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OGH vom 21.10.1999, 6Ob212/99s

OGH vom 21.10.1999, 6Ob212/99s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landes- als Handelsgerichtes Innsbruck zu FN 41839d eingetragenen E***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Arzl, über den Revisionsrekurs des Geschäftsführers Gerhard S*****, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 98/99g (50 Fr 7570/98x)-12, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgericht Innsbruck vom , GZ 50 Fr 7570/98x-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In der seit 1972 im Handelsregister (jetzt Firmenbuch) eingetragenen Gesellschaft mbH besteht die kollektive Vertretungsbefugnis zweier Geschäftsführer. Seit dem EU-Ges RÄG 1996 sind auch kleine Gesellschaften (§ 221 Abs 1 HGB) offenlegungspflichtig. Die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft müssen gemäß den §§ 277 f HGB die Bilanz und den Anhang einreichen. Die Einreichung hätte hier durch zwei Geschäftsführer erfolgen müssen, was nicht geschah und ein Verfahren zur Verhängung einer Zwangsstrafe auslöste.

Das Rekursgericht hat den entscheidungswesentlichen Sachverhalt wie folgt dargestellt:

"Der Rekurswerber Gerhard S***** ist seit dem mit einem weiteren Geschäftsführer gemeinsam vertretungsbefugter Geschäftsführer der 1972 gegründeten und nunmehr im Firmenbuch zu FN 41839d (= früher HRB 2071 des beim Erstgericht geführten Handelsregisters) eingetragenen E*****, Gesellschaft mbH. Als Stichtag für den Jahresabschluss ist im Firmenbuch der 31. Oktober eingetragen. Ab dem war Adolf U***** als weiterer - gleichfalls nur gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer vertretungsbefugter - Geschäftsführer der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen. Obwohl dieser bereits 1995 als Geschäftsführer wiederum zurückgetreten ist, wurde er erst mit Beschluss der Generalversammlung vom seiner Funktion enthoben, wobei zugleich an seiner Stelle Manfred K***** zum - gleichfalls nur mit einem weiteren Geschäftsführer vertretungsbefugten - Geschäftsführer bestellt wurde, welche Änderungen der Geschäftsführung am in das Firmenbuch eingetragen wurden.

Die gemäß den Bestimmungen der §§ 277 ff HGB hinsichtlich des mit dem abgelaufenen Geschäftsjahres offenzulegenden Unterlagen haben die Geschäftsführer bis zum dem Erstgericht als zuständigem Firmenbuchgericht nicht vorgelegt. Erst am hat der nunmehrige Rekurswerber Gerhard S***** beim Erstgericht eine Bilanz zum samt Anhang sowie eine Bekanntgabe der Größenmerkmale im Sinne des § 221 HGB mit dem Antrag eingereicht, die Einreichung des zugleich vorgelegten Jahresabschlusses im Firmenbuch einzutragen (ON 1). Vor einer Erledigung dieses Gesuches hat das Erstgericht mit Schreiben vom (ON 2) den nunmehrigen Rekurswerber darauf hingewiesen, dass die Einreichung der offenzulegenden Unterlagen durch die Geschäftsführer in vertretungsbefugter Anzahl zu erfolgen habe; auch sei im Anhang zur Bilanz als Geschäftsführer nur Gerhard S***** angeführt. Zugleich hat das Erstgericht die für die Gesellschaft einschreitende Steuerberatungsgesellschaft aufgefordert, die Mängel der Einreichung binnen vier Wochen zu beheben; die Einreichung habe durch die Geschäftsführer in vertretungsbefugter Anzahl zu erfolgen; die Bilanz und der Anhang seien von allen Geschäftsführern zu unterfertigen und sei der Anhang hinsichtlich der Angaben über die Geschäftsführung um den weiteren Geschäftsführer Adolf U***** zu ergänzen (ON 2). Mit dem Hinweis auf eine innerhalb der nächsten Wochen zu erwartende Änderung der Geschäftsführung hat die für die Gesellschaft einschreitende Steuerberatungsgesellschaft hierauf beim Erstgericht um eine Fristverlängerung angesucht, worauf das Erstgericht die Sache zunächst bis zum kalendiert hat. Am ist beim Erstgericht eine lediglich von Manfred K*****, welcher erst später zum Geschäftsführer bestellt wurde, unterfertigte Bilanz zum eingelangt (ON 4). In weiterer Folge hat das Erstgericht mit Beschluss vom Gerhard S***** und Adolf U***** als Geschäftsführer der Gesellschaft aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen die gemäß den §§ 277 bis 279 HGB offenzulegenden Unterlagen sowie das Formblatt zur Einordnung in die Größenklassen gemäß § 221 HGB zum Bilanzstichtag zum Firmenbuch einzureichen, widrigenfalls über jeden Geschäftsführer eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt werden müsste (ON 5). Die Begründung dieser Aufforderung enthielt neben dem Hinweis auf den bisherigen Gang der Sache auch eine ausführliche Belehrung der sich aus den Bestimmungen der §§ 277 ff HGB für Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH ergebenden wesentlichen Rechtsfolgen (ON 5). Innerhalb der vom Erstgericht gesetzten Frist hat Adolf U***** dem Erstgericht mitgeteilt, dass er seit dem Jahr 1995 nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft sei (ON 6). Überdies hat - gleichfalls noch innerhalb der vom Erstgericht gesetzten Frist - ein für die Geschäftsführer einschreitender öffentlicher Notar - ohne Angabe irgendwelcher Gründe - um die Verlängerung der Frist bis zum ersucht, welche vom Erstgericht tatsächlich gewährt wurde (ON 7)".

Das Erstgericht verhängte über den Geschäftsführer Gerhard S***** eine Zwangsstrafe von 10.000 S (P 1.) und forderte (mit P 2.) den zweiten Geschäftsführer auf, binnen zwei Wochen die entsprechenden Unterlagen gemäß §§ 277 - 279 HGB sowie das Formblatt zur Einordnung in die Größenklassen gemäß § 221 HGB zum Bilanzstichtag zum Firmenbuch einzureichen, widrigenfalls über ihn eine Zwangsstrafe von 10.000 S verhängt werden müsste. Die Einreichung und Unterfertigung sämtlicher Unterlagen habe durch die beiden im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer zu erfolgen. Die Geschäftsführer seien ihrer Verpflichtung gemäß den §§ 277 - 279 HGB nicht nachgekommen. Der Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes sei erfolglos geblieben. In seiner weiteren Beschlussbegründung drohte das Erstgericht den Geschäftsführern eine weitere Zwangsstrafe an.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Geschäftsführers, über den eine Zwangsstrafe verhängt wurde, nicht statt. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, dass auch kleine Gesellschaften mbH offenlegungspflichtig seien. Die Gesellschaften müssten spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag ihren Jahresabschluss zum Firmenbuch einreichen. Die Durchsetzung der Offenlegungsvorschriften sei gemäß § 283 HGB mittels Zwangsstrafen abgesichert. Diese seien auch von Amts wegen zu verhängen. Damit sollten die Befolgung der gesetzlichen Bestimmungen erreicht und künftige Verstöße hintangehalten werden. Das Erstgericht habe hier zu Recht eine Zwangsstrafe verhängt. Auch die Höhe sei nicht zu beanstanden. In seinem Versuch einer Entschuldigung übergehe der Rechtsmittelwerber, dass bereits am der zweite (die Mitwirkung verweigernde) Geschäftsführer abberufen und ein neuer Geschäftsführer bestellt worden sei. Der Rekurswerber nenne keine besonderen Gründe, warum die Säumnis bis zur Entscheidung des Erstgerichtes am angedauert habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine vom Firmenbuchgericht in Anwendung des § 283 Abs 1 HGB zu Recht verhängte Zwangsstrafe vom Rekursgericht nachgesehen werden könne.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Geschäftsführer die Abänderung dahin, dass die "verhängte Zwangsstrafe aufgehoben bzw nachgesehen werde".

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes unzulässig.

Das primäre Argument des Rekurswerbers geht dahin, dass eine verhängte Zwangsstrafe als entbehrlich anzusehen sei, wenn der verfolgte Zweck, also das abverlangte gesetzmäßige Verhalten, erreicht worden sei. Damit wird der Strafcharakter der Zwangsstrafe geleugnet und diese auf ein bloßes Beugemittel reduziert, das nach Erreichen des Zwecks nicht mehr vollzogen werden dürfe. Im Gesetz ist ein besonderes "Nachsichtsverfahren" anders als bei manchen Ordnungsstrafen (vgl zur Nachsicht einer über einen Zeugen verhängten Ordnungsstrafe § 333 ZPO) nicht geregelt. Nach der ZPO kommt eine nachträgliche Aufhebung einer verhängten Geldstrafe nur in den gesetzlich geregelten Fällen in Frage, nach der oberstgerichtlichen Judikatur auch nicht eine gnadenweise (Gitschthaler in Rechberger, ZPO Rz 8 zu § 220 mwN). Im vorliegenden Fall sollte das gebotene kollektive Einschreiten der beiden Geschäftsführer, also eine anders nicht erreichbare Geschäftsführerhandlung, somit eine unvertretbare Handlung erzwungen werden. Der Sachverhalt gleicht einer Exekutionsführung nach den §§ 354 f EO. Dort wird seit der Entscheidung 3 Ob 12/93 = ecolex 1993, 686 (zustimmende Entscheidungsbesprechung von Oberhammer in RdW 1994, 10) in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die nach den §§ 354 f EO verhängte Strafen auch repressiven, also Strafcharakter haben (SZ 68/83; 3 Ob 92/98w mwN), was der erkennende Senat auch schon für das außerstreitige Verfahren ausgesprochen hat (6 Ob 9/94 = NZ 1994, 282). Dort ging es um die Zwangsstrafenhaftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft mbH zur Erzwingung der Angabepflicht nach § 14 Abs 1 HGB. Die tragende Begründung für die Bejahung des Strafcharakters liegt in der Erwägung, dass eine Beugestrafe zwar keine Kriminalstrafe, aber dennoch auch nach Erreichen des verfolgten Zwecks zu vollziehen ist, weil andernfalls die Strafdrohung keinen psychologischen Druck ausüben könnte und eine leere Drohung darstellte, wenn der Verpflichtete jederzeit mit einer Nachsicht rechnen könnte, wenn er nur das Versäumte nachholt. Einer neuerlichen Befassung mit diesem Thema bedarf es hier aber schon aus dem Grund nicht, weil das erst zeitgleich mit dem Rekurs an die zweite Instanz gesetzte Verhalten der beiden Geschäftsführer schon wegen des im Rekursverfahren herrschenden Neuerungsverbotes nicht releviert werden kann. Der Strafbeschluss ist auf der Sachverhaltsgrundlage der Entscheidung erster Instanz zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse unterliegen nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 2207/96v mwN uva). Damit ist die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage hier nicht entscheidungswesentlich.

Das zweite Argument des Revisionsrekurswerbers besteht in der Wiederholung seiner Behauptung, ihm sei die Einreichung der in den §§ 277 ff HGB genannten Unterlagen wegen der Verweigerung des zweiten Geschäftsführers unmöglich gewesen. Damit kann zwar eine Säumnis bis zu der Abberufung des zweiten Geschäftsführers und der Bestellung eines neuen Geschäftsführers erklärt werden, nicht aber - worauf das Rekursgericht zutreffend verwies - die monatelange weitere Untätigkeit bis zur Verhängung der Zwangsstrafe und darüber hinaus bis zur Erhebung des Rekurses an die zweite Instanz. Relevante Gründe, warum die abverlangte kollektive Einreichung nicht unverzüglich nach der Bestellung eines neuen Geschäftsführers vorgenommen wurde, werden im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt. Das Rechtsmittel ist mangels erheblicher Rechtsfragen als unzulässig zurückzuweisen.