaber einer Homepage sei Unternehmer im Sinne der §§ 81, 88 UrhG. Eine Homepage sei kein Unternehmen; sie werde auch nicht vom Beklagten, sondern von der Betreiberin der Diskothek betrieben. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist der Beklagte „Inhaber dieser Homepage" (AS 204). Die Feststellung stützt sich auf eine Auskunft der Registrierungsstelle über die Domain „d*****.at", in der unter „name" der Name des Beklagten und unter „organization" die GmbH & Co KG angeführt sind (./D). Die Feststellung stützt sich weiters auf die Aussage des Betreuers der Website. Dieser hat angegeben, dass Domaininhaber der Beklagte sei (AS 63). Gleiches ergibt sich auch aus dem - ebenfalls als Nachweis angeführten - Akt 6 Cg 98/03y. An beiden auf AS 204 genannten Stellen (AS 23, 30) wird angegeben, dass der Beklagte Inhaber der Domain sei.

Die Feststellung, wonach der Beklagte „Inhaber dieser Homepage" sei, ist daher dahin zu verstehen, dass der Beklagte Inhaber der Domain ist, unter der die Website betrieben wird. Er ist weder Gestalter der Website noch Inhaber der Diskothek, über die auf der Website informiert wird, sondern nur Inhaber der Domain.

Die Domain ist mit der Website nicht gleichzusetzen. Während unter „Website" eine Webpräsenz zu verstehen ist, bezeichnet Domain einen zusammenhängenden Teilbereich des hierarchischen DNS-Namensraums (s 4

Ob 158/00i = ÖBl 2001, 26 - gewinn.at mwN). Die Domain dient daher

dazu, eine Webpräsenz (= Website) aufzurufen; die Website wiederum

wird auch als „Homepage" bezeichnet, wobei „Homepage" streng genommen nur die Startseite der Website bezeichnet (vgl Ciresa, Rechtsberatung Internet [2001] Reg 5, Kap 1, 1 f).

Damit stellt sich die Frage, ob der Inhaber der Domain für Rechtsverletzungen haftet, die Dritte auf der Website begehen. Eine Website ist nach § 1 Abs 1 Z 5a MedG idF Mediengesetz-Novelle 2005 BGBl I 2005/49 ein „periodisches elektronisches Medium". Vor Inkrafttreten der Mediengesetz-Novelle 2005 wurden Websites (Homepages) als Medium im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 MedienG aufgefasst (Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz Praxiskommetnar [2002] § 1 Rz 50; s auch Brandstetter/Schmid, Kommentar zum Mediengesetz² [1999] § 1 Rz 16; Hanusch, Kommentar zum Mediengesetz [1998] § 1 Rz 7) und damit ebenfalls dem Mediengesetz unterstellt.

Das Mediengesetz regelt (ua) die Haftung für Medieninhaltsdelikte. Ein Medieninhaltsdelikt ist eine durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht (§ 1 Abs 1 Z 12 MedG). Die Haftung trifft den Medieninhaber (§§ 6 ff MedG); Medieninhaber ist, (ua) wer im Fall eines elektronischen Mediums dessen inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst (§ 1 Abs 1 Z 8 lit c MedG). Voraussetzung für die Haftung als Medieninhaber ist immer die Beteiligung an der inhaltlichen Gestaltung; das gilt auch für den elektronischen Bereich (Litzka/Strebinger, MedienG5 § 1 Rz 17 mwN). Diese Auffassung wurde für elektronische Medien auch schon vor Inkrafttreten der Mediengesetz-Novelle 2005 vertreten und derjenige als Medieninhaber verstanden, „dem die inhaltliche und redaktionelle Letztverantwortung für über das Netz verbreitete Inhalte zukommt; in aller Regel kann dies nur jene Person sein, die die inhaltliche Gestaltung der entsprechenden Web-Seite vornimmt" (Berka/Höhne/Noll/Polley aaO 42). Die Grundsätze für die Verantwortung nach dem Mediengesetz gelten auch für die zivilrechtliche Haftung (s 4 Ob 4/02w = MR 2002, 172 - 107,5 gewinnt, Antenne verliert). Ebenso wie daher für Wettbewerbsverstöße oder Urheberrechtsverletzungen in Zeitungen der jeweilige Medieninhaber haftet, muss dies auch für Rechtsverletzungen in Websites gelten. Die Haftung trifft denjenigen, der die Website inhaltlich gestaltet und deren Abrufbarkeit besorgt oder veranlasst. Das ist im vorliegenden Fall nicht der Beklagte. Die Feststellung, er sei „Inhaber dieser Homepage" ist, wie oben dargelegt, dahin zu verstehen, dass er Inhaber der Domain ist, unter der die Website abgerufen werden kann. Als (bloßen) Inhaber der Domain trifft ihn keine Haftung für Rechtsverletzungen, die durch den Inhalt der Website begangen werden.

Ein Rechtsschutzdefizit ist dadurch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - (jedenfalls) seit Inkrafttreten der Mediengesetz-Novelle 2005 nicht zu befürchten, weil die Impressumspflicht nicht mehr an das Vorliegen eines „Medienwerks" gebunden ist. Gemäß § 24 Abs 3 MedG sind in jedem wiederkehrenden elektronischen Medium der Name oder die Firma sowie die Anschrift des Medieninhabers und des Herausgebers anzugeben; die - durch die Androhung einer Verwaltungsstrafe abgesicherte (§ 27 Abs 1 Z 1 MedG) - Pflicht zur Veröffentlichung des Impressums trifft den Medieninhaber (§ 24 Abs 4 MedG). Damit ist sichergestellt, dass der durch den Inhalt einer Website in seinen Rechten Verletzte ohne großen Aufwand feststellen kann, gegen wen er seine Ansprüche zu richten hat.

Den Revisionen war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beiden „Bekanntgabe"-Schriftsätze des Beklagten im Verfahren erster Instanz waren lediglich nach TP 1 RATG zu honorieren, ein Schriftsatz der Nebenintervenientin vom erliegt im Akt nicht und war daher auch nicht zu honorieren. Weder der Nebenintervenientin noch dem Beklagten steht ein Streitgenossenzuschlag nach § 15 RATG zu, weil sie nicht mehreren Personen gegenüberstanden. Die Pauschalgebühren in zweiter und dritter Instanz waren vom Beklagten zu tragen, der Nebenintervenientin steht ein Ersatzanspruch dafür somit nicht zu.