OGH vom 11.08.2015, 4Ob134/15g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Piaty Müller Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Bruzek und Dr. Hubertus Bruzek, Rechtsanwälte in Elsbethen, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 76/15z, 1 R 77/15x 27, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Trägerin der Klinik St. B ***** und betreibt dort eine Krankenanstalt, ein modernes Kur und Rehabilitationszentrum, ein Gesundheitshotel und eine Heiltherme. Der Beklagte ist Facharzt für Augenheilkunde und betreibt am gleichen Standort eine Ordination, die er „Augenklinik B ***** “ bzw „Klinik B ***** “ bezeichnet und unter anderem auf den Websites www.klinikb*****.at und www.klinikb*****.ch entsprechend bewirbt.
Mit einstweiliger Verfügung verboten die Vorinstanzen dem Beklagten, bei seiner augenärztlichen Tätigkeit Begriffe wie „Augenklinik“ oder „Klinik“ zu führen oder zu verwenden, sofern er dafür nicht über eine Bewilligung als Krankenanstalt verfügt. Den Entscheidungen liegt die Rechtsansicht zugrunde, dass der Beklagte die Bezeichnung „Klinik“ in irreführender Weise verwende. Der Begriff „Klinik“ deute nicht auf eine fachärztliche Ordination, sondern auf eine Krankenanstalt hin. Der Begriff sei zwar nicht gesetzlich definiert, die angesprochenen Verkehrskreise erwarteten aber bei diesem Wort eine einem Krankenhaus vergleichbare Einrichtung.
Rechtliche Beurteilung
Der Beklagte vermag in seinem außerordentlichen Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
1. Wie die angesprochenen Kreise eine Angabe oder Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS Justiz RS0107771; RS0043000; RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar ist (RIS Justiz RS0107768).
2. Bei der Rechtsansicht der Vorinstanzen handelt es sich jedenfalls nicht um eine krasse Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS Justiz RS0107771; RS0043000 [T7]). Die angefochtene Entscheidung hält sich vielmehr im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 2 UWG. Danach müssen Angaben, die sich auf Eigenschaften eines Unternehmens oder eines Unternehmensinhabers beziehen oder Schlüsse darauf zulassen, mit der Wirklichkeit übereinstimmen (RIS Justiz RS0117607 [T1]).
3. Was unter der Bezeichnung „Klinik“ zu verstehen ist, kann aufgrund der Erfahrungssätze des täglichen Lebens beurteilt werden und ist daher eine Rechtsfrage (4 Ob 18/93 Yellow Press; vgl auch RIS Justiz RS0043590 [T22, T 27, T 34, T 37]; RS0043658; RS0043518 [T3]; RS0040648). Die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, der durchschnittliche Patient verbinde mit einer „Klinik“ ein Krankenhaus oder eine Bettenstation (vgl in diesem Sinn auch BGH I ZR 103/94 GRUR 1996, 802 Klinik), bedarf keiner Korrektur.
4. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den vom Beklagten zum Begriff „Klinik“ angeführten Entscheidungen. In der Entscheidung 4 Ob 304/75 war die Bedeutung des Adjektivs „klinisch“ zu beurteilen, das einen anderen Bedeutungsgehalt als „Klinik“ hat. In der Entscheidung 4 Ob 122/93 war das dem Beklagten vom Erstgericht auferlegte Verbot, den Begriff „zahnärztliche Tagesklinik“ zu verwenden, nicht mehr Gegenstand des drittinstanzlichen Verfahrens.
5.1 Eine krasse Fehlbeurteilung kann auch nicht auf einen angeblichen Bedeutungswandel des Begriffs „Klinik“ gestützt werden, zumal auch in jüngster Zeit die Ansicht weit verbreitet ist, dass bei einer Klinik die stationäre Behandlung des Patienten im Gegensatz zu einer lediglich ambulanten Behandlung als wesentliches Element im Vordergrund steht (vgl Bornkamm in Köhler/Bornkamm [2015] § 5 UWG Rz 5.30 mwN; Sosnitza in Ohly/Sosnitza , UWG 6 [2014] § 5 Rz 621; Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig UWG 3 [2013] § 5 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Rz 14 mwN; OLG Düsseldorf BeckRS 2009, 04329; OLG München WRP 2015, 642).
5.2 Im vorliegenden Fall wird die gedankliche Verbindung zu einer Krankenanstalt auch dadurch verstärkt, dass die Ordination des Beklagten in enger räumlicher Nahebeziehung zum Krankenhaus der Klägerin steht und der Beklagte im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der klagenden Partei von 1989 bis 2014 dort auch als Leiter einer Bettenstation mit der Bezeichnung „Augenklinik“ tätig war.
5.3 Die Annahme der Vorinstanzen, dass der Begriff „Klinik“ auch bei einem Zusatz (hier: „Augenklinik“) irreführend sein kann, bedarf schon wegen dieser stark vom Einzelfall geprägten Umstände keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00134.15G.0811.000